Es lauert in der Nachbarschaft ... - ›Urban Fantasy‹ anhand von Hearne und Williams
Es lauert in der Nachbarschaft ...
›Urban Fantasy‹ anhand von Hearne und Williams
Das scheint neu und frisch, aber so neu ist das - was man »Urban Fantasy« nennt - gar nicht ... Schon viel früher gab es siolche Geschichten, die in unserer Alltagswelt angesiedelt waren. Früher nannte man das Phantastische Romane bzw. Geschichten und das hat eine lange Tradition (die weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht und unter dieser Tradition könnte man auch das ganze Horrorgenre subsumieren), die wir aber nicht genau nachvollziehen wollen. Aber für Leute, die die Urban Fantasy für ein komplett neues Subgenre der Fantasy halten, sind da noch richtige Schätze zu heben und Bildungslücken zu schließen ...
Im Zeitalter der Pulps (in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) gab es zahlreiche dieser Geschichten. Die Genres waren noch nicht so festgemauert in der Erden und fragmentiert ... Da wurde unter dem Begriff Fantasy in den USA noch eine riesige Bandbreite von Geschichten unter diesem Begriff zusammengefasst.
L. Sprague de Camp hatte da so einige auf der Pfanne, die den Verfasser dieser Zeilen im Teenageralter begeisterten. Unsterbliche Neandertaler (The Gnarrly Man) oder Schwimmwettkämpfe mit Beteiligung von Meerjungfrauen (Nothing In The Rules), sehr haarige Menschen (Hyperpilosity) oder Wesen, die in Bäumen hausen (The Hardwood Pile) und so manches mehr. Aber auch eine ganze Batterie weiterer sehr populärer Autoren wie A.E van Vogt, Fritz Leiber, Henry Kuttner schrieben Urban Fantasy lange Zeit bevor ein cleverer Marketing-Mann diesen Begriff prägte, der nun wesentlich griffiger klingt als Phantastischer Roman ... Auch hier kann der geneigte Nachwuchsgeek, der eben das ganze für eine kürzlich erfolgte Erfindung hält, noch viele Schätze heben, um sich an phantastischen Geschichten im urbanen Umfeld zu erfreuen.
Auch als die Borribles bei Klett Cotta erschienen und der Verlag für den Werbeslogan einen Vergleich zwischen Tolkiens Mittelerde und de Larrabeitis zeitgenössisches London zog war das auf den ersten Blick komplett unpassend und in mancherlei Beziehung bleibt das auch so. Aber - ja es folgt dieses berühmte Wort - auf der anderen Seite war das eben nicht verkehrt, denn Fantasy funktioniert eben auf Mittelerde und in unserer hochtechnisierten Welt. Von diesem Blickwinkel aus ist der Vergleich statthaft. Ein London, das unserer Zeit entspringt kann als Kulisse eines Fantasyromans dienen, ebenso wie Welten, die dem Vorstellungsvermögen von Autoren entspringen.
Wenn man sich heute so das Feld der Urban Fantasy betrachtet, so kommt man zu dem Schluss, dass viele der erscheinenden Titel eher romantischer Natur und dem Feld der sogenannten Romantasy zuzurechnen ist (oftmals mit stark erotischem Einschlag). Da treiben Engel, Vampire und Werwölfe ihr Unwesen und alles wurde durch die Twilight-Saga von Stephenie Meyer befördert. Da sind Dinge dabei, die selbst Twilight-Hassern Respekt gegenüber der Mormonin und ihren glitzernden Blutsaugern abnötigen, weil die Texte immer recht solide erzählt sind. Diesen Romanen werde ich keine weiteren Zeilen widmen. Zwar funktionieren auch Twilight und andere Romane aus diesem Genre eben auch als Fantasy, aber gerade die Epigonen haben außer handfesten Sexszenen zumeist nichts wirklich Interessantes. Die Vampire (oder anderen übernatürlichen Wesen) werden auf ihr romantisches Potential getrimmt und gut. Da passiert nicht viel was einen Leser, dessen primäres Interesse sich nicht auf die Liebesgeschichte fokussiert, kaum etwas geboten.
Wie es anders geht zeigen zwei amerikanische Autoren. Beide werden mit ihren Urban Fantasytiteln in Deutschland bei der Hobbit Presse Klett Cotta verlegt. So wie in diesen bisher vier auf Deutsch vorliegenden Bänden sollte, nein muss Urban Fantasy sein, um wirklich unterhalten zu können (auch jenseits einer mehr oder weniger erotisch angehauchten Liebesgeschichte.
Das ist zum einen Kevin Hearne und seine auf 9 Bände angelegten Chronik des eisernen Druiden. Darin schildert Hearne die Abenteuer des letzten Druiden, der sich gerade O'Sullivan nennt. Er lebt in Arizona und hat so manchen Feind, viele Freunde und eine esoterische Buchhandlung.
Der Druide erschlägt schon mal einen Gott oder zieht mit Werwölfen, Vampiren oder Hexen in den Kampf wider ihm feindlich gesonnene Götter, Höllendämonen oder Hexenzirkel. Was sich auf den ersten Blick nach einem ziemlichen Durcheinander anhören mag, hat in der Tat ein innere Logik und funktioniert glänzend. Das Ganze wird von Hearne sehr stimmig geschildert. Dabei kommt ein trockener Humor, Ironie und Sarkasmus nicht zu kurz.
Der zweite Autor ist einer, der mit dem Drachenbeinthron und den Folgebänden ein Meisterwerk der Fantasy in einer Fantasywelt geschrieben hat. Tad
Williams hat schon in vielen Sätteln gesessen und hat in fast jedem eine gute Figur gemacht. Nun hat er sich an Urban Fantasy heran gewagt. Als ich las, er würde sich um Engel handeln, kamen mir als Erstes diverse dieser wildromantischen und oftmals uninspirierten Geschichten in den Sinn, wo fast vergeistigte Engel sich verlieben und dann mal wieder Sex haben oder so was. Nun ja...
Dann aber sagte ich mir: Hey, das ist Tad Williams und der kann das. Und was soll ich sagen: Er kann es wirklich. Dieser Engel ist Hard Boiled. Bobby Dollar ist eine Verteidiger Seelen vor dem himmlischen Richter und soll als Fürsprecher für ein Leben im Himmel dienen, aber die goldene Feder eines hochrangigen Engels in Dämonenhand, Höllenfürstin, ein Gräfin und allerhand andere Typen machen ihm das Leben im wahrsten Sinne zur Hölle. Das ist wunderbar geschrieben, hat Tempo und Witz und ist meilenweit von diesen verquasten Engelsfiguren entfernt, die sonst so ihre Schwingen ausbreiten.
Von Donnerstag bis Sonntag werden wir uns diese vier Bücher im Einzelnen vorknöpfen und sie mal unter die Lupe nehmen
Kommentare
Und UF ist als Begriff nicht ganz so erbärmlich wie "Dark Fantasy" für Horror.