Sub- und Miniserien in Terra und Utopia: Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops - Roboter Psychohistoriker Weltraumranger Asimovs Serien II
Flaggschiffe, Flottenkadetten und Flops
Folge 11:
Roboter, Psychohistoriker und Weltraumranger –
Serien von Isaac Asimov (II)
.
Im ersten Teil dieses Artikels wurden der Autor Isaac Asimov, seine Roboter-Geschichten und -romane sowie die ursprüngliche Foundation-Serie und die Imperiums-Trilogie vorgestellt, dazu kam ein Exkurs zum Thema Übersetzungen.
Jahrzehntelang wurde Asimov von Fans bekniet, seine Foundation-Serie endlich fortzusetzen. Als er sich endlich „erweichen“ hatte lassen, begnügte er sich nicht einfach damit, an „Second Foundation“ eine Fortsetzung anzuhängen, sondern verband mit insgesamt sechs Romanen sein Roboter- und Foundation-Universum zu einem Ganzen. Ob der Versuch wirklich gelungen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander, aber es sind andere schon kläglicher gescheitert. Möglicherweise war sogar noch ein siebter Band geplant, wie seiner Aufstellung des „erweiterten Foundation-Zyklus“ zu entnehmen ist, und der dann aufgrund seines Todes nicht mehr erschienen ist. Allerdings fehlt in seiner Aufstellung das „Foundation-Projekt“, welches als letztes geschrieben wurde und handlungschronologisch später einzureihen ist. Damit könnte im Platzhalter dieses Buch gemeint sein, das er dann allerdings später spielen ließ als ursprünglich vorgesehen war. Dies wäre dann auch die Erklärung für den peinlichen Fehler in der unten vorgestellten Asimov-Kassettenedition, wo genau dieser Band fälschlicherweise dort eingeordnet wurde, wo Asimov den Platzhalter gesetzt hatte. Als erster der sechs neuen Romane kam mit „“Auf der Suche nach der Erde“ (Foundation's Edge) eine direkte Fortsetzung zu „Second Foundation“. Der junge Ratsherr der Ersten Foundation Golan Trevize wird von der Bürgermeisterin der Ersten Foundation beauftragt, nach der Zweiten Foundation zu suchen, denn ihr ist klar geworden, dass diese Organisation nach wie vor existiert. Trevize kommt zum Schluss, dass sie sich wahrscheinlich auf dem mythischen Planeten Erde bedindet. Auf der Suche, die ihn durch die halbe Galaxis führt, entdeckt er zusammen mit seinem Partner Telorat einen Planeten namens Gaia, der Sitz einer Schwarmintelligenz ist, zu der alle Lebewesen des Planeten bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer Individualität telepathisch zusammengeschlossen sind. Ein Mitglied der Zweiten Foundation, Stor Gendibal, der erkannt hat, dass eine überlegene geistige Macht Menschen manipuliert, ist ihnen gefolgt und erreicht ebenfalls zur gleichen Zeit wie auch die Bürgermeisterin Hanna Branno den Planeten. Trevize wird von Gaia dazu ausersehen, als mit der besonderen geistigen Fähigkeit ausgestatteter Mensch, intuitiv richtige Entscheidungen zu treffen, die Zukunft der Menschheit und die Herrschaft über die Galaxis zwischen drei Alternativen zu entscheiden:
Trevize entscheidet sich für Gaia, weil durch den Aufbau von Galaxia die heimische Milchstraße am besten vor potentiellen Gefahren, die von außerhalb kommen könnten, geschützt würde. Die Gedächtnisse von Bürgermeisterin Branno und Gendibal werden dann durch Gaia so manipuliert, dass sie jeweils glauben, einen Sieg davongetragen zu haben, und kehren an ihre Wirkungsstätten zurück, ohne eine Erinnerung an Gaia behalten zu haben.
Nach diesem Roman machte Asimov in der Geschichte der Galaxis einen Sprung zurück und füllte mit „Aurora oder der Aufbruch zu den Sternen“ (The Robots of Dawn) und „Das galaktische Imperium“ (Robots and Empire) Lücken zwischen den Roboter-Kriminalromanen und der Imperiums-Trilogie aus. „Aurora“ ist ein weiterer Kriminalroman, in dem das bewährte Duo Elijah Baley und R. Daneel Olivaw seine Ermittlungen führt. Dieses Mal werden sie auf den Spacer-Planeten Aurora beordert, um den Mord an einem von nur zwei Robotern mit menschlichen Formen auf diesem Planeten aufzuklären. Sie werden von einem anderen nonhumanoiden Roboter, R. Giskard Reventlov, begleitet. Giskard ist ein Roboter-Prototyp, der telepathische Fähigkeiten hat und menschliche Emotionen beeinflussen kann. Er stellt sich als der Täter heraus, der das Durchbrennen des Gehirns des Opfers verursacht hat, weil er verhindern wollte, dass der machtgierige Robotiker und Politiker Kelden Amadiro für seine Zwecke weitere humanoide Roboter baut und damit eine weitere Kolonisierungswelle in der Galaxis ausgehend von den fünfzig Spacer-Welten, aber ohne die Beteiligung der Erde, auslöst.
Zweihundert Jahre später haben die Erdmenschen ihre durch das Leben in den Stahlhöhlen verursachte Platzangst überwunden und weitere Planeten in der Galaxis außerhalb der Spacer-Welten besiedelt. Gladia Delmare, Spacerfrau und Ex-Geliebte von Baley, reist in Begleitung der beiden Roboter Daneel und Giskard nach Solaria, um Licht in die Zerstörung von Siedlerraumschiffen zu bringen. Solaria ist menschenleer, aber Millionen von Robotern wurden von den Spacern zurückgelassen. Daneel und Giskard decken einen Plan von Amadiro auf, der die Erde zerstören will, um die Vorherrschaft der Spacer wiederherzustellen. Nachdem die Roboter durch das „Erste Gesetz der Robotik“ daran gehindert werden, Amadiro zu stoppen, schaffen sie das „Nullte Gesetz“, das wie folgt heißt: „Ein Roboter darf der Menschheit keinen Schaden zufügen oder durch seine Untätigkeit gestatten, dass die Menschheit zu Schaden kommt“. Dies erlaubt ihnen, Kelden Amadiros Plan zur Zerstörung der Erde mittels einer Waffe zur Erhöhung der natürlichen Radioaktivität zu unterlaufen. Sie können dies nicht ganz verhindern, aber die Ausbreitung der Radioaktivität auf einen langen Zeitraum verzögern. Der für die Menschheit positive Effekt davon ist, dass alle Ambitionen, die Erde zu verlassen und Galaxis zu kolonisieren, beschleunigt werden, woraus in Jahrtausenden "Das galaktische Imperium" hervorgehen wird.
Im handlungschronologisch letztem Foundation-Buch kehrte Asimov zu Golan Trevize zurück. Unsicher, ob seine Entscheidung auf Gaia richtig war, setzt Trevize gemeinsam mit seinem Kumpel Pelorat und Bliss, einer Einwohnerin Gaias, die Suche nach der Erde fort. Er findet vier seltsame Planeten, Aurora, Solaria, Melpomenia und Alpha, die nirgendwo verzeichnet waren und Spuren uralter Besiedlung aufweisen. Auf Solaria und Alpha existieren noch kleine Gruppe von Menschen. Von Solaria nehmen sie ein hermaphroditisches Kind namens Fallom mit. Zuletzt gelingt ihnen doch noch "Die Rückkehr zur Erde", die noch immer hoch radioaktiv verseucht und seit Jahrtausenden verlassen ist. Im Innern des Erdmondes begegnet ihnen R. Daneel Olivav. Von Daneel erfahren sie, dass er die Geschichte der Menschheit seit 20000 Jahren begleitet und beeinflusst hat, aber jetzt am Ende seines Lebens steht, weil sein positronisches Gehirn verfällt und nicht mehr ersetzt werden kann. Trevize bestätigt seine auf Gaia getroffene Entscheidung für Galaxia, und Daneel überträgt seinen Geist auf den Falloms, um den zukünftigen Aufbau von Galaxia weiter überwachen zu können.
„Die Rettung des Imperiums“ und "Das Foundation-Projekt“, die beiden letzten von Asimov selbst geschriebenen Romane des Foundation-Zyklus, widmen sich der Lebensgeschichte von Hari Seldon von seiner Übersiedlung nach Trantor über die Entwicklung seines Lebenswerkes, der Psychohistorik, die Gründungen der beiden Stiftungen bis zur anschließenden Handlung der ursprünglichen „Foundation“-Trilogie. Eine bedeutende Rolle in der Handlung wird von Eto Demerzel eingenommen, dem Ersten Minister von Imperator Cleon. Demerzel stellt sich als Tarnidentität des Jahrtausende alten Roboters R. Daneel Olivaw heraus. Er fördert die Entwicklung der Psychohistorik aus der Befolgung des Nullten Gesetzes heraus, um die Menschheit zu beschützen.
Das „Foundation-Projekt“ ist ein Buch, das bei mir besondere Gefühle weckt, wenn ich es in die Hand nehme. Es ist das letzte Buch aus dem Foundation-Zyklus wenn nicht überhaupt das letzte, welches Asimov vor seinem Tod 1992 geschrieben hat. 1995 kam es in Deutsch heraus und ich las es gleich nach Erscheinen, rund um die Zeit meines vierzigsten Geburtstages (meine Tochter behauptet noch heute, ich hätte damals die Midlife-Crisis gehabt). Und dann las ich folgendes in diesem Roman:
Seldon vergaß Amaryls Warnung zwar tatsächlich nicht, aber sie beschäftigte ihn auch nicht allzusehr. Sein vierzigster Geburtstag kam und ging vorüber – und mit ihm der inzwischen vertraute, psychische Schock. Vierzig! Damit war er kein junger Mann mehr. Das Leben lag nicht länger vor ihm wie ein weites, unerforschtes Land, dessen Grenzen sich in der Ferne verloren. Seit acht Jahren war er nun auf Trantor, und die Zeit war vergangen wie im Flug. Noch einmal acht Jahre, und er würde fast fünfzig sein. Damit wäre das Greisenalter bereits bedrohlich nahegerückt.
zitiert aus: Isaac Asimov: Das Foundation-Projekt, Heyne TB 9563, 1995
Zu dieser für mich höchstpersönlichen Geschichte kommen die ebenfalls sehr berührenden Parallelen zwischen Asimov selbst und Hari Seldon. Es wird deutlich, dass der am Ende seines Lebens stehende Asimov Selden als sein literarisches Alter Ego betrachtete:
Seldon, Hari - … wurde im Jahr 12 069 G.Ä. (1. F.Ä.) an seinem Schreibtisch in seinem Büro an der Universität von Streeling tot aufgefunden. Seldon hatte offenbar bis zum letzten Atemzug an psychohistorischen Gleichungen gearbeitet, den aktivierten Primärradianen hielt er fest umklammert …
zitiert aus: Encyclopaedia Galactica, in: Isaac Asimov: Das Foundation-Projekt, Heyne TB 9563, 1995
Seldon stirbt mit der – psychohistorisch abgesicherten - Gewissheit, dass sein Lebenswerk Früchte tragen wird. Asimov starb mit der Gewissheit, dass er mit der Vollendung des "Foundation-Projekts" sein Lebenswerk ebenfalls erfolgreich abgeschlossen hatte.
Die „Verbindungs“-Romane kamen in Deutschland allesamt als Heyne-Taschenbücher heraus, allerdings nicht in der SF-Reihe, sondern in der allgemeinen Reihe. Der Name Asimov hatte soviel Zugkraft, dass sich für ihn Leser weit über das übliche SF-Stammpublikum hinaus interessierten und seine Bücher deswegen mit wesentlich höherer Startauflage herauskamen als die meisten anderen SF-Werke. Auch heute gibt es nach wie vor Neuauflagen und -ausgaben seiner Werke, besonders von denen aus dem erweiterten „Foundation“-Zyklus.
Nachdem Asimov die Komplexe „Roboter“ und „Foundation“ mit den verbindenden Romanen zusammengeführt hatte, wollte es der Heyne-Verlag besonders gut machen und das gesamte Werk 1997 in einer edlen Gesamtausgabe präsentieren. Daraus wurde eine optisch sehr schöne Kassette mit 10 Hardcovern und weißem Umschlag. Leider litt dieses Projekt an einigen gravierenden Fehlern, sei es aus Schlampigkeit, sei es aus Unwissenheit. Der deutlichste Fehler ist von außen zu sehen. Die Bände wurden in handlungschronologischer Reihenfolge nebeneinander gestellt und auf dem Buchrücken jeweils ein Buchstabe abgedruckt, welche zusammen „Foundation“ ergaben. Nun wurde aber das „Foundation-Projekt“ fälschlicherweise als fünfter Band gereiht. Wenn man das Buch richtig in den Schuber einreiht, entsteht daher „Founatdion“! Dass die Bände der Imperiums-Trilogie innerhalb des Sammelbandes 6 „Die Größe des Imperiums“ auch nicht richtig eingereiht wurden, ist dagegen verzeihlich, denn da hat sich sogar der Autor selbst in seiner Aufstellung des erweiterten Foundation-Zyklus vertan, welche im Sammelband „Foundation“ in der Heyne SF-Bibliothek abgedruckt ist. Sehr ärgerlich ist auch, dass alle Bände den Untertitel „xter Roman aus dem Foundation-Zyklus“ bekamen. Es hätte stattdessen heißen müssen „xter BAND“, denn der erste Band war eine Kurzgeschichtensammlung, der zweite Band eine Sammlung von zwei Romanen sowie der sechste und achte Band jeweils eine Sammlung von drei Romanen. Diese Ungenauigkeiten führen noch bis heute zur Verwirrung bei Lesern bezüglich der richtigen Anzahl und Reihenfolge der Titel (und auch beim Verlag, wenn man seine aktuelle Asimov-Webseite 2016 ansieht). Als inhaltlicher Fehlgriff kommt bei der Kassettenausgabe noch dazu, dass als erster Band die Kurzgeschichtensammlung „Meine Freunde, die Roboter“ abgedruckt wurde, die ihrerseits eine Sammlung der Bände „Ich, der Robot“, „Geliebter Roboter“ und „Der Zweihundertjährige“ ist. Der Nachteil dieses Bandes ist allerdings, dass in „Geliebter Roboter“ nur die Titelgeschichte (als eine von zehn Storys!) dem Roboter-Thema zuzuordnen ist, sowie in „Der Zweihundertjährige“ nur fünf von zwölf Storys. Deswegen hätte stattdessen unbedingt der Band „Alle Roboter-Geschichten“ kommen müssen, von dem allerdings der Bastei-Verlag die Rechte hatte. Möglicherweise wollte man dafür keine Lizenzgebühren zahlen. Ich erwähne dies hier so ausführlich, weil es so richtig die Leiden eines Sammlers illustriert und zeigt, welch ärgerliche Schnitzer auch Verlagsprofis machen. Gerade bei so einem so ambitionierten Projekt wie dieser Kassette hätte es eine Qualitätskontrolle geben müssen.
Obwohl durch den Autor Asimov selbst das Roboter- und Foundation-Universum weit ausgebaut worden war, wurde es auch noch von anderen Autoren erweitert. In Kooperation mit Robert Silverberg kam der Roman „Der positronische Mann“ heraus, eine Erweiterung seiner Kurzgeschichte „Der Zweihundertjährige“ aus dem Roboter-Zyklus. Die Geschichte wurde einige Jahre später als Grundlage für den Film „Der 200 Jahre Mann“ verwendet. Wenn wir schon bei den Filmen sind: Aus Motiven von „Ich, der Robot“ wurde 2004 ein Film gleichen Namens gemacht.
Zu seinen Lebzeiten vergab Asimov noch die Rechte für die „Caliban-Trilogie“ an Roger MacBride Allen, die während der Zeit der Besiedlung der Außenwelten durch die „Spacer“ spielt. In der Chronologie seiner Romane ist das zwischen „Das galaktische Imperium“ und der „Die Imperiums-Trilogie“ Nach seinem Tod konnte es bei der Gier der Rechteinhaber nicht ausbleiben, dass die Marke weiter verwertet wurden. Die drei renommierten Autoren Gregory Benford, Greg Bear und David Brin brachten die „Zweite Foundation-Trilogie“ heraus, die verschiedene Lücken in der Handlung der originalen Trilogie füllt.
Neben dem alles überschattenden Komplex „Roboter und Foundation“ hat hat Asimov noch eine weitere Serie veröffentlicht, die hier Erwähnung verdient: Die sechsbändige Serie „Lucky Starr, der Weltraumdetektiv“ (im Original „Lucky Starr – Star Ranger)“ (unter dem Pseudonym „Paul French“) war ein absolutes Highlight der Terra-Publikationsgeschichte. Lucky Starr erweckt einige Assoziationen zu „Captain Future“, ist auch für Jugendliche gedacht, aber weit intelligenter geschrieben und hat seit der Publikation in der Terra Heftreihe in verdienter Weise mehrere weitere Ausgaben im Terra Taschenbuch und bei Bastei erlebt. Neben der spannenden Handlung erfährt man auch einiges über den Aufbau unseres Sonnensystems, denn der Ort der Handlung wechselt zwischen den Planeten, was auch in den Titeln der Romane dokumentiert wird (z. B.: „Auf den Monden des Jupiter“). Die Schilderung der Verhältnisse auf den verschiedenen Himmelskörpern entspricht natürlich dem damaligen Stand der Wissenschaft. Wenn Sie mich nach dem Unterschied von Lucky Starr zu Captain Future fragen, würde ich antworten: Die Handlung von Lucky Starr ist in einigen hundert Jahren vorstellbar („Zukunftsromane für Jugendliche“), Captain Future nicht („Weltraummärchen“).
Exkurs 2 - Psychohistorik – eine Pseudowissenschaft?
In seinem umfangreichen Artikel „Einführung in die Psychohistorik“, auf Deutsch erstmals als Nachwort zu der neu übersetzten Heyne Foundation-Sammelausgabe von 1991 erschienen, zeigt der Autor Michael J. Flynn Gesetzmäßigkeiten von historischen Entwicklungen auf und stellt auch mathematische Modelle vor, mit denen diese Entwicklungen beschrieben werden können. Dies ist insofern nicht außergewöhnlich, weil in anderen „weichen Wissenschaftsgebieten“ wie Soziologie oder Wirtschaftswissenschaften, die sich mit mit menschlichem Verhalten beschäftigen, dies schon seit Jahrhunderten so gehandhabt wird. „Weiche“ Wissenschaften sind sie deshalb, weil sich menschliches Verhalten im Unterschied zu den „harten“ Sachen wie Physik oder Chemie nicht exakt vorhersehen lässt. Es bleibt noch immer Spielraum. Der Apfel fällt, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, immer nach unten. Der Konsument wird aber ein Gut nicht in jedem Fall mehr nachfragen, wenn es billiger wird, obwohl die Preis-/Nachfragekurve dies erwarten lassen würde. Vielleicht ist ihm das Produkt jetzt zu billig, und es ist seinem Prestige abträglich, wenn er so billiges („wertloses“) Zeug erwirbt?
Auch wenn die Theoretiker manchmal von unerwarteten Ergebnissen überrascht werden, gibt es also Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens, die man mit Gleichungen abbilden kann. Dann kommt natürlich die Lust dazu, durch Veränderung von Parametern in Hinkunft andere, bessere Ergebnisse zu erzielen, das ist dann Politik. Und damit sind wir wieder bei der Psychohistorik gelandet. Hari Seldon ist das Verdienst zuzurechnen, eine Theorie entwickelt zu haben, die detaillierte Prognosen des künftigen geschichtlichen Verlaufs über einen riesigen Zeitraum ermöglicht. Um den absehbaren drohenden Zusammenbruch des galaktischen Imperiums zwar nicht zu verhindern, denn das kann auch er nicht, aber doch das drohende Interregnum drastisch zu verkürzen, entwickelt er seinen Tausendjahresplan mit der Gründung der zwei Stiftungen.
Dies alles ist eine faszinierende Idee, großartig ausgedacht, plausibel und in den Romanen spannend umgesetzt. Wo das Konstrukt des Autors aber den Boden der Glaubwürdigkeit verlässt, ist der Kunstgriff, dass immer wenn eine Krise droht, genau im Jahre X zum Datum Y (zum Beispiel wie im ersten Roman geschildert exakt nach fünfzig und nach achtzig Jahren) Hari Seldon sich per Videobotschaft an die Foundation-Mitarbeiter wendet und ihnen Hinweise bezüglich der notwendigen Maßnahmen zukommen lässt. Aggregiertes menschliches Verhalten (also von Menschenmengen, nicht von Einzelpersonen) ist stochastisch bestimmt. Das bedeutet aber auch, dass der zeitliche Verlauf umso unbestimmter wird, je weiter in der Zukunft ein bestimmtes Ereignis vom Ausgangspunkt weg ist. Deswegen kann die Krise, die zwar aufgrund psychohistorischer Gesetzmäßigkeiten kommen muss, im Jahre 2542 oder auch im Jahre 2569 eintreten, aber dass sie genau am 15. 8. 2555 sein wird, kann auch bei noch so fortgeschrittener Wissenschaft nicht vorausberechnet werden.
Wenn wir weiter wie in den letzten 200 Jahren unsere Erde aufheizen, ist es so gut wie sicher, dass sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad erwärmen wird. Aber:
Auf die Frage, wie sich möglicherweise der kommende Winter in Salzburg entwickeln könne, musste die Meteorologin Claudia Riedl von Salzburger Wetterdienststelle der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik lachen: „Eine solche Prognose kann man wissenschaftlich nicht belegen“.
zitiert aus: Interview in den Salzburger Nachrichten vom Dienstag, 27. 9. 2016
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