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Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die Blutgräfin

Dirk und die VampireDer Vampir-Horror-Roman
Die Blutgräfin

Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.

Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?


Die BlutgräfinDie Blutgräfin
von Hugh Walker

Vampir Horror-Roman Nr. 20
März 1973 / DM 1,-

Pabel Verlag
Alfred Clement lässt während eines Urlaubs in Wien nochmal die Zeit Revue passieren, die er mit seinem Studienfreund Friedel Carhaun zusammen in dieser Stadt verbracht hat. Leider kam Friedel bei einem Blitzschlag ums Leben. Die Erinnerungen an ihn sind aber noch sehr lebendig und schließlich hat er es seinem Freund zu verdanken, dass er noch unter den Lebenden wandelt. Die Umstände waren alles andere als normal zu nennen. Hätte Friedel damals nicht so seltsame Vorahnungen gehabt, wären sie beide bei einer Gasexplosion in die Luft geflogen. Hinterher gab er zu, dass er Dinge sieht die erst noch passieren. Das war nicht das einzige seltsame Ereignis, denn eigentlich hätte es Friedel schon früher nicht mehr geben dürfen. Bei einem Skiausflug ist er mal mitten durch einen Baum gefahren, zumindest sagten das die Spuren der Bretter. Zudem nahm er an spiritistischen Sitzungen teil und erzählte oft von einer Klara Ferenczek, deren Seancen er damals besucht hat...

Alf Clement hat die Adresse der Spiritistin ausfindig gemacht, die in der Schulerstrasse in einem der ältesten Viertel von Wien lebt. Die Straße hat, wie die Blutgasse und die Domgasse in ihrer Nachbarschaft, eine lange Geschichte und im Laufe der Zeit sehr viel Schreckliches gesehen. Sogar die berühmte Blutgräfin Erzsebeth Bathory hielt sich bei Wienbesuchen hier auf und feierte ihre blutigen Feste direkt gegenüber dem Haus, in dem Madame Ferenczek wohnt. Zumindest behauptet das die etwa fünfzig jährige Frau, die Alf warm empfängt und durch ihre, mit antiken Möbeln vollgestopfte Wohnung führt. Natürlich kann sie sich noch an Friedel Carhaun erinnern. Er hatte eine starke spiritistische Ausstrahlung, auch wenn er kein Medium war. Nach einem netten Plausch lädt sie Alf zu einer Sitzung ein, die am anderen Tag stattfindenden soll.

Pünktlich zur verabredeten Zeit steht Alf nun auf der Matte und lernt sofort eine weiteres neues Mitglied der geheimen Runde kenne. Ornella Rehmer, eine hübsche junge Frau mit ungarischen Wurzeln. Sie macht Madame F. ein wenig Kopfschmerzen, denn sie ist nicht ganz freiwillig hier und bringt auch nicht den nötigen Ernst für ein solches Stelldichein mit den Geistern auf. Alf wird gebeten sich mit Ornella zu unterhalten und er erreicht, dass sie freiwillig auf die Runde verzichtet und das Haus verlässt. Ihr zukünftiger Schwiegervater, der ebenfalls an der Seance teilnimmt, wollte ihr eigentlich ein wenig auf den Zahn fühlen. Er ist betucht und möchte seinen Sohn nicht unbedingt an die Erstbeste verscherbeln. Als die Geisterbeschwörung beginnt, nimmt sie aber dennoch teil. Zwar ist sie da verkleidet, aber Alf erkennt sie trotzdem. Er hat sich ein wenig in sie verguckt.

Bei der Beschwörung wird der Geist Bellamy, der ein Bindeglied zwischen Diesseits und Jenseits herstellen kann, herbeigerufen. Er erscheint und Alf darf ihm ein paar Fragen stellen. Als er auf das Haus von gegenüber und die Zeit als es noch bewohnt war zu sprechen kommt, wird Bellamy von einer stärkeren Macht verdrängt. Der Geist der Bathory erscheint und es regnet über Ornella Blut, das sich sogar materialisiert. Madame Ferenczek und das junge Mädchen brechen  zusammen. Der Spuk ist vorbei. Eilig löst sich die Runde auf und Doktor Wächter wird gerufen. Er kennt die Symptome bereits aus früheren Zusammenkünften der Spiritisten und ist obendrein noch sehr verschwiegen. Das Blut, welches jetzt an Ornella haftet, ist das von Frau Ferenczek. Erklären kann der Doc das zwar nicht, aber immer wieder fehlen ihr halt ein paar Liter. Das ist das eigentlich Gefährliche an ihren Sitzungen.

Nachdem sich  die immer noch geschockte Ornella das Blut abgewaschen hat, bietet sich  Alf an sie nach Hause zu bringen. Um den Spuk ein wenig zu verdrängen, machen sie noch einen Spaziergang durch das nächtliche Wien und landen schließlich im Prater. Das einzige was sie verständlicherweise nicht besuchen sind die Geisterbahnen. In dieser Nacht bleiben die beiden zusammen, um sich gegenseitig ein wenig Nähe zu geben. Inzwischen sind sie mächtig verliebt ineinander. Nach ein paar Stunden steht Ornella plötzlich auf und will, nur mit einem alten Nachthemd ihrer Großmutter bekleidet, das Haus verlassen. Alf hält sie auf. Angeblich wurde sie von Gräfin Bathory gerufen. Die Sache wird immer mysteriöser, erst recht als sie im Saum des Nachthemds das Wappen derer von Bathory entdecken.

Zwei Tage später erhält Alf von Frau Ferenczek einen Anruf mit der Bitte, sofort zu ihr zu kommen. Sie hat in der Nacht die Schreie einer gequälten Frau aus dem Haus gegenüber gehört.Als sie sich schließlich gemeinsam den alten Kasten nochmals betrachten, taucht plötzlich das Gesicht einer steinalten Frau in einem der Fenster auf. Überzeugt meint Madame, dass es sich nur um Darvulia handeln kann, der Dienerin und die eigentliche unheilvolle Kraft  hinter der Blutgräfin. Bei der Sitzung haben sie wohl etwas sehr böses heraufbeschworen. Das kann ja heiter werden, aber jetzt will Alfred Clement der Sache erst recht auf den Grund gehen. Glücklicherweise sind alte Häuser oft untereinander verbunden und so gibt es auch hier einen Geheimgang aus längst vergessenen Zeiten. Mit Taschenlampe, Streichhölzern und Taschenmesser bewaffnet macht sich Alf schließlich daran, die Gewölbe und das Haus darüber zu erforschen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend steigt er über Berge von Schutt und um sich nicht zu verirren, malt er Zeichen mit Kreide an die Wände. Schließlich entdeckt er einen Raum, indem vor kurzem Jemand eine Menge Blut verloren hat und die Fußspuren auf dem Boden führen ihn in einen weiteren Raum.Unter der hohen Decke baumelt ein seltsamer Eisenkäfig mit nach Innen gebogenen Dornen, aus dem noch immer der rote Saft tropft. Darunter steht ein Stuhl. War die Blutgräfin wieder da und hat hier eins ihrer berüchtigten Blutbäder bzw. Blutduschen genommen um ewige Jugend zu erlangen?

In der folgenden Nacht wiederholt sich das Ganze und diesmal will Alf an Ort und Stelle sein, um den Spuk ein Ende zu setzen. Erneut geht er durch den Geheimgang und in dem Raum mit dem Käfig entdeckt er die Leiche eines Mädchens in der eisernen Falle. Der ganze Raum schwimmt förmlich in Blut und dann gehen ihm die Lichter aus. Irgendjemand hat ihm von hinten eins übergebraten. Als er wieder erwacht ist das Mädchen verschwunden. Überhaupt erinnert nichts an das blutige Fest, in das er geplatzt ist.

Am anderen Tag steht in der Zeitung, dass man eine weitere,  schrecklich  verstümmelte Mädchenleiche im Donaukanal gefunden hat...

Alf versucht jetzt mehr über die Gräfin zu erfahren und verabredet sich mit Ornella vor der Nationalbibliothek, nur sie kommt nicht. Als er sie in ihrer Wohnung aufsucht, macht sie einen verwirrten Eindruck und er beschließt sie mitzunehmen. Hat sie etwas mit den Vorfällen zu tun?

Gegen Abend besuchen sie Madame Ferenczek, die sich sichtlich über die Unterstützung freut. Alf möchte nochmals, wenn die Schreie wieder einsetzen, in das Haus und Ornella soll bei der Spiritistin bleiben. Aber dann schlafen sie ein. Als er wieder aufwacht ist seine Freundin verschwunden und aus dem Haus gegenüber kommen wieder diese gequälten Schreie. Alf spurtet durch die Gewölbe und gelangt erneut in den Raum mit dem Käfig, indem sich ein Mädchen befindet. Mit Grauen entdeckt er eine Gestalt in einem weißen Gewand, die auf dem Stuhl sitzt und sich mit Blut berieseln lässt. Dann schlägt wieder die Alte zu, doch diesmal verjagt er die Hexe wobei die andere Person flüchtet. Er holt das Mädchen aus dem Käfig und trägt es in die Wohnung von Madame F., wo es wieder zu sich kommt. Plötzlich steht die völlig verwirrte Ornella im Zimmer und das verletzte Opfer fällt erneut in Ohnmacht. Die herbeigerufenen Sanitäter verständigen die Polizei, die eine Menge Fragen hat. In Ornellas Tasche findet Alf das blutige Nachthemd seiner Freundin. Er weiß nun, dass Ornella auf dem Stuhl saß, glaubt aber weiter an ihre Unschuld. So ist die Liebe.

Ornella und Alf beschließen endgültig zusammen zu bleiben, doch dann geschieht etwas unerwartetes.Ornella wird von Darvulia entführt. Nach einiger Recherche kommt er dahinter, dass sie wohl nach Ungarn in das alte Schloss der Bathorys verschleppt wurde und macht sich sofort auf den Weg. Schützenhilfe bekommt er dabei von Dr. Fiegweil, der ein Buch über die Machenschaften der Blutgräfin geschrieben hat und der Sache glauben schenkt.

In einem kleinen Kaff in der Slowakei nehmen die zwei Gefährten nun die Spur der Gräfin auf und tatsächlich gibt es unweit dieses Ortes die alten Ruinen des gesuchten Schlosses. Als sie in das alte Gemäuer eindringen, stellt sich ihnen wiedermal Darvulia in den Weg und haut Alf erneut aus den Socken. In einem stinkenden Haufen menschlicher Überreste erwacht er erneut und ist allein. Von Dr. Fiegweil keine Spur. In völliger Dunkelheit kriecht er durch eine Art Zelle und stößt dabei auf immer neue Leichen. Ist eine davon sein Partner Fiegweil oder Ornella? Irgendwann wurde eine Tür geöffnet und Darvulia holte ihr nächstes Opfer ab. Seltsamerweise lässt er sich willenlos mitnehmen. Er soll für Ornella geopfert werden, auch wenn er ein Mann ist. Blut ist Blut. Im Käfig über Ornella flüsterte er ihren Namen und sie hörte ihn in letzter Sekunde... Ihr Geliebter hengt über ihr und vergießt sein Blut für sie... Das ist zu viel und der Bann ist gebrochen! Sie stürzt sich auf Darvulia und stößt sie ins Feuer, wo die böse Hexe kläglich verbrennt.

Endlich erwacht Ornella völlig aus ihrer Benommenheit und Hilfe ist auch schon in Anmarsch: Die Dorfbevölkerung angeführt von Dr. Fiegweil. Das Gute bzw. die Liebe hatte gesiegt...

Dirk und sein SenfMein Senf
...ach, war das schön. Eigentlich hatte ich bei dem Walker/Straßl wieder mit einem Werwolf Roman gerechnet oder zur Abwechslung mal mit etwas Neuen über Vampire. Aber nein, diesmal gab es eine Liebesromanze mit geschichtlichen Hintergrund, einen Streifzug durch das Wien der 70er Jahre und ein wenig Gebrüder Grimm. Überhaupt war man bei diesem Roman wieder voll drin in der Zeit von Schlaghosen und Plateauschuhen. Ist ja auch kein Wunder, denn das Ding ist schließlich von Dreiundsiebzig.  Straßl beschrieb nicht nur Land und Leute dieser Zeit, sondern verlor auch ein paar Worte über die politische Lage.  Alf (warum muss ich nur immer an das Fellmonster von Melmak denken?) war ja eigentlich auf Urlaubstrip und wollte nach Ungarn weiterreisen. Nachdem er Ornella kennengelernt hat, kam er mit dem Vorschlag um die Ecke, dass sie doch mitreisen könnte. Das traute sie sich aber nicht, da der Ostblock bekanntlich großen Einfluss auf seine Mitgliedsstaaten  hatte und Ornellas Muti (kleiner Scherz) sowie ihr Papa mit ihr als Baby aus Ungarn geflüchtet waren und sie deshalb in dem Land der scharfen Paprikawurst mit einer Verhaftung rechnen musste. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber so war das damals.

An der Grenze zur DDR dürfte dieser Roman, wenn ihn denn mal einer verschickt hat, keine Einreisegenehmigung erhalten haben. Da waren die strengen Zöllner recht pingelig oder sie haben vielleicht die Hefte selber gerne gelesen bzw. die Titelbildern klasse gefunden, was ja gerade bei „diesem“ Thole kein Wunder gewesen wäre. Indirekt hatten wir  damals, als es den Hexenhammer noch gab, auch mal etwas mit den Grenzern zu tun. Mitte der 80er wechselten wir Briefe mit vier Mädchen aus Kotzen (kein Scherz, den Ort gibt es wirklich) und schickten ihnen Fanzines und Sinclair-Romane. Darauf sind sie,  und wohl auch etliche Leute aus  ihrem Bekanntenkreis, richtig abgefahren. Die Dinger wurden unter der Hand weiter gegeben und obendrein waren sie eine beliebte Tauschware gegen anderen Lesestoff. Doppelte waren auch willkommen. Nun, die Sachen wurden des öfteren abgefangen oder wenn sie durchkamen, fehlte nicht selten das Titelbild oder ganze Seiten waren herausgerissen. Die DDR Behörden sahen in John Sinclair wohl den Klassenfeind. Unglaublich. Um die Mädels doch noch mit Lesestoff zu versorgen, haben wir verschiedene Adressen und Absender benutzt. Ob es was gebracht hat? Von unserer Seite war das Ganze ja eher harmlos, aber man kam sich trotzdem vor wie in einem Spionagefilm. Spannende Sache damals, zumal wir nach einiger Zeit auch nichts mehr von ihnen gehört hatten.

Zu diesen Ausflügen in den kalten Krieg und der Geschichte von Elisabeth Bathory gab es aber noch andere wissenswerte Dinge, die Hub Straßl den Lesern nebenbei vermittelte. Ein Beispiel war das mit dem Mezzanin, was sich für mich wie ein fieses Arzneimittel aus alten Tagen anhört. Nein, ein Mezzanin ist oft in alten Häusern zu finden, denn es handelt sich um ein Halbgeschoss, welches zwischen Erdgeschoss und der ersten Etage liegt oder auch in den Dachschrägen. Bei uns nennt man so etwas wohl eher Kabuff oder Studentenbude weil es nicht selten an der Deckenhöhe mangelte oder überhaupt sehr winzig war. Das Wiener Rathaus ist übrigens auch ein Bau mit Mezzaninen.

  Ehrlich gesagt wusste ich bis jetzt nicht viel über Erzsebet (ungarische Schreibweise) bzw. Elisabeth  Bathory,  außer das was man mal so aufgeschnappt hat. Entscheidend für zahlreiche Erwähnungen in diversen Gruselgeschichten dürften die Jahre nach dem Ableben ihres Mannes und ihres Bruders  sein, denn da hat die Gräfin eine Menge Geld und Gut vererbt bekommen und somit auch jede Menge Macht und Einfluss erhalten. Zu dieser Zeit drehte die Dame wohl völlig am Rad und bekam ihren Beinamen „Blutgräfin“. Heute würde man sie eine Massenmörderin nennen.1610 stürmte ihr eigener Vetter auf Befehl des ungarischen Königs Matthias II. das Schloss von Cachtice und stolperte, seinem Bericht nach, schon am Eingang über einen Haufen Frauenleichen. Angeblich hat sie sich des öfteren an ihren Dienerinnen vergriffen und diese umgebracht. Zumindest war das der Grund, warum man ihr den Prozess machte und sie anschließend noch vier Jahre, bis zu ihrem Tode, eingemauert in einem kleinen Zimmer verbringen musste. Zeugen,  unter schrecklicher Folter „geständig“ gemacht, gab es genug und auch die erwähnte Dienerin Darvulia, die böse Hexe aus dem Roman, wurde auf diese Weise befragt. Bevor man sie anschließend verbrannte, wurden den Zeugen noch die Finger herausgerissen. Da hatte die Gräfin noch richtig Glück mit den relativ milden Anklagepunkten und dem darauffolgenden Urteil, denn in Wirklichkeit soll sie zwischen dreißig und achtzig Mädchen getötet haben, um mit deren Blut ihre Haut jung zu halten und somit ihre Jugend wieder zu erlangen, zumindest optisch. In Wien hat sie sich oft aufgehalten und dort unter dem niederen Adel ihre weiblichen Opfer gesucht. Es könnte aber auch alles eine Intrige gewesen sein, denn die Habsburger und die Bathorys hatten zB. beide ein Auge auf Transsylvanien geworfen. Um dem (politischen)Gegner einen schlechten Ruf zu verpassen, kamen solche Diffamierungen oft  sehr gelegen.  Ein Körnchen Wahrheit ist aber bekanntlich immer an solchen Sachen  und zudem kann man aus manchen Steilvorlagen vergangener Epochen wunderschöne Gruselromane basteln.

Hubert Strassl aka Hugh WalkerUnd das hat Walker/Straßl mit diesem Heft auch gemacht und zwar in der so genannten Ich-Form oder Ego-Perspektive, die er sehr gut beherrschte. Kennt ihr diese Geschichten, wo der Protagonist persönlich mit einem kommuniziert und man deshalb weiter liest und später merkt, dass der Autor einen damit ausgetrickst hat? Hugh Walker hatte diese Tricks wirklich gut drauf und im Nu war man mitten in der Story. Nix mit Kaugummi-Anfang, aber auch nicht rasant. HW wickelte einen mehr mit seinen geschwungenen Worten ein und zeigte diesmal, dass er sich auch in Geschichte auskannte oder wiedergeben konnte. Jetzt die alten Grenzverläufe zwischen Ungarn, Slowenien usw.  wiederzugeben die er mal nebenbei erwähnt hat, spare ich mir lieber.

Seancen sind ja bekanntlich häufig  in die Hose gegangen. Filme und Bücher sind voll damit und bei Madame Ferenczek hat es auch nicht richtig hingehauen. Neu war für mich, dass das Blut, welches sich materialisierte aus Madames Körper kam, weil Ornella den Geist berührt hatte. Die Spiritistin schilderte einen Fall, bei dem eine Kollegin einen Geisterhund berührt hat und sie  daraufhin 10 Kilo abgenommen hat. An welcher Stelle blieb offen.

Zum Schluss kann ich nur  sagen, das mir DIE BLUTGRÄFIN viel Spaß gemacht hat und Hub Straßl immer mehr ins rollen kam. Vampire und Werwölfe hatten Pause, aber der Grusel funktionierte auch mit einer Hexe. Die Spaziergänge im nächtlichen Wien waren auch sehr schön und romantisch beschrieben. Die wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben und deshalb sind solche Romane immer wieder auch ein Ausflug in diese (für mich) schöne Zeit. Natürlich hat man damals alles durch die Kinderbrille gesehen. Die Wirklichkeit dürfte dann doch etwas anders gewesen sein. Etwas unschuldige Liebe gab es übrigens auch, aber man ließ sich Zeit und der erste Abend war eh tabu.  Das Titelbild spricht dagegen eine ganz andere Sprache.  Die abenteuerlichen Erkundungsgänge durch das alte Gemäuer der Wiener Bathory-Villa waren klasse und die beschriebenen Folterszenen waren auch nicht ohne, wenn man nicht allzu abgestumpft ist. Einmal musste Alf  zB. einem geretteten Opfer den zugenähten Mund wieder aufschneiden oder der stinkende Haufen Leichenteile in der Zelle... Alles in Allem eine gute Investition (1,-DM) für zwei Stunden gruseliges Lesevergnügen.

Übrigens gibt es hier beim Zauberspiegel einen schönen Artikel von Horst über  Hugh Walkers Hexenromane. Sehr interessant, denn da kommt der Autor selber mit ein paar Infos und Hintergründe rüber. Leider habe ich den Artikel zu spät entdeckt (der ist von 2011 oder so) und konnte mich deshalb nicht mit fremden Federn schmücken. Aber so viel Nerdwissen hätte mir sowieso keiner abgekauft...

Was gab es sonst noch?
Beim Titelbild kann ich diesmal nur sagen: Man Thule, dat bisken Stoff hättest du auch noch weglassen können! Beim heranziehen mit der Kamera (nur interessehalber) kann man wirklich einzelne Haare erkennen. Wo sage ich nicht, aber damals hat anscheinend niemand mit den „Telefonen“ unserer Zeit gerechnet. Da kann man mal sehen, wie genau und exakt der Holländer  gemalt hat. Ein Bob Ross mit breiten Pinsel war er nicht, obwohl mir Ross`s Maltechnik auch sehr gefallen hat. Der haute ein Bild innerhalb einer halben Stunde raus und sagte zwischendurch immer „...God bless you...“ schneller als man einschlafen oder auf die Fernbedienung drücken konnte. Thole dürfte länger gebraucht haben, aber dafür waren seine Motive auch, sagen wir mal, anders als die von Bob. Eher das Gegenteil.

Bei Franz Berthold waren es diesmal ein Opfer im Eisenkäfig und die Dienerin/Hexe Darvulia, die den Lesern in die Augen blickten. Eben Berthold, der wie immer mit seinen Zeichnungen etwas Stimmung zwischen die Seiten brachte.

In Sachen Hygiene hat sich seit damals auch etwas geändert. Ornella wurde von Alf gefragt, warum sie immer ihre Haare wäscht (sie musste ja das Blut loswerden) obwohl die Woche noch nicht um ist. Was, einmal in der Woche? Duschen am Morgen war zu dieser Zeit noch nicht überall an der Tagesordnung, weil normale Mietwohnungen  mit Wannen ausgerüstet waren und die hat man  dann eher  Freitags befüllt. Wochentags wurde mehr mit dem Waschlappen gearbeitet und wenn ich mich recht entsinne, kenne ich dieses einmal-in-der-Woche -Kopfwaschen über der Schüssel auch noch. Heute stehen einem bei diesem Gedanken die Haare zu Berge, und das nicht erst nach einer Woche. Wir hatten übrigens gar kein Badezimmer, sondern nur ein Waschbecken und eine Toilette im Mezzanin, eine Halbetage tiefer. Irgendwie gefällt mir dieses Wort (Mezza...) richtig gut. Gebadet wurde einmal in der Woche bei der Oma. Überhaupt würde das Mietshaus in dem ich aufgewachsen bin (Baujahr 1905) aus heutiger  Sicht in fast jedem Gruselroman oder Film eine prima Kulisse abgeben. Ein tiefer, feuchter Keller ohne Licht, ein Dachboden der nach altem Holz, frischer Wäsche und Kerzenwachs duftete, auch hier gab es kein Licht, dazu noch jede Menge Spinnweben und Schimmel an den Wänden. Wenn ich mal wieder meine dollen fünf Minuten hatte sagte mein neun Jahre älterer Bruder immer, dass mein Bett zu nah an den Pilzen steht. Aber lassen wir das, die Wohnung hat schließlich nur 250.- DM Miete im Monat gekostet. Bei fünf Zimmern plus Mezzanin...

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Kommentare  

#1 Schnabel 2016-05-07 10:40
Hubert Straßl alias Hugh Walker gehört zu meiner persönlichen Creme de la Creme der Grusel-Autoren. Er hat zusammen mit Kurt Luif alias Neal Davenport und James R. Burcette das erste Jahr der Vampir-Horror-Roman-Reihe geprägt.
#2 Andreas Decker 2016-05-07 12:26
Und das war damals viel Geld, selbst mit Klo auf halber Treppe :-)

Straßls Romane sind auch deshalb so eindringlich, weil ihr Schauplatz so nachvollziehbar war. Diesen Horror in Deutschland/Österreich hat nach ihm keiner mehr so hinbekommen.

Und es war eine gelungene Variante der Bathory-Story. Ist unbestritten einer von Straßls gelungensten Romanen. Und auch wenn die ewige Lobhudelei langsam langweilig wird - okay, ist -, ist das Cover in meiner Top3 von Thole.

Schöner Beitrag! Verglichen mit heute waren das fast idyllische Zeiten. John Sinclair als Klassenfeind. :lol:
#3 Laurin 2016-05-07 21:25
Ein wirklich sehr stimmiger Roman, den ich allerdings damals nicht gelesen hatte. Wie ich an anderer Stelle schon mal sagte, waren die "Vampir Horror Romane" in meiner Jugend kaum in unsere Hände gelangt, zumal man erst nach den Heften einer Romanreihe griff, wenn man quasi über einen Mitschüler schon mal (kostenlos ausgeliehen) rein schnuppern konnte.
Da ich aber die Sammlerausgaben von Emmerich Books & Medien zu Hugh Walker habe, konnte ich diesen Roman natürlich auch genießen. Wer "Die Blutgräfin" also noch suchen sollte, der sollte hier zum Band "Hexenbrut" von Hugh Walker greifen. ;-)
#4 Toni 2016-05-08 11:22
Als ich 1980 angefangen habe Romane zu "sammeln" (Sinclair), liefen die Vampire noch ein Jahr. Da sie optisch sehr von meinem Super-John abwichen, habe ich sie glatt ignoriert. Zwei, drei Jahre später sah das anders aus.... welch ein Glück bekam man die Dinger recht schnell nachgekauft.

Ja, 250,- DM für diese Bude waren allerdings zu viel, denn Heizung gab es auch nicht. Aber wenn man überlegt was heute eine 5 Raum Wohnung um die 100 qm kostet, wird einem schlecht. Zumindest bei uns in Essen.
#5 Carn 2016-05-09 15:30
Mensch Dirk, bei Deinen damaligen Wohnverhältnissen wärst Du eigentlich als künftiger Horror-Autor prädestiniert gewesen :)
#6 Toni 2016-05-11 18:37
Ja Jürgen, ich verstehe es auch nicht. Damals war ich ja schon fast auf dem Sprung zu den ganz Großen der Branche, denn schließlich habe ich dem damaligen Redakteur von JS (H.U.Steffan) zwei Storys für die 2.Auflage aufs Auge gedrückt. Bei der zweiten hatte ich sogar schon ein Pseudonym: Wilhelmine Thronberens (meine Mutter). Dieser zeitlose Vorname hätte sich mit Sicherheit gut auf Romanencovern gemacht. :lol:

Zu den Wohnverhältnissen kann ich auch nur sagen, dass ich den alten Kasten geliebt habe. Viel kaputt machen konnte man nicht mehr. Was willst du als Junge mehr...

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