Packender High-Fantasy-Roman - »Sturm der Verbannten« von Tanja Kummer
Packender High-Fantasy-Roman
»Sturm der Verbannten« von Tanja Kummer
Um die Zahl der Völker zu reduzieren, schufen die Götter eine Armee aus gepanzerten, schwarzen, klauenbewehrten Wesen, die Cric. Schnell begannen die Cric mit der Vernichtung vieler Rassen. Doch als die Welt noch kränker wurde statt zu genesen, erkannten die Götter, dass die Cric das Land mit ihrem Gift noch schneller zerstörten. Zusammen mit den verbliebenen Rassen verbannten die Götter die Cric in einer gigantischen Erdspalte und schufen den Stein der Völker, einen lebendigen Stein, der die Schlucht verschloss.
Heute glaubt niemand mehr an diese alten Geschichten, die nur noch als Ammenmärchen weitererzählt werden. Den Stein der Völker gibt es allerdings noch. Er wird in einem Schrein im goldenen Palast aufbewahrt, wo ein ausgewähltes Mitglied jeden Volkes sitzt, um die Regierung zu bilden. Doch eines Tages ist der Stein verschwunden. Die Marwen, ein zwergenähnliches Schmiedevolk, beschuldigen die Menschen, das wertvolle Relikt gestohlen zu haben und drohen mit Krieg, falls der Stein nicht innerhalb von sechs Monaten wieder an seinen Platz zurück gelangt.
So macht sich König Ansgar mit seinem Leibwächter Silbur auf, die blaue Rose zu finden, einer göttlichen Hüterin, die alle Antworten kennt, um sie nach dem Verbleib des Steins zu fragen. Eine gefährliche Reise beginnt. Mit Myron, dem Sohn des Windes, findet sich ein mächtiger Weggefährte und Verbündeter, doch wird das reichen, um rechtzeitig zur blauen Rose zu gelangen? Und was, wenn die alten Geschichten wahr sind, und die Cric nun ihrem Gefängnis entkommen können?
Die Autorin Tanja Kummer veröffentlicht mit „Sturm der Verbannten“ ihren vierten Roman. Nach diversen Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien ist ihr neuestes Werk nach der dreiteiligen Tybay-Saga (ebenfalls im Leseratten Verlag, der von ihrem Lebenspartner Marc Hamacher geführt wird) ihr erster alleinstehender Fantasy-Roman. Neben dem mir vorliegenden Taschenbuch ist das Buch auch als limitierte Hardcoverausgabe erhältlich, mit handgezeichneten Illustrationen der Autorin. Aber epische High Fantasy auf nicht viel mehr als 300 Seiten – geht das überhaupt?
Und wie das geht. Kummer entwirft eine fantasievolle Welt, in der uns neue Wesen erwarten. Neben den Menschen haben wie bereits erwähnt die Marwen den Todesfeldzug der Cric überlebt, die mit ihrer gedrungenen Gestalt, ihrer Sturheit und ihrer Schmiedekunst an klassische Zwerge erinnern. Außerdem gibt es noch die Xayer, ein Jägervolk, das riesige Adler gezüchtet hat und diese als Nutztiere verwendet. Die Xayer leben relativ abgeschieden, meiden die anderen Völker weitgehend und sind nicht im goldenen Palast vertreten. Magie spielt in Kummers Welt hauptsächlich im Zusammenhang mit göttlichen Kräften eine Rolle. So kann sich beispielsweise Myron den Wind zunutze machen, der ja sein Vater und ebenfalls eine der Gottheiten ist.
Kummer erzählt sehr dicht, und so passiert auf den ersten hundert Seiten mehr als in manchem Auftaktroman zu längeren Fantasy-Reihen. Aus ihrer Geschichte hätte man sicher auch problemlos eine solche längere Reihe machen können, aber der Vorteil an dieser kürzeren Erzählweise ist, dass das Buch praktisch keine Längen hat. Auf längere Beschreibungen ihrer Szenerie verzichtet Kummer, was es mir im ersten Kapitel etwas schwergemacht hat, in die Geschichte einzutauchen. Dann aber ist ganz angenehm, dass Kummer eben nicht alles haarklein beschreibt, denn das ließ mir als Leser viel Raum für eigene Fantasien.
Etwas mehr Ausführlichkeit hätte ich mir lediglich bei der Karte am Anfang des Buches gewünscht. Mit nur sechs Ortbezeichnungen kommt diese ein wenig spärlich daher, dabei tauchen im Text durchaus mehr Namen etwa für Wälder oder Gebirge auf. Nun bin ich aber auch jemand, der während des Lesens gerne mal zur Karte zurückblättert, um mir die erdachte Welt besser vorstellen zu können. Sicherlich gibt es genug Leser, die auch gut ohne oder mit wenig Kartenmaterial auskommen.
Noch kurz erwähnt, weil so sympathisch, sei die letzte Seite des Buches. Der Leseratten Verlag hat es sich unter anderem auf die Fahne geschrieben, Autoren mit Legasthenie (wie Tanja Kummer) zu fördern, da deren Manuskripte oft allein wegen der Form von vielen Verlagen abgelehnt werden. Falls der Leser in den Büchern doch noch Fehler finden sollte, oder wenn selbst der Duden sich nicht sicher ist, ob nun ein Komma zu setzen ist oder nicht, findet man am Ende eine „Serviceseite“ mit ausschneidbaren Kommata zum Einkleben. Eine sehr lustige und augenzwinkernde Art, mit dem Thema Fehlern umzugehen, wie ich finde.
Gut, dass es solche Verlage gibt, denn „Sturm der Verbannten“ ist ein toller Roman mit überzeugenden Figuren und fesselnder Story und vor allem empfehlenswert für Fantasy-Fans, die gerade nicht mit einer x-teiligen Reihe beginnen wollen. Am Ende des Buches ist es fast ein bisschen schade, dass die Reise der Gefährten schon vorbei ist, und etwas viel Besseres lässt sich wohl über eine Geschichte nicht sagen.
Sturm der Verbannten