Sub- und Miniserien in Terra und Utopia: Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops - Zu den Sternen - AD ASTRA!
Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops
Folge 3:
Zu den Sternen - AD ASTRA!
Mit dem Moewig Verlag, der 1957 mit der SF-Reihe „Terra“ und später mit weiteren Reihen und Serien auf den Markt ging, war dem Pabel Verlag ein mächtiger Konkurrent erwachsen. Die in den Terra-Bänden erschienenen Texte waren im Durchschnitt von höherer Qualität als die in Utopia publizierten, die Anzahl der Romane und Geschichten von bekannten internationalen Autoren wesentlich größer. Wir werden uns in mindestens einer Artikelfolge mit den „Sternschnuppen internationaler Erfolgsautoren“ beschäftigen. Dazu kam der gigantische Erfolg von Perry Rhodan. Dies alles nagte kräftig an der Utopia-Auflage. Die Nebenreihen Utopia-Großband, Utopia-Magazin, Utopia-Kriminal sowie die Utopia-Zukunft-Taschenbücher in der Reihe Pabel-Taschenbuch mussten nach und nach eingestellt werden. 1967 war daher nur noch die Stammreihe Utopia-Zukunftsroman übriggeblieben. Dieser stand die übermächtige Moewig-Phalanx mit Terra, Terra Extra, Terra Taschenbuch sowie 3 PR-Heftauflagen (inklusive der eigenartigen 3. Ausgabe, mit der ich zu dieser Zeit von Beginn an ins Solare Imperium einstieg), den Perry Rhodan-Planetenromanen sowie der Comicserie „Perry Rhodan im Bild“, mit der man jüngere Leser an die anderen Reihen heranführen wollte, gegenüber.
Man gab bei Pabel aber noch nicht auf und versuchte ein letztes Mal, sich mit einer neuen Serie dem Konkurrenten entgegenzustellen. Der Name „AD ASTRA“ war programmatisch und mit dem Motto des Science Fiction Clubs Deutschland identisch. Als Grußformel ist er vor allem bei älteren Semestern aus diesem Umfeld nach wie vor gebräuchlich. Diese Serie erschien in der Endphase der Utopia-Hefte in der von Mark Powers bekannten mit Einzelheften abwechselnden Erscheinungsweise. 21 Hefte wurden zwischen Utopia 550 und 590 publiziert. Ungewöhnlich war das Ende der Serie mit der Zerstörung der Erde. Das hängt sicher damit zusammen, dass man sich bei Pabel letztlich dazu entschlossen hatte, sich der Übermacht zu beugen und Utopia einzustellen. Der letzte AD ASTRA-Roman war daher ein abruptes Ende für die Serie, der man deutlich anmerkte, dass sie für einen deutlich größeren Handlungsrahmen angelegt worden war. Das ist in diesem Fall wirklich schade!
Nach dem Serienende von AD ASTRA wurden bis zur letzten Utopia-Nummer 596 nur noch einige vorher bereits eingekaufte Einzelromane herausgebracht. Der Name „Utopia“ ging damit vorläufig in die deutsche SF-Geschichte ein, bis einige Jahre wieder alles anders wurde, als Verlagsbesitzer Heyne den Moewig-Verlag an Pabel, der zum Heinrich-Bauer-Konzern gehört, vekaufte und die beiden Konkurrenten zum Pabel-Moewig-Verlag fusionierten. „Utopia“ als Reihenkennung wurde dann in den Siebzigern für die Taschenbucheihen „Utopia Bestseller“ und „Utopia Bestseller aus Raum und Zeit“ verwendet, in denen die Einzelromane und Kurzserien von K. H. Scheer und Wolf Detlef Rohr neu herausgegeben wurden. Dazu kam später noch die Taschenbuchreihe „Utopia Classics“, in der hauptsächlich Nachdrucke von früher in Heftausgaben erschienen Werken publiziert wurden. Zu etwa gleichen Teilen wurden in dieser Reihe englisch- und deutschsprachige Autoren gebracht. Bei den deutschen Autoren wurde hier z. B. fast das gesamte serienunabhängige Werk von William Voltz gesammelt.
Jetzt aber hurtig zurück zu AD ASTRA: Chefautor war H. G. Francis, der sich vorher seine ersten Seriensporen schon bei Mark Powers, Ren Dhark und Rex Corda verdient hatte. Als weitere Autoren schrieben Thomas R. P. Mielke, Arno Zoller (Rolf W. Liersch) und J. A. Garrett (wieder mal Jürgen Grasmück alias Dan Shocker) an der Serie mit. Den Großteil der Titelbilder zeichnete Hans Möller, damit wurde AD ASTRA nahezu vom gleichen Team realisiert, das vorher bei Bastei Rex Corda gemacht hatte, einem weiteren SF-Helden und Rhodan-Konkurrenten aus den sechziger Jahren.
AD ASTRA verzichtet auf großes intergalaktisches Weltraumkino, sondern bleibt mit der Handlung relativ nahe an der Gegenwart in unserem Sonnensystem und im benachbarten Centauri-System. Held der Serie ist mit Fähnrich Chet Morrow ein Besatzungsmitglied des „Dyna Carrier“, der Neukonstruktion eines interplanetarischen Trägerraumschiffes. Morrow dient als Pilot eines Dyna-Beibootes und wird nach Aufdecken von Sabotageakten in Geheimdienstaktivitäten verwickelt. Die Handlung führt Morrow und seinen Freund und Kollegen Tom Atkins zur Venus und zum Mars, wo er Hinweise auf das Eingreifen von Außerirdischen entdeckt.
Morrow wird aufgrund seiner geschickten Vorgehensweise zum Unterleutnant befördert. Er fällt aber einer Intrige seines Vorgesetzten zum Opfer, wird degradiert und dem Bodendienst zugeteilt. Dabei kann er sich rehabilitieren und erhält seinen Rang zurück. Weitere Abenteuer spielen auf den Saturnmonden Titan und Phoebe sowie auf dem Jupitermond Callisto. Es kommt zur Begegnung mit zwei verschiedenen Spezies von Außerirdischen, bevor Chet Morrow Kommandant des Forschungsschiffes SWORD OF TERRA wird, das zur ersten interstellaren Expedition nach Alpha Centauri aufbricht. Dort entdecken die Raumfahrer bewohnbare Planeten mit einheimischen Zivilisationen, darunter Nachfahren der alten Römer, deren Vorfahren von Außerirdischen entführt worden waren und gründen eine eigene Kolonie, bis das „Todesfeuer über Alpha Centauri“ das plötzliche Ende der Serie mit sich bringt.
Die Abenteuer von Chet Morrow, lesen sich auch heute – fast fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung - nach wie vor recht flott. Sie können auch Jugendlichen in die Hand gedrückt werden, denen der Nostalgieeffekt im Unterschied zu den Altlesern nicht wichtig ist. Deshalb fand auch AD ASTRA den Weg zu einer Neupublikation in einer Sammlerausgabe im Mohlberg-Verlag. Im Vorwort der ersten Sammlerausgabe schreibt Udo Mörsch, der die alten Romane überarbeitete:
„Die alten Texte wurden behutsam bearbeitet, um auch heutigen Lesern die spannenden Romane zeitgemäß nahe zu bringen. Ebenso war aus unserer Sicht unumgänglich einige Namen handelnder Charaktere zu ändern, was den Lesegenuss eher erhöht und nicht beeinträchtigt. Die damals von den Autoren beschriebene Technik wurde bei der Überarbeitung der Romane vorsichtig an die heutige Zeit angepasst, da sie aus heutiger Sicht einen sehr antiquierten Eindruck beim Lesen der alten Texte vermittelte.“
(in: H. G. Francis und T. R. P. Mielke, Sabotage um Dyna-Carrier, Mohlberg Verlag, Köln 2007)
Dieses Statement kann nur unterstrichen werden. Zum Beispiel hatte in der Originalausgabe Chet Morrows Vorgesetzter und bösartiger Gegenspieler den eigenartigen Nachnamen „Hitlandloke“, der in der Bearbeitung auf den unverfänglicheren „Rawley“ geändert wurde, und die martialische „SWORD OF TERRA“ wurde auf den friedlichen Namen „HORIZONT“ umgetauft. Das Thema mit der Technik ist in der Science Fiction ein immanentes. SF-Romane altern dem technischen und gesellschaftlichen Fortschritt entsprechend sehr schnell. Romane aus früheren Jahrzehnten, oder gar aus dem 19. Jahrhundert (z. B. Jules Vernes „Voyages extraordinaires“), wirken heute oft unfreiwillig komisch und anachronistisch, auch wenn sie nach damaligem Kenntnisstand der Wissenschaft unter Beifügung von spekulativen Elementen kompetent geschrieben waren. Der Grund dafür ist schlicht und einfach, dass die Zukunft sich halt anders entwickelt, sonst wären die SF-Autoren allesamt Propheten. Besonders amüsant erscheinen mir solche Szenen (allerdings nicht aus AD ASTRA entnommen), wie wenn im Raumschiff das Bordrechengehirn den Kurs für den nächsten Hypersprung berechnet, dabei seine Relais klacken und dann auf einem Lochstreifen das Ergebnis ausgegeben wird, welches der Wissenschaftler, der natürlich wie früher in Rechenzentren üblich einen weißen Mantel anhat, den umstehenden Raumfahrern in Klartext übersetzt. Relais im Computer und Lochstreifen als Ein-/Ausgabemedium gehören natürlich seit Jahrzehnten der Vergangenheit an, aber vielleicht ist der restliche Roman nach wie vor interessant? Bei AD ASTRA war die Modernisierung aufgrund des vernünftigen Grundgerüstes möglich. Bei Jim Parker und Mark Powers, deren Sammlerausgaben bei Mohlberg nach AD ASTRA erschienen sind (siehe die Artikelfolgen 1 und 2), hat man bei der Neuausgabe der Romane bewusst auf eine Bearbeitung verzichtet, weil der Aufwand so hoch gewesen wäre, dass man die ursprünglichen Romane kaum mehr erkennen hätte können. Daher konnten diese Serien auch nur mehr Altleser wie mich wegen des Nostalgieeffektes oder zur Vervollständigung ihrer Sammlungen erreichen.
Durch die Bearbeitung war es bei AD ASTRA auch möglich, die Serie über den ursprünglichen Abschluss hinaus fortzusetzen. In unregelmäßigen Abständen erscheinen neue Romane, die Serie ist mittlerweile bei Band 22 angelangt. Die Sternexpedition unter Chet Morrow kehrt ins Sonnensystem zurück, um zu erfahren was passiert ist und mit Überlebenden in Kontakt zu kommen. Sie finden heraus, dass die Erde durch einen Kometeneinschlag weitgehend zerstört wurde und dass deswegen nuklearer Winter herrscht. Im Sonnensystem herrschen chaotische Zustände, die von kriminellen Elementen ausgenützt werden. Im Wechselspiel zwischen dem Sol- und dem Centaurisystem entwickelt sich die Handlung weiter.
Die gleiche Vorgehensweise mit der Fortsetzung über das ursprüngliche Serienende gab es übrigens auch bei der Neuausgabe von Rex Corda. Dieser erhielt darüber hinaus sogar 2 Spin Offs. Mit Rex Corda beschäftigen wir uns aber im Rahmen dieser Artikelserie nicht weiter, denn er wurde von vornherein in einer eigenständigen Serie im Bastei-Verlag publiziert, während wir uns nur mit den Welten in den deutschen SF-Flaggschiffen Utopia und Terra auseinandersetzen. Aber trotz dieser selbstgewählten Einschränkung liegen noch unendliche Weiten vor uns!
Das wäre ein guter Schlusssatz für diesen Artikel gewesen, wenn es nicht Zufälle gäbe, die kaum zu glauben sind. Ich bin im Augenblick dabei, den Roman „Proxima“ von Stephen Baxter, der einer meiner Lieblingsautoren aus der aktiven Generation ist, zu lesen (bzw. wäre es, würde mich nicht das Schreiben einer Artikelserie im Zauberspiegel aufhalten). Anschließend ist dann der zweite Band „Ultima“ dran. „Proxima“ handelt von der ersten bemannten interstellaren Expedition von Menschen ins Poxima Centauri-System und der Gründung einer Kolonie auf dem dritten Planeten. Am Ende des Bandes haben die Menschen eine Begegnung mit einem fremden Luftschiff, das auf dem Rumpf die Aufschrift „SPQR“ in lateinischen Buchstaben trägt! Ein Mensch steigt aus, der die Kolonisten auf Latein anspricht. Latein? Römer? Kolonie im Centauri-System? Das hatten wir doch schon einmal! AD ASTRA? Kann denn dieser Schurke Baxter Deutsch und hat sich als Ideengeber für seine neuen Romane die alten Utopia-Schundheftchen oder gar die schmucke Sammlerausgabe von AD ASTRA nach England hinüber schicken lassen? Die Antwort weiß ganz allein der Wind ... Und wollen Sie wissen, wie das Expeditionsraumschiff heißt, das Proxima Centauri anfliegt? AD ASTRA!
Und vor einigen Tagen (für später Nachlesende: Mitte August 2016) konnte man den Nachrichten entnehmen, dass Wissenschaftler der Queen Mary University of London an der Europäischen Südsternwarte Eso in Chile einen Exoplaneten entdeckt haben, der Proxima Centauri umkreist. Auf diesem Planeten könnten sogar Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen, berichteten die Forscher.
Ad Astra!
Kommentare
Die Fortsetzung habe ich leider nicht verfolgt. Wie gut ist sie?
Leider gibt es die Serie nicht als ebook. Bin mittlerweile bei Neuware komplett umgestiegen. Schade.
Keine Angst, es geht jetzt weiter - zum Druck liegen vor die Bände 23+24; die Folgebände sind schon in Arbeit.
Wegen dem Umzug und der Ladenauflösung sind einige Sachen leider ins Hintertreffen geraten.
Expos über AA 21 hinaus gibt es leider nicht; bei RC sind ja noch einige aufgetaucht.
Der Name Chet Morrow lehnte sich übrigens nach Aussage von T.R.P.Mielke an tomorrow an.
Ich würde ja behaupten, sie ist sehr gut. Aber ich bin nicht neutral.
gerne melde ich mich auch hier (im zweiten Versuch). Und ja: Es geht weiter mit Ad Astra - Chet Morrows Weg zu den Sternen. Wie Heinz schon bemerkte: Die Bände 23 und 24 (Doppelband) sind fertig, werden gerade druckfertig gemacht.
25 liegt noch bei mir, wird gegengelesen.
26 ist "in den letzten Zügen", soll bis Mitte September bei Heinz sein, so dass die neuen Bände hoffentlich regelmäßiger erscheinen.
E-Books: Das Thema haben wir im Blick, es soll von Ad Astra (zumindest von den Bänden ab 12) künftig auch E-Books geben. Dazu als "Appetizer" eine Zusammenfassung der Bände von 1-11.
Darüber spricht (und verhandelt) Heinz noch mit einem Verlag. Ansonsten werden gerade weitere Exposés erstellt, damit es auch 2017/18 neue Abenteuer von Chet Morrow und Co gibt.
Ad Astra wünscht Thomas T. C.
endlich ist es soweit: Mit ein bisschen Verzögerung sind die beiden neuen Ad-Astra-Bände "Der Kampf der Hüterinnen" und "Der Malivia-Effekt" sind soeben erschienen.
Mit diesem Band haben wir das Ende des Geierköpfe-Zyklus erreicht.
Aber keine Bange: Auch jetzt werden sich Chet Morrow und Co. nicht zur Ruhe setzen (können)...
Noch einige Aussichten auf Ad Astra:
Mit Band 25 steigt neben Oliver Müller nicht nur ein neuer Autor mit ein, es beginnen auch neue spannende Abenteuer, diesmal spielt sich wieder vieles auf der Erde ab. Die neuen Gegenspieler stammen von einem Planeten, der bereits in der Vergangenheit immer wieder im Fokus stand: Sodor. Wenn alles klappt, kommt der Band 25 im Januar 2017 heraus.
wieso soll der Name "Hitlandloke" eigenartig sein? Ich habe ihn damals für die Serie ausgewählt, weil mein etwas skurriler Lehrer in der Englisch-Sprachschule der Luftwaffe in Uetersen so hieß. Heute würde ich eher "Barnaby" nehmen.
wie sieht es bei Ad Astra mit einer ebook-Ausgabe aus? Kann und darf ich hier noch hoffen?