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Die Novelization - Der Roman zum Film: Hochzeitsnacht mit Hindernissen

Die Novelization - Der Roman zum FilmHochzeitsnacht mit Hindernissen

Üblicherweise entsteht ein Film nach einer Vorlage, sei es nun ein Buch, ein Comic oder gar ein Spiel. Meist handelt es sich aber um literarische Vorlagen, also ein Buch oder eine Erzählung. Manchmal aber ist es genau umgekehrt: Nicht die Henne war zuerst da, sondern das Ei, sprich: der Film. War dieser erfolgreich, folgte posthum oft eine literarische Fassung. Das nennt man dann eine Novelization. In dieser Reihe stelle ich in loser Folge einige Nacherzählungen aus dem phantastischen Genre vor.


Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)
von Carl Dreadstone (Ramsey Campbell, * 1946)
Über den Film:
Das Thema mit der Braut ist eigentlich Bestandteil des Originalromans von Mary Shelley. Abweichend von der Romanvorlage entwickelt die Fortsetzung – wie bereits im ersten Teil - aber sehr bald ein Eigenleben. Die Handlung folgt nur noch am Rande Shellys Klassiker und bringt die Story auf ganz andere Wege. Geschuldet ist dies unter anderem wohl hauptsächlich der Tatsache, dass der Erstling nicht auf dem Werk Shelleys beruht, sondern auf dem Theaterstück von Peggy Webling. So hieß im Original der Baron nicht Henry, sondern Victor. Einen Gehilfen hatte er ebenfalls nicht.

Vier Jahre nach dem überwältigenden Erfolg von Frankenstein sollte nun eine Fortsetzung gedreht werden. James Whale zierte sich anfangs noch, denn er wollte kein Sequel drehen. Auf Druck des Studios gab er dann aber nach, allerdings nur zu seinen Bedingungen: er wollte soviel wie nur irgend möglich an Entscheidungsfreiheit, und die gab ihm Universal dann auch, zusammen mit einem sehr großzügigen Budget. Was man dem Film auch ansieht. Die Kulissen sind großzügiger und detaillierter, die Ausstattung besser, die Tricks aufwendiger. Ein Höhepunkt und eine Meisterleistung der FX-Abteilung für die damalige Zeit waren die Miniaturmenschen des Doktor Pretorius. Der exzentrische und leicht tuntenhafte Doktor geht wohl auch auf James Whales Konto, ebenso dessen Homunkuli. Eine sehr schöne Sequenz im genialen Gods and Monsters von Bill Condon zeigt eine James Whale am Set von Bride, wie er – sehr zum Unverständnis der Umstehenden - sagt: „Mir scheint, als wäre Doktor Pretorius ein klein wenig verliebt in Henry Frankenstein….“

Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Der schrullige Pretorius wurde von Ernest Thesiger verkörpert, einem britischen Charakterdarsteller. Boris Karloff ist abermals in der Rolle der Kreatur zu sehen, allerdings wird dem Betrachter auffallen, dass er in den letzten vier Jahren seit dem Erstling zugenommen hat. Er wirkt nicht mehr so ausgemergelt wie vorher. Auch die Maske hat sich verändert, und zwar nicht nur aufgrund der Brandverletzungen: hatte die Kreatur im ersten Teil lediglich eine senkrechte Narbe auf der rechten Stirnseite, besitzt er in Bride nun 2 senkrechte Metallklammern auf der Stirn wink

Nebenbei erwähnt: Elsa Lanchester, die Frau von Charles Laughton, verkörpert nicht nur die „Braut“, sondern spielt auch im Prolog auf Betreiben Whales die Urheberin des Romans: Mary Shelley, wie sie sich mit Lord Byron und ihrem Mann Percy über das abrupte Ende ihrer Story unterhalten. Dwight Frye, der im ersten Teil den Fritz verkörperte, ist hier auch wieder dabei. Diesmal ist er als ebenso tumber Assistent mit Namen Karl zu sehen. Der Darsteller von Henrys Vater war zwischenzeitlich verstorben, so dass er im Sequel gar nicht mehr vorkam. Die Rolle der Elizabeth wurde neu besetzt: die 18-jährige Irin Valerie Hobson war die neue Film-Ehefrau des unglücklichen Frankenstein-darstellers Colin Clive.

Der Film-Titel ist übrigens irreführend: es handelt sich ja eigentlich nicht um die Braut von Frankenstein, sondern dessen Geschöpf.

Eine ausführliche Besprechung gibt´s von Kollege Konrad Wolfram unter dem Titel Von Leichenteilen und der Erschaffung von Leben

P.S.: Die mir vorliegende DVD stammt aus der „The Monster Legacy Box“ mit 18 Filmen und sehr viel Bonusmaterial.


Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Die Story:
Die Kreatur hat den Brand in der Mühle von Teil 1 überlebt. Angeschlagen und angesengt begibt sie sich erneut auf die Flucht, nicht ohne aber erneut mit den wütenden Dorfbewohnern aneinander geraten zu sein. Baron Frankenstein ist auch nicht so tot, wie zuerst angenommen, sondern hat ebenfalls wie durch ein Wunder überlebt. Doch sein beschauliches Leben in Zweisamkeit mit seiner Elisabeth findet ein jähes Ende: der zwielichtige Doktor Pretorius, ein alter Bekannter und früherer Lehrer Henrys taucht auf und will den Baron zur Mitarbeit überreden.

Er erschafft nämlich ebenfalls künstliches Leben, allerdings gelingt ihm dies nur im Miniaturformat. Henry lehnt ab. Die namenlose Kreatur findet unterdessen Unterschlupf und zum ersten und letzten Male in seinem unseligen Leben bei einem blinden Eremiten im Wald. Aber auch dieses kurze und schlichte Glück ist ihm nicht vergönnt. Nach einer Auseinandersetzung mit aufgebrachten Dorfbewohnern muss er abermals flüchten und macht in einer Gruft die Bekanntschaft mit Doktor Pretorius. Gemeinsam arbeiten sie nun an einem Plan, um den störrischen Baron Frankenstein doch noch zur Zusammenarbeit zu bringen, notfalls auch gewaltsam…

Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Die Romanfassung:
Es handelt sich hier um eine Skurillität: Der Stoff und das Thema des Films sind eigentlich Bestandteile des Originalromans von Mary Shelly, die im ersten Film nicht berücksichtigt wurden. So ist diese Novelization sowohl eine Nacherzählung des Films, als auch ein Pastiche des Originalromans. Keine einfache Aufgabe, die Campbell aber meisterhaft bewerkstelligte!

Es ist die erste von drei von ihm verfassten Novelizations. Es folgten noch Dracula´s Daughter und The Wolfman. Danach war für ihn Schluß mit dem Schreiben von Nacherzählungen (mit einer Ausnahme: Solomon Kane erschien 2010) und dem Arbeiten unter einem Pseudonym, sieht man von der Veröffentlichung als Jay Ramsay einmal ab. Seine weiteren Arbeiten wurden unter seinem richtigen Namen veröffentlicht. Das 1977 erschienene Buch ist übrigens noch recht günstig zu erwerben. Die deutsche Übersetzung erschien dann 1980 im Pabel Verlag, und diesmal als Heftroman: als Vampir Horror Roman Nr. 389. Der Grund hierfür war vermutlich die Einstellung der Taschenbuch-Reihe einige Monate vorher.

Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Dort waren auch die anderen Campbell-Novelizations (mit Ausnahme von Draculas Tochter)erschienen. Lange sollte die Heftroman-Serie auch nicht mehr leben: etwa 1 ½ Jahre später war dann endgültig Schluß. Sie hatte ohnehin ihre besten Tage schon lange hinter sich und litt an Niveau-Inkontinenz, sowie an den Folgen diverser Zensur-Schlaganfälle und der Scheidung vom langjährigen Partner Thole. Der linkische Lutohin war kein Ersatz.

Der Roman ist handwerklich sauber erzählt und folgt dem Film nahezu 1:1, wenn man von einigen Kleinigkeiten absieht. So ist das Haar der Braut bei Campbell von einem goldenen Blond, im Film jedoch dunkel mit dem berühmten weißen Korkenziehermuster. Das restliche Aussehen der zum Leben erweckten Dame wird gar nicht erwähnt. Besonders gelungen sind dem Autor die Passagen, die einen tiefen Eindruck in die gequälte Seele der namenlosen Kreatur liefern. Erwähnenswert sei hierzu die Episode mit dem blinden Eremiten im Wald. Campbell gab sich mit der Ausarbeitung und dem Verfassen des Buches genausoviel Mühe, wie mit seinen eigenen Storys. Dass es sich lediglich um eine Auftragsarbeit handelte, merkt man dem Roman nicht an.

Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Wie bereits erwähnt, folgt der Roman dem Film fast linear, lediglich der Prolog wurde weggelassen. Vielleicht fiel er auch der Kürzung des Lektorats zum Opfer. Verwirrend sind die Namen des Assistenten: so wird der grenzdebile Helfer Fritz aus dem ersten Teil Igor genannt, während der neue nun Fritz heißt, anstatt Karl. Alles klar?

Ärgerlich ist nur das Format: ein Heftroman, der in der Serie eigentlich untergeht.

Noch kurz am Rande sei erwähnt, dass bereits 1935 eine Novelette des Stoffes erschien: Das Pearson´s Magazine druckte in seiner Oktober-Ausgabe eine Adaption von Guy Preston. Die Story ist im von Peter Haining 1988 herausgegebenen Buch Movie Monsters enthalten. Leider ist die Storysammlung aber nie auf Deutsch erschienen. 2007 wurde der Stoff dann erneut noveliziert: Die Autorin Elizabeth Hand schrieb The Bride of Frankenstein: Pandora´s Bride. Die 200-seitige Erzählung erschien bei Dark Horse. Erwähnenswert ist die sehr schöne Covergestaltung. Das Buch ist leider nicht auf Deutsch erschienen.

Frankensteins Braut (Bride of Frankenstein)Zum Cover der deutschen Ausgaben:
Stammt von einem nicht genannten Maler und scheint auch die einzige Arbeit dieses Nobody für Pabel zu sein. Jedenfalls ist mir kein anders Cover bekannt, das stilistische, künstlerische und technische Parallelen aufweisen würde. Das Bild ist künstlerisch wenig anspruchsvoll, aber dafür immerhin in schönen Farben gehalten, was allerdings so gar nicht zum Roman passt. Die Braut erinnert an Elisabeth Volkmann, die in eine Steckdose gefasst hat. Hier wäre sogar ein Lutohin besser gewesen, und das will was heißen!

Bewertung:
Zum Teil skurril-grotesker Gruselspaß (was aber an der Vorlage liegt), handwerklich 1a!

Ich vergebe 4 von 5 Brautsträußen. Den Punktabzug gibt´s lediglich aufgrund des Formats der deutschen Ausgabe.

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-03-05 11:18
Meinst Du nicht NIveau-Inkonsistenz? 8)
#2 Ringo Hienstorfer 2017-03-05 13:06
Yep!
Allerdings würde auch "Niveau-Insuffizienz" passen. Oder auch "Niveau-Absenz".
Oder "Senza Niveau", wie der Italiener sagt.
Aber das noch weiter auszuführen wäre wohl Nonsenz...
:D
#3 Mainstream 2017-03-05 13:23
-
Meine Herren, Niveau-Inkontinenz ist ein so schöner Begriff,
das ich in sofort in meinen Wortschatz übernommen habe.
#4 Ringo Hienstorfer 2017-03-05 13:41
:lol:
#5 Laurin 2017-03-05 15:02
Nun ja, ich halte ja schon das Vorgehen von Pabel für grenzwertig, diese Novelization einfach in einen Heftroman zu quetschen. Das Cover besorgt dann leider negativ auch noch den Rest.
Was die Filme angeht, da weiß ich nicht so genau, was im eigentlichen Roman von Mary Shelly alles drin war und was nicht, da nie gelesen. Aber als Filme laufen die bei mir nur grundsätzlich hintereinander am gleichen Abend. Macht ja auch irgendwie Sinn.
#6 Ringo Hienstorfer 2017-03-05 15:13
Läuft bei mir auch nur im Doppelpack; wenn ich mal ganz, ganz gut gelaunt bin, dann packe ich noch den dritten Film mit dem "Uncanny Karloff" mit drauf.
Das war´s dann aber auch schon.
Lesen kann man die deutsche Version des Romans allemal, aber Pabel hat sich - wie im Artikel beschrieben - im Format leider vergriffen.
#7 Andreas Decker 2017-03-05 15:23
Niveau-Inkontinenz, wie passend :lol:

Ist das Tibi von Pandora's Bride ein Zufall oder hast du den gelesen? Elizabeth Hand ist eine gewöhnungsbedürftige Autorin, auch wenn sie manchmal faszinieren kann, aber das Teil war schon sehr schräg. Obwohl ich die drei Romane der Dark Horse-Universal Reihe, die ich gelesen habe, eher unter ambitioniert aber misslungen abhaken würde.
#8 Ringo Hienstorfer 2017-03-05 15:33
Gelesen habe ich den Roman leider (?) nicht, allerdings dürften sie wohl durchaus als literarischer Kollateralschaden durchgehen ...
#9 Toni 2017-03-05 16:45
Der Elisabeth Volkmann-Vergleich ist treffend :lol: ,zumal sie ja auch Marge Simpson die Stimme geliehen hatte (man achte auf Marges Frisur).
Habe ich das richtig verstanden: Alle Helfer heißen Fritz im Roman, außer Igor der heißt Karl... verwirrend.
Klasse Artikel!
#10 Laurin 2017-03-05 17:17
Zitat Toni:
Alle Helfer heißen Fritz im Roman, außer Igor der heißt Karl... verwirrend.

Genial :lol:

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