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»Tony Ballard« revisited - Teil 19: Genie und Wahnsinn ...

»Tony Ballard« revisited»Tony Ballard« revisited
Teil 19: Genie und Wahnsinn ...

Als im Oktober des Jahres 1982 der erste Band der Tony Ballard Serie das Licht der Welt erblickte, waren seit 1974 bereits 67 Romane mit dem sympathischen Helden in der Gespensterkrimi - Reihe erschienen, so dass die eigenständige Serie bei ihrer Geburt schon über einen ansehnlichen Stamm an festen Helden, Feinden und Schauplätzen verfügte, welcher im Laufe der Zeit noch weiter anwachsen sollte.

In dieser Artikelserie befassen wir uns mit der Entwicklung der Serie vom reinen „Fall der Woche“ hin zu dem späteren, durchaus komplexen Serienkosmos…

Die Kamikaze - MonsterWas das Figuren - Ensemble der Tony Ballard Serie betrifft, sei es nun auf der guten oder der bösen Seite, kann man dem guten AF Morland ganz sicher nicht vorwerfen, hier allzu sparsam oder einfallslos gewesen zu sein. Bei der Figur des Professors Mortimer Kull, welche im TONY BALLARD Band 37 „Die Kamikaze - Monster“ erstmals auftaucht, könnte man allerdings durchaus argwöhnen, diese sei an eine bekannte Figur aus der Sinclair Serie angelehnt - Solo Morasso, alias Dr. Tod nämlich, weist sie doch die eine oder andere Parallele auf. Während Morasso sich jedoch erst nach und nach zu der Figur entwickelte, welche später die Mordliga gründete, so wird Kull gleich mitsamt seiner „Organisation des Schreckens“ in die Handlung geworfen. Man erfährt, dass diese schon länger aktiv ist und fragt sich natürlich, warum Ballard und Co noch nie von ihr gehört haben.

Mit der Antwort auf diese Frage macht der Autor es sich dann auch ein bisschen (zu) einfach. Sie war halt vorher noch nie in London aktiv… Dort angekommen plant Kull aber dann gleich etwas ganz Großes: Er möchte seinen Machtstatus erweitern und setzt zu diesem Zweck eines seiner frisch erschaffenen „Kamikaze Monster“ auf den Boss eines riesigen Öl-Imperiums an, welches daraufhin von einem seiner Strohmänner übernommen werden soll. Auch der reiche Industrielle Tucker Peckinpah steht somit natürlich auf seiner Abschussliste, aber um diesen zu beseitigen, begnügt Kull sich nicht damit, einfach irgendeins seiner durch synthetisches Blut erschaffenen Monster auf ihn anzusetzen, sondern lässt stattdessen Ballards Freund Lance Selby entführen, welcher - als Kamikaze Monster - diesen Job übernehmen soll.

Eigentlich eine spannende Idee, wären da nicht einige nicht ganz unerhebliche Störfaktoren: Zum einen wäre da die Entführung Selbys, welche man umständlicher nicht hätte planen und schildern können. Da lässt der Autor mal eben einen vermeintlichen Studenten bei ihm aufkreuzen, der ihm einen Kaugummi (!?) zur Probe anbietet. Dieser Kaugummi bewirkt dann, dass der arme Kerl mit rasenden Zahnschmerzen seinen Zahnarzt aufsuchen will, welcher im Vorfeld ausgeschaltet und durch eine Vertretung ersetzt wurde, die wiederum auf Kulls Lohnliste steht. Sehr viel umständlicher geht es nun wirklich nicht.

Der zweite Störfaktor ist die Frage nach dem Sinn dieser Kamikaze - Monster. Da haben wir also eine Kreatur, die auf ein bestimmtes Opfer angesetzt wird, welches dann bei direktem Körperkontakt Bekanntschaft mit einem „Wurm“ macht, der aus der Bauchhöhle des Monsters dringt, woraufhin Opfer und Täter beide tot umfallen. Dabei handelt es sich aber wohlgemerkt immer nur um einzelne Opfer. Da fragt man sich natürlich, warum die darauf angesetzte Kreatur unbedingt das Zeitliche segnen muss. Ein „Kamikaze“ - Killer würde ja eher Sinn machen, wenn sein Ende unumgänglich ist, er dabei aber möglichst viele Gegner mit in den Tod reißt…

Aber bevor unser Held überhaupt von seinem neuen Dauergegner erfährt, widerfährt ihm selbst ein kleines Missgeschick, welches man - wo wir schon einmal damit angefangen haben - durchaus als dritten Störfaktor dieses, eigentlich nicht unspannenden Romans - bezeichnen muss. Er verliert seinen Magischen Ring - nicht etwa im Kampf oder weil einer seiner Gegner ihn austrickst oder ähnliches, nein, er lässt ihn sich mal eben im Schwimmbad (!) klauen, nachdem er ihn dummerweise vor der Leibesertüchtigung abgenommen und in der Umkleidekabine abgelegt hat.

Natürlich nicht in einem für Wertgegenstände vorgesehenen, abschließbaren Spind, sondern einfach auf irgendeine Bank. Bei einem so extrem wichtigen Utensil im Kampf gegen die Höllenbrut ist das mehr als nur schusselig und ärgerlich, es ist geradezu unglaublich und somit unglaubwürdig. Auch wenn der Verlust des Ringes, wie man (viel) später noch erfährt, durchaus Sinn macht, hätte man das anders lösen können/ müssen.

Das zweite Leben des Mortimer K.Trotz all dieser kleinen und größeren Ärgernisse bietet dieser erste Teil durchaus spannende Momente und auch die neue Figur Mortimer Kull weiß, trotz oder gerade wegen ihrer schon übertriebenen Großspurigkeit und Arroganz, zu überzeugen. Und als wäre das Figuren - Ensemble noch nicht groß genug, wirft der Autor im TONY BALLARD Band 38 „Das zweite Leben des Mortimer K.“ gleich die nächste Figur ins Rennen, den CIA Agenten Noel Bannister, ein sympathischer „Draufgängertyp“, welcher um das Gleichgewicht zu wahren, diesmal die „gute“ Seite unterstützen soll. Das tut er zunächst im Alleingang, wobei allerdings relativ schnell klar wird, dass er spätestens zum großen Showdown Ballard und Silver über den Weg läuft und dann natürlich - wieder mal - genau im richtigen Moment zur Stelle ist, um sie in einer extrem haarigen Situation zu unterstützen.

Bevor es jedoch dazu kommt, haben die Protagonisten - und vor allem der dem Feind hilflos ausgelieferte Lance Selby, so einiges durchzustehen. Dass es den Helden auch diesmal wieder nicht gelingen wird, ihren Freund zu retten, wird dem Leser dann endgültig bewusst, als diesem tatsächlich das synthetische Blut zugeführt und er somit ebenfalls zu einem potentiellen Kamikaze-Monster wird. Zwar sorgt Roxane, die vorübergehend als Peckinpahs Leibwächter fungiert, dafür, dass es nicht zu einer solchen im doppelten Sinne verhängnisvollen Verwandlung kommt, indem sie ihn mit ihrer Magie „auf Eis“ legt, aber gerettet oder von dem schwarzmagischen Keim befreit ist der Parapsychologe damit natürlich noch lange nicht.

An der Stelle muss man - bei aller Kritik der letzten Zeit - wirklich den Hut davor ziehen, wie konsequent und schonungslos der Autor mit seinen Figuren verfährt, egal ob diese nun beliebt oder unbeliebt sind. Niemand ist sicher in der Ballard - Serie, jede Figur kann jederzeit das Zeitliche segnen oder ins gegnerische Lager überwechseln (sogar der Held selbst, wie wir später noch erleben werden.) Das sorgt natürlich für Spannung, vor allem bei den serienübergreifenden Ereignissen.

Allerdings hebt sich dieser Doppelband ohnehin von den zuletzt doch etwas sehr schwachen Einzelabenteuern ab. Zwar gibt es auch in diesem zweiten Teil wieder ein paar Ungereimtheiten - so fragt man sich zum Beispiel wie es sein kann, dass fast das ganze Ballard Team ungehindert ins Hauptquartier der „Organisation des Schreckens“ hinein spazieren kann - aber sie trüben das Lesevergnügen nicht unbedingt. Was allerdings auch in diesem Roman für Sorgenfalten sorgt, ist nach wie vor die Frage nach dem Sinn dieser Kamikaze - Monster und in dem Zusammenhang die Frage, was zum Geier es mit diesem Wurm auf sich hat, und warum ein solcher vonnöten ist, um das Opfer zusammen mit dem Kamikaze Monster zu töten. Oder die Frage, warum das „synthetische“ Blut allein überhaupt in der Lage ist, solche Kreaturen zu erschaffen.

Nun, immerhin haben wir so bereits bei dem ersten Auftritt des Professors erleben dürfen, wozu er in der Lage ist. Über seine Großspurigkeit haben wir uns ja bereits im letzten Band amüsiert. Passend dazu erleben wir hier noch seinen großen Abgang mit den Worten: „Ich komme wieder! Meine Rache wird grausam sein!“
In diesem Sinne…

Kleine Zitate - Grosser MeisterBitte nicht küssen…
Die Waffe hüpfte ihm wie ein Frosch aus der Hand.
(TB 37 / S.31)

Kein Weichei…
Das harte Herz des Parapsychologen hämmerte wild gegen die Rippen.
(TB 38 / S.47)

Magie auf dem Weg…
Die grellen Blitze gruben sich in sein Gesicht, sickerten durch sein Haar, wühlten sich durch den Schädelknochen und erreichten sein Gehirn.
(TB 38 / S.57)

Kommentare  

#1 Postman 2017-10-05 15:13
Da ich aus dem Servicebereich komme, weiß ich dass man möglichst bildhaft sprechen sollte, um vielen Menschen etwas anschaulich mit wenigen Worten erklären zu können. Ergo finde ich nicht immer alle Romanheftzitate total unpassend, zumal die Zielgruppe keine Akademiker waren und die Welt noch nicht so voller reiner Logik wie heute steckte.

Da finde ich einen in Deutschland erscheinenden Artikel, welcher Retrothemen behandelt mit einer Überschrift "»Tony Ballard« revisited" schon lächerlicher ...
#2 Cartwing 2017-10-05 19:10
Zitat:
Da finde ich einen in Deutschland erscheinenden Artikel, welcher Retrothemen behandelt mit einer Überschrift "»Tony Ballard« revisited" schon lächerlicher ...
nicht alle Zitate werden ausgewählt, weil sie unfreiwillig komisch oder gar lächerlich sind. Manches klingt auch einfach nur komisch/ witzig. Es geht gar nicht darum, dass die Zielgruppe keine Akademiker waren. Dass die Sprache einfach gehalten war, wissen wir eh alle und das wird hier auch gar nicht groß thematisiert.

Was nun aber lächerlich oder gar ungewöhnlich an einem englischen Begriff in einer deutschen Artikel Serie sein soll erschließt sich mir nun gar nicht.

Zumal hier auch weder die Zitate, noch der Titel der Artikel Serie ne große Rolle spielen. Die Zitate sind beliebt und waren schon zu Print - Zeiten ein fester Bestandteil des Zines, und den Titel hat Horst sich ausgedacht - ätsch ;-)
#3 Toni 2017-10-05 20:34
An die Zitate aus den alten Fanzines kann ich mich auch noch gut erinnern. Waren ein paar echte Brüller dabei.
Was spricht gegen den Titel von Cartwings Artikelserie, die ich übrigens immer gerne lese? Irgendwie muss so ein Ding ja schließlich heißen :-)
#4 Cartwing 2017-10-05 21:46
danke Tony,
Bei solchen Kommentaren vergeht einem die Lust an der Arbeit, weil das wieder mal bestätigt, dass viele die Artikel gar nicht lesen, sondern nur mal einen kurzen Blick auf die Zitate werfen...
#5 Andreas Decker 2017-10-06 13:37
Gerade der Ballard war - und ist - nun mal schlicht gestrickt vom Inhalt und der Schreibe her. Da ist es oft nicht leicht, den richtigen Ton zu treffen, gerade wenn der Plot oder die Bösen mal wieder besonders sinnfrei sind.

Und der Titel ist gut weil prägnant. Aus dem Kopf gezählt laufen hier im Moment mindestens 6 Artikelreihen über die alten Hefte, und TBR bleibt haften. Bei einigen anderen würde mir der Titel nicht sofort einfallen, sondern nur das Thema.
#6 Cartwing 2017-10-07 07:04
Zitat:
Aus dem Kopf gezählt laufen hier im Moment mindestens 6 Artikelreihen über die alten Hefte, und TBR bleibt haften.
liegt vielleicht auch daran, dass es diese "revisited" Serien schon öfter gab. Zum Thema Sinclair, Zamorra und zuletzt Macabros. Muss natürlich nicht jedem gefallen. Eine Bekannte von mir kann das nicht mal aussprechen... ;-)

"Die Vampire und Dirk" ist übrigens auch ein sehr schöner Titel :-)
#7 Toni 2017-10-07 13:25
Meine Frau sagt immer: Dirk und die Chipmunks... :-)

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