Visiting »Perry Rhodan« Folge 1 - Beginn einer neuen Ära…
Visiting »Perry Rhodan«
Folge 1 - Beginn einer neuen Ära…
Dass es da unterschiedliche Genres gab und dass jemand, der Horrorheftromane liest und sammelt nicht zwangsläufig auch mit Science Fiction etwas anfangen kann, schien er entweder nicht zu wissen (die Hefte stammten von seinem Vater) oder es war ihm egal, weil er sie ja eigentlich nur loswerden wollte. Somit beschränkte sich mein Interesse auch zunächst einmal darauf, die Hefte zu sortieren und mich an den phantastischen Titelbildern eines Johnny Bruck zu erfreuen. Streng genommen muss man sagen, dass es letzten Endes diese kleinen Kunstwerke waren, die mich neugierig auf den Inhalt machten. Bis es allerdings soweit war, vergingen mehrere Monate, in denen ich immer mal wieder das eine oder andere Heft durchblätterte, bis ich schließlich im Sommer des Jahres 1989 beschloss, tatsächlich auch mal ein Heft zu lesen. Es war (wie die meisten Altleser erinnere ich mich natürlich genau an mein erstes Heft) der Band 520 “Unter Parazwang” von H.G Ewers.
Ich befand mich also mitten im “Schwarm” - Zyklus, verstand erst mal nur Bahnhof und ließ die Serie nach etwa zehn Heften erst einmal wieder ruhen. Doch ich hatte Blut geleckt und besorgte mir kurz darauf die ersten hundert Bände der vierten Auflage. Mitte der 90er kam ich dann günstig an eine Komplettsammlung heran und stürzte mich direkt auf den “Meister der Insel” - Zyklus, welcher mir allerdings - im Gegensatz zu den meisten PR - Fans nicht so recht gefallen wollte. Erst der “Schwarm” - Zyklus, mit dem ja alles begonnen hatte, konnte mich wirklich begeistern, und spätestens mit dem Großzyklus ab Band 650 begann dann eine wahrhaft kosmische Reise, die - von einigen Unterbrechungen abgesehen - bis heute andauert.
Weshalb - so mag sich der geneigte Leser nun fragen - schimpft sich diese Artikelserie nun “Visiting Perry Rhodan”? Nun, zum einen deshalb, weil sie den früheren “revisited” - Serien insofern ähneln wird, als es wie üblich jeweils zwei Rezensionen pro Artikel und natürlich die “kleinen Zitate großer Meister” geben wird (wobei es diesmal keine Stilblüten sein werden - oder zumindest nicht ausschließlich). Zum anderen handelt es sich hier zwar durchaus um eine längerfristige “Visite”, allerdings wird diese irgendwann auch zu einem Ende kommen.
Mit anderen Worten: Es soll hier “nur” ein kritischer Blick auf den aktuellen Zyklus geworfen werden. Die Serie bis zu ihrem Ende zu verfolgen, ist eher nicht das Ziel - zumal das wohl ohnehin niemand von uns erleben wird. Glücklich schätzen können sich aber zunächst einmal jene Fans und Leser, welche das Erscheinen des nächsten großen Tausenderbandes erleben durften, welcher am 15. Februar erschien. Die Rede ist natürlich von dem
Mythos Erde
Nach dem actionreichen, dramatischen Finale des “Genesis” - Zyklus, in dem es um nichts geringeres als das “Löschen” des Weltenbrandes und somit um die Rettung der Milchstraße ging, setzt die Handlung des großen Jubiläumsbandes exakt an der Stelle ein, an der Band 2999 endete. Rhodans Flaggschiff, die RAS TSCHUBAI, musste den Flug durch das chaotemporale Gezeitenfeld antreten, welches die Kunstwelt Wanderer umgab, den die Mannschaft im entstofflichten Tiefschlaf in den Suspensions - Alkoven verbrachte.
Der Roman beginnt damit, dass Rhodan aus diesem Schlaf erwacht und - kaum dass er richtig bei sich ist - feststellen muss, dass sämtliche Funktionen des Schiffes desaktiviert sind. Auch ANANASI, Zentralcomputer und “Seele” der Ras Tschubai meldet sich nicht. Dafür befindet sich ein “Gast” an Bord, eine weibliche humanoide Gestalt, welche sich als Zemina Paath vorstellt und Rhodan gleich mal mitteilt, dass sie mit Hilfe ihres angedockten Schiffes, ihrer “Hülse” die Tschubai still gelegt hat, um sie vor den “Cairanern” zu schützen, die sie als Friedensmacher bezeichnet und welche offenbar die Milchstraße okkupiert haben, wobei hier von der “Cairanischen Epoche” die Rede ist. Wäre das noch nicht beunruhigend genug, so wird Rhodan im Gespräch mit der Fremden bald klar, dass in der Milchstraße einige Jahrhunderte vergangen sein müssen. Er scheint in einer Zeit gelandet zu sein, in der sein Heimatplanet Terra nur noch ein Mythos, eine Legende ist.
Immerhin kann Zemina Paath, deren Herkunft und Ziele zunächst ungewiss bleiben, abgesehen von der Tatsache, dass sie offenbar kein Freund der Cairaner ist, mit dem Namen Reginald Bull etwas anfangen, weiß sogar, dass er als “Resident der Zentralgalaktischen Festung” gilt, wobei hier auch von einem Giganten die Rede ist, bei dem es sich nur um Icho Tolot handeln kann. Doch auch dieses “Wissen” mutet eher wie eine Legende an und Rhodan wird klar, dass die Freunde seit langer Zeit verschollen sein müssen. Wie viel Zeit tatsächlich vergangen ist (genau 493 Jahre) erfährt er, als er - trotz ausdrücklicher Warnung seines geheimnisvollen Gastes - das Schiff aktiviert und sämtliche Mannschaftsmitglieder aus der Suspension holt. Darunter seine Frau, die Wissenschaftlerin Sichu Dorksteiger, seine Enkelin Farye Sepheroa, der Mausbiber Gucky und sein Freund und Weggefährte, der Arkonide Atlan.
Zemina Paath wird zwar als nicht feindlich eingestuft - obwohl sie zwischenzeitlich mal eben Rhodans Zellaktivator aus der Schulter operierte, um ihn zu untersuchen - und ist somit keine Gefangene, wird aber unter Beobachtung gehalten. Ob es nun besonders schlau war, das Schiff und seine Besatzung zu aktivieren, muss sich indes erst herausstellen, denn laut Zemina Paath sind die Cairaner mit Hilfe eines “Mentaltatsters” in der Lage, mentale Energien anzumessen, welche etwa durch einen Zellaktivator erzeugt werden. Später erfährt ANANSI, welche fleißig den Hyperfunk abhört dann noch von einem galaxisweiten Datenverlust, dem Posizid. Offenbar wurden sämtliche die Menschheit betreffenden Daten korrumpiert und daraufhin widersprüchliche Daten verbreitet, was letztlich zur Legendenbildung führte. Auch der Begriff “Raptus” fällt, wobei es sich um einen “Raub” oder eine “Hinwegnahme” im Zusammenhang mit Terra und / oder den Terranern handeln soll…
Neben dieser durchaus sehr fesselnden und - für den erfahrenen Leser unverkennbar - von Wim Vandemaan verfassten Handlungsebene um Rhodan und die Ereignisse an Bord der Ras Tschubai, lernen wir in einer zweiten Handlungsebene die junge Terranerin Giuna Linh kennen, die als Beraterin auf einer akonischen Raumstation arbeitet. Vor allem aber an einem Plan, ihren Mann zu befreien, welcher von den Cairanern auf die sogenannte “Ausweglose Straße” gebracht wurde, bei der es sich, wie man später erfährt, um eine mehrere Quadratkilometer große Strafkolonie handelt. Hier kommen unter anderem die sogenannten Vital - Suppressoren zum Einsatz, welche - wie der Begriff schon vermuten lässt, ihren Opfern Vitalenergie rauben und von den Cairanern scheinbar oft und gern - sogar gegen die Bevölkerung ganzer Planeten - eingesetzt werden. Helfen soll ihr dabei der zwielichtige barnitische Händler Kondayk A1, der sich im weiteren Handlungsverlauf jedoch als Agent des sogenannten Nachrichtendienstes Ephelegon (NDE) entpuppt, der Nachfolgeorganisation des TLD.
Christian Montillon fällt in dieser zweiten Handlungsebene die nicht ganz einfache Aufgabe zu, die aktuellen Gegebenheiten innerhalb der Milchstraße zu beschreiben, wobei sich hier nach und nach zumindest ansatzweise politische und technische Entwicklungen abzeichnen.
Vor allem wird in diesem Handlungsabschnitt sehr schnell deutlich, welche Position die Cairaner innerhalb der Milchstraße bekleiden und wie drastisch sie gegen Gegner des Systems vorgehen. Woher sie kommen und seit wann sie bereits in der Milchstraße zugegen sind, erfährt man natürlich noch nicht, allerdings scheinen sie bereits lange genug anwesend zu sein, um die Herrschaft über die Galaxis errungen zu haben.
Dass es sich bei den Cairanern um einen durchaus ernstzunehmenden Gegner handelt, wird auch Perry Rhodan und seinen Gefährten spätestens nach dem ersten Feindkontakt klar. Zwar unterscheidet sich dieser Erstkontakt kaum von den unzähligen, die in der Serie - gerade in den Jubiläumsbänden - bereits geschildert wurden, allerdings gelingt es Vandemaan dennoch, ihn spannend in Szene zu setzen, wenn es auch etwas waghalsig erscheint, dass man mit der schwer angeschlagenen und kaum einsatzfähigen Ras Tschubai dem zahlenmäßig überlegenen Gegner gegenüber eine dicke Lippe riskiert. Immerhin gelingt Rhodan und seinen Gefährten die Flucht, und bei der anschließenden Lagebesprechung beschließt man, sich zu trennen. Auch diese Entscheidung ist natürlich geradezu klassisch, um nichts zu sagen eine Tradition zu Beginn eines Zyklus.
Die Handlung gliedert sich in mindestens zwei große Handlungsebenen und in jeder muss es einen bekannten Handlungsträger geben. Während Atlan also auf dem Flaggschiff bleibt, welches er zunächst mal generalüberholen lassen will, wechselt Rhodan mit ein paar Gefährten auf ein Beiboot über, um sich in Richtung des Ephelegon - Systems und auf die Suche nach dem alten Freund Reginald Bull zu begeben. Dieser hat sogar noch einen kurzen Auftritt am Ende des Romans und der gespannte Leser erfährt, dass er sich in der in “Neu Terrania” umbenannten Hauptsstadt des Planeten Rudyn aufhält, wo er - während er (immer noch nach fast 500 Jahren) sehnsüchtig an die alten Freunde denkt und auf ihre Rückkehr hofft - Besuch von einem alten Bekannten bekommt: dem tefrodischen Machthaber und Zellaktivator - Träger Vetris - Molaud. Und auch die Frage, was wohl aus Bulls Frau Toio Zindher und seiner Tochter Shinae geworden ist, wird beantwortet: Sie befinden sich in der mysteriösen Stadt Allerorten. Seit wann sie dort bereits sind, und wie genau sie die Zeiten überdauert haben, wird man wohl noch erfahren.
Fazit:
Nachdem die Atopen lange Zeit in der Milchstraße für “Recht und Ordnung” sorgten, haben wir es jetzt also mit den Cairanern, den sogenannten Friedensmachern zu tun, welche mit kaum weniger drastischen Mitteln vorgehen. Ob da jetzt eine andere oder neue Richtung eingeschlagen bzw. wie sich das Ganze entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Was den Roman selbst angeht, so gibt es kaum etwas daran auszusetzen. Dass man noch nicht allzu viel in Bezug auf die “verschwundene” Erde bzw. den damit zusammenhängenden Mythos erfahren würde, liegt auf der Hand. Allerdings wird man in diesem 80 Seiten umfassenden Werk regelrecht erschlagen mit neuen Begriffen, Namen, Rätseln, Figuren und was der Dinge mehr sind. Sei es in Bezug auf neue Gegner, Organisationen oder generell auf die Verhältnisse in der Milchstraße. Andererseits: Warum sollte es dem Leser da besser ergehen, als den Protagonisten…
“Das Schiff und ich erlebten einen Hyperchronschock.”
“Was heißt das?”
“Eine spontane und asynchrone Separierung differenzdimensionaler Energieprozeduren, vereinfacht gesagt.”
(Perry Rhodan 3000 / S. 37)
“500 Jahre verloren. Aber was, wenn es eine Chance ist? Niemand erwartet uns mehr. Niemand erwartet dich mehr. Du hast getan, was in deiner Macht stand (…). Du schuldest der Galaxis nichts. Keine Verbindlichkeiten. Du bist frei.”
(Perry Rhodan 3000 / S. 45)
“Weil diese Hunderte von Milliarden Sonnen bloß Gasbälle sind, die ihre Energien in die Kälte verschleudern. Zu Sternen werden sie erst, wenn wir nach ihnen greifen.”
(Perry Rhodan 3000 / S. 76)
Kommentare
Zum Zitat: Naja, das sollte man ja in dem Fall auch nicht verstehen. Das was ja der Witz...
Wie viele Millionen Raumschiffe haben sie, um wenigstens in den wichtigsten Sektoren einer Galaxis ausreichend präsent zu sein?
Oder gibts mal wieder "magische" Supertechnologien (die üblichen "Zauberstäbe" der Perry-SF), mit denen eine ganze Galaxis kontrolliert werden kann?
Nee Leute - ich glaub', ich werde doch lieber auf einen PR-Neueinstieg verzichten.
Deshalb vielen Dank für diesen Artikel, der mir die Entscheidung leicht gemacht hat.
Rhodan sagt anschließend: "Versuche es bitte ein wenig einfacher"
Besonders abtörnend fand ich den Handlungsstrang um Giuna Linh.
Ich werde mir allerdings noch die 3001 gönnen...
Nun ich hatte die letzten 2500 Hefte "verschlafen" und stamme wohl noch aus der Ära vom "Handgranaten-Herbert" (lesetechnisch - nicht vom Alter)
Und da war dieser Strang für mich einfach langweilig. Er hat keine Lust auf mehr gemacht. Zemina Paath war sicherlich interessanter, aber für einen Einstiegstext auch nicht so dolle. Einzig der ganz kurze Strang mit Bully wirft (für mich jedenfalls) Fragen auf.
Ich hab mir heute mal die 3001 als EBook geladen und werde meinen Versuch fortführen. Als EBook-Leser hat man den Vorteil, dass man den Text nur bei Bedarf ordern kann. So stapeln sich auf den Nachtschrank nicht die ungelesenen Hefte (lach)