Psychogramm eines Jahrzehnts ... - »Der Exorzist«
Psychogramm eines Jahrzehnts ...
»Der Exorzist«
Statt einer vordringlichen Horrorstory wurde mir das Psychogramm eines Jahrzehnts geboten, welches sich zwar nicht mehr in den Kinderschuhen der psychologischen Forschung befand, sich aber trotzdem von der heutigen Zeit aus gesehen noch ein wenig wie die Steinzeit ausmacht.
Sicherlich ist der Bestandteil der Bessenheit von Regan MacNeil zumeist dominierend, denn alle Protagonisten kommen irgendwann, irgendwie mit ihr und dem in ihr wohnenden Dämon in Berührung, allerdings sind die Charakterstudien der einzelnen Personen wesentlich interessanter als die Unflat und die Machdemonstrationen des Höllenwesens an sich.
Auch wenn Pater Damien Karras den Löwenanteil der Geschichte gefühlt bestreitet, empfand ich die Anteile der einzelnen Protagonisten an der Story eher gleichwertig.
Jedes Leben, welches durch die Geschehnisse im Haus an der Prospect Street berührt wird, gerät auf die ein oder andere Art und Weise aus den Fugen und ist unfreiwilligen Veränderungen unterworfen.
Die Atmosphäre, welche Blatty in seiner Erzählweise erzeugt, erschafft das Gefühl sich eine Art Directors Cut des Films aus dem Jahr 1973 anzusehen. Alles ist dicht und engmaschig verwoben beschrieben. Leider machte mir das ab und an ein paar Schwierigkeiten der Handlung ununterbrochen folgen zu können, da die Kapitel sehr lang sind und man innerhalb von wenigen Seiten mehrmals den Handlungsort wechselt, ohne einen Absatz dazwischengeschoben zu haben.
Was jedoch extrem in Auge fällt ist die wirklich gute Recherche des Autors zum Thema Psychologie und dort im Besonderen das Thema der Persönlichkeitsspaltung. Auch Kindheitstraumata und andere Umstände, welche zu einer eventuellen „Besessenheit“ führen könne, werden nicht ausgeklammert.
Das Grauen der Geschichte entwickelt sich langsam, aber stetig. Wird man zu Beginn noch mit scheinbaren Nichtigkeiten konfrontiert, welche zwar schon den Grundstein des späteren Grauens in sich tragen doch zumeist eher wie ein Sittengemälde der Siebzigerjahre wirken, zieht Blatty trotzdem die Schraube der Beklemmung unterschwellig nach und nach an. Der schlussendliche Exorzismus an sich ist dann die Befreiung aus der Beklemmung, die sich mit der Anzahl der gelesenen Seiten immer weiter hochpotenziert.
Das Buch war für mich packender als der Film, denn die Tiefe der Geschichte entwickelt sich erst hier in vollem Ausmaß. Für jeden Fan des psychologischen und okkulten Horrors ein Muss, wie ich subjektiv finde!
Kommentare
Sowohl die Verfilmung wie aber auch Blattys Roman selbst, dürften wohl zu den wichtigsten Werken im Bereich der Phantastik überhaupt zählen. Wobei es Blatty in seinem Buch bereits gelingt, hier Realität mit Elementen des Horrors so zu verbinden, dass man der Handlung nicht ohne ein beklemmendes Gefühl zu folgen vermag. In dem Punkt garantiert auch der Roman ein intensives Kopfkino, welches auch am Ende noch lange nachhallt.
Ich erinnere mich noch gut an 1974, als der Film bei uns anlief. Meine resolute Großmutter vernichtete alles, was sie Artikeln oder Werbung in den Zeitschriften darüber fand, denn "das sei ja schließlich nichts für kleine Buben". Was es aber um so interessanter für uns machte. Ins Kino durften wir schließlich gar nicht gehen, waren auch noch zu jung dafür. Ein angeklebter Schnauzer hätte da auch nicht viel geholfen.
Irgendwann erschien dann eine Filmparodie mit dem Titel "Der Hexenmist" im deutschen MAD, die ich natürlich verschlang, gleichzeitig aber auch Schiß bekam. Ich erinnere mic, dass ich permanent Angst davor hatte, dass mein Bett zu schweben anfangen könnte. Tat es aber gottseidank bis heute nicht.
Das Buch habe ich mehrmals gelesen, inzwischen auch die Festa-Ausgabe.
Besessen bin ich inzwischen zwar, aber nur von Filmen, Musik, Modellbau und Lesen.