»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Dämonen an Bord (Gespenster-Krimi 189)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Dämonen an Bord«
Gespenster-Krimi 189 von A.F. Morland (Friedrich Tenkrat)
In dieser Zeit hatte er nur zwei Romane im Gespenster-Krimi veröffentlicht, dann aber unter dem Sammelpseudonym Frederic Collins.
Collins war eins von vier Pseudonymen, die Tenkrat im GK benutzte oder benutzen musste, angefangen mit dem sehr morland-ähnlichen „A.F. Mortimer“, fortgesetzt mit der Phase, in der er als „Dean Morris“ auftrat (für sieben Romane inclusive der letzten Stichprobe) und eben einigen Collins-Einsätzen (ebenfalls neutrale Romane und einen TB-Roman), bevor „A.F.Morland“ zu dem gewohnten Stammpseudonym wurde, während Collins verstärkt von Richard Wunderer, Hans-Wolf Sommer und Gerhard Hundsdörfer benutzt wurde.
Seit der Einführung der Figur des „Mr.Silver“ waren jetzt bei „Dämonen an Bord“ fast zwei Jahre vergangen und Tony Ballard wuchs sich fortan zu festen Institution im GK aus, wenn auch der typische Star-Takt erst lange nach dem Ausscheiden von „John Sinclair“ zugunsten einer eigenen Serie festsetzte. Später gab es Ballard dann grundsätzlich im Vier-Wochen-Takt, aber eben erst ab Band 300 mit einer gewissen Regelmäßigkeit.
Dennoch konnte man erwarten, dass Tenkrat hier inzwischen den richtigen Takt und Schreibfluss für seinen Helden gefunden hätte, doch leider ist das hier noch nicht der Fall.
Das ist um so verwunderlicher, weil es um ein nautisches Gruselthema geht, mit Dämonenpiraten und Geisterschiffen, etwas was dem Autoren eigentlich immer außergewöhnlich gut lag. Doch nach einem sehr sicheren Start und gewohnt unterhaltsamen Ausflügen in die Freibeuter-Vergangenheit des 17.Jahrhunderts verzettelt sich der Roman spätestens dann, wenn endlich die Hauptfigur ihren lang vermissten Erstauftritt hat.
Tony Ballard taucht in „Dämonen an Bord“ tatsächlich erst genau zur Romanmitte auf, eine Vorgehensweise, die ich prinzipiell zwar schon aus Grasmücks „Larry Brent“ kenne, doch zumeist war der ermittelnde Agent der PSA da schon in einem Incognito seit einigen Seiten engagiert, ohne sich zu demaskieren, während die Hauptfigur hier erst in die Handlung mühsam einreisen muss.
Wäre insgesamt nicht allzu schlimm, aber genau da gerät dieser Roman schmerzhaft aus den Fugen und findet bis zum Schluss nicht mehr in den richtigen Tritt zurück.
Ärgerlich ist das vor allem, weil Ballard hier überemotional agiert, wie üblich stetig sein Hascherl Vicky Bonney von allem Übel der Welt fernhalten will und zahlreiche generelle Fehlentscheidungen trifft, die eigentlich gar nicht nötig gewesen wären, weil sich der übernatürliche Konflikt schließlich nur an einem ganz anderen Schauplatz lösen lässt.
So gehört der Roman eigentlich dann doch dem allseits beliebten Silberdämon, der im Vergleich zum Protagonisten geradezu verkehrsberuhigt agiert und die ziemlich hampeligen Aktionen Ballards noch übertriebener erscheinen lässt.
Ein leichtes Kuriosum ist dann auch eine hochaktive Klatschkolumnistin, die untypisch den Großteil der Recherchearbeit abliefert, um dann mittendrin zufällig ex zu gehen.
Ansonsten gibt es die typischen Hollywood-Klischees rund um Agenten, Schauspieler, Parties und Vorlieben, die offenbar ein Muss für diese Phase von Gruselromanen waren, rückblickend leider ziemlich grobe Überzeichnungen allesamt.
Aber lassen wir Kapitän Achat doch mal auftauchen…
Eine Seefahrt, die ist blutig, eine Seeschlacht, die ist schön…
...und sie widerfährt dem holden Kookie Banks, einem groß rausgekommenen Hollywoodstar, der momentan ein Garant für Kassenerfolge ist. Der entspannt sich gerade auf seiner Yacht mit zwei Starlets namens Ina und Sally irgendwo vor der Küste (Kaliforniens, nehme ich an…) und lässt sich von den beiden die Nudel kneten, als er ein verdächtiges Gurgeln vernimmt.
Nein, seine Yacht ist nicht leck geschlagen, stattdessen erhebt sich von unterhalb der Wasseroberfläche das Geisterschiff Kapitän Achats mit seiner dämonischen Gallionsfigur Alaara (natürlich auch so eine sinnverwirrende Schönheit). Kookie geht erst mal auf Planke, woraufhin seine beiden Miezen ihn wieder fit machen wollen, doch er faselt (trotz sonnigsten Wetters) nur von einem heranziehenden Unwetter und brettert mit seinem Boot unter Vollschub in die nächstgelegenen Klippen.
Die Mädchen sterben dabei, doch zwei Fischer, die gerade ein Fischerboot austesten wollen, finden nicht nur die Trümmerteile, sondern am Strand auch den arg lädierten Kookie!
Das alles hat u.a. auch mit Vicky Bonney zu tun, die just auf Einladung der Kolumnistin Mabel York in Hollywood weilt, weil sie dort eine Drehbuchversion ihrer Erfolgsromane abliefern möchte (für einen Film mit Kookie in der Hauptrolle) und dafür schon mal gebührend vorgefeiert wird. Mr.Silver ist als (gelangweilter) Leibwächter mit dabei.
Durch gute Verbindungen erfährt York von Kookies Einlieferung in das nahe gelegene Baxter-Krankenhaus und eilt mit Bonney und Silver genau dort hin, weil der Silberdämon sowieso schon Unheil wittert.
Leider ist nicht viel festzustellen, denn außer dem Namen „Kapitän Achat“ äußert der apathische Banks nichts von Wert.
Weil Bonney offenbar nur ein laues Lüftchen ist, obliegt es jetzt Mabel York zu recherchieren, was es mit diesem „Achat“ auf sich hat, was uns zu einigen Rückblenden in das Jahr 1677 bringt:
Achat und seine Männer waren nämlich diabolische Modellpiraten, die alles und jeden für Gold und Geschmeide angriffen, sämtliche gegnerische Besatzung ausnahmslos umbrachten (wie hat die Welt bloß von diesen Jungs dann erfahren???) und einen Teil der Beute ihrer dämonischen Gallionsfigur „Alaara“ opferten, welche das Schiff praktisch unbesiegbar machte.
Hier mischen sie zum Beweis eine spanische Galeere auf (die übrigens um 1677 schon ziemlich selten als Schiffstyp war) und meucheln alle Beteiligten. Als die Dämonendame jedoch ihren Anteil verlangt, versagt Achat der Holden ausgerechnet den schönen Obsidiandolch, den er dem spanischen Kapitän abgenommen hat, was die Dämonin natürlich arg vergrätzt.
Sie entzieht Achat ihren Schutz, verwandelt das geraubte Gold in Steine und beschwört ein Unwetter herauf, in dessen Folge das Schiff mit allen Angehörigen zur Hölle (bzw. auf den Meeresgrund) fährt.
Alaara besucht inzwischen Kookie noch einmal im Krankenhaus, tut ihm allerdings nichts, außer ihn wieder in Hysterie zu versetzen, woraufhin er von den Ärzten betäubt wird. Mabel informiert die dürftigen „Vermutungen“ über Achat weiter an Bonney und Silver und bekommt dann Besuch von Kookies Agenten (letzteres ein sinnfreies Insert ohne weitere Folgen).
Das ist der Punkt (genau die Romanmitte), an dem Tony von Vicky telefonisch informiert wird und sich prompt auf die Socken nach Lala-Land macht.
Gleichzeitig kommt auch noch ein gefährlicher Gangster namens Roscoe Mortimer (ah!) aus dem Gefängnis frei, wo er so einiges über schwarze Magie von einem Mitgefangenen gehört und gelernt hat und über die Alaara-Story informiert wurde. Er geht zu seinem Bewährungshelfer (noch so ein Füller) und engagiert dann zwei Kollegen mit Taucherfahrung, die für ihn die besagte Gallionsfigur bergen sollen, nachdem er per Beschwörung von deren Aufenthaltsort am Meeresgrund erfahren hat.
Als die drei Männer lostuckern, werden sie auch von Tony und Vicky bemerkt, die sich gerade die Unfallstelle von Kookies Yacht ansehen wollen.
Tatsächlich haben die Taucher Erfolg und bringen die Figur an Bord, worauf sie von Mortimer zum Dank dann erschossen werden. Jetzt kann das Schiff Achats wieder beschworen werden.
Die Höllenpiraten gehen auch sofort auf Kaperfahrt und machen die nächste Hollywood-Yacht nieder, auf der ein angejahrter Darsteller seinen 47. (und letzten) Geburtstag feiert. Die Gäste werden allesamt nieder gemacht, leider ist auch Mabel York mit an Bord und wird zum letzten Opfer.
Ballard ist mit Silvers Hilfe inzwischen auf den Trichter gekommen, dass das Boot vor den Klippen offenbar das von Roscoe Mortimer war und nun leisten die beiden einen Antrittsbesuch bei Roscoe daheim ab. (Fund der Adresse im Telefonbuch, vermutlich der erste Gangster, der zwei Wochen nach seiner Entlassung schon im Telefonbuch steht!). Weil niemand öffnet, ziehen sie wieder ab.
Notgedrungen trennt man sich: Silver will die Wohnung überwachen, während Tony aufs Meer hinaus will, suchen. Vicky heult ihm solange was vor, bis sie wider besseren Wissens mitkommen darf.
Nach einiger Zeit entdecken sie tatsächlich das Geisterschiff, werden von diesem aber ignoriert (Achat versteht das Auftauchen von Zeugen als kostenlose Public Relations, eine vernünftige Entscheidung!). Das macht Tony erst so richtig wütend, also schippert er hinterher, bis er an Bord klettern darf.
Doch oh weh, an Bord herrscht zahlenmäßige Übermacht an bösen Skeletten und Tony sieht sich zu einem Säbelzweikampf mit Achat gezwungen, bei dem er mal so richtig hinten liegt. Auch Vicky gerät im kleinen Boot in Gefahr.
Derweil hat Silver Roscoes Wohnung geentert (hihi!) und geht mit dem Gangster in den Infight, als Alaara den Partypooper macht. Jetzt ist der Silberdämon in der Defensive.
Trotz allgemeiner Tollpatschigkeit kann Vicky irgendwie den ersten Skelettoffizier Torrez ausschalten, während Tony sich einen Wolf diskutiert, während er satanische Säbelhiebe abwehren muss. Vicky verschafft ihm per Schuss eine Atempause, in der er den Obsidiandolch an sich bringen und ihn dank seines magischen Rings positiv aufladen kann. Damit schafft er es, Achat umzubringen. Leider gilt das nicht für den Rest der wutschnaubenden Besatzung.
Doch hurra, in Mortimers Wohnung hat Silver eine neue Möglichkeit der Dämonenbekämpfung gefunden: attackiert von Alaaras magischen Kräften reißt er die eigentliche Gallionsfigur an sich und expediert sie aus dem Fenster, wo sie auf dem Bürgersteig dann zerschellt. Roscoe fällt gleich hinterher. Daraufhin löst sich im letzten Augenblick auch Achats Schiff mit den restlichen Piraten für immer auf…
Sich selbst überschätzender Dämonenjäger sucht bemühten Ausweg zum Weiterermitteln…
Ja Freunde, so geht das in diesem Roman doch noch glücklich zu Ende – und wenn mir etwas wirklich auf den Senkel geht nach all den Maulhelden mit dem lockeren Spruch auf der Lippe und zu wenig wirklichen Waffen gegen das Böse, dann sind das Dämonenhasser, die zwar stetig übermotiviert das große Wort führen, sich aber selbst gedankenlos immer wieder in Todesgefahr bringen. Da erwarte ich von meinem Helden natürlich etwas mehr Weitsicht und für sich selbst mehr Rücksicht auf die Unversehrtheit des eigenen Lebens.
Mit so einem Helden ist es praktisch ein Wunder, dass Tony schon im Gespenster-Krimi auf 67 Abenteuer kam (und nicht nur auf drei oder so), kippt der Protagonist die Handlung doch fahrlässig in einen Hochrisikofall, ohne wirklich gründlich die eigenen Erfolgschancen analysiert zu haben.
Auffällig ist, dass die erste Hälfte noch relativ geschlossen wirkt, während der Roman dann kurz vor der goldenen Mitte plötzlich in Unwahrscheinlichkeiten zerfällt, als hätte Tenkrat in diesem Fall keinen schlüssigen Plan gehabt, wie man die Story wirklich geschlossen spannend zu Ende hätte führen können.
Rückblickend bleiben da zahlreiche Lücken und Fragezeichen: warum wird Mabel York zwecks Recherche so stark in den Vordergrund gerückt, um sie dann auf die Schnelle noch abzuservieren, hätte man auf diese Art und Weise der immerblassen Vicky Bonney doch mal etwas Ermittlersubstanz mitgeben können. Warum wird Kookie plottechnisch praktisch mit Gewalt am Leben gehalten, nicht nur einmal, sondern sogar zweimal. Sind Stars extra schützenswert, während gar nicht mal so unpatente Tittenmäuschen an Bord seiner Yacht dran glauben müssen?
Wozu bringt man zweimal zweiseitige – und folgenlose – Inserts in den Roman, in dem Kookies Agent um gute Presse bittet und Roscoe ein tadellos inhaltsleeres Gespräch mit seinem vierschrötigen Bewährungshelfer führt?
Und natürlich: wieso eine exemplarische Erzählung über Achats Fluch, wenn doch eigentlich niemand groß über ihn hätte berichten können? Später wird alles, was man über ihn weiß, ins Reich der Vermutung verwiesen, während der Leser als Einziger durch die Rückblenden mehr erfährt.
Das alles ist aber noch gar nichts im Vergleich zum Vorgehen der Verteidiger des Guten: Silver ist romanweit zwar derjenige mit den größten Erfolgen im Fortschreiten der Ermittlungen (und er darf am Ende auch Alaara ausschalten), tritt aber sonst eigentlich nur wortkarg und passiv auf und sitzt meistens nur bei Kookie am Bett oder wartet auf Roscoe Mortimer. Zu praktisch jeder produktiven Aktion muss der Silberdämon erst genötigt oder aufgefordert werden und das fast schon widerwillig.
Tony hingegen legt ein ambitioniert roboterhaften „Muss-Dämonen-Umbringen“-Auftritt hin, verfolgt dümmlich verbissen ein Schiff mit Dutzenden von Dämonenpiraten, schleift seine Olle mit, nachdem sie sich wieder mal Tränchen nicht verkneifen konnte und muss sich dann auch noch von ihr retten lassen, weil er das Geisterschiff natürlich nur mit Ring und einer Knarre entert.
Das Bewusstsein des „Oh, da hab ich mich wohl überschätzt und die Situation falsch überblickt!“ kommt genau dann, als Achat aus unserem Helden per Säbel fast schon Kleinholz macht und dieses Rückzugsgefecht zieht sich gefühlt über endlose Seiten, während die Kombattanten sich wut- und blutschnaubende Klischeeaussprüche an die Schädel werfen, die an Plattheit kaum zu überbieten sind. War blöd, ne? Merkste selbst!
Natürlich hatte Tenkrat ab der Einführung von Silver (der aber dann zweckmäßig auch nicht immer mit von der Partie war) eine Option, die große Möglichkeiten zuließ, musste somit aber auch die Bedrohungen eine Nummer anspruchsvoller schrauben, sonst wären die Gegner nur noch dämonisches Fallobst geworden. Die hier gewählte Alternative, auf diese Art den Helden rücksichtslos leichtsinnig agieren zu lassen, ist jedoch das denkbar Schlechteste, was man daraus machen konnte.
Das nimmt die Freude an einem generell kompetenten Roman mit gutem Stil, wobei auch hier (wie bei „Fahrstuhl in die Hölle“) auffällig ist, dass Tenkrat am unsichersten und peinlichsten ist, wo sein Held Farbe bekennen muss, da wird dann geschnaubt und es werden hohle Reden geschwungen, die nicht mal in Hollywood-Klassikern mit Errol Flynn jemals so ausformuliert wurden. Zum Glück hat Tenkrat später diese Ecken und Kanten etwas abgeschliffen und auch die Actionsequenzen strukturierter ausgemalt, insofern habe ich da demnächst bestimmt noch Besseres zu berichten.
Den hier muss man zwar nicht gleich über die Planke schicken, aber er geht sicher besser mit einer Buddel voll Rum. Arrrrrr…
: Titelbilder von Ballestar waren zwar immer schön, aber ich rätsele noch, wer hier die dritte (männliche) Person sein soll, die hier auf die angreifenden Skelette feuert...
Kommentare
Das Rumgeeier mit den Pseudonymen ist schon merkwürdig. Collins, deLorca und Elliot waren von Anfang an die Sammelpseudonyme, aber sonst verfuhr Bastei eigentlich nach dem Motto Ein Mann- ein Pseudonym.
Bei den Pseudonymen weiß ich noch, dass ich bei dem "Fahrstuhl in die Hölle" erstmal durchgeblättert habe, ob das denn nun auch wirklich Silvers erster Auftritt ist, weil ich nur zwei Pseudonyme von Tenkrat kannte (Mortimer und Morland halt). Dass er auch Collins verwenden musste, konnte ich erst anhand von Listenrecherchen erkennen. Vermutlich weil er immer mal da und wieder bei anderen Serien stark im Einsatz war.