Wen Luzifer sich holt - Weitere Kurzgeschichtensammlungen von Andreas Gruber
Wen Luzifer sich holt x 2
Weitere Kurzgeschichtensammlungen von Andreas Gruber
Diese Geschichten erscheinen seit 2015 beim Luzifer Verlag.
Das Projekt
Es gibt einige erfolgreiche deutschsprachige Kurzgeschichtenautoren, die mehr als 50 Texte veröffentlicht haben und über Jahrzehnte in der Szene aktiv waren. Andreas Gruber aber ist meines Wissens der einzige, dem eine Werkausgabe gewidmet ist. Im Luzifer Verlag sind mittlerweile vier Bände erschienen. Es begann 2015 mit "Northern Gothic", ging 2016 weiter mit "Apocalypse Marseille", wurde Anfang 2017 fortgesetzt mit "Jakob Rubinstein" und zuletzt erschien "Der fünfte Erzengel". Diese vier Bände zeigen die thematische Bandbreite von Andreas Gruber auf. "Northern Gothic" und "Der fünfte Erzengel" widmen sich dem Horror, "Apocalypse Marseille" der Science Fiction und "Jakob Rubinstein" dem Krimi. Während "Northern Gothic" und "Apocalypse Marseille" jeweils dreizehn Geschichten versammelten, die vorher in unterschiedlichen Magazinen und Anthologien erschienen sind, handelt es sich bei "Jakob Rubinstein" und "Der fünfte Erzengel" um Kurzgeschichtensammlungen, die bereits früher erschienen sind und jetzt neu aufgelegt wurden, freilich überarbeitet und erweitert durch entweder neu verfasste Geschichten oder Beiträge, die früher an anderer Stelle veröffentlich worden sind. Allen Geschichten gemeinsam ist, dass Andreas Gruber sie für die Neuausgaben überarbeitet hat. Bei manchen Titeln nur behutsam, an anderer Stelle durchaus rustikal. Darüber hinaus hat der Autor zu jeder Geschichte ein kleines Vorwort verfasst, das bio- oder bibliografische Einzelheiten dazu umfasst.
Alle Titel der Reihe erscheinen in einheitlicher Aufmachung mit Klappbroschur. Die Titelbilder stammen jeweils von Michael Schubert.
Jakob Rubinstein
trägt den Untertitel: . Im Klappentext heißt es dazu:
"Scheinbar sind die düsteren Gassen Wiens der Mittelpunkt unheimlicher Lügen, Intrigen und Verschwörungen. Doch der jüdische Privatdetektiv Jakob Rubinstein deckt sie auf ... Eher zufällig, denn mit brillanter Logik. An seiner Seite recherchieren seine Sekretärin Lisa, der homosexuelle Kolumnist Gazetti und der faule Kater Dr. Watson - Ein Team, das erfolgloser nicht sein könnte. Gemeinsam nehmen sie es mit Psychiatern, Wissenschaftlern, der Ärzte-Lobby, der Wiener Polizei und den Beamten des Innenministeriums auf, in deren Dunstkreis sie mit ihren Ermittlungen ständig schlittern..."
Bei "Jakob Rubinstein" handelt es sich um Andreas Grubers ersten Versuch, nicht nur Kurzgeschichten zu schreiben. Nach Dutzenden von Stories und zwei Kurzgeschichtensammlungen erschien er zuerst im Jahre 2003 im Basilisk-Verlag. Dabei handelt es sich um einen Episodenroman, der aus einer knappen Rahmenhandlung und fünf Fällen bestand. Ursprünglich sollte der Protagonist Jake Sullivan heißen und in New York ermitteln. Die längst vergriffene Erstauflage bestand aus 300 Exemplaren.
Für die Neuauflage polierte Andreas Gruber die fünf alten Fälle neu auf schrieb einen neuen sechsten. Und die Bearbeitung geht diesmal ziemlich weit. Man nehme nur einmal die Überschriften der Fälle.
Doch Andreas Gruber geht noch viel weiter. So wurde aus dem geliebten Buick des Detektivs in der Neuauflage ein Käfer. Die Sekretärin Rita Biedermann macht eine Verjüngungskur und heißt nun Lisa Novacek. Außerdem mutiert sie optisch mit Piercings und entsprechender Punkfrisur zu einer Art Lisbeth Salander. Das Buch hat natürlich auch ein neues Cover bekommen. Die in der Erstauflage vorhandenen Innenillustrationen von Alex Mastny gibt es dagegen nicht mehr. Dafür gibt es ein ausführliches Vorwort unter der Überschrift "Woher die Idee zu Jakob Rubinstein kam".
Wiederkehrende Charaktere sind nicht nur die im Klappentext genannten Hauptpersonen, sondern darüber hinaus spielen Rubinsteins jüngere Schwester Rachel, der Wiener Oberbürgermeister Dr. Gödel und seine Freundin Leah eine wichtige Rolle. Andreas Gruber hat sich dabei bewusst dafür entschieden, einen jüdischen Detektiv, einen schwulen Journalisten und eine lesbische Sekretärin auftreten zu lassen. Er verfolgt damit die Intention gegen Vorurteile - die er in Wien durchaus noch sieht- anzukämpfen.
Der dicke Detektiv mit seinem Käfer, der das Kennzeichen RUBY 2 trägt, ist eine eher skurrile Figur. So hat er z.B. eine Phobie gegen Waffen und trägt deshalb eine Attrappe im Holster. Brillante Logik und ausgeklügelte Verhörmethoden á la Columbo erwartet man vergeblich. Die eigentliche Recherchearbeit liegt bei der Sekretärin Lisa Novacek. Pluspunkte der humorvollen Geschichten sind der Wiener Flair und die Handlungsorte in der österreichischen Hauptstadt wie z.B. die aus "Der dritte Mann" bekannte Kanalisation. Einige wenige Fälle weisen auch ein fantastisches Element auf. Der Autor selbst sieht Jakob Rubinstein übrigens als "satirisches Cross-over aus Mystery und Thriller"(Vorwort).
Der fünfte Erzengel
war der erste Kurzgeschichtenband von Andreas Gruber. Er erschien zuerst im Jahre 2000 bei Medusenblut und erlebte 2004 eine Neuauflage im Shayol Verlag. Dort fanden sich 9 Stories, von denen 5 bereits früher in verschiedenen Magazinen erschienen waren. 4 Titel wurden dort erstmals publiziert. Die Erstauflage lag übrigens bei 200 Exemplaren.
In der jetzt bei Luzifer erschienen dritten überarbeiteten und erweiterten Ausgabe kamen 6 Stories dazu, die vorher in anderen Anthologien bzw. Magazinen publiziert worden sind. Drei davon stammen etwa aus dem gleichen Zeitraum bis 2000 wie die Geschichten der Erstauflage. Drei andere sind dagegen relativ neu, sind z.T. erst vor wenigen Jahren erschienen. Neu ist auch der Einführungsartikel "Mein Zugang zum Horror".
Wie schon in den ersten beiden Kurzgeschichtenbänden hat Andreas Gruber auch diesmal wieder zu jeder einzelnen Story ein kurzes Vorwort geschrieben, in dem er ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert. Hier einmal ein Beispiel dafür:
"Katholische Kirche - ja, das ist so ein Thema. Ich glaube nicht an Gott, würde mir aber wünschen, dass mehr Priester an Gott glauben würden, dann gäbe es vielleicht weniger sexuellen Missbrauch in der Kirche.
Aber darum geht es in dieser Geschichte gar nicht. Es geht um die Beichte. Und ich habe diese Story deshalb geschrieben, weil mich Kirchen, trotz meines fehlenden Glaubens, faszinieren und ich mir bei all meinen Städtereisen immer wieder gern Dome, Gruften, kleine Kirchen und Friedhöfe ansehe.
Diese Plätze haben für mich etwas Unheimliches, Dunkles und Beklemmendes. Die bunten Fenstermosaike wirken nicht wirklich fröhlich, die Kerzen verströmen kein warmes Licht, der Weihrauch keinen angenehmen Duft, den man gerne zu Hause im Wohnzimmer haben möchte, und die Kreuze, Gemälde und Skulpturen mit ihren düsteren Motiven wirken irgendwie - ja, wie soll ich sagen? - deprimierend.
Die gesamte Atmosphäre wirkt so, als wollte die Kirche dem Besucher eine gewisse Schuld aufladen. Und um Schuld geht es auch in der folgenden Geschichte."
(S.181)
Die Bibliographie umfasst diesmal nur die Erstveröffentlichung der jeweiligen Story. So ist beispielsweise bei "Amazon.jp" nur "Japan Mysteries" angegeben, nicht aber "Dunkle Stunden" von Kaiser/Lohwasser, wo sich die Geschichte ebenfalls findet. Genau so fehlt der Hinweis, dass "Das Tor nach Cloon" (Erstveröffentlichung in Solar-X) auch in Michael Schmidts Zwielicht Classic 1 zu finden ist.
Meine Einschätzung
Die beiden Kurzgeschichtenbände umfassen hauptsächlich Texte aus der Anfangsphase von Andreas Gruber, bevor er seinen ersten Roman veröffentlicht hat. Dies merkt der Leser. Vergleicht man die Geschichten mit den später entstandenen Stories und Novellen aus "Apocalypse Marseille" und "Northern Gothic" lässt sich eine Entwicklung feststellen. Der spätere Andreas Gruber schreibt routinierter und seine Geschichten sind meistens länger. Wer den Autor wegen seiner Thriller aus den letzten Jahren schätzt, findet nicht allzuviel davon in den Kurzgeschichtenbänden wieder. Auch zwischen dem Detektiv Jakob Rubinstein und dem Ermittler Maarten S. Sneijder liegen Welten.
Im Luzifer Verlag wird erstmals eine Werksausgabe sämtlicher Kurzgeschichten eines deutschsprachigen Autoren herausgebracht. Das ist verdienstvoll ... und wäre auch einigen anderen Autoren aus dem Bereich Kurzgeschichte zu wünschen. Aber wie man am Beispiel Andreas Gruber sehen kann, schlagen sich die meisten dieser Schriftsteller damit durch, in Magazinen und Anthologien zu veröffentlichen. Und wenn es dann zu einer eigenen Kurzgeschichtensammlung kommt - was längst nicht jedem gelingt - dann bewegen sich die Auflagen im Bereich so zwischen 200 und 400 Exemplaren. Andreas Gruber ist hoch anzurechnen, dass er trotz seines Erfolges als Thrillerautor seine Wurzeln in der Fantastik nicht verleugnet und so viel Zeit und Arbeit in die Neuausgabe seiner Geschichten steckt.
Kommentare
vielen Dank für diesen Artikel, hat mich sehr gefreut, das zu lesen
Geplant ist noch für 2018 die Neuauflage von "Ghost Writer" (Shayol) und "Die letzte Fahrt der Enora Time" (Shayol), sowie für März 2019 der siebte und letzte Band der Werkausgabe "Dinner in the Dark" mit neuen Krimi-Storys.
danke für die Info! "Ghost Writer" habe ich schon und bin gespannt auf die anderen beiden Bände.
Lieber Uwe,
zur Info für dich: In "Ghost Writer" ist es so, dass ich für die Neuausgabe (Luzifer) von der ersten Ausgabe (Shayol) zweit Storys rausgenommen habe (Wir vom Sicherheitsdienst, Sonntagmorgen unter dem Viadukt), weil die Geschichtn zu krimi-lastig waren, und dafür gegen die neue Horrostory "Welt aus den Fugen" ausgetauscht habe.
Aber es geht nichts verloren, denn die beiden Krimi-Storys werden überarbeitet im neuen 7. Storyband "Dinner in the Dark" mit aufgenommen.
Beste Grüße und viel Spaß bei der Lektüre,
Andreas