Noch einmal von vorne - »Eine geschiedene Frau«
Noch einmal von vorne
»Eine geschiedene Frau«
Ein Besetzungscoup war Claus Peter Witt gelungen, indem er Publikumsliebling und „Mutter der Nation“ Inge Meysel in der Hauptrolle der Miniserie besetzte. Bislang war die Meysel stets die Sauberfrau des deutschen Fernsehens gewesen, ein wahres Arbeitstier und eine Familienmutter, die mit allen gut zurechtkam. Dieses Image hatte sie sich mit Serien wie „Die Unverbesserlichen“, „Gertrud Stranitzki“ oder „Ida Rogalski“ aufgebaut. Im Prinzip ist ihre Figur in „Eine geschiedene Frau“ ganz ähnlich gelagert, auch hier spielt die Meysel eine gestandene, nicht auf den Mund gefallene Frau in besten Jahren, die erfolgreich zwei Kinder großgezogen hat. Nur die Beziehung zum Ehegatten stimmt nicht mehr, weswegen sich die beiden eines Tages vor dem Scheidungsrichter wiederfinden.
Im Gerichtsgebäude beginnt auch die erste Folge der sechsstündigen Miniserie „Eine geschiedene Frau“, in der Erika Seipold (Inge Meysel) und ihr frisch geschiedener Ehemann Robert (René Deltgen) auseinandergehen. Erika bereut den Schritt nicht, verspürt aber dennoch eine gewisse Leere und Unsicherheit, die sie mit Gesellschaft kompensieren möchte. Tochter Brigitte (Renate Schroeter) arbeitet als Apothekerin und lebt ihr eigenes Leben, so wird es schwierig, sich spontan noch für denselben Tag mit ihr zu verabreden. Sohn Klaus (Til Erwig) ist noch schwerer greifbar, denn der ist nach Stockholm gezogen, wo er sich mit einer schwedischen Frau eine eigene kleine Familie aufgebaut hat. In ihrer Not lädt Erika Dr. Dietz (Dieter Augustin) und dessen Frau Monika (Dorit Amann) zum Abendessen ein, obwohl die beiden nur entfernte Bekannte sind. Als dann unerwarteterweise doch noch Erikas beste Freundin Lilo (Eva-Maria Meineke) in der Tür steht und auch noch ihre alte Klassenkameradin aus München, Ilse Trappenberg (Edda Seippel), hereinschneit, wird die neue Einsamkeit plötzlich durch muntere Geselligkeit ersetzt. Auch in den weiteren Folgen der Reihe geht es immer wieder um die Diskrepanz zwischen der neu gewonnenen Freiheit und den zahlreichen Problemen, die der ungewohnte neue Alltag so mit sich bringen.
Claus Peter Witt hat „Eine geschiedene Frau“ mit einer latent mitschwingenden melancholischen Note inszeniert. Sehr häufig enden die einzelnen Folgen, die insgesamt von fünf verschiedenen Autoren geschrieben wurden, mit einem nachdenklichen Innehalten, bei dem auch unterschwellig in Frage gestellt wird, ob die Scheidung tatsächlich die richtige Entscheidung war. Aber die Autoren haben hier nicht den Fehler begangen, am Ende wieder etwas gerade biegen zu wollen, was nicht mehr gerade zu biegen ist. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die Probleme, die der geschiedenen Frau ohne einen erlernten Beruf ins Haus stehen, zumal es ihr schwerfällt, mit den Unterhaltszahlungen ihres Ex-Mannes die Miete ihrer Drei-Zimmer-Wohnung zu bestreiten. Ein vielschichtiges Familiendrama mit exzellenten Büchern, lebensnahen Dialogen und erstklassiger Starbesetzung. Eine Perle deutscher Fernsehunterhaltung, die kaum etwas von ihrer Qualität eingebüßt hat. Die DVD-Erstveröffentlichung auf drei Scheiben in einer Amaray-Box bietet ein recht grobkörniges Bild (im Vollbildformat 1,33:1), bei dem gelegentlich noch Laufstreifen und Verunreinigungen auszumachen sind. Der Ton (Deutsch in Dolby Digital 2.0 Stereo) ist stets gut verständlich und nicht zu beanstanden, Extras sind keine vorhanden.