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The Tale of five books (2) - Transport des Todes

The Tale of five booksThe Tale of five Books (2)
Transport des Todes

Im Folgenden unternehme ich den Versuch, einige  SF-Leihbücher aus den  fünfziger und sechziger Jahren zu rezensieren. Ich habe mich  dabei auf fünf Stück festgelegt, die ich aus meinem Fundus nach Belieben wähle. Also nach dem Zufallsprinzip. Dabei werde ich, wie bei Rezensionen üblich, kurz den Inhalt erklären und dann  feststellen, ob das Buch auch heute noch lesens- bzw- beurteilenswerte SF darstellt.

Ich werde nicht über Leih-Buchverlage oder Autorenpseudonyme referieren, sondern die Bücher als das nehmen, was sie sind. Es wird also immanent der reine Band  und sein geschriebener Inhalt bewertet.

Transport des TodesNummer 2 ist Gert Sandow (Joachim Puhle) »Transport des Todes«.
Erschienen bei : Bewin-Verlag, B. Winterbach, Menden-Sauerland, 1963.
Erst einmal zum Klappentext:

S. F.-Roman
Das Leben auf "Terror" ist eintönig. Die Interstellare Stemenföderation hat den Planeten vergessen. Er ist unrentabel. Seine Bewohner, ausschließlich eingewanderte, leben in den Tag dahin - der beinahe solange dauert wie auf Erden eine Woche. Außer Einwanderern aus der Zeit, als der Planet urbar gemacht werden sollte, leben hier auch gestrandete Existenzen, die ins Exil gehen mußten. Hendrick zum Beispiel, ein hervorragender Raumschiffpilot, und Ulstravons, der Neger. Sie sind die stillen Anführer der "Gruppe gestrandeter Existenzen".

Eines Tages taucht Strawinski auf, und er ist kein "Politischer". Malmquist kennt ihn von früher - und er will dem kleinen Schnauzbärtigen helfen, womit seine Freunde gar nicht einverstanden sind. Denn Strawinski ist nicht nur "abgebrannt", er prellt sogar von der ersten Minute an Wirt und Bevölkerung. Zwar versucht Strawinski Arbeit zu bekommen. Er trampt zur Niederlassung der "Interstellaren Kauffartei Agency". Aber da will man ihn auch nicht.

Da kommt eine Hiobsbotschaft: Der ferne Planet Denver, auf dem viele Ausgesiedelte leben, wird von halbintelligenten Flugsauriern heimgesucht. Dagegen gibt es nur eine Waffe, und die befindet sich auf Terror. Die Frage ist, wie kommt sie schnell genug nach Denver. Die Ladung ist tödlich, die Reise ist tödlich, und der Angriff mit den ameisengroßen Terroriten auf die Flugsaurier erst recht. Wer übernimmt das?

Die "Gruppe gestrandeter Existenzen" natürlich.

Jetzt zur Kritik.
Zunächst: warum der Planet, auf dem der halbe Roman spielt, „Terror“ heißt, erschließt sich dem Leser nicht wirklich. Das Wetter ist zwar mies: morgens regelmäßig Regenzeit bis zu Sintfluten am Mittag, Nachmittags hohe Hitze, aber es gibt auch die Zeit dazwischen oder danach für Draußenaktivitäten. Ein sehr heller Mond schenkt viel Licht und der Tag beträgt rund zweiundneunzig Stunden.

Die Bevölkerung ist geteilt in die einheimischen Farmer, die Gestrandeten und die wenigen Bewohner der Handelsstation einer Privatfirma.

Der Sprachstil ist einfach, mitunter primitiv, lebt natürlich stark von Dialogen.Auffallend sind einige sich wiederholende Zeilen und Druckfehler.Die Charaktere sind einfach, aber klar gezeichnet, mitunter etwas übertrieben geschildert, aber jeder ist ein typischer Antiheld ohne große Glorifizierung. Es sind eben „Gestrandete“, Outlaws, die der menschlichen Gesellschaft  des Kapitalismus nicht mehr genügten. Auf diesem fremden Planeten, der von der terranischen Föderation nicht mehr entwickelt wird, sind sie am Rande der galaktischen  Gesellschaft angekommen. Für einige Stunden gemeinnützige Arbeit in der Woche gibt es Kost und Logis, sonst sind sie alle arm, träumen aber davon, genug Reichtum zu ergattern, um von dem Planeten wegzukommen.Dazu würden 1200 „Gallos“ benötigt, galaktische Dollar.Die interstellare Raumfahrt wird seit rund 600 Jahren mit Hilfe von "Warptunneln" betrieben, wie wir heute sagen würden.
Mitunter sind humorvolle Bemerkungen eingestreut:

„Demokratie war, den Anderen ausreden zu lassen … aber man musste ja nicht zuhören.“

Oder:

„Erstens fehlte es an Geld, zweitens an Mitteln und drittens an Kapital.“'

 

Auch triviale Sätze wie: "Ein Raumschiffsflug ist keine Fahrradfahrt!"

 

Eine der Hauptfiguren ist ein „Neger“, Ulstravons sein Name.Die Abkürzung ist ganz mitteleuropäisch: "Uli". Der N-Begriff wird durchgehend im Roman verwendet, ist aber offensichtlich rein beschreibend gemeint,deskriptiv, nicht abwertend.Der Charakter ist auch gut und überzeugend dargestellt.Dennoch ist die Begriffsbildung gedankenlos, war aber wohl damals üblich.Der Mann kommt übrigens um im Rahmen der Handlung.Er ist der beste Freund des Protagonisten.

Die Hauptperson, Hendrick, ein ehemaliger Pilot, nennt seinen besten Freund Ulstravons auf diesem abgewrackten Planeten aber auch freundschaftlich „alter Nigger!“.Offensichtlich konnte man diese Begriffe, die natürlich heutzutage wegen der politischen Korrektheit und einer möglichen Diskriminierung entfallen würden, damals noch sprachlich anwenden, ohne dass sich jemand als Leser (oder Lektor, falls vorhanden) etwas dabei gedacht oder darüber aufgeregt  hätte.

Der Roman handelt hauptsächlich von Männern, die Frauen gelten als „Mädchen“ und sind nur Staffage, ein Attribut, um die Geschichte abzurunden. Die Freundin Lolita von Hendrick ist dabei von den Frauen noch am ausführlichsten geschildert.Aber die Männer sind Raumfahrer, sie wollen fliegen, egal welchen Mülleimer, Frauen stören da nur, sind nur notwendig, wenn sie auf einem Planeten-Dreckloch festsitzen.

Es gelingt dem Autor immerhin, das Ambiente dieses Müllplaneten im halben Buch ausreichend zu würdigen, die Darstellung ist überzeugend. Negativ fällt auf, dass der Autor Probleme mit der zeitlichen Sprachzuordnung hat.Diese Eigenheit tritt öfter auf.

Beispiel:

„Wer im Taxi fuhr, stellt hierzulande etwas dar.“
„Die Männer verlassen das Büro und erhielten ihre Raumanzüge.“

In der zweiten Hälfte des Romans tritt endlich Spannung auf.Wer „Lohn der Angst“ von Jacques Arnaud kennt (verfilmt von Clouzeau), der weiß, worum es jetzt geht. Bei Arnaud war es ein Nitroglyzerin-Transport über Schotterstraßen hinweg auf drei klapprigen Lastwagen.

Hier sind es gefährliche, alles fressende Insekten (genannt: "Terroriten"), die über einen Warptunnel auf einen Nachbarplaneten gebracht werden müssen, um dort eine Gefahr zu beseitigen.Zwanzigtausend Siedler werden von saurierartigen, halbintelligenten Echsen bedroht, die natürlich nun ausgerottet werden müssen.Auch der Flug ist nicht ganz ungefährlich. Siebenundvierzig Männer der Ausgestoßenen und der maroden Stadtbevölkerung, Lügner, Trunkenbolde, Aufschneider, Faulenzer und dergleichen mehr, bewerben sich, sechs werden gebraucht und genommen.Das sind natürlich die ausgebildeten Piloten und Raunfahrer.Immerhin mussten sie einen Gesundheitscheck, eine Intelligenz- und eine Wissensprüfung über Raumschiffstechnik, -Antrieb und -Steuerung absolvieren. Das siebte die Spreu, die Blender und Poser aus.Nun winken zehntausend „Gallos“ und ein Freifahrticket unter Vollpension auf einen beliebigen Planeten der Zivilisation bei erfolgreicher Erfüllung des Auftrages. Hendrick und Ulstravons sind dabei.Am Ende kommt es, wie es kommen muss: eines der drei Raumschiffe schafft es, die feindlichen Viecher zu besiegen und Hendrick wird zuletzt, wenn auch verletzt, wieder in die interstellare Transportgesellschaft aufgenommen.Der "Neger" kommt um, ebenso die Besatzungen der anderen beiden Schiffe.Ganz klassisch (nach Arnaud).

Arnauds Roman war wohl entweder noch kaum bekannt in Deutschland oder gerade in Mode  (bzw. der Film), denn die Ähnlichkeit ist, nur eben auf SF-Ebene gehoben, doch allzu krass. Außerdem ist der Autor so "frech", sogar das Kapitel 9 mit "Lohn der Angst" zu titulieren.Das ist dann doch zu nah am irdischen Original.
Soweit zum Inhalt.

Noch einmal zum Stil. Die Sprache ist schnell, flüssig aber auch oberflächlich. Charaktere werden ausschließlich durch Aussehen und Handlungen beschrieben.Es gibt keinen psychischen Innenraum, obwohl die Protagonisten im Laufe der Handlung starken seelischen Belastungen ausgesetzt sind. Das wird auch thematisiert, wird aber durch reine Außenhandlungen beschrieben.Heutigen Kriterien eines Romans genügt sicher der Inhalt, der, in SF-Heftromanen oder Paperback-Taschenbüchern, auch heute nicht anders zelebriert wird.Etwas sprachlich aufbereitet, könnte der Roman auch heute noch gute SF sein - aber so nicht! Der Sprachstil nämlich  ist der heutigen Zeit nicht angemessen, ebensowenig die  sozialen Begriffsbildungen.Dass die Physik nicht stimmt, will ich einem SF-Roman nicht anlasten.Zum Ende hin wird der Roman inhaltlich  geringfügig besser, etwas spannender, aber die Sprache ist immer noch stark  fehlerhaft.

Als Fazit kann ich nur sagen. Der Roman liest sich  teilweise amüsant,sogar spannend,wenn man ohne Vorbehalt hineingeht, ist aber im Vergleich mit heutiger SF in seiner Gesamtheit  nicht gleichwertig und höchstens noch als Nostalgieobjekt verwendbar. Mit einem lachenden Auge und einem "cum grano salis" im Hinterkopf kann man das Buch einmal lesen, aber In dieser, nicht überarbeiteten, Fassung zumindest:Nicht empfehlenswert. Keine  vollständige Supernova zu vergeben von fünf möglichen Explosionen ... aber einen  kurzen Heliumflash wert.

© 2019 by Holger Döring

Kommentare  

#1 Hermes 2019-10-31 15:19
Zitat:
Zeitgenössische Kritiker gingen damals mit Sandow hart ins Gericht. Er entsprach Ende der sechziger nicht mehr der damals modernen Strömung in der deutschen SF. Und auch heute haftet das Prädikat "Leihbuchautor" immer noch an ihm. Wobei Leihbuch für schlechte Qualität steht. Dem Publikum haben seine Romane allerdings so schlecht nicht gefallen. Und er hat wiederholt auch das Thema von Menschen ausgelöste Umwelt- und Klimakatastrophen in seinen Romanen behandelt. Damit war er seiner Zeit sogar 10-15 Jahre voraus.
Das Zitat und mehr zum Autoren hier:
zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gedrucktes-mainmenu-147/5192-mnner-der-zukunft-gerd-sandow
#2 matthias 2019-11-02 11:03
Dieses Leihbuch gibt es derzeit im Ebay (Auktion läuft noch 22 Stunden) ab 5 EURO
Bisher keine Bieter ...

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