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Es lauert in der Nachbarschaft ... - ›Urban Fantasy‹ - Der Nachschlag

1Es lauert in der Nachbarschaft ...
Urban Fantasy - Der Nachschlag

Fantasy ist das Spiel mit Mythen ... Das geht in »Mittelerde«, im »Hyborischen Zeitalter«, in »Phantasien« oder welchen von Autoren erdachten Welten oder Zeitaltern mit oder ohne Dampf auch immer.

Aber natürlich ist auch die Alltagswelt des 21. Jahrhunderts ein Spielplatz für Fantasy. Das wird dann »Urban Fantasy« genannt.


In den dunklen Gassen des Himmels und Happy Hour in der Hölle - Bobby Dollar 1und 2Manchmal ist es seltsam. Da macht man eine Bemerkung, dass man Serien ála »Macabros«, »Larry Brent«, »Professor Zamorra«, den »Dämonenkiller« und auch alle anderen Heftserien dieser Art unter den Begriff »Urban Fantasy« subsumieren kann (auch für den Gag, dass ich mir deutlich zu oft »The Big Bang Theory« reinziehe) und schreibt ansonsten über Kevin Hearnes »Chronik des Eisernen Druiden« und Tad Williams »Bobby Dollar«-Romane. Dies um zu zeigen, dass Fantasy in der modernen Welt des 21. Jahrhunderts auch abseits von erotischen, romantischen und glitzernden Vampiren und Werwölfen funktionieren kann und dem Leser sehr viel Vergnügen bereiten kann, auch wenn er keine qualvolle Romantik mit mehr oder weniger ausgeprägter Erotik wünscht.

MarcelsMan ahnt also nichts Böses, aber dann kommt via eMail die Bemerkung rein, dass die oben aufgeführten Serien, aber insbesondere eben »Professor Zamorra« doch letztlich nicht nur in gleiche Kerbe schlägt wie die Romane von Williams und Hearne, sondern doch wohl auch (aufgrund ihrer Themenvielfalt und mehr oder weniger neuer Ideen) qualitativ mithalten kann und daher noch mehr Aufmerksamkeit und Lob verdienten.

Da blieb mir erstmal die Luft wech. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Eine solche Bemerkung ist dann schon einen Nachschlag wert ...

Also ...

So sehr ich die oben beschriebenen Serien mag oder mochte, so sehr ich Autoren wie Jürgen ›Dan Shocker‹ Grasmück, Kurt Luif, Ernst Vlcek, W.K. Giesa oder auch Rolf Michael schätze, so sehr liegt die Einschätzung in der eMail des Zauberspiegel-Lesers daneben. Irgendwo muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen, Äpfel nicht Birnen vergleichen und bei aller Liebe zum Heft- bzw. (im Wortsinne) trivialen  Unterhaltungsroman, die Bedeutung und Möglichkeiten desselben nicht überschätzen.

Auch ich habe mal (in jungen Jahren) die These vertreten, dass Heft und Buch nur der feste Einband unterscheidet. Das ist mehr als drei Jahrzehnte her und diese These ließ sich auf die Dauer nicht hallten. Sie war ohnehin eher davon getragen von den Deutschlehrern in die Ecke des Dumpfmeiers gestellt zu werden, der in erster Linie triviales Zeug liest. Ein Heftroman bleibt auch ein Heftroman wenn ich denselben mit einem harten Einband versehe. Und ein für ein Hardcover verfasster Roman (Trilogie oder Zyklus) wird nicht zum Heft. Beides erfordert unterschiedliche Ansätze des Schreibens und der Entwicklung der Geschichte. Manches hat auch damit zu tun, dass der Preis des einen bis zu 30,- € beträgt und das andere für um die 2,- € in den Handel kommt.

1Formal ist es zwar richtig, dass die besagten Heftserien die Anforderungen der »Urban Fantasy« erfüllen. Sie spielen mit den Mythen der Menschheit [Hölle, Dämonen, Fabelwesen, Monster] und sind in der Zeit des Entstehens angesiedelt. Das Erfüllen der Prämissen heißt aber noch lange nicht, dass Heftserien die Qualität erreichen, die Tad Williams mit ›Bobby Dollar‹ und Kevin Hearne mit dem ›Eisernen Druiden‹ vorlegen. Das ist auch nicht der Sinn des Heftromans. Der Heftroman ist zum schnellen Konsum gedacht und wird nur von einem geringen Teil seiner Leserschaft gesammelt. Viele Leser werfen die Dinger nach der Lektüre wech ...

Jede der oben erwähnten Serien hat mal die Grenzen des Heftromans gedehnt, auch mal kurz überschritten oder auch geweitet. Aber im Grunde haben sich alle immer an den Baukasten fürs Heft gehalten (unabhängig davon, dass die Autoren dieser Serien interessante und lesbare Romane hervor gebracht haben). Da ist der mehr oder minder strahlende Held, sein Sidekick, seine Geliebte und die Bösewichter. Das liegt in der Natur des Heftromans.

Jürgen Grasmück (1988)Jürgen Grasmück ließ uns wissen:

Wir alle haben schon mal versucht, den Heftroman neu zu erfinden

Was Jürgen Grasmück damit sagen wollte: Das geht nicht! Und es funktioniert auch nicht, weil der Heftroman nicht nur an seinen Text, sondern auch an sein Erscheinungsformat gebunden ist. Hinzu kommt, dass die BPjM sich zwar kaum noch um Heftromane kümmert, weil andere Medien in Mittelpunkt gerückt sind. Aber: Die Verlage kontrollieren sich selbst und daher hat der Jugendschutz immer noch großen Einfluss auf diese Publikationsform.

Kevin HearneMan kann - selbst aus diesen dürren Worten heraus - erkennen, dass schon die Form des Heftromans verhindert, dass ein Autor es schwierig hat, Texte wie die um ›Bobby Dollar‹ (Williams) und ›Atticus‹ (Hearne) im Rahmen des Heftes zu schreiben. Ich glaube sogar, dass selbst ein derartig guter Autor wie Tad Williams, es schwer hätte aus den Rahmenbedingungen eines Heftromans solche Romane wie um seinen Counterstrike- und Anwaltsengel Bobby Dollar zu erschaffen. So wie Tad Williams z.B. die Liebesgeschichte zwischen dem Engel und der Höllengräfin aufzieht, kann das im Heft nicht stattfinden, ohne dass nicht einer Einwände erhebt. Wenn nicht schon der Lektor Widerworte erhebt, so wird es später der Anwalt von freiwilligen Selbstkontrolle tun. Auch einige Züge des ›Eisernen Druiden‹ würden ihm als Helden im Heft genommen werden. Die passen nicht ins Bild. Selbst im »Dämonenkiller«, der immer wieder die Grenzen des Heftes austestete, könnte so seine Geschichte nicht aufziehen. 

Tad WilliamsWilliams wie auch Hearne können ihre Geschichten ohne den Apparat an Grenzen und Beschränkungen aufziehen, die hinter dem Heft stehen.

Man sieht, es muss noch nicht einmal an den Autoren liegen. Aber ich denke auch, dass die Heftromanautoren nicht sooo gut sind und waren wie Tad Williams. Doch ich glaube, viele hätten ihre Plots weitaus interessanter entwickeln können wenn sie nicht im Rahmen des Heftromans gearbeitet hätten und haben. Daher will ich noch nicht einmal die Frage der Qualität der Autoren aufwerfen, da die Heftromanautoren unter ganz anderen Bedingungen arbeiten mussten als eben Williams und Hearne und ich schon daher von einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen sprechen möchte.

Aber wer mir nicht glaubt, der sollte ein beliegen Heftroman der erwähnten Serien lesen und dann die Romane von Hearne und Williams. Der Unterschied springt dem Interessierten nach wenigen Seiten einfcah ins Auge.

Fazit bleibt: Auch wenn formal etwas vergleichbar ist, sollte man sich so manchen Vergleich schenken, denn manchmal liegen trotz formaler Gleichheit Welten dazwischen. Das sit in diesem Fall so. Das ist in anderen Fällen so.

Heftroman ist eher wie Daily Soap und die Bücher von Hearne und Williams wie serien von HBO, um es mal auf eine simple Formel zu bringen, die aber wahrlich die Tatsachen trifft. Und bitte: Ich will die Heftserien nicht schlecht machen (auch aus den beschriebenen Gründen), aber ein Vergleich halten diese Serien weder mit Hearne noch mit Williams stand. Das geht nicht. Aber wie gesagt: Äpfel vergleicht man nicht mit Birnen.

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2014-12-29 12:36
Hm.
Anderenorts habe ich die These vertreten, dass die einzige (offensichtliche) Beschränkung des Heftromans seine Länge ist. Mein naiveres oder idealistischeres Ich hält auch immer noch daran fest: Es gibt genügend (hoch)literarische Werke, die ihre Existenz im Groschenformat begonnen haben.
Nun stellen sich der These weniger offensichtliche Aspekte entgegen, nämlich die Vorgaben des Verlages, ergänzt durch die Handhabung dieser Vorgaben durch die jeweilige Redaktion, sowie die Ermittlung des angeblichen Publikumsgeschmacks. Letzterer wird u.a. durch Absatzzahlen, Leserbriefe und Umfragen ermittelt. Scheinbar solide Werkzeuge, wenn nicht von unterschiedlicher Seite, zur Stützung der jeweils eigenen Hypothese, behauptet würde, diese oder jene Werkzeuge seien aus diesem oder jenem Grund irrelevant/nicht repräsentativ/völlig unwichtig (oder aber das wichtigste Kriterium überhaupt). Es ist also eine reine Kaffeesatzleserei. Ein Rechtfertigungsspiel.
Ich glaube Jürgen Grasmück seinen Satz. Ich sehe aber auch die abgrundtiefe Resignation dahinter. Wenn ich mir aber die Beteiligten an diesem Spiel so ansehe (Leser, Autoren, Redaktion und Verlag), so scheint mir die Flexibilität, was Rezeption und Ausführung angeht, allermeistens in genau dieser abnehmenden Reihenfolge zu verlaufen.
Dass zwar die meisten Leser Veränderungen oder neue Wege oft nur zögerlich aufnehmen, ist unbestritten. Das kann aber für die Häuser keine Rechtfertigung sein, sie mit vorgefassten Meinungen dumm zu halten.
#2 Andreas Decker 2014-12-30 12:02
Zitat:
Ich glaube Jürgen Grasmück seinen Satz. Ich sehe aber auch die abgrundtiefe Resignation dahinter.
Ich weiß nicht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass auch nur einer aus der Riege der Heftautoren Anfang der 70er irgendwelche Ambitionen hatte - oder die nötigen Fähigkeiten - , an dem Boot zu schaukeln. Erst recht nicht, wenn sie aus dem Genrebereich kamen.

Das größte Problem der Fortsetzungsserie ist doch eigentlich ihr Daseinszweck - die Fortsetzung. Darum verändert sich Cotton nicht, sondern nur die Welt um ihn herum. (Und auch die nur widerwillig.) Damit ist dem Autor schon vom ersten Satz an verwehrt, seine Figur auf eine Weise zu verändern, die bei Nicht-Genre-Romanen erst ihre Existenzberechtigung bildet. Dazu kommt noch, dass deutsche Heftromane immer nur bereits vorgegebene Konzept nachgeahmt haben. Was kann man da anders machen?

Insofern fällt zumindest mir schwer zu glauben, dass selbst wenn man sich die ganzen äußeren restriktiven Elemente wegdenkt - das starre Format, der Jugendschutz, das beharrliche Ausklammern von Politik und Geschichte - sich das Heft wirklich weiterentwickelt hätte.

Man darf aber auch nicht die Leserakzeptanz unterschätzen. Es ist richtig, dass es für die Häuser keine Rechtfertigung sein kann, die Leser dumm zu halten. Andererseits hatte (und hat) das aber viel mit Bildung und Unterhaltungsbedürfnis zu tun. Wonach hat das Zielpublikum von 1976 gegriffen, nach der Pseudorealität ihrer bevorzugten Serie - und in dieser Diskussion klammern wir übrigens immer die Frauenromane aus, die oft das zigfache von SF, Krimi &Co verkauft haben - oder nach dem neuen Roman von Max von der Grün (um mal einen aus dem Hut zu greifen), der ihre Realität zum Thema hatte?
Die beiden Käuferschichten hatten kommerziell gesehen wenig Überschneidungen.

Insofern mag vieles aus Redaktionsstuben im Nachhinein zynisch erscheinen, aber man kann ihre Sichtweise oft nachvollziehen.

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