Kennerspiele für Brettspielzocker - Spieletipps zu Weihnachten 2019
Kennerspiele für Brettspielzocker
Spieletipps zu Weihnachten 2019
In diese Kategorie fällt beispielsweise das neue Spiel von Stefan Feld („Die Burgen von Burgund“, „Brügge“), das es in der Kategorie „Kennerspiel des Jahres 2019“ auch auf die Nominierungsliste gebracht hat: „Carpe Diem“ (alea bei Ravensburger). Zwei bis vier Spieler ab 10 Jahren können in diesem Aufbauspiel ins alte Rom eintauchen, um als Bauherren den Tag „gut zu nutzen“, und am Ende mit den meisten Siegpunkten die Partie für sich zu entscheiden. Ein Spielplan wird in der Tischmitte platziert. Hier gibt es sieben Marktplätze, die zu Beginn eines jeden der vier Durchgänge mit jeweils vier Bauplättchen bestückt werden. Spielfiguren werden auf unterschiedlichen Marktplätzen platziert und dürfen ab dann nur nach festgelegtem Schema auf andere Marktplätze weiterziehen, um dort jeweils ein Bauplättchen zu ziehen, das der entsprechende Spieler dann auf seinem eigenen Tableau anbauen kann.
Dafür gibt es feste Legeregeln, die man aus Spielen wie „Carcasonne“ kennt. Jedes quadratische Bauplättchen hat an seinen vier Kanten unterschiedliche Gebäude- oder Landschaftssymbole, die nur an dieselben anderen Plättchen angelegt werden dürfen. Dadurch vollendet man auf seinem Tableau Häuser unterschiedlicher Farbe oder erschafft Kulturlandschaften. Immer dann, wenn ein Haus oder eine Landschaft komplett sind, erhält der Spieler direkt einen unmittelbaren Bonus. Bei den Kulturlandschaften bekommt er Waren, deren Anzahl von der Größe der Landschaft abhängig ist – Trauben, Kräuter, Hühner oder Fische werden hier verteilt. Vollendet man ein aus zwei Teilen bestehendes Haus, wird man mit Münzen, Broten, Schritten auf der Siegpunktleiste oder zusätzlichen Bauplättchen belohnt. Der Markt, die Backstube und der Brunnen sind einzelne Bauplättchen, die sofort beim Platzieren einen Ertrag generieren. Auch hier erhält man Münzen oder Brot, respektive eine Brunnenkarte, die einem bei Erfüllung am Spielende zusätzliche Siegpunkte einbringt. Villen bilden die letzte Form der Bauplättchen, werden jedoch erst zum Spielende gewertet, unter der Voraussetzung, dass sie abgeschlossen sind. Nach jedem der vier Durchgänge haben die Spieler dann die Möglichkeit, einen ihrer Marker zwischen zwei von insgesamt zwölf (beim Vier-Personen-Spiel) Wertungskarten zu platzieren, deren Bedingung sie idealerweise erfüllen können. Dafür gibt es dann noch einmal ordentlich Boni oder Siegpunkte, bei Nichterfüllung allerdings auch Punkteabzug. Da es insgesamt 60 verschiedene Wertungskarten gibt, ist die Varianz zwischen den einzelnen Spielepartien sehr hoch. Zusätzlich wird um jedes Spielertableau eine aus vier zufällig ausgewählten Teilen bestehende Banderole gelegt, deren aufgedruckte Aufgaben zum Spielende ebenfalls noch einmal individuelle Siegpunkte einbringen, sofern man sie erfüllen kann. Es gibt also jede Menge verschiedener Taktiken, die hier zum Sieg führen können, was einen großen Reiz des Spieles ausmacht.
Mit „Aufbruch nach Newdale“ (Lookout Games) knüpft Autor Alexander Pfister („Broom Service“, „Isle of Skye“) an das Kartenspiel „Oh my Goods!“ aus dem Jahr 2015 an. Ein bis vier Spieler ab 12 Jahren können in dieser Brettspielvariante, die etliche neue Elemente und Funktionen enthält, einen Spielplan besiedeln und auf lukrative Produktionsketten setzen, um am Spielende mit den meisten Siegpunkten zum Gewinner gekürt zu werden. Vorgesehen ist, dass man das Spiel kampagnenweise spielt. Jede Kampagne entspricht einem Kapitel des Spiels, das einen bestimmten Spielplan (doppelseitig bedruckt stehen insgesamt sechs verschiedene zur Verfügung) und unterschiedliche Gebäude- und Personenkarten benötigt. Jeder Spieler hat ein eigenes Spielertableau, an das maximal acht verschiedene Gebäudekarten angelegt werden können (zusätzliche schwarze Gebäudekarten können unbegrenzt gebaut werden). Jedes Gebäude benötigt zum Produzieren eine unterschiedliche Anzahl aus zwei verschiedenfarbigen Gehilfen. Diese werden in jeder Runde verdeckt vom jeweiligen Startspieler aus einem Stoffbeutel gezogen. Jeder Spieler kann zuvor mit seinen Aktionssteinen bei den jeweiligen Gebäudekarten darauf wetten, ob die Mindestanzahl an Gehilfen der verschiedenen Farben erfüllt, über- oder unterschritten wird. Je risikoreicher gespielt wird, desto höher ist der Ertrag, wenn die Wette erfüllt wird. Als Belohnung werden Warenmarker auf den Gebäudekarten platziert, deren Wert je nach Gebäudekarte variiert.
In vielen Fällen hat man die Möglichkeit, nach der Produktionsphase noch Kettenreaktionen auszulösen, die zusätzliche Erträge generieren. Hierfür kann man Handkarten der entsprechenden Farbe abwerfen oder einfachere Waren durch eine vorhandene Produktionskette veredeln. Jede einzelne Handkarte erfüllt somit im Spiel unterschiedliche Funktionen, denn sie kann wahlweise als Gebäudekarte gebaut, für eine Produktionskette genutzt oder auf dem Schwarzmarkt direkt in Waren umgewandelt werden. Weitere Optionen können beispielsweise durch das Einlösen von Bonusplättchen entstehen, die man beim Platzieren seiner Gebäude auf dem Spielplan erhält. Denn immer dann, wenn ein Spieler eine neue Gebäudekarte an seinem Spielertableau anbaut, setzt er gleichzeitig auch eines seiner Häuser auf den allgemeinen Spielplan. Wem es dabei als erster gelingt, in neue Bereiche vorzudringen, der wird mit Siegpunkten und Bonusplättchen belohnt. Am Ende des Spieles ist es von Vorteil, wenn man beim Platzieren seiner Häuser auch noch den eigenen Geheimauftrag möglichst lukrativ erfüllt hat. Kapitelkarten bringen für jede einzelne Kampagne darüber hinaus zusätzliche Siegpunkte, sofern man die Voraussetzungen erfüllen konnte. Die sieben Runde einer Kampagne werden aus 28 unterschiedlichen Ereigniskarten zusammengestellt, die eine hohe Varianz ins Spiel bringen. Insgesamt besteht „Aufbruch nach Newdale“ aus acht verschiedenen Kapiteln, die man zu Beginn vielleicht am besten nacheinander durchspielt. Doch auch, nachdem man alle Kampagnen gemeistert hat, verliert das Spiel seinen Reiz nicht, da die 140 Gebäudekarten, die erst später ins Spiel kommenden Seemannskarten sowie die immer etwas anderen Kapitel- und Ereigniskarten für Abwechslung sorgen.
Als dritte Empfehlung sollte an dieser Stelle das neue Spiel von Wolfgang Warsch („Die Quacksalber von Quedlinburg“, „Ganz schön clever“) besprochen werden. „Die Tavernen im tiefen Thal“ (Schmidt Spiele) war jedoch in den Wochen nach der SPIEL bis Mitte Dezember nicht lieferbar und konnte mangels eines Rezensionsexemplars nicht eingehender getestet werden. Ein erster Eindruck auf der Messe selbst war jedoch ebenfalls wieder äußerst positiv. Bei diesem Deckbuilding-Game für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren kommen zur Abwechslung auch mal wieder Würfel zum Einsatz, deren Zufallsfaktor aber angenehm begrenzt wird. Ausgezeichnet mit dem 2. Platz beim Deutschen Spielepreis und mit dem Graf Ludo 2019 für die beste Spielegrafik, hat auch hier (wie in den beiden anderen besprochenen Spielen) jeder Spieler sein eigenes Tableau, auf dem er mehr oder weniger für sich alleine herumwerkelt. Diese Entwicklung ist in den vergangenen Jahren bei Strategiespielen häufig zu beobachten. Viele aktuelle Spiele setzen auf individuelle Spielertableaus anstatt auf einen gemeinsamen Spielplan, die Interaktionen beschränken sich oftmals auf ein Minimum, was im Gegenzug allerdings auch den Konkurrenzdruck deutlich beschränkt. Für abwechslungsreiche und niveauvolle Spieleabende ist bei diesen Neuheiten nichtsdestotrotz gesorgt.