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HORROR EXPERT – 6 Tod durch Ratten

Horror ExpertTod durch Ratten

Erber und Luther – zwei Namen, die aus der Geschichte der phantastischen Literatur in Deutschland nicht wegzudenken sind und noch heute Anlass zur Kontroverse bieten. Die Reihe »Horror expert« war Vorreiter auf dem Taschenbuchmarkt und machte den interessierten Leser mit einem Genre bekannt, das hierzulande erst in den Anfängen steckte.

Das lohnt einen näheren Blick auf eine ziemlich in Vergessenheit geratene Reihe.

Tod durch RattenTod durch Ratten
von Harald Howart
Horror expert Nr. 6
Originalausgabe
1971
Luther Verlag
Was passiert?
An einer deutschen Universität. Dr. Kreutzkamm wird von seinen Mitarbeitern gehasst. Er gilt als schmieriger, schlecht angezogener Eigenbrötler, der nie ein gutes Wort für andere hat, sich selbst aber für ein Genie hält. Er will unbedingt Professor werden, aber seine Vorgesetzten denken nicht daran.

Kreutzkamm arbeitet daran, Ratten mit im Gehirn implantierten Chips gefügig zu machen. Bei Xantippe, einer besonders großen und bösartigen Ratte, ist ihm das auch gelungen. Von seiner Funkanlage gesteuert lässt er Xantippe ein Huhn zerfetzen.

Das ist für seine leidgeprüften Laborantinnen Gina und Susanne der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Sie sind Kreutzkamm und seine Beleidigungen und Anzüglichkeiten absolut leid. Also sabotiert Gina aus Empörung das Experiment und lässt die Ratten frei. Kreutzkamm rastet aus und versucht verzweifelt, seine Tiere wieder einzufangen, wobei er mehrere Gärten und Fensterscheiben zerstört. Bis die Polizei kommt. Sein pöbelnder Aufstand in Gegenwart von Professor Wenzel, seinem Boss, macht die Sache nicht besser. Mit Gewalt abgeführt zu werden und die Beamten "Faschistenpack" zu nennen, bringt ihm auch keine Punkte ein.

Schließlich kommt er auf die Idee, Xantippe mithilfe seiner Fernsteuerung zurückzuholen. Was auch gelingt. Das bringt ihn erst einmal auf die Idee, Gina eins auszuwischen. Er schickt ihr Xantippe ins Schlafzimmer. Die junge Frau, die bei ihrer Mutter wohnt, ist außer sich. Obwohl sie wegen ihrer Aktion suspendiert ist, schnüffelt sie im Labor herum und wird prompt von Kreutzkamm erwischt, der ihr mit Vergewaltigung droht. Und beschließt, sie aus dem Weg zu räumen.

Als er Professor Wenzel stolz das Ergebnis seiner Arbeit vorführt, hält der das für eine Tierdressur. Kreutzkamm rastet diesmal völlig aus, was zu seiner Entlassung führt. Heimlich schafft er Xantippe und das Steuergerät in sein Zimmer, in dem er zur Untermiete wohnt.

In der Zwischenzeit wird bei Gina ein Herzfehler festgestellt, und sie muss das Bett hüten. Kreutzkamm beginnt seinen Rachefeldzug mit Hilfe seiner ferngesteuerten Ratte. Nach etwas Telefonterror erschreckt er Gina zu Tode, Dann erhält der Rektor der Uni besucht von Xantippe, die ihm im Schlaf den Hals durchbeißt. Was zu Schlagzeilen und Panik in der Stadt führt.

Professor Wenzel kommt Kreutzkamm nach dem Mord durch Ratten auf die Schliche. Aber er und sein Dekan fürchten, sich lächerlich zu machen, wenn sie zur Polizei gehen. Also klaut Wenzel einfach die Ratten aus Kreutzkamms Wohnung. Aber er ahnt nicht, dass der bereits mit Xantippe unterwegs ist, um den Dekan umzubringen. Nach diesem Mord geht er zur Polizei. Der Kommissar glaubt ihm sogar und verhört den hämisch grinsenden Kreutzkamm, der genau weiß, dass man ihm nichts nachweisen kann. Und selbst wenn man die versteckte Xantippe finden und auslöschen sollte, kann er immer noch das nächste Mordtier züchten.

Als Kreutzkamm dem verhassten Wenzel nun die Ratte auf den Hals schickt, scheitert er, weil die Polizei jedes Schlupfloch bewacht. Enttäuscht holt er Xantippe zurück. Aber das Tier ist nun so süchtig nach Mord, dass es seinen Schöpfer im Schlaf überfällt und tötet. Als man den ausgebluteten Kreutzkamm findet, erlegt ein Polizist die Killerratte mit einem Schuss.

Anekdoten aus OstfrieslandBewertung
Nach den diversen Übersetzungen aus dem Englischen gibt es mit der Nr.6 eine Prämiere im Horror expert. Ein deutscher Roman von Harald Howart alias Dr. Gerhard Eckert.

Wie Pabel stand Luther deutschen Autoren durchaus aufgeschlossen gegenüber. Schon der zeitgleich erscheinende Terror-Krimi wurde hauptsächlich von Rolf Kalmuczak bestritten, der als Don Boston den größten Teil der Reihe schrieb. Für die andere Krimi-Reihe mit Gruseleinschlägen, dem "Top-Grusel+Horror-Krimi", wandte man sich an den Schriftsteller Gerhard Eckert. Eckert fing nach dem Krieg als Schriftsteller an und hatte dabei eine ganz andere Laufbahn und Wurzeln als die typischen Heftautoren von Bastei oder Pabel, aus denen diese Verlage später auf dem Gruselsektor schöpften. Der langjährige Vorsitzende des Verbandes der Schriftsteller von Schleswig-Holstein arbeitete auf vielen Gebieten, interessierte sich für das Medium Fernsehen, wo er sich schon frühzeitig für ein Privatfernsehen stark machte. Er verfasste Kochbücher und Reiseführer, die unter anderem im angesehenen Verlag und damaligen Marktführer Dumont erschienen. Bücher wie "Oberbayern. Kultur, Geschichte, Landschaft zwischen Donau und Alpen, Lech und Salzach" oder "Der Wendelstein. Ein Berg, der viele Freunde hat", das heute noch lieferbar ist. Genau wie das Buch "Anekdoten aus Ostfriesland".

Seine Arbeit für Luther könnte nicht gegensätzlicher sein. Da schrieb er Bücher mit so schönen Titeln wie "Die geköpften Mädchen", "Leiche in Stücken gefällig" oder "Hinrichtung morgen!".

Tod durch Ratten"Tod durch Ratten" ist als Zeitdokument durchaus unterhaltsam. Da sitzt die versnobte und natürlich nur männliche Uni-Elite bei ihren Zigarren, man redet sich als "Euer Spektabilität" und "Magnifizenz" an und sieht sich "als Vorbilder der Jugend", während "an Kreutzkamms Dreck und Speck könnten sich höchstens die Gammler und Langmähnigen unserer Studiosi ein Vorbild nehmen. Da sei der Himmel vor!" Das viel zitierte und zu Unrecht gescholtene Aufbruchsjahr 1968 war zur Veröffentlichungszeit gerade mal drei Jahre her, und die Verhältnisse sind hier mit so ironiefreier und konservativer Inbrunst beschrieben, dass man gut nachvollziehen kann, wieso die "Gammler und Langmähnigen" keine Lust mehr auf diesen Mief und Obrigkeitshörigkeit hatten.

Dabei gibt sich Eckert viel Mühe, seinen Bösewicht Kreutzkamm auch äußerlich in die Nähe der von ihm geliebten Ratten zu bringen und als schmierigen - heute würde man sagen – Soziopath darzustellen. Das ist ein tiefer, schlichter und ekliger Griff in die Klischeekiste des Trivialromans. Und es funktioniert auch nicht, denn dadurch bleibt der geniale Tüftler eine geifernde Karikatur. Man fragt sich unwillkürlich, wie dieser Kerl überhaupt an seinen Doktortitel gekommen ist, wo er doch unfähig ist, sich auch nur im Mindesten anzupassen.

Aber in anderen Dingen merkt man dem Autor an, dass er nicht vom Heft kommt und unverbraucht ist. Alle Figuren handeln erfrischend logisch, nicht einmal der Kommissar ist der gewohnte Tölpel und recht fern von den Klischees, die später in das Genre Einzug hielten. Die Figur Gina, die beherzte Laborantin, die sich dem Widerling durchaus couragiert entgegenstellt, ist als tragische Figur sogar gelungen und ebenfalls vielschichtiger dargestellt, als später im Heft und im Serientaschenbuch üblich war.

Viele Kleinigkeiten sind interessant. Auch wenn der Schauplatz unbenannt bleibt, fließen doch viele Schilderungen des bundesrepublikanischen Alltags der 60er in die Erzählung. Selbst Dr. Kreutzkamm wohnt notgedrungen zur Untermiete bei einer Witwe – das klassische Szenario bei vielen Kommissar-Folgen -, während Gina bei ihrer Mutter wohnen muss. Der Wohnraum war eben noch knapp, die Gehälter ebenfalls. Hausärzte machen noch Hausbesuche, und selbst der zurhilfe gerufene Hausarzt seiner Magnifizenz von Maltzan weist auf seine volle Sprechstunde hin, bevor er dann doch zum zerfleischten Professor eilt.

Ob der Gruselplot funktioniert, ist hingegen Geschmacksache. Killer-Ratten gab es im Gruselroman und auf der Leinwand ja genügend. Ihren schlechten Ruf haben Ratten seid der Pest nicht zu unrecht weg, und schon in "Dracula" hatten sie ihren Auftritt als Boten des Bösen. Den Arachnophiker lassen sie vermutlich kalt, und dass jede Frau bei ihrem Anblick gleich auf den nächsten Stuhl springt, wie in tausend Filmen und Cartoons zu sehen war, ist nun mal sexistischer Unsinn. Aber ob sich Eckert hier von anderen Werken hat inspirieren lassen, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, was die Originalität des Themas ein paar Punkte nach oben schiebt. "Willard", der Film über Killerratten, kam zwar 1971 in die deutschen Kinos, aber erst im November. Da müsste ihn der Autor schon im Ausland gesehen haben. Und der Roman von James Herbert, der in England das Genre der "Amoklaufenden Tiere" begründete, "The Rats", erschien erst 1974.

So ist das hier eher ein verkappter SF-Roman über ferngesteuerte Tiere, ein typischer B-Film-Plot über einen Mad Scientist. Immerhin gibt sich der Autor viel Mühe, seine große Killerratte Xantippe unheimlich zu schildern, und die Morde sind verhältnismäßig blutig. Luther ließ seinen Autoren viele Freiheiten, wie die Kalmuczak-Krimis mit ihrem Sex und Sadismus deutlich zeigen; zwar hatte Eckert auch in seinen folgenden Romanen mit dem Thema Sex nicht viel am Hut, dafür ließ er seine Figuren gern ordinär fluchen, wie man es im Heft niemals zu sehen bekam. Er war deutlich der Ansicht, hier für Erwachsene zu schreiben, auch wenn die Bücher natürlich für Jugendliche frei zugänglich waren. Was sie ja später zum Ziel des Jugendschutzes machte.

Tod durch RattenAber das alles täuscht nicht darüber hinweg, dass die Einzelheiten interessanter als das Große Ganze sind. Die Story vom verrückten Professor, der sein ferngesteuertes Mordinstrument auf alle hetzt, von denen er sich gedemütigt fühlt, ist weder besonders originell oder spannend. Und der Horror hält sich in Grenzen.

Aber 1971 dürfte der Roman deutlich besser funktioniert haben. So eine Geschichte in deutschen Landen und in dem Milieu, das hatte es noch nicht gegeben. Insofern ist das kein schlechter Beitrag und weckt das Interesse auf andere Romane des guten Doktor Eckert. Die meisten davon gab es dann zusammen mit HE 6 im Nachdruck als Erber-Grusel-Krimi. "Tod durch Ratten" war die Nr. 5.

Das Titelbild:
Und wieder ein Papala. Diesmal ist die Illustration sogar inhaltsbezogen. Die Monsterratte bei der Mahlzeit hat etwas.

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Kommentare  

#1 Erlkönig 2017-11-07 20:55
Wieder mal ein sehr schöner, informativer Artikel von dir. Danke.
Vielleicht war der unbenannte Schauplatz des Romanes ja Hameln. :-)
Die Romane von Howart hielten genau das, was der Titel versprach. Deshalb werde ich wohl auf Eckerts "Anekdoten aus Ostfriesland"
verzichten. :-)

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