Fiktiv und Historisch zum zweiten - Alexander Röder »Der Mönch in Weimar«
Fiktiv und Historisch zum zweiten
Alexander Röder »Der Mönch in Weimar«
Er will, wie damals bei jungen englischen Adligen üblich, am Weimarer Hof letzten Schliff für seine gesellschaftlichen Formen erwerben, will außerdem Deutsch lernen und das Werk deutscher Dichter ins Englische übersetzen und weiterhin an einer schauerlichen Romanze im Stile des "Schloß von Otranto" von Walpole arbeiten.
Zunächst sträubt sich Lewis die Gastfreundschaft des Gymnasialdirektors Karl August Böttiger und seiner Gattin Eleonore anzunehmen. Doch ein Spukerlebnis in seinem zunächst anderweitig bezogenen Quartier, lässt ihn seine Meinung ändern. Böttiger macht ihn mit Land und Leuten bekannt und stellt auch den Kontakt zu Johann Wolfgang von Goethe her. Seine Frau versorgt den Jungen mit deutscher Schauerliteratur. Und schaurige Momente kommen auch einige auf den 17-jährigen Lewis zu. Dazu gehören etwa eine Kutschfahrt durch eine bizarre Kreidelandschaft bei Gewitter, eine Geistersichtung in seinem Quartier oder die Teilnahme an einer Hypnosevorführung bei Hofe. Goethe übernimt es, den jungen Engländer in die höheren Kreise einzuführen, vermittelt ihm aber auch Erfahrungen mit der Feuerbekämpfung und dem Bergbau.
Für mich besteht der Roman praktisch aus zwei Teilen. Im ersten stehen die Befindlichkeiten des jungen Lewis im Mittelpunkt. Seine Ängste davor eingeschlossen zu werden, seine Unsicherkeit im Umgang mit Frauen, sein gestörtes Verhältnis zu seinen Eltern. Im zweiten Teil gibt es dann mehr "Action". Die Gefahren wie die "Schwarzen Brüder" um Gottwerth Heinrich Löber sind nicht länger im Kopf des Protagonisten, sondern kommen von außen, sind real. Lewis wird in einem Bergwerksstollen verschüttet, verdingt sich als Spitzel der Regierung, späht alte Ruinen aus und muss mit Verschwörern um sein Leben kämpfen. Auch die heimelige Unterkunft bei den Böttigers gibt er auf zugunsten einer gemeinsamen "Bude" in Jena mit Wilhelm Gottfried von Herder, mit dem er sich inzwischen angefreundet hat. Die Verschwörung gegen den Herzog ist real, keine unbestimmte Angst.
Alexander Röder hat einen historisch akribisch genauen Roman vorgelegt mit einer Fülle von belegten Personen. Dazu gehören nicht nur die Dichter Goethe, Schiller, Wieland, Herder und Novalis sondern z.B. auch die Schauspielerin Corona Schröter.
Ein eleganter Kunstgriff des Autors ist es, seine Darstellung, genauer die Visonen des jungen Lewis, mit Origingaltextstellen aus "Der Mönch" zu würzen. Ein wenig schade finde ich es, dass nicht alle im ersten Teil aufgeworfenen Fragen zur Gänze aufgelöst werden. So bleibt das Verhältnis von Lewis zu seinen Eltern, insbesondere zu seiner Mutter, doch eher vage, das Verhalten von Eleonore Böttiger wird nicht restlos erklärt und auch die zaghaft aufkeimende Romanze mit Matilde wird nicht weiter verfolgt. Zu den Pluspunkten des Romans zählt für mich die von Röder gewählte Sprache. Einerseits vermittelt er eine verblüffende Nähe zum zeitgenössischen Duktus, andererseits bleibt er immer gut lesbar für den heutigen Leser. Erstaunlich ist das profunde Wissen über die damalige Zeit, so gibt es z.B. etliche Hinweise auf die zeitgenössische Schauerliteratur. Der Französischen Revolution stehen die Protagonisten des Bandes sehr kritisch gegenüber. Wird heutzutage meist auf ihre Bedeutung wegen der Erklärung der Menschenrechte hingewiesen, so steht sie bei Röder eher für Aufruhr und Terror.
Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss. Röders Roman ist einer der bestrecherchierten deutschen historischen Titel, die ich gelesen habe. Trotzdem weist der Verlag Feder und Schwert routinemäßig daraufhin:
"Die in diesem Buch beschrieben Charaktere und Ereignisse sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zwischen den Charakteren und lebenden oder toten Personen ist rein zufällig."
Mein Fazit lautet, der Roman von Alexander Röder ist jedem Liebhaber von historischen Romanen, der auf Authentizität und Genauigkeit Wert legt, zu empfehlen. Auch Freunde der Schauerliteratur, werden dort auf ihre Kosten kommen, gibt es doch jede Menge Anspielungen und Hinweise. Wer auf pure Action und atemloses Jump-and-Run steht, wird trotz der Zweikämpfe und unterirdischen Verfolgungsjagden wohl eher unzufrieden sein.
Der Mönch in Weimar