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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: »Wolfsgezücht« Silber Grusel-Krimi Nr. 308 von John Spider

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Wolfsgezücht«
Silber Grusel-Krimi Nr. 308 von John Spider

Angeschlagen, aber nicht irreparabel geschädigt von meinem ersten Griff in den Silber-Grusel-Krimi-Fundus, brauchte ich dringend ein bisschen mehr Qualität, denn in steten Untiefen geht dem Leser irgendwann leider die Luft aus.

Zum Glück war beim Einkauf unter den Angeboten auch der vorliegende Roman „Wolfsgezücht“ wieder an die Oberfläche gespült worden.


Den Roman ich als außerordentlich atmosphärisch in Erinnerung hatte, als etwas untypisch und interessant. Das Covermotiv mit dem abgerissenen/abgebissenen Kopf war (und ist) für meinen Geschmack recht deftig und der übliche Werwolfmythos war darin – so glaubte ich – etwas durch den Wolf gedreht (ahem, jaja...) behandelt worden. „Anders“ kann ja auch bei bewährten Themen mal „besser“ sein...

Immerhin war er den Machern von „Dämonenland“ gut genug gewesen, um ihn als Nr.90 dieser Best-of-Reihe noch einmal zu veröffentlichen, diesmal aber unter dem Autorenpseudonym Logan Derek. Auf jeden Fall steckt mal wieder Uwe Anton dahinter, da freut man sich auf solide Kost...


WolfsgezüchtZum Inhalt:
Willkommen in Broanew, einem kleinen Dorf in den bergigen Weiten New Hampshires (wenn jetzt jemand mal einen Atlas bemühen könnte...), wo sich ein Fußballteam zwecks Saisonvorbereitung  ein wenig die Beine vertritt. Nach der allgemeingültigen Vorgehensweise, wobei die Autoren stets ein internationales Umfeld schufen, dies aber gnadenlos eindeutschen sollten, handelt es sich um ein American-Football-Team, da ein Quaterback mit im dörflichen Wirtshaus sitzt.

Während alle sich bei wintriger Witterung einen bemüht schönen Abend machen, platzt ein blutüberströmter Besucher in die gute Stube und vermeldet einen Todesfall durch wilde und verwilderte Hundemeuten.

Der das Team begleitende Journalist Banford macht sich sofort mit dem Trainer Baines (die beiden sind die nötigen Antipoden, um es nicht zu harmonisch werden zu lassen) und einigen anderen Leuten in die kalte Winternacht auf, sieht sich aber bald auch zum Ziel der Meute werden. Gleichzeitig bricht aus dem Nichts ein Schneesturm los und die Brücke, die den Ort mit dem Rest der Welt verbindet (solche Orte gibt es nur in Bereich Horror wirklich funktionierend) verabschiedet sich nach dem Umstürzen eines Baumes – man ist eingeschneit und abgeschnitten.

Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne, das Opfer des Angriffs wird jedoch mit Silberklinge im Herzen und abgeschnittenem Kopf eingesargt. Während Banford zunehmend misstrauisch wird, hat er eine Vision eines übernatürlichen Wesens, die ihn auf das kosmische Spiel vorbereitet, das ihm nun bevorstehen soll – etwas kryptisch, aber sehr wirksam. Kurz darauf belauscht er ein Gespräch über die Weitergabe eines Fluchs.

Derweil wird einer der Spieler tot aufgefunden und Trainer Baines kommt die sehr attraktive Wirtstochter Priscilla Jones doch zunehmend seltsam vor, die ganz besonders intensiv von ihrem Vater beschützt und abgeschirmt wird.

Und prompt geschieht Fürchterliches, als sich das Mädchen zur Nachtruhe begibt, mit Silberketten gefesselt – ein Wolf materialisiert sich just, als Banford und Baines den Dorfrat in der Kirche belauschen, während dort über die Weitergabe des Fluchs diskutiert wird. Zurück in der Herberge stöbern die beiden das (natürlich nackte) Mädchen auf, dass endlich ein wenig über die Hintergründe phantasiert, die Banford später aus dem Gedächtnis protokollieren soll.

Rückblenden klären den Leser dann über die Vergangenheit des Wolfsfluchs auf...

WolfsgezüchtEindrücke:
Ich will jetzt gar nicht noch weiter ins Detail gehen – der doch sehr prägnante und pointierte Plot müsste sonst Seite für Seite nacherzählt werden.

Ein Pfund, mit dem Gruselautoren immer wieder wuchern können, ist der „Closed Space“ oder „Closed Room“, also begrenzter Platz, denn je enger und gedrängter der Raum, innerhalb dessen die Handlung stattfindet, desto höher der Druck und die Intensität. Das gilt auch für das abgeschnittene Örtchen Broanew, wo sich die alte Story vom Werwolf zu einem brauchbaren Belagerungszustand entwickelt.

Uwe Anton behält hier alle Fäden in der Hand, auch wenn sich die originelle Exposition zu einer Mischung aus traditioneller Werwolfstory und dem Inkarnation-des-Bösen-Mythos hin entwickelt, die dann doch bekannterer Natur ist. Am Ende muss immer gern eine bekannte Form des dämonischen Antichristen herhalten.

Weil all das zusammen den vollen Umfang nicht tragen kann, ergänzen nicht eine, nicht zwei, sondern drei Rückblenden den Roman, die über mehrere Jahrhunderte zurückgehen, vom Aufflackern des Fluchs, über die Weitergabe und Wiedergeburt im alten Europa (komplett mit unglücklicher Liebesgeschichte), der Inquisition bis zur Überfahrt nach Amerika im 19.Jahrhundert, die durch Verrat um ein Haar zum kompletten Genozid an den Fluchbeladenen führt (und die verdächtig nach der Backstory aus Carpenters „The Fog“ schnuppert).

Die Rückblenden ermöglichen es Anton, den beengten Raum zumindest zeitweise zu verlassen und dann doch auf bekannte Werwolfmotive zurück zu greifen, die man in den typischen Werwolfstories wie „Der Fluch von Siniestro (Hammer Productions, 1960) nur allzu gut kennt.

Das hat allerdings zwei Nachteile; nämlich wird einerseits der drängende Belagerungszustand mit bemühter Geheimhaltung durch die Dorfgemeinde immer wieder ausgesetzt und zweitens ist durch die Rückblendenprotokolle schon nach einem Drittel klar, dass Banford dieses Abenteuer überleben wird, was etwas von der möglichen Spannung raubt.

Während des Finales in der Kirche kocht dann die Stimmung noch mal richtig hoch und es fließt auch wieder Blut, wobei der Aktivposten der Gegenwehr überwiegend beim ebenfalls betroffenen Dorfreverend liegt, der notgedrungen auch wieder mit einem großen Silberkreuz gegen die Bestie antreten muss (und auch hier riecht es latent nach dem Showdown von „The Fog“).

Insgesamt ist „Wolfsgezücht“ aber der angenehmste meiner drei Ausflüge in den Silber-Grusel-Krimi gewesen, der in Stil und Struktur einem klassischen und funktionierenden Heftroman am nächsten gekommen ist und sehr dicht geschrieben ist – Spannung kommt dabei raus, in Sachen Grusel fehlt noch die letzte Prise Gewürz, aber abgesehen von typisch-erwartbaren Elementen (man möchte sich ja immer ein wenig überraschen lassen), habe ich wenig zu meckern, vor allem weil Anton das „Fremde“ gewissermaßen in ein „bemüht gut“ und „dämonisch böse“ teilt, wobei die jeweilig aktiven Hälften nicht in jeder Szene sofort offensichtlich sind. Da bleibt also noch etwas Platz für das Unerwartete. Wer oder was die warnende-mahnende Entität vom Beginn ist, bleibt allerdings ungeklärt.

Die unwägbare Situation am Romananfang gibt dabei das stärkste Bild ab, danach gerät der Roman zum robusten Wolfsschmöker, ehe gegen Ende alles in eine andere Richtung hochkocht – so gesehen kann man mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Als nächstes hatte ich dann noch ein paar „Moor-Monster“ auf der Hand, die das Roman-Trio natürlich gelungenerweise abrunden sollten, doch ich ahnte ja nicht, dass der zerfahrene Vorgänger noch unterboten werden könnte...alles was Uwe Anton richtig gemacht hatte, fuhr der Nachfolger leider an die Wand. Aber das ist dann eine andere Geschichte...

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