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HORROR EXPERT 5 – Trommeln der Finsternis

Horror ExpertTrommeln der Finsternis

Erber und Luther – zwei Namen, die aus der Geschichte der phantastischen Literatur in Deutschland nicht wegzudenken sind und noch heute Anlass zur Kontroverse bieten. Die Reihe »Horror expert« war Vorreiter auf dem Taschenbuchmarkt und machte den interessierten Leser mit einem Genre bekannt, das hierzulande erst in den Anfängen steckte.

Das lohnt einen näheren Blick auf eine ziemlich in Vergessenheit geratene Reihe.

Trommeln der FinsternisTrommeln der Finsternis
von W.A. Ballinger
Horror expert Nr. 5
Übersetzt von Unbekannt
1971
Luther Verlag

Was passiert?
Bei einer Voodoo-Zeremonie auf Haiti wird eine Frau gefoltert und zerstückelt. In England zieht Scotland Yard den Versicherungsdetektiv Richard Quintain zu Rate. Eine neue Droge namens Goba ist aufgetaucht, die sofort süchtig und den Benutzer willenlos und steuerbar macht. Der Yard hat seine Agentin Marie Sainte darauf angesetzt. Jetzt hat man Fotos ihrer Überreste geschickt.

Quintain fliegt ohne Rückendeckung nach Haiti, wo der Terror des Diktators Papa Doc herrscht. Und der Terror der finsteren Götter des Voodoo. Quintain hat das Übernatürliche bereits bekämpft. Er nimmt seine hübsche blonde Sekretärin Julie Wellsley mit. Julie ist etwas Besonderes. Sie ist noch Jungfrau und verfügt darum über gewaltige unterbewusste magische Kräfte. Quintain kann sie sich zunutze machen, wenn er sie hypnotisiert. Julie selbst hat keine Ahnung davon, dass er sie auf diese Weise instrumentalisieren kann. Denn das würde die Wirkung zunichte machen.

Auf Haiti gibt es sofort einen magischen Angriff; Quintain kann gerade noch verhindern, dass die beeinflusste Julie nackt vom Balkon springt. Seine Ermittlungen führen ihn zu Marie Saintes Vermietern, aber die liegen tot unter dem Bett. Das bringt den Briten ins Visier des Polizisten Roget.

Quintain lernt den Verlobten von Marie Sainte kennen, den Haitianer Salterre, der sie verzweifelt sucht und noch nichts von ihrem Tod weiß. Marie arbeitete undercover als Sängerin in einem Nachtklub. In seiner Tarnung als Theateragent lernt Quintain die hübsche Sängerin L'Hirondelle kennen. Auf dem Friedhof neben dem Nachtklub begegnen Quintain und Julie einem Zombie.

Zusammen mit Julie und Salterre fährt Quintain ins Landesinnere. Dort begegnen sie dem katholischen Priester Etienne, der Baron Samedi anbetet und sie angreift. Quintain hypnotisiert Julie, die plötzlich telekinetische Kräfte entwickelt und sie aus der Falle rausholt. Auf der Flucht stolpern sie über von Zombies bewirtschaftete Rauschgiftfelder.

Quintain will dem Nachtklub allein einen Besuch abstatten, gerät aber in eine Razzia der Ton-Ton Macoute, Papa Docs Gestapo. Hilflos muss er miterleben, wie seine Mitgefangenen gefoltert und vergewaltigt werden. Nur das Auftauchen Rogets rettet ihn.

Quintain wagt sich erneut in den Nachtklub. Dort stößt er auf den ermordeten Salterre, der nun ein Zombie ist. Hier befindet sich die Rauschgiftfabrik, in der nur Zombies arbeiten. Man nimmt Quintain gefangen. Mittlerweile hat er das Rauschgift eingeatmet. Man bringt ihn zu Gorga, dem Anführer der Verschwörung.

Gorga entpuppt sich als Missgeburt ohne Arme und Beine mit dem IQ eines Genies, der sich an der Welt rächen will. Einen besonderen Hass hat er auf England, weil er dort trotz seines Geldes von einer Prostituierten zurückgewiesen wurde. Er will Englands Trinkwasser mit dem Goba verseuchen. Der sadistische Schurke bietet Quintain einen Schluck Blut an, den dieser natürlich ablehnt, nur um dann erfahren zu müssen, dass in dem Pokal auch ein Gegenmittel gegen das Goba war.

Hilflos muss Quintain zusehen, wie man Julie reinschleppt. Sie soll als Gorgas Braut dienen. Quintain kann sie aber hypnotisieren. Es kommt zu einem magischen Duell. Der Schlangenthron, auf dem Gorga sitzt, wird lebendig und verschlingt den Bösen. Die noch hypnotisierte Julie verwandelt das Blut mit dem Gegenmittel in Milch und gibt es ihrem Boss. Quintain brennt den Nachtklub nieder und vernichtet Rauschgift und Zombies.

Der SchlangenthronWorum geht es?
Und wieder sind wir bei Howard Baker und seiner Firma Press Editorial. Der fünfte Band von Horror expert setzt die Richtung Pulp-Horror fort. Über die Kontroverse oder sagen wir besser Spekulationen – der Kreis der Leute, die sich dafür interessieren, ist überschaubar und Kontroverse etwas vollmundig  -, wer den Roman wirklich geschrieben hat,  Howard Baker oder sein Peter Saxon-Hausautor McNeilly, ist ausführlich in einem Artikel zur Reihe Dämonenkiller geschrieben worden. Denn dieser Roman erschien sechs Jahre später erneut als Dämonenkiller-Taschenbuch unter anderem Autorennamen und Titel. W. A. Ballinger "Trommeln der Finsternis" ist identisch mit Der Schlangenthron von W. Howard Baker, Dämonenkiller-Tb 37. Nur die Pabel-Übersetzung ist neu. Über die Unterschiede in beiden Übersetzungen ist ebenfalls schon zuvor ausführlich berichtet worden.

Howard Baker hatten wir auch schon im Beitrag zu HE 4. Und die Einschätzung über den Roman hat sich auch nicht geändert. "Trommeln der Finsternis" ist immer noch ein handfester Horrorroman aus einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Uhren anders tickten. Die Produktionen von Press Editorial wurden von Leuten geschrieben, die damals zumeist Mitte vierzig waren, den Krieg mitgemacht hatten und genaue, erzkonservative, immer noch im Britischen Empire und seinem Imperialismus verhaftete Vorstellungen der gesellschaftlichen Ordnung hatten. Kein Roman ohne ein paar abfällige Bemerkungen über Hippies, Iren und Birds (also Mädchen) mit lockerem Lebenswandel und kurzen Röcken. Also alles Dinge, bei denen der größte Teil der damaligen Leserschaft beifällig nicken konnte.

Aber so rechtskonservativ diese "Gentleman" auch gewesen sein mögen und so miefig/spießig viele der Peter Saxon-Romane auch waren/sind – "Trommeln der Finsternis" hätte genausogut unter Peter Saxon erscheinen können -, haben sie sich andererseits die Zeit des Umbruchs zunutze gemacht.

Zehn Jahre zuvor hätte Baker diesen Roman in dieser Form nicht geschrieben. Da wären sowohl die Horror- wie auch die relativ eindeutigen Sexszenen nicht möglich gewesen. In diesen Jahren fand in England eine jener Hexenjagden gegen Schund und Schmutz statt. Die Verleger der britischen Krimiserie "Hank Janson" standen 1954 wegen der Verbreitung von obszönem Literaturgut vor Gericht. Es ging um die Romane von Stephen Frances, dem "Peter Saxon", der den SF-Grusler "The Disorientated Man" schrieb. Da segelte er aber noch auf Erfolgskurs und war eine Ein-Mann-Literaturfabrik, bevor er sich später mit Auftragsarbeiten für andere Verlage mühsam über Wasser hielt.

Hank Janson"Hank Janson" war eine Krimiserie- und Reihe mit Millionenauflage. Im Grunde handelte es sich um nach den amerikanischen Vorbildern geschriebene Noir-Krimis. Hank Janson, der in Personalunion als Held und Autor fungiert, ist ein Kriminalreporter aus Chicago, der ständig in Fälle verwickelt wird. Bereits 1946 erschien der erste Roman mit dem schönen Titel "When Dames get tough", bis 1954 folgten ca. 58 weitere Romane. Die Krimis versprachen Nervenkitzel und eine Prise Sex. Oder zumindest der suggestiven Andeutung davon, denn die liebevollen Beschreibungen wogender Brüste, weißer Oberschenkel und roter, feuchter Lippen gefolgt vom Kapitelende oder drei Punkten – weiter gingen die Bücher in den 50ern natürlich nicht - reichten schon, um das Blut von Schuljungen und Zensoren gleichermaßen in Wallung zu bringen. "Wir rissen die Titelbilder ab, damit unsere Eltern keinen Herzanfall bekamen", berichtete der Bühnenautor Simon Gray in einem Artikel der Daily Mail und bezieht sich da auf die pittoresken Titelbilder von Reginald Heade, auf denen Damen mit zumeist zerissenen Blusen und hochgeschobenen Röcken oft gefesselt entsetzt – oder verführerisch – auf Dinge außerhalb des Bildrandes schauen.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die ganze Hank Janson-Geschichte zu erzählen. Sie ist kompliziert und liegt im englischen Verlagssystem und Rechtssystem der unmittelbaren Nachkriegszeit begründet. Daher nur ein paar Fakten und Anekdoten über Straftatbestände, denn offiziell ging es nie um Zensur: Kamen Buchhändler in England in den Verdacht, "obszöne" Druckerzeugnisse zu verkaufen, machte ein Polizist in Zivil einen Einkauf, der dann den Grund für einen Beschluss lieferte. Also rückte die Polizei an und beschlagnahmte alle Exemplare, die ohne Entschädigung vernichtet wurden.

Hank Janson1954 waren das bei 132 Vernichtungsanordnungen 167293 Bücher und Magazine, 10903 Fotos, 16646 Postkarten und 18609 Posten Diverses. Die Verkäufer bekamen eine Anzeige und durften vor Gericht erscheinen. Da dies aber eine rein lokale Angelegenheit war, die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt wurde, und bei den Behörden niemand festlegen wollte, was "obszön" war und was nicht (eine offizielle Liste hätte ja eine staatliche Zensur etabliert, was gegen das Gesetz verstoßen hätte), bekannten sich die Angeklagten schuldig und zahlten ihre Geldstrafe, statt es auf einen Prozeß vor einer Jury ankommen zu lassen. Beim nächsten Mal überlegten sie es sich dann, bei wem sie Bücher oder Zeitschriften einkauften. (Oder sie sahen sich ihre Kunden besser an.) 1954 waren das immerhin 111 Schuldige, die 12677 Pfund Strafe zahlten. Nicht zu vergessen Haftstrafen zwischen 3 und 18 Monaten in einigen Fällen. Ein hoher Preis für ein paar läppische Nuditäten und was in den 50ern so als Porno galt.

Der Markenname "Hank Janson" geriet in London zu einer Art Schauprozeß gegen Schund und Schmutz. In seiner Urteilverkündung unterstellte der nachlesbar voreingenommene Richter den beiden unglücklichen Verlegern – Autor Frances selbst lebte zu der Zeit in Spanien; er stand erst später vor Gericht, der Prozeß wurde aber wegen Formfragen abgebrochen und das Verfahren eingestellt - , dass diese Romane bewusst die Intention hätten, die beeinflussbare Leserschaft "moralisch zu verderben" mit ihren Storys über Gewalt und Sex, und es an der Zeit sei, ein Zeichen gegen solche "literarische Verschmutzung" zu setzen.

Hank JansonDie Verleger Reg Carter und Julius Reiter erhielten eine hohe Geldstrafe und sechs Monate Gefängnis. Der Verlag ging bankrott. Später gründeten die beiden Verleger neue Geschäfte und machten eine Weile mit einem bereinigten "Hank Janson" weiter – bei dem Prozeß war es ja um ein paar willkürlich ausgesuchte Romane der Serie gegangen, nicht um die Serie selbst -, waren aber durch die Rechtsunsicherheit verständlicherweise so geschädigt, dass sie die Bücher im Ausland drucken ließen, um sie dann durch den Zoll gehen zu lassen. Der noch rigoroser gegen alles vorging, was möglicherweise "obszön" sein könnte. Da stand die Idee dahinter, wenn der Zoll die Romane freigab, kein Magistrat etwas unternehmen würde.

Was hat das mit Howard Baker zu tun? Press Ed veröffentlichte seine Horror-Romane Mitte bis Ende der 60er. Da gab es mittlerweile ein neues Gesetz gegen die Verbreitung obszöner Schriften, das sich deutlich geändert hatte und liberaler geworden war. Da durfte das Empire Literatur wie "Lady Chatterly" ungehindert verlegen und zumindest stellenweise lesen. Und darum konnte Baker auch gleich am Anfang mit der Vergewaltigungsszene in die vollen gehen, ohne befürchten zu müssen, unter Umständen vor Gericht zu landen. Wie bereits zuvor erwähnt zeigen die britischen Autoren von Genreromanen dieser Zeit eine schwer zu deutende Faszination mit dem Thema Vergewaltigung, ob nun beim Horror, Krimi oder Western. Vor allem in den vielen Serienromanen stolpert man immer wieder drüber, und es wird uns in dieser Reihe wieder begegnen.

Aus heutiger Sicht betrachtet sind die Baker-Produktionen ein Zwischenschritt in der Entwicklung des Horror-Genres. Einerseits deutlich im Vorkriegs-Pulp verhaftet mit ihren Geisterdetektiven und markanten Heldentypen, die wieder für Ordnung sorgten, andererseits thematisch aber schon im Swinging London angekommen mit ihrem Kampf gegen Schwarze Magie, Satanisten, Vodookulte, Okkultes und Orgien. "Sympathy for the Devil" lag eben in der Luft.

Die Nummer 5 ist das letzte HE, in dem Kurt Singer als Herausgeber ausgewiesen ist. Ob das wirklich eine Bedeutung hat, sei dahingestellt. In der Tat erschienen die Romane von Bakers Produktionsfirma zuerst in Amerika. Insofern wäre es möglich, dass Luther zu der Zeit keine Kontakte nach England hatte.

Letztlich taugt das Impressum leider nicht als definitive Quelle. Da werden auch deutsche Produktionen gelegentlich als Übersetzung ausgewiesen. Die späteren amerikanischen Beiträge stammen teilweise (oder alle) von Singers Agentur; wer sie letztlich ausgesucht und das Programm gestaltet hat, bleibt zumindest in dieser Phase der Luther-Bücher für Außenstehende offen.

Drums of the Dark GodsDas Titelbild:
Wieder sorgt Herbert Papala für ein thematisch beliebiges Cover, das aber durchaus eigenständig ist..

Die Originale:

  • Drums of the Dark Gods
    W.A.Ballinger
    159 Seiten
    Mayflower, 1966

Quellen:

  • Steve Holland: The Trials of Hank Janson, Telos 2004

  • Einen besonderen Dank an Andy Boot für die Informationen!

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-10-23 10:20
Diese Seite kennst DU sicher, oder?

spyguysandgals.com/sgshowchar.aspx?id=657
#2 Andreas Decker 2017-10-23 11:17
Ja, aber trotzdem danke. Der Bursche muss eine unglaubliche Sammlung haben. Ich blättere da oft zum Vergnügen rum. Schade, dass es nichts Vergleichbares in der Qualität und Quantität zum Privatdetektiv gibt ;-)
#3 Toni 2017-10-23 20:36
Na hoffentlich hat Simon Gray die Hefte später wieder zusammengesetzt. Harte Gesetze damals...als wenn es keine anderen Probleme gegeben hätte.
Wie immer ein toller Artikel.
#4 Erlkönig 2017-10-23 20:52
Wieder mal ein gelungener und informativer Artikel. Danke.
Ich habe die Horror-Expert Taschenbücher damals sehr gern gelesen. Über Autorennamen dachte ich s.Zt. natürlich nicht besonders nach. Informationen darüber waren auch - wenn überhaupt -nur schwer zu bekommen. Deshalb genieße ich deine jetzigen Artikel ganz besonders.
Die Story der Nr. 5 fand ich ok. Da werden doch die Vorteile der Jungfräulichkeit erfreulich dargestellt. :-)
Um nochmal auf Autorennamen zurückzukommen:
Ich hielt z.B. "John Ball" (Dr. Morton) damals tatsächlich für einen englischen Autor. Dazu trug auch das "Interview" mit "John Ball" in einem "Dr. Morton-Sonderband" bei. :lol:
#5 Andreas Decker 2017-10-24 09:57
Danke fürs Feedback!

zitiere Erlkönig:

Um nochmal auf Autorennamen zurückzukommen:
Ich hielt z.B. "John Ball" (Dr. Morton) damals tatsächlich für einen englischen Autor. Dazu trug auch das "Interview" mit "John Ball" in einem "Dr. Morton-Sonderband" bei. :lol:


Auch so ein obskures Element beim Morton. Verglichen mit anderen Heften der Zeit sind in die Romane verhältnismäßig viele Fakten über Land und Leute eingeflossen. Gerade in den Sonderbänden. An das Interview kann ich mich auch noch erinnern. Das war wirklich schräg.

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