Midnight Express

Midnight ExpressMidnight Express - 12 Uhr Nachts

Der junge Amerikaner William Hayes wird nach dem Versuch, ein paar hundert Gramm Haschisch aus Istanbul zu schmuggeln, in einem fragwürdigen Strafverfahren zu dreißig Jahren Gefängnis verurteilt. Hinter türkischen Gardinen erwartet den bis dato behüteten Studenten eine Hölle aus Korruption und unkontrollierter Gewalt, in der die miserablen hygienischen Bedingungen noch den angenehmsten Nachteil darstellen. Erst nach fünf Jahren und zahlreichen abgelehnten Revisionen gelingt ihm, mehr durch Zufall als durch Planung, die Flucht.


Es ist wohl keineswegs übertrieben, wenn man diesen auf einer wahren Begebenheit beruhenden Film zu den Klassikern der Filmgeschichte zählt, bekommt der Zuschauer doch ein mitreißendes und unter die Haut gehendes Drama geboten, das insbesondere durch seine authentisch erscheinende Umsetzung einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Die aufwühlende Geschichte des William Hayes, der sich durch Haschisch-Schmuggel lediglich einige Dollar verschaffen wollte, dabei allerdings nicht mit der Härte der türkischen Gerichte gerechnet hat, zeichnet ein Schreckensszenario, das an Intensität schwerlich zu überbieten ist. Diese Intensität zeichnet sich aber nicht unbedingt durch einen künstlich aufgepuschten Härtegrad aus, der durch explizite Gewaltdarstellungen Angst und Schrecken verbreitet, sondern vielmehr durch die in einem türkischen Gefängnis vorrherschende Lebenssituation der Gefangenen. Dabei spottet der Begriff Lebenssituation eigentlich jeder Beschreibung, handelt es sich doch viel eher um vollkommen menschenunwürdige Verhältnisse, die man mit eigenen Augen gesehen haben muss, da man es ansonsten kaum glauben würde.

Regisseur Alan Parker vermittelt dabei einen äußerst glaubhaften Eindruck, wie es in einem osmanischen Kerker in den 70er Jahren ausgesehen haben muss und dieser Eindruck ist absolut schockierend, so dass beim Betrachter ein starkes Gefühl der Ungläubigkeit ausgelöst wird. Man kann sich wirklich kaum vorstellen, das Menschen hier praktisch wie Vieh gehalten werden und dabei hygienischen Verhältnissen ausgesetzt sind, bei deren Anblick einem wirklich ganz anders wird. Vollkommen verdreckte Sammelräume für die Gefangenen, in denen man in verlausten Schlafplätzen vielmehr vor sich hin vegetiert, als dass man zu einem geruhsamen Schlaf kommen könnte und sanitäre Anlagen, die im Prinzip gar keine sind. Das sind die Lebensumstände der Inhaftierten, die zudem auch immer wieder mit der Härte und Brutalität der Aufsichtspersonen konfrontiert werden. Dabei kristalliert sich iin erster Linie der Oberaufseher als Sadist heraus, dem es eine riesige Freude bereitet, die Insassen körperlich zu züchtigen. Eine Spezialität des Hauses scheint dabei das Schlagen auf die nackten Fußsohlen der Menschen zu sein, bis die Füße in bedrohlicher Art und Weise anschwellen. Diese Folter-Methode wird auch öfter im Bild gezeigt und allein bei den Schmerzensschreien der Betroffenen zuckt man ganz unwillkürlich zusammen.

Auch Billy muss diese Prozedur gleich zu Beginn seiner Inhaftierung über sich ergehen lassen, kann sich aber im Laufe der Zeit sogar mit den unglaublichen Zuständen im Gefängnis arrangieren, hat er doch das Ziel vor Augen, das er nach 50 Monaten Haft entlassen werden soll. So beteiligt er sich auch an keinerlei Fluchtversuchen, sondern versucht vielmehr durch gute Führung positiv aufzufallen, um eventuell sogar früher die Freiheit zurückzubekommen. So klammert er sich an jeden Strohhalm und lässt sich auch nicht durch die größten Demütigungen aus der Spur bringen, bis letztendlich 53 Tage vor seiner Entlassung jegliche Hoffnung zerstört wird. Da die türkische Regierung ein Exempel statuieren will, wird seine Strafe in einen 30-jährigen Gefängnisaufenthalt umgewandelt, was den jungen Mann innerlich kurzzeitig vollkommen zerbrechen lässt. Gerade in dieser Phase der Geschichte kommt das herausragende Schauspiel von Brad Davis besonders gut zum Vorschein, der insbesondere durch seine brilliante Mimik einen mehr als authentischen Eindruck über einen seelisch gebrochenen Mann vermittelt, der kurzzeitig jegliche Hoffnung verliert, jemals wieder in Freiheit zu gelangen. Ganz generell sollte man anmerken, dass "Midnight Express" bis in die kleinste Nebenrollen absolut perfekt besetzt ist, was sicherlich der erste Grund sein dürfte, dass die Geschichte eine so ungeheure Intensität entwickeln kann, die den Zuschauer wie eine zweite Haut einhüllt und ihn die Ereignisse fast körperlich spüren lässt.

Man kann es kaum für möglich halten, dass die Ereignisse für Billy letztendlich doch noch eine glückliche Wendung nehmen, wobei ihm allerdings auch Gevatter Zufall in die Karten spielt. Denn nachdem sich der junge Mann von seinem seelischen Zusammenbruch wieder etwas erholt hat, erwacht gleichzeitig der Kampfeswille in ihm und er setzt alles auf eine Karte. Es gibt nur noch die Entscheidung zwischen Freiheit und Tod, denn Billy weiß ganz genau, dass er die zusätzlichen Jahre in Haft weder physisch noch psychisch aushalten kann. Als Zuschauer fiebert man wirklich die ganze Zeit über mit dem Haupt-Charakter mit, der trotz seiner Straftat unglaublich symphatisch erscheint und sein Handeln auch wirklich bereut. Doch selbt wenn dem nicht so wäre, wünscht man doch selbst seinem schlimmsten Feind keine Gefängnisstrafe unter den hier dargestellten Verhältnissen, die wirklich jeder Beschreibung spotten und zusätzlich eine unglaublich starke Wut beim Zuschauer auslösen, da hier sämtliche Menschenrechte vollkommen außer Kraft gesetzt werden. Es scheint keinerlei Kontrollorgane zu geben, die sich einen Überblick über die vorherrschende Situation machen und  die Aufsichtspersonen können ihrer puren Willkür frönen. Es gibt  einfach keinerlei Personen, die sie einmal in ihre Schranken weisen.

Man hat ganz sicher schon eine Menge über Verhältnisse und Lebensbedingungen in türkischen Gefängnissen gehört, doch das hier dargestellte Szenario übertrifft  alles, was man sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hat. Dennoch zweifelt man in keiner Phase an der Glaubwürdigkeit der Bilder, die einen mit einer unglaublichen Schockwirkung treffen, die gleichzeitig ein stark verstörendes Gefühl freisetzt, das sich unauslöschbar im Kopf des Zuschauers einbrennt. Alan Parker hat hier wirklich alles richtig gemacht und mit "Midnight Express" einen extrem kraftvollen Film geschaffen, den man nicht so schnell vergisst und der auch nach mittlerweile über dreißig Jahren überhaupt nichts von seiner Faszination und seiner schockierenden Wirkung verloren hat. In meinen Augen handelt es sich um ein wahres filmisches Meisterwerk, wie man es wahrlich nicht jeden Tag zu Gesicht bekommt.


Fazit: Dieses eindrucksvolle Werk hat die Bezeichnung Drama wirklich verdient und versprüht dabei eine fast schon erschreckende Authenzität der Ereignisse, so dass man phasenweise den Eindruck bekommt, sich in einer extrem brutalen Reportage über das Leben in einem türkischen Gefängnis zu befinden. Nur selten überkommt einen dabei das Gefühl, es lediglich mit einem Spielfilm zu tun zu haben. Zu realistisch und grausam erscheinen die kraftvollen Bilder, die einen mit der Wucht eines Keulenschlages mitten in die Eingeweide treffen. Ein brilliantes Darsteller-Ensemble und eine unglaublich verstörende Atmosphäre machen dieses Meisterwerk zu einem ganz besonderen Filmerlebnis, von dem man sich nach seiner Ansicht erst einmal wieder erholen muss.



Informationen zum Film

Originaltitel: Midnight Express
Darsteller: Brad Davis, Irene Miracle, Bo Hopkins, Paolo Bonacelli, Paul L. Smith, Randy Quaid, Norbert Weisser, John Hurt, Mike Kellin, Franco Diogene, Michael Ensign, Gigi Ballista, Kevork Malikyan, Peter Jeffrey, Joe Zammit Cordina
Regie: Alan Parker
Drehbuch: Billy Hayes / William Hoffer
Kamera: Michael Seresin
Musik: Giorgio Moroder
FSK 16
Großbritannien / USA / 1978


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