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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Rondo der Toten auf Burrigham - Geister-Krimi Nr. 155 von Phyllis Cocker

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Rondo der Toten auf Burrigham«
Geister-Krimi Nr. 155 von Phyllis Cocker

Auf in die dritte Runde beim Geister-Krimi-Roulette! Drei Romane wollte ich testen, einer fehlt noch – doch der Vorrat bot mir sogar noch ein Trio zur Auswahl. Also entweder gleich noch einmal Rick Masters (das hätte aber eine recht einseitige Wiederholung bedeutet, obwohl es sicher noch besser ging als beim „Teufel zwischen Wolkenkratzern“).


oder ein Vampirthema (was mich per se schon etwas langweilt) oder endlich mal ein Werk einer Frau, namentlich von Phyllis Cocker, hinter der sich die frühe weibliche Romanheftpionierin Gudrun Voigt verbarg.

Der Titel war so poetisch schräg, wie es nur im Geister-Krimi funktionieren konnte (oder eben dann doch nicht), aber das sollte ihr Schaden nicht sein. Über Voigt ist leider in der virtuellen Welt nur schwer etwas zu erfahren (nicht mal so richtig, ob sie noch lebt), aber offenbar war sie in so ziemlich jeden Genre daheim, schrieb sowohl SF wie auch jede Menge Krimis, nicht selten auch im Autorenkollektiv mit ihrem Ehemann Karl zusammen, dann allerdings unter dem Pseudonymen „Georg P.Gray“ oder „George W.Jones“, vornehmlich in Serien wie „Fledermaus“, bei „Jerry Cotton“ oder „Kommissar X“. Gut abgeräumt hat sie, das finde ich dann wieder sehr witzig, bei „Callgirl 2000“ - einer rotlichtgefärbten Krimidomäne, bei der ich eher männliche Autoren verortet hätte.

Ihr Beitrag zum deutschen Gruselroman ist insgesamt recht überschaubar (man liest von insgesamt 18 Romanen), aber mit der „Geister-Kommission“ war sie immerhin für eine mehrteilige Subserie verantwortlich, in der eine Gruppe von erfahrenen Kämpfern gegen das Böse Geister nicht einfach vernichteten, sondern bekehrten – in den Spätsiebzigern ein interessanter Ansatz.

Leider hat es die „Kommission“ nur auf acht Fälle gebracht, davor aber verfrühstückte sie einen Teil ihrer später festen Figuren bereits in diversen Einzelromanen, von denen ich an einen hier geraten war.

Ort der Handlung war wohl verstärkt Schottland und die angrenzenden Gebiete, so dass da ein klassischer Ansatz verfolgt wurde. Das kommt mir als Freund des viktorianisch-georgianschen Grusels allerdings sehr entgegen.

In Sachen „Rondo“ möchte ich noch anfügen, dass es sich dabei um eine mittelalterliche Musikform handelt, bei der sich der Refrain fortwährend wiederholt, unterbrochen von gern wechselnden Zwischenstücken. Von Mittelalter ist in diesem Roman zwar nichts zu sehen, denn die finstere Vorgescjichte spielt im späten 18.Jahrhundert, aber so genau nehme ich es jetzt nicht.

Also auf nach Burrigham...


Rondo der Toten auf BurrighamZum Inhalt:
...gelegen im schottischen Hochland.

Dort hinter den sieben Burgen macht sich der dem Rentenalter nahe Landarzt Edgar Pessert daran, seine letzten Dinge zu ordnen, denn er hat es trotz Schwierigkeiten geschafft, einen jungen Nachfolger für das Nest zu organisieren. (Ein durchaus hochaktuelles Thema, wie ich betonen möchte!)

Leider hat Burrigham nicht nur freundlichen Haggis zu bieten, sondern auch eine erkleckliche Anzahl von Einwohnern, die sich von Zeit zu Zeit zu nicht nachvollziehbaren Wahnsinnstaten wie Mord und Totschlag hingezogen fühlen. Pessert führt die Betroffenen als „Besessene“ und plant, noch schnell seinen Nachfolger Gilbert Cotens in diese spezielle Problematik einzuführen, als es auch schon läutet. Draußen steht ein Dorfbewohner, der zu den Anfälligen gehört – doch es geht nicht um eine späte Untersuchung. Stattdessen schmaucht der noch unbekannte Besucher ein Pfeifchen und droht mit baldiger Gewalt. Eine Elefantendosis Beruhigungsmittel bringt nichts, der Gast dreht seine Augäpfel auf „total schwarz“ und erwürgt den alten Mann.

Dorfconstable Tolin, ein Mann von beachtlichem Körperbau darf dann auch bald die ermittelnden Beamten empfangen: den ebenso schwergewichtigen Inspektor Sam Knight und seinen rank-schlanken Sergeant Bott, zwei Polizisten, die beinahe ein Verhältnis wie die seligen Spencer&Hill pflegen.

Knight schleift Tolin erstmal ins dörfliche Wirtshaus und futtert sich mit ihm durch die Karte, weil er die Anwesenden und ihre Reaktionen beobachten will, während Bott das Erkennungsdienstliche erledigt.

Derweil ist der eigentliche Täter inzwischen zum längst verlassenen Schloss gewandert, weiß nichts mehr über seine Taten, wundert sich über seine Handlungen, kann jedoch nichts dagegen tun, als ihm noch ein Opfer vor die Würgehände läuft, ein junges Mädchen auf der Suche nach Unterkunft. Kaum hat er auch die gemeuchelt, tritt auch endlich der Ungeist auf: ein dürres Wesen mit Glatze und gelber Haut, der mittels eines Menschenknochens Violine spielt. Und er braucht noch ein weiteres Opfer...

Daraufhin hat Knight schon eine Idee, wie man den Täter identifizieren könnte, denn die Pfeifenraucherei ist wohl von so exotischer Güte, dass er in dieser Gegend nicht oft vorkommen dürfte.

Gleichzeitig trifft auch der junge Doc Gilbert Cotens ein, der alsbald Pessert Aufzeichnungen zu den Blutanalysen der Burrighamer auffindet und als hochinteressant empfindet – fast noch interessanter als die Arzthelferin Georgine!

Anschließend erfährt er auch endlich die Vorgeschichte des üblen Treibens aus dem Jahr 1770, bei dem der letzte Lord von Burrigham ums Leben kam. Der war, unheilbar krank, auf den Wahnsinnsplan verfallen, sich im Anschluß an eine gewaltige Zeche- und Völlerei mit seinen Untertanen zwecks Eintritt ins Himmelreich (oder sonstwo) zu verbrennen. Das fanden nun nicht alle so toll, aber der Hunger treibts ja rein und die gebeutelten Dörfler hatten damals alle Schmacht. Just als die Party losgeht, erschien aber der dürre Knochengeiger (mit Namen Furnt) und spielte zum Tanz auf, dann machte er dem Volk ein Angebot, dass man kaum ablehnen kann: abgefackelt wird nur der Lord, anschließend wird gefeiert und zum kleinen Preis gibt es schwarzes Gold für alle Anwesenden.

So eine Offerte zog, der Lord wird zu Asche, alles jubelt und lacht, bis nach fünf Tagen Party die Erde aufbricht und man eine Kohleader findet, die die Gegend für die nächsten zweihundert Jahre recht reich machen sollte. Aber dafür taucht der finstere Stehgeiger eben immer mal wieder auf und lässt gewisse Nachkommen gewisser Beteiligten über die Klinge springen.

Derweil haben Knight und Bott den Täter anhand seiner Pfeifenfüllung identifiziert: den Grubenbesitzer Steward Lane, der aber von seinen Übeltaten gar nichts weiß. Eingesperrt wird er aber aufgrund der Indizienlage trotzdem.

Mehr Aktionismus entwickelt Doc Cotens, der seinen Kumpel Danny Millen von Scotland Yard anrücken lässt, damit dieser der Sache auf den Grund geht. Und das tut er dann auch nach und nach, hat er doch schon Erfahrung mit solchen Vorkommnissen...

Highland-Impressionen:
So langsam verliere ich die Geduld mit den Vielschreibern vergangener Zeiten, denn obwohl ich von gewissen Romanen schon viel längere Zähne bekommen habe als von diesem „Rondo“ (das übrigens sonst im Roman als „Mad Dancing“ betitelt wird), bin ich wieder an ein Beispiel für beliebte Gruselromanschwächen geraten.

Das bedeutet: interessante Prämisse, guter Auftakt, unterhaltsame Charaktere – und man kann den Wecker danach stellen, dass dem Geschehen nach einem Drittel, spätestens aber zur Halbzeit tierisch die Luft ausgeht.

Inspektor Knight und Sergeant Bott sollten später noch stete Figuren in der Geister-Kommission werden, hier sind sie aber lediglich aufgeweckte Kriminalisten und mit einem soliden Sinn für Humor und praktisch eine Blaupause für lockere Serienfiguren. Ermitteln bedeutet hier aber nicht zwangsläufig, etwas gegen das Übernatürliche zu unternehmen, das tut hier frühestens besagter Danny Millen, der aber auch nur dafür verantwortlich ist, dass man das nicht mehr für einen normalen Kriminalfall hält. Cotens ist ein angenehmes Neutrum zwecks Ausrollens der nötigen Backstory. So weit, so gut.

Doch diese Backstory kommt nach einem guten Drittel und nachdem man dann den unwissenden Mörder eingekastelt hat, tritt die Handlung mehr und mehr auf der Stelle.
Natürlich sollte sich das Böse immer mit zunehmender Seitenzahl steigern, doch Furnt scheint immer inaktiver zu werden, je länger der Roman dauert und dass er sich für seine Morde immer wieder zwanghaft des inzwischen verhafteten Steward Lane bedient, obwohl im Örtchen doch diverse Betroffene rumeiern, wird nie ganz geklärt.

Dafür besteht die zweite Hälfte dann über weite Strecken aus den letzten Stunden der Vorgängerin von Arzthelferin Georgine, Millens Ermittlungen und den leicht ironischen Geschehnissen im örtlichen Gefängnis, wo Lane spurlos verschwindet und später unerwartet wieder auftaucht, was sowohl den Wärter, wie auch die übrigen Gefangenen und den Direktor zu einigen launigen Szenen verleitet. Leider ist das alles nur mäßig lustiges Streckungsmaterial und nicht im Mindestens auch nur spannend zu nennen.

Wie üblich steigt die Party praktisch erst wieder auf den letzten sechs Seiten, als Cotes und Millen Zeuge des dämonischen Stehgeigers werden und Millen daraufhin auf die nächsthöhere Instanz setzt: den Geisterbanner Boris, der für drei Seiten ein nettes Cameo gibt und einen großen bösen Dämon herbeiruft, bei dem der Geiger Furnt noch einige Dutzend Seelen in der Kreide steht. Weil er die aber unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erbeutet hat, muss er für tausend Jahre unter dessen Thron knien und nachdenken (die einzige WIRKLICH gruselige Vorstellung, die Frau Voigt produziert).

Ergo mal wieder eine zwischendurch gewollt amüsante Mischung von Gruselklischees, die aber stark jugendfrei und familienfreundlich müffelt und tatsächlich ohne einen Tropfen Blut auskommt (alle Opfer werden sauber erwürgt).

Die Figuren sind dabei sogar sehr sympathisch, aber um auf die volle Seitenzahl zu kommen, reichten die Einfälle rund um Legende, Fluch und Umsetzung leider nicht aus, zu brav und wenig zielgerichtet ist der höllische Furnt, dessen Untatenplanung auch nicht gerade sättigend (oder logisch) erscheint.

Also werden seitenweise Szenen im Gefängnis oder in der Kneipe verpulvert – nicht gerade sturzlangweilig, aber nicht mal ausreichend, um eine passable Geistergeschichte zu füllen.

Vielleicht hat Frau Voigt das typische Thema ja nie so recht behagt, so dass sie etwas Neues ausprobieren wollte, aber über das Niveau eines mittelmäßigen Europa-Hörspiels (von 1975) geht das hier leider nie hinaus – als solches hätte es mit tatkräftiger Teufelsvioline vielleicht funktioniert.

Da könnte ich ja jetzt glatt mal auf so einen Callgirl-Krimi...

Fazit nach drei Geister-Krimis:
Interessanter als ich erwartet habe, aber leider keine Offenbarungen dabei gewesen. Langsam mutmaße ich, dass ich zielgerichtet eine Empfehlung für ein Serienhighlight ausprobieren muss, um ein Erfolgserlebnis ohne Nebenwirkungen zu genießen.

Oder ich hab mir an Hunderten von Werken aus klassischer Horrorliteratur und ebenso vielen entsprechenden Filmen gänzlich den Geschmack verdorben.

Während ich also schon mal einen zweiten „Rick Masters“ für später vorwärme (zweimal ist keinmal), gebe ich dem „Silber-Grusel-Krimi“ nochmals eine Chance und eröffne ein neues Dreierspiel mit zwei neuen Autoren und einem Künstler, der mich zuvor stark enttäuscht hatte. Es wird schon was Handfestes dabei sein und wenn auch das nicht klappt, werden die Jungs von Bastei es für mich richten müssen...ich freu mich schon!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-02-09 10:20
Der "Ruf" des Geister-Krimis ist nicht ganz unbegründet. Ein paar nette Romane - der Rick Masters war übrigens immer ziemlich soft gehalten, aber ganz ordentlich zu lesen, wenn Wunderer einen guten Tag hatte - in einem Meer aus Beliebigkeit. Immerhin hatten sie eine einprägsame Aufmachung und noch das schlechteste Titelbild war besser als der Mist, den sie heute draufpappen.

Du legst einen Finger auf den wunden Punkt vieler dieser Romane. Eine vielversprechende Idee, ein farbiger Anfang und dann ist bald Schluss. So ein Manuskript zu füllen ist eben nicht einfach, vor allem, wenn man sämtliche Vorgaben erfüllt. Also nicht zu viel Horror, schon gar nicht ausgemalt - man denke an die Däki-Bearbeitung, wo jedesmal schon das Wort "Blut" gestrichen wurde - keine "komplizierten" Charakterisierungen, keine zu harte Action, keine ausschweifenden literarischen Beschreibungen. Die Kunst hier lag weniger darin, einen genialen Plot zu entwickeln, als vielmehr geschickt die Handlungsarmut zu überspielen. Und darin waren einige besser als andere, vor allem beim Grusel.

Und was den "Callgirl-Krimi" angeht, tu dir das nicht an :lol: Der ist schrecklich. Ganz schlichte Agentengeschichten mit einer Prise Holzhammer-Erotik, die stets da aufhörte, wo jetzt Jack Slade-Romane anfangen. Zugegeben, 1975 war das verglichen mit den noch prüderen Konkurrenzprodukten vermutlich recht reißerisch, aber heute ist das superöde.

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