»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Zarastra – die Zauberin (Terra Astra 125)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Zarastra – die Zauberin«
Terra Astra 125 von Kurt Mahr (Klaus Mahn)
Freunde, wenn ihr hier jetzt wie die Hühner auf den Stangen sitzt und auf meine Besprechung eines knackigen, altgedienten Landser-Romans wartet – das wird noch etwas dauern.
Der Grund dafür liegt einzig und allein darin, dass ich mir noch kein Heft an meinen Geheimquellen zocken konnte und ich dafür nicht auch noch exorbitante Preise online ausgeben wollte. Allein die Nachfrage bzgl der Hefte hat mich schon mehr als ein nervöses Lächeln gekostet und wie sich herausstellte, werden die im Ankauf vom Händler auch gar nicht erst genommen, so kritisch ist in inzwischen der Umgang mit dem Stalingradkäse.
Ist aber aus meiner Sicht halb so schlimm, wo es auf den Straßen sowieso wie fünf vor Machtübernahme II ausschaut, bleibe ich nach der letzten Woche einfach noch einen Text länger bei der guten alten Science-Fiction.
Und es hat sich gelohnt, denn der suchende Griff förderte ein schon gleich hochinteressantes Sujet zu Tage, geschrieben vom klassischen Perry-Autor Kurt Mahr alias Klaus Mahn, den ich jahrelang mit besonderem Vergnügen gelesen habe.
Neben dem „Erben des Universums“ schrieb er aber auch zahlreiche Einzelromane und so einige Unterserien bzw. Kurzzyklen in den Terra-Anthologie-Serien.
Eine davon drehte sich (sechteilig) um den Weltraumdetektiv Roger Staff, der hier in seinem letzten Einsatz mit seinem Androiden-Hybriden-Kumpel Kalix unterwegs ist, einer vergnügt helfenden Art aufrecht gehendem „Sonic Screwdriver“, ohne den bei Roger nach meiner bescheidenen Auffassung nicht immer alles roger gewesen wäre.
Was mich angefixt hat, war die Titelunterschrift auf dem Cover: „Ein Mann auf dem Planet der Frauen“! Das klang schon mal vorweg nach einer interessanten Konstellation und da die Geschlechterfrage in der Frühzeit der gängigen SF-Heftromanserien eher noch stiefmütterlich bearbeitet wurde, bietet die Situation „Zwei Männer gegen einen Frauenplaneten“ natürlich einiges Potential, gerade im heiß diskutierten angeblichen Postfeminismus.
Ich bitte alle weiblichen und interessierten männlichen Leser(innen) darum, mir zu verzeihen, dass ich in diese hochaktuelle Materie nicht tiefer einsteige, sondern nur den vorliegenden Text dahingehend durchleuchte, aber allein das hat sich hinsichtlich der Einstellung „es wird alles nur immer schlimmer und schlechter“ ungemein gelohnt.
Denn Mahr hat hier – und man muss zwangsläufig diesen Roman mit dem Entstehungszeitraum 1973 bewerten – einen ziemlichen Stinkkäse produziert, der irgendwo zwischen Parodie und leiser Verachtung für das aufbegehrende weibliche Geschlecht changiert.
Den typischen Technobabble hintenan gestellt, kümmert sich der Roman vielmehr um ein damals hochaktuelles Revolutionsszenario, dessen Wäsche man feministisch eingefärbt hat. Das kritisiere ich allerdings nicht, sondern vielmehr die Art, mit der mit diesem Thema umgegangen wird. Allein der Held gehört mehr in einen satirischen Roman und ergeht sich in pöbelhaften Hardboiled-Detective-Style, der in Kombination mit der Ernsthaftigkeit einer weiblichen Revolution heute geradezu fassungslos macht.
Und ja Freunde, das war alles noch vor der allerersten PR-Autorin, namentlich Marianne Sydow, die erst drei Jahre später mit ihrem Debütroman an die Kioske ging. Da lagen die meisten kollektiven BH-Verbrennungen schon einige Jahre zurück, aber das Echo des feministischen Ausbruch klingt auch in „Zarastra“ noch deutlich nach – inklusive der offensichtlichen Verunsicherung, die diese Novität in den geregelten Gesellschaftsschichten ausgelöst hat.
Also dann schauen wir mal in die Show „Männer gegen Frauen“ rein, 1973er Style:
»ESEX MACHT UNFREI. SCHWESTERN, BEFREIT EUCH!« (Transparentaufdruck) - »Das muß eine öde Welt sein«, knurrte der Detektiv.“)
Wie beginnt man eine politische Revolution?
Zunächst einmal muss man sie finanzieren können.
Da ist es natürlich am besten, wenn man in finanziellen Unzulänglichkeiten steckt, tolle Ideen hat und des Nächtens Besuch von einer fast mythischen Zaubererin bekommt, die nicht mit Zauberstab sondern mit einer reichhaltigen Parteispende am Bettende steht.
So geht es Zingavo, der Generalsekretärin von ZORES (prust!), der „Zentralorganisation der Revolutionären Stifterinnen“ auf dem Planeten Destro.
Die sind auf ihrer hochproduktiven Heimatwelt den Männern im Verhältnis 2:1 überlegen und wollen die Männchen mal deftig von der Platte putzen, wegen Quote und so. Aber das will alles bezahlt werden, also zückt die nächtliche Besucherin 600.000 Soldar und die Sache kann anlaufen.
Einige Zeit später wird Weltraumdetektiv Roger Staff samt seinem hybriden Faktotum Kalix auf einen Wohltätigkeitsball geordert, wo sich Roger so lange nicht wohlfühlt, bis er auf die extremst attraktive Dahlia Renmen trifft, eine vermögende Industrielle, die ihn zu ihrem Tanzpartner für den Abend erwählt.
Das verlangt natürlich neben dem Schwofen auch den vollen Einsatz mit Schluck und einer flotten Runde auf Matratze, die aber leider unter den Filmriss gerät. Während der morgendlichen Ausnüchterung bekommt er dann von Dahlia den Auftrag, auf dem Planeten Destro mal nachzuschauen, ob man nicht ihre zahlreichen Fabriken wieder konterrevolutionär ankurbeln könnte, weil seit der Übernahme durch Frauen alles brach liegt. Für 40 Prozent der Beteiligung an der Industrie Remnens (!!!) ist er bereit, eine Gegenrevolution anzuzetteln. Und was produziert Destro so Revolutionäres für das Universum? Männeroberbekleidung! (Muhar…)
Also düsen Roger und Kalix nach Destro, der formal noch zum terranischen Kondominium (???) gehört, aber seit einigen Monaten unter einer Nachrichtensperre dahindämmert.
Trotz genereller Verachtung und barscher Herablassung für die beiden anreisenden Männer, bekommen sie eine Landeerlaubnis (mit der sie links wie rechts teuer abgezockt werden), doch als sie bei der Einreise nicht darüber Auskunft geben können, welcher Klasse sie als Männer angehören und auch keine Ausweise darüber besitzen, werden sie zu „Untermännern“ erklärt und mit 26 anderen Männern in einer Zelle eingekastelt.
Als sie später bei einer Neueinteilung den Satz „Ich bin eine verwerfliche Drohne“ brüllen sollen, erklärt Roger unumwunden, dass die hämische Prüferin und alle übrigen Frauen wohl stramm einen an der Waffel hätten. Das führt dazu, dass sie von Unter- zu Unterstmännern absteigen und in einem dreckigen Verlies landen.
Dort treffen sie auf den alten Abbé Faria...moment...sorry...Oneveer Kaltrop, den man zu Beginn der Revolution eingesackt hat und dem schon ein Weihnachtsbart gewachsen ist.
Kaltrop klärt die beiden darüber auf, dass die Frauen alle Männer sozusagen entmachtet und verdrängt, sowie die Regierungsgewalt an sich gerissen haben. Männer gibt es nun wahlweise als Unterst-, Unter- oder Ober- bzw. Vorzugsmänner, dazwischen noch fünf normale Klassen von Männchen.
Das war die Folge einer stets vermiedenen Gleichstellung der Geschlechter, bewusst oder unbewusst, die das ZORES auf den Kopf gestellt hatte.
Dank Kalix‘ halbtechnischer Überlegenheit können die beiden das Zellenschloss öffnen und die Wächterinnen überwältigen. Dann lassen sie sich zur zentralen Gefängnisverwaltung bringen, wo sie der Verantwortlichen Ringve erst mal (wie der Elefant im Porzellanladen, schnoddrig und dreist) erklären, dass sie ordnungsgemäße Terraner und Besucher des Planeten wären und nicht zu Wort gekommen wären, bevor man sie ins Gefängnis geworfen hatte. Er verlangt seine Freilassung, erzwingt dann aber (gegen ein hübsches Sümmchen) die Ausstellung von Klassifizierungsausweisen für sich, Kalix und Kaltrop (Klasse 2).
Derweil bekommt Mingavo, die im siebenköpfigen Zentralkomitee arbeitet, Besuch von einer Frau, die im Besitz des Schuldscheins über 600.000 Soldar ist, die mangels Komiteekontos erst einmal auf Mingavos Privatkonto landeten. Als Schuldnerin verlangt die Gute nun die Übereignung sämtlicher planetarer Industrie, wenn ZORES nicht zahlen kann.
Mingavo vermutet dahinter einen Trick von einem anderen Mitglied des Komitees und wirft die Frau vorerst raus.
Bei der nächsten Zentralratssitzung versucht sie dann, die Schuldenlast auf das Komitee abzuwälzen, wird aber von den meisten anderen Frauen, angeleitet von Bengara, erwartungsgemäß abgebügelt, es gäbe keine Notwendigkeit dazu, da das Darlehen Zarastras ja unbefristet war.
Kurz darauf erhält sie daheim Besuch von Bengara, die ihr erklärt, dass sie und drei weitere Mitglieder des Komitees jetzt im Besitz der Schuldscheine sind und nun die Macht nach der Revolution an sich reißen möchten. Mingavo entscheidet sich daraufhin, die Zauberin zu suchen, um den Sachverhalt zu klären.
Roger, Kalix und Kaltrop haben sich auf Umwegen inzwischen einen Wagen und eine Unterkunft besorgt. Kaltrop, wieder in normaler Form, lädt sie zu einem Treffen gegenrevolutionärer Kräfte ein, bestehend aus Männern und Frauen.
Bei der nächsten Sitzung des Komitees wird Mingavo dann wegen nicht zahlbarer Schulden von den anderen Mitgliedern aus dem Rat gewählt, was zumindest ihre Kollegin Preste nicht gerade begeistert. Sie gehen, jedoch nicht ohne anzukündigen, dass sie Zarastra nun aufsuchen würden.
Roger und Kalix werden am Abend dann von Kaltrop zu einem gigantischen Einkaufszentrum geleitet, wo die konterrevolutionäre Sitzung stattfinden soll. Die beiden Terraner halten den Ort jedoch beim Eintreffen für eine Falle und Kalix kann auf Patrouille schließlich Einsatzkräfte abhören, die den Saal nach Beginn der Sitzung stürmen wollen.
Halbwegs rechtzeitig warnen sie die Anwesenden und die Versammlung löst sich auf. Als die Ordnungskräfte ihren Ring um den Versammlungsort enger ziehen, sind die meisten alle weg. Kalix und Staff nehmen jedoch zur Sicherheit noch eine Ordnungskraft gefangen, die ihnen die Kennwörter verrät, mit denen sie durch den Kordon kommen. Daraufhin verdächtigen die beiden allerdings Kaltrop ob einer weißen Weste, da offenbar speziell nach ihnen beiden gefahndet wurde.
Mingavo und Preste kehren in Mingavos Haus zurück und reden sich heiß, als sie Besuch von einem alten Hutzelmännchen namens Dertamon bekommen, der ihnen Hilfe bei der Suche nach der Zauberin anbietet. Er lotst sie zu einer konspirativen Adresse und gibt sich als Tamnes Vater aus, einer der Ratsmitglieder.
Bei erneuten Zusammentreffen der Terraner mit Kaltrop sind sie vorsichtig ob eines Hinterhalts, doch Kaltrop ist schon selbst auf den Trichter gekommen, dass er manipuliert wurde, die beiden Terraner unbedingt mit zu dieser Sitzung zu nehmen. Nach einem Gespräch mit einem jungen Revolutionär wurde er von dessen Vater – natürlich Dertamon – kontaktiert, die beiden einzuladen.
Gemeinsam verfällt man auf die Idee, deswegen Mingavo zu kontaktieren, doch die ist (natürlich) nicht mehr erreichbar.
Derweil laufen Mingavo und Preste in dem konspirativen Treff in eine Falle Dertamons und werden mittels einer Falltür in ein Verließ im Keller befördert, aus dem sie selbst nicht entkommen können.
Doch die Terraner stöbern Dertamons Versteck auf, welches aber durchsucht wurde und nur noch die Leiche des Verräters enthält. Nach einiger Suche finden sie die beiden Frauen im Keller und befreien sie (dazu gehören natürlich männlich/weibliche Kabbeleien), woraufhin man eine Zweckgemeinschaft bildet.
Bei der Durchsuchung des Hauses findet man nichts außer einem halb zerstörten Hypersender, dessen Richtungssignatur quer über den Planeten man noch nachverfolgen kann.
Die Spur führt in ein waldiges Berggebiet weit außerhalb der Stadt, wo Roger und Kalix getrennt suchen. So trifft Roger auf die Zauberin und gerät unter ihren hypnotischen Einfluss, der ihm einflüstert, die Verfolgung doch einfach mal sein zu lassen.
Kalix durchschaut Rogers spontane Interesselosigkeit jedoch und bricht den Bann. Er findet auch das unsichtbare Meldesystem, mit dem die Zauberin vor ihnen gewarnt worden war.
Erneut nähern sie sich Zarastra, die natürlich gar nicht Zarastra ist, sondern die echte Zauberin vor einiger Zeit beseitigt hat, um ihre Rolle bei der geplanten Revolution einzunehmen. Da Mingavos Ansehen jedoch größer war, hatte sie zunächst diese aus dem Weg schaffen müssen.
Kalix und Roger können das Warnsystem überwinden und Zarastra überwältigen, die sich als Bengara entpuppt. Doch nicht genug der Überraschungen: Bengara entpuppt sich dann nämlich noch als Mann, der sich jahrelang erfolgreich verstellt hat.
Bald darauf ist die Revolution wieder im Fluss oder die Konterrevolution im Gange – so genau ist das nicht erklärt und wohl auch nicht wichtig. Der „Bengara“-Mann erhängt sich im Gefängnis und Roger und Kalix reisen wieder nach Hause, um ihre dicke Provision einzustreichen...
»Wir bedürfen des Schutzes, und was schützt besser als eine starke, männliche Hand?« - »Ich hätte solche Worte aus ihrem Mund nicht erwartet, aber sie klingen mir wohl in den Ohren!«
Das Wichtigste mal zuerst: da ist auch eine Menge Gutes drin.
Neben dem diskutablen Murks.
Mahr/Mahn war kein Dilettant, sondern ein hochprofessioneller Autor und seine Leistung sollen hier auf keinen Fall in Frage gestellt werden (gerade, weil ich ihn selbst unheimlich gern gelesen habe).
Auch das Thema „Umgang mit Revolutionen“ verdient einen anerkennenden zweiten Blick. Selbst wenn dieser TA-Beitrag mit all seinen Werbeanzeigen und Bestellformularen des Verlags den Romantext recht schmal ausfallen lässt, schmaler als es solche brisanten Themen verdient hätten, die Idee, dass bei Revolutionen immer Machthungrige und Profiteure in der ersten Reihe sitzen und andere Ideale und Absichten haben, als die Revolutionsideen einen glauben machen will, ist mehr als vertretbares Allgemeingut.
Verrat, Überwachungen und Unterdrückungen sind zumeist eine Folge des Geschehens, wobei man die „Revolution“ auf auf Sestro auch kurzerhand einen Putsch nennen könnte, nur ist es dieses Mal nicht das „kleine Volk“ oder „das Militär“, welches die bestehende Ordnung stürzt, sondern schlicht und ergreifend die Frauen, weil ihnen über Jahrhunderte nie eine zufriedenstellende Quotenregelung angeboten wurde.
Gut gefallen hat mir im Grunde auch die Idee, dass der Gedanke so einer Revolution schon von Beginn an von anderen Interessengruppen gesteuert und gelenkt wurde, was angesichts politischer und wirtschaftlicher Verstrickungen auch nicht sonderlich realitätsfern wirkt.
Aber damit hört es dann schon auf.
Ich meine, wir haben es hier nicht mit einer schnellen Eingreiftruppe zu tun, sondern – gott bewahre – mit einem simplen Privatedetektiv, der, abseits seiner ziemlich viril umschriebenen „Männlichkeit“ hauptsächlich von etwas Speziellem angetrieben wird: dick Kohle zu machen.
Klar, auch Spade und Marlowe hatten ihren Tagessatz und wollten dazu Spesen, aber was Staff hier am Anfang nach einer Komaknatterei mit Frau Industriekapitän (topoptimiert im Aussehen) hier aushandelt, spottet jeder Beschreibung. Man stelle sich vor: klar, ich kippe ihnen als Zwei-Mann-Team den Fidel Castro aus Kuba raus, installiere die USA wieder als großen Lenker, dafür kriege ich dann 40 Prozent der dortigen Industrie bis zum Ende der Zeit. Und das wird auch noch lapidar abgenickt!
Da frage ich mich doch: wie kann die Großindustrielle bloß so groß geworden sein, wenn sie so mies verhandelt?
Aber das sattelt schon die Pferde für das hier transportierte Frauenbild.
Klar, ich kann Mahr eine gewisse Ironie in manchen Sequenzen nicht absprechen, aber generell würde ich sagen, er hat sich da bei einem Thema verrannt, das er im Grunde seines Herzens oder seiner individuellen Prägung gering schätzte.
Das fängt bei dem ziemlich absurden System an, das die Dastro-Amazonen offenbar binnen zweier Monaten so gut installiert haben, als gäbe es das schon fünf Jahrzehnte. Vorzugs- und Ober-Männer, dann fünf Normalklassen, dann Unter- und Unterstmänner, das wirkt genauso absurd, wie die hetärenhaften Kontakte, die unsere Umstürzlerhelden hier auf dem Planeten antreffen: allesamt mürrische, mies gelaunte, männerhassende Harpyien, denen die Machtfülle gegenüber dem anderen Geschlecht offenbar ziemlich zu Kopf gestiegen ist.
Männer unterdrücken können sie super, die Industrie kriegen sie aber nicht in Gang und Kohle ist allerorten knapp, weswegen jeder für sich das Beste abknapsen will.
Was braucht es da dringender als zwei Weltraumhelden, die sowohl überaus sexistisch als auch kompetent sind? Da muss mal ordentlich auf den Tisch gehauen werden, dann kracht es auch schon in den Schweißnähten des Frauenstaats. Die Idee allein, dass die Frauen die Macht über die Männer übernehmen könnten, ist so absurd für unsere Helden, dass sie da nur mit Herablassung herangehen können. Also gniggern sie sich schon durch die Musterung, benehmen sich daneben und wandern in den Unterknast. Dann erklären sie die nächsten Systemmäuschen gleich noch wörtlich für doof und landen (natürlich) im Unterstknast.
Ist aber auch alles egal, denn man ist den Weibern ja eh technisch überlegen und entkommt aus einer Zelle nicht nur technisch und mittels gewaltarmer Überwältigung, man spielt nach dem Zellenaufbruch auch noch überflüssigerweise zwei absolute durchgeknallte Vollhorste (vor der Überwältigung). Von so etwas haben sich Frauen schon immer irritieren lassen und sie kreischen auch stets so schön auf.
Später dringen sie in das Büro der Gefängnisdirektorin ein und obwohl draußen eine bewaffenete Hundertschaft steht, wandern sie nach ordentlichem Auf-den-Tisch-Hauen (literally!) und lauter Stimme (beeindruckend sowas, das kennen die Frauen ja bestimmt schon) mit allem belohnt gemütlich in die Freiheit. Darum wird das nichts mit dem Planet der Frauen, die verhandeln ja noch mit Terroristen…
Etwas besser gerät da das Triumvirat des Zentralrats – idiotischerweise ZORES abgekürzt, was Staff mit der sensationellerweise noch depperten Pointe kontert, er käme von KAPPES, dem Komitee zur Abschaffung der pöbelhaften, perversen Einrichtungen der Stifterinnen – in dem sieben Damen sitzen, die in der Überzahl eher persönliche Interessen verfolgen, also Geld- und vor allem Machtgewinn.
Die präsentiert uns der Autor auch eine nach der anderen und wenn er sich auch halbwegs im Zaum hält, präsentiert er doch Archetypen, die hart am Stereotyp kratzen, da gibt es sogar eine missmutige „Unansehnliche“ und eine „Exotische und Agile“. Selbstverständlich ist auch noch eine Dicke mit an Bord.
Die fiesen Strippenziehereien sind dann auch alsbald enttarnt, denn keiner der Profiteure macht einen großen Hehl aus der Machtgier und allen Schilderungen gemäß arbeiten auf der Frauenseite nicht besonders viele Profis.
Was wirklich hinter dem Putsch und dem Gegenputsch steckt, scheint Mahr nicht sonderlich interessiert zu haben, denn das wird meistens nur rudimentär und sehr ungenau angeschnitten. Bei Roger Staff geht es mehr um Action, das Lösen eines Falls (die zweite Hälfte ist dann auch detektivischer).
Tatsächlich ist unser Held dann auch mehr im Schlüsseziehen ein Meister, wohingegen sämtliche wichtigen Tätigkeiten von seinem Allzwecktaschenmesser Kalix ausgeführt werden, der so ziemlich alles kann, was über das Normalmenschliche hinaus geht.
Immerhin wird mehrfach vermerkt, dass die beiden Heroen ausgemachte Chauvinistenschweine sind und das würde ich unterschreiben, denn Mahr lässt sie mit unabänderlicher Dreistigkeit jede Frau in diesem Roman „Schwester“ nennen, das zeugt schon von einem interessanten Weltbild der handelnden Figur.
Sogar die Wahl, eine Konterrevolution per Treffen in einer gigantischen Shoppingmall (Mahr war ja praktisch Halbamerikaner und die Einflüsse sind hier unverkennbar) in die Wege zu leiten, hat etwas Abfälliges (Einkaufen ist ja Frauenhobby, oder?), das an keiner Stelle entkräftet wird.
In der Folge häufen sich dann ununterbrochen bis zum Ende die Nachweise von der weiblichen Unfähigkeit: Mingavo und Preste fallen auf ein kümmerliches Männlein herein, als er sie – unter mäßigem Vorwand – in ein abgelegenes Safe-Haus lockt, dass geradezu nach Falle schreit; die Polizistinnen lassen sich ins Dunkel locken, erschreckt überwältigen und geben schnell alle ihre Geheimnisse preis und an der – für mich – wirklich ekelhaftesten Stelle des Romans geben Mingavo und Preste ihre Ideale praktisch auf und fügen sich die fähigeren Hände der besser geeigneten Männer, weil sie sonst gegen ihre Kameradinnen nichts ausrichten können.
Aber was soll es denn auch, denn (die dicke) Preste hatte schon vorher lachend ihrer Freundin gestanden, dass sie die Revoluzzersache eh nur mitgemacht hat, weil sie dachte, sie könnte sich dann künftig so fünf, sechs Männer zu ihrem Vergnügen „halten“. Na, Prösterchen!
Am besten reüssiert Mahr noch bei Mingavo, die als typische Revolutionärin geschildert wird, ein wenig antikapitalistisch, etwas kommunistisch, etwas idealistisch und sich selbst zurück stellend.
Leider tritt sie dann ab der genannten Ekelstelle wirklich bis zum Ende ins zweite bis dritte Glied ab, weil die Männer sich ja noch um die Zauberin kümmern muss, die allerdings gar keine Zauberin ist, sondern eine Politikerin, die eigentlich gern Industrieboss wäre und die sich am Ende dann als Sahnehäubchen noch als Links- oder Rechtsträger entpuppt.
Was denn, nicht mal die Welteroberungspläne stammen hier aus rein weiblicher Hand? Das kann ja was werden mit der Revolution!
Was es denn wird, ist dann auch egal, denn nach einigen überflüssigen und zäh technisch aufbereiteten Schlenkern im letzten Viertel fehlt dem Autoren dann der Platz für eine angemessene Nachbereitung der Affäre. Was wird aus dem Planeten? Was aus der Revolution? Was aus der Industrie? Einigen sich die Geschlechter? Versucht man einen Kompromiss? Kriegt Roger 40 Prozent auf Herrenoberbekleidung?
Nichts davon wird geklärt, allerdings enden die Herren der Schöpfung mit einem Lacher auf Kosten des anderen Geschlechts, weil diese in einem Notfall bei Abordnung diverser Polizistinnen den Terminus „20 Mann kommen mit mir“ benutzt haben. What a joke, der war sogar mir im Roman aufgefallen, kann man aber noch eine extra flache Pointe draus machen.
Alles sehr sehr schade, denn Mahr schreibt wie üblich fesselnd und sprachlich kompetent, aber ob er nun ein heikles oder ein brandaktuelles oder ein satirisch zu behandelndes Thema angreift, wird nie ganz klar.
Aber das alles ist ja auch schon vor 45 Jahren und damit vor „Emma“ passiert und seitdem ist viel geschehen – das Meiste lief ja ganz positiv ab. Die Quotenregelung ist immer noch nicht durch, die Männer verunsichert so etwas immer noch, die Frauen kämpfen weiter um Anerkennung, aber ich bin echt dankbar, dass sie sich in der Realität schlauer angestellt haben, als die Tussis, die Roger hier mit seinem volltönenden Bariton und seiner Wumme das wahre Leben lehrt.
Doofe Männer gibt es auch heute noch reichlich, nicht nur an Regierungsspitzen und in populären Actionfilmen, insofern sind die Inhalte gar nicht so unmodern. Nur die Darreichungsform, die würde sich heute wohl kaum noch jemand trauen, vorzugsweise im Bereich der Science Fiction, die ja meistens für eine bessere, lernfähigere Zukunftsversion des Lebens einsteht.
Das hier ist ein Schlag mit dem Hämmerchen aufs Knie, worauf sofort alles alten Sexismus-Klischees aus kellereigenen BDSM-Darkroom fliehen, als hätte jemand dort überraschend das Licht angemacht. Aber 1973 gab es eben noch keine Shitstorms.
Aber genau für so was liebe ich solche Ausgrabungen!.
Kommentare
Ja, Mahr hat hier inhaltlich-themenbezogen schon bessere Hefte abgeliefert. Den mit der Dunkelwolke fand ich recht nett, ... habe ihn auch gerade in meinem aktuellen Text zum Perry kurz erwähnt.Klaus Mahn war eben auch ein Kind seiner Zeit ... und hatte sein Frauenbild. War wohl auch mindestens zweimal verheiratet.
PS: Mein Antiquar hat Landser billig -nur lese ich sie nicht. Soll ich einen kaufen ... und Dir schicken?
Hier hat man ja wirklich an alles gedacht. Hoffentlich ist das "Kondominium" auch gefühlsecht.
Aber das Teil hier ist zum Fremdschämen. So was wie "Schwester" stört mich nicht, das war zur Entstehungszeit kulturelles Allgemeingut, hat auch niemanden gestört, nicht mal Frauen. Klar war das saublödes Pseudohippiespeak und ein Etikett, aber da war auch noch jeder Langhaarige ein Hippie.
Aber das Ende ist indiskutabler peinlicher Schwachsinn, das über "leise Verachtung" hinausgeht. Es wundert mich zwar nicht, dass Schelwokat das durchgehen ließ, da strömte die Nation auch zu Hunderttausenden ins Kino, um sich Carrell und Richter im Fummel anzusehen. Also war der Mann im Ganzkörperfrauenkostüm okay; ein Schelm, der Böses oder Schweinisches dabei denkt. Das war sogar im sexlosen Terra Astra okay.
Aber gerade in einem SF-Roman ist die Pointe, dass die Frauenrevolution von einem verkleideten Mann betrieben wird, sich die Frauen also vom "Feind" derart vorführen lassen, schon unterirdisch. Da wird das vielleicht zum Nachdenken anregende Grundproblem, egal wie schlecht es in diesem Rahmen definiert wird, am Ende genauso der Lächerlichkeit preisgegeben wie die wenig originelle Gesellschaftskritik - jeder hält die Hand auf - , die vielleicht hier mal durchschimmert. (Wenn es überhaupt als Kritik gemeint ist. Schließlich ist der Held von der gleichen Gesinnung.) Da grölt nur der Stammtisch und sieht sich bestätigt, dass die Weiber die Finger von Dingen lassen sollten, von denen sie nichts verstehen. Noch Dumpfkonservativer geht es nicht.
PR-Autoren und politische Themen, das hat nie funktioniert, und dafür ist dieser Roman ein schönes Beispiel.
Ist also kein "Kondom".
Aber passt doch, Kondominium ... Kondom ... Frauenherrschaft. Erinnert mich irgendwie an den Film BARBARELLA.
1973 hatte Klaus Mahn in der Tat ein Frauenbild, das sagenwirmal nicht sehr freundlich war. Wer's nicht glaubt, möge die Kurzgeschichte "Ninga und das Ungeheuer" im PR-TB 117 "Unser Mann im All" lesen.
Und doch ist er der Mann, der den PR-Lesern 1981 die vielgelobte Figur der Beibootkommandanten Nikki Frickel bescherte und einige andere nach ihr.
In der kurzen Biographie der Perrypedia ging Mahr als Familienvater 1969 in die Vereinigten Staaten, aus denen er 1972 für fünf Jahre nach Deutschland zurückkehrte. 1986 heiratete er dann die Witwe von Willi Voltz. Jetzt ist es natürlich etwas spät, darüber zu rätseln, ob "Zarastra - die Zauberin" in den Nachbeben einer häßlichen Scheidung entstanden sein könnte ...