Wie kommt die Frau in die Zeitkugel?
Nach dem Einstieg von Horst Hübner (P. Eisenhuth) gab es erste Korrekturen an diesem Bild, aber Frauen waren in den Heften meist nur ein zu rettendes, gerade in den ersten Numern oft leichtbekleidetes Beiwerk.
Vorgeschichte
Etwa seit Anfang der dreißiger Nummern wurde die ZK dann endgültig von Horst Hübner alias P. Eisenhuth bestimmt. M.R.Heinze, der bis dato fleissigste Autor, der bis zu diesem Zeitpunkt auch die meisten Vergangenheitsreisen geschrieben hatte, verließ die Serie. Hübner war jetzt nicht nur Redakteur, sondern auch Hauptautor, der fortan etwa zwei Drittel aller Romane selbst schrieb.
Damit drückte er der Serie seinen Stempel auf, veränderte die Wirkungsweise der Waffen, setzte als Credo, das "Nichteingreifen in die Vergangenheit" durch und nahm auch Korrekturen an den Serienhelden vor. In der Folge trat Ben Hammer immer mehr als der eigentliche Serienheld in den Vordergrund. Auch die anfangs doch recht plumpe und einfache Rolle der Frauen in den Romanen änderte sich. Es gab in den ersten Bänden nämlich eigentlich nur drei Typen, das hilflose zu rettende Opfer, die willige, manchmal auch hilfreiche Gespielin, die völlig hingerissen scheinbar nur auf die drei Zeitspringer gewartet hat, und die, ich nenne es mal so, sadistische Prinzessin, eine schöne Frau, der es Freude bereitet, Menschen (Männer) zu manipulieren und zu quälen. Alle drei waren natürlich von erlesener Schönheit und meistens leicht bekleidet.
Wie gesagt, nachdem Hübner die Serie mehr und mehr bestimmte gab es hier einschneidende Änderungen. Mit Katharina der Großen (Band 28), Cleopatra (Band 35) und der Jungfrau von Orleans (Band 42) wurden auch schon mal drei bedeutende weibliche historische Persönlichkeiten in den Mittelpunkt gestellt.
Dann passierte folgendes:
Auf der Leserseite von Band 46 meldete sich eine Daniela Niederhäuser aus Bern zu Wort. Daniela hatte schon früher einen Leserbrief geschrieben und war für die Einstellung der Zukunftsreisen eingetreten. Jetzt vermerkte sie unter anderem:
Das hatte getroffen! Horst Hübner hatte aber Bedenken, er antwortete:
Trotz der massiven Bedenken fuhr er dann aber fort:
Damit war die Diskussion losgetreten. Und auch die männlichen Leser fanden Gefallen an der Aussicht, eine Frau ins Team zu holen. So äußerte sich in Band 50 ein Leser:
Und wieder gab es einen leicht reservierten Kommentar von Horst Hübner:
Aus heutiger Sicht lädt Manches daran zum Schmunzeln ein: Fräulein Niederhäuser, "Frauen, die oft nicht mit bestimmten Situationen zurechtkommen".
In Band 52 ging es dann weiter. Wieder meldete sich ein Leser zustimmend zu Wort:
"Nun möchte ich noch zu dem Vorschlag einer Leserin Stellung nehmen, die gerne eine Frau im Zeit-Kugel-Team sehen würde. Ich schließe mich diesem Vorschlag voll an. Sie könnte als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Lintberg auftreten. Ordnen Sie sie bloß nicht Frank Forster zu, denn der hat in den Romanen schon genug mit Frauen zu tun. Diese Frau könnte bei den Aufträgen auch mit unkonventionellen Methoden arbeiten, was den Handlungsablauf abwechslungreicher gestalten würde."
Immerhin, jetzt ging es um unkonventionelle Methoden, nicht um zusätzliche Komplikationen!
Horst Hübner machte im gleichen Band die Mitteilung:
Und beendete die Diskussion mit:
"Das Thema "Frau im Zeit-Kugel-Team" ist durch unsere obige Mitteilung erledigt."
Damit hatte sich Hübner allerdings getäuscht. Das Thema sollte sich ab jetzt immer wieder durch die Leserseite ziehen. Auch in Band 53 meldete sich wieder ein Leser zu Wort:
Anschließend lieferte er dann noch einen kleinen Plott über die Rettung einer Frau in der Vergangenheit durch Einfrieren und nachfolgender Integration in das Zeitkugelteam inklusive Lovestory mit Frank ab.
Der erste Auftritt und die Folgen
In Band 54 war es dann endlich soweit: Dr. Vanessa Carpenter reiste anstelle von Frank Forster mit in die Zeit der Mammuts. Hübner beschrieb sie so: "Sie hatte nicht nur eine aufregende Stimme, sie war auch aufregend hübsch und hatte eine Figur, die einem Mann zu einer Kreislaufschwäche verhelfen konnte." Sie und Ben Hammer gerieten sofort aneinander. Immerhin hatte sie auch köpfchenmäßig etwas zu bieten und war eine ausgewiesene Wissenschaftlerin. Hammer verpasste ihr in Anlehnung an das Ungeheuer von Loch Ness den Spitznamen "Nessi". Die Vermutung sei gestattet, dass Horst Hübner einige seiner eigenen Gedanken und Vorbehalte der Romanperson Ben Hammer in den Mund gelegt hat.
So weit, so gut. Für längere Zeit wurde es dann aber ruhig um Vanessa "Nessi" Carpenter. Zwar gab es neue Vergangenheitsreisen um historische Frauen wie die Königin von Saba (Band 51/74), Lukrezia Borgia (Band 59), Erzsebeth Bathori (Band 62), Maria Stuart (Band 72) und Messalina (Band 76), aber zunächst keinen weiteren Roman mehr mit "Nessi". Es schien so, als ob es bei dem einmaligen Auftritt bleiben sollte. Doch die Leser ließen nicht locker und griffen das Thema immer wieder auf:
(Band 60)
(Band 65)
(Band 70)
(Band 71)
"Zur Frage "Frau an Bord der der Zeit-Kugel" finde ich, dass es nun Zeit wird, "Nessi" Carpenter wieder mit einzuplanen." (Band 74)
"Und dann müsste auch "Nessi" oder Dr. Vanessa Carpenter mal wieder kommen. Das wäre schon eine gute Abwechslung." (Band 77)
(Band 81)
(Band 82)(Band 88)
Der Vorschlag mit dem Ausbau der Zeitkugel auf vier Personen wurde glatt abgelehnt und auch sonst hielt sich Horst Hübner sehr zurück und vermied es, sich bei diesem Thema festzulegen. Bemerkenswert ist, dass alle aufgeführten Statements von männlichen Lesern stammten. Und festzuhalten bleibt auch, dass es nicht einen einzigen Leser gab, der sich gegen weitere Abenteuer mit Vanessa Carpenter ausgesprochen hatte.
Auftritte Nummer zwei, drei und vier
Bei soviel einhelliger Zustimmung wundert es ein wenig, dass Horst Hübner solange zögerte, bevor er dem Leserwunsch nachgab. Fast genau ein Jahr nach dem ersten Roman hatte "Nessi" dann ihren zweiten Auftritt in Band 79. Diesmal reiste sie anstelle des verhinderten Professors nach Kolchis, um das Geheimnis des Goldenen Vlieses zu lüften. Und wieder stieß sie zunächst auf Vorbehalte von Frank Forster und Ben Hammer. Beide machten sich schon vor Beginn der Reise große Sorgen, wie denn ihre Begleiterin zu schützen sei:
Auch in den Bänden 88 und 90 war Vanessa Carpenter dann wieder mit dabei. Jetzt ging es um Methusalem und Odysseus. Wieder blieb dafür der Professor zurück. Und hier kam es auch zu einer richtigen Love-Story zwischen Ben Hammer und Nessi, während Frank Forsters Bemühungen ins Leere laufen. Hübner beschreibt das so:
Bei Ben dagegen sah das so aus: "Er hatte ihr nicht den Hof gemacht, im Gegenteil. ... Aber sie hatte mit dem untrüglichen Instinkt der Frau erkannt, dass unter der rauhen Schale ein Herz schlug und nicht ein Stein ruhte."Die Leser verlangten nicht nur nach Abenteuern mit Vanessa Carpenter, es gab sogar Stimmen, die generell eine stärkere Präsenz von Frauen wünschten:
(Band 83)
Zu dem Wunsch nach einer Hauptrolle für Frauen ist anzumerken, dass die Zeitkugel als Serie so angelegt war, dass es in den Heften meistens nicht um einzelne Perönlichkeiten, sondern um Ereignisse, Rätsel oder auch z.B. Erfindungen ging. Trotzdem gab es, wie schon aufgezeigt, eine ganze Reihe von Romanen, in denen historische Frauen im Mittelpunkt des Geschehens standen. In Band 82 war es z.B. noch einmal um das Schicksal von Agnes Bernauer gegangen. Und auch bei den weiblichen Nebenfiguren ging Hübner mittlerweile viel subtiler vor, als er und seine Kollegen es beim Start der Serie gemacht hatten.
Die Reisen in die Zukunft
Für die Zukunftsreisen innerhalb der Serie Erde 2000 wurde dann trotzdem wieder weitgehend auf Vanessa Carpenter verzichtet. Schon in der Vorankündigung hatte Horst Hübner geschrieben, dass sie nur "dann und wann" mit dabei sein sollte. Und tatsächlich dauerte es bis Band 13, bevor sie wieder einen Kurzauftritt bekam. Vorher wurde sie auf der Leserseite so eingeführt: "28 Jahre alt, 1,76 m groß, Gewicht 62 Kg, erlernter Beruf Astro-Biologin." Für die Leser war das allerdings nicht genug:
(Band 3)
(Band 4)
Band 10, eine Leserin)
(
(Band 15)
(Band 19)
(Band 40)
In Band 13 hatte Vanessa Carpenter einen ersten Kurzauftritt. Auf Seite 58 darf sie ins Geschehen eingreifen und taucht quasi als rettende Kavallerie in der Zukunft auf. Erst in den Bänden 19 und 20 durfte Nessi dann von Anfang an mit in die Zeitkugel. Einmal blieb Frank Forster zuhause, einmal der Professor. Dann wird die Zeitkugel endlich ausgebaut und kann fortan vier Personen befördern. Ab Band 30 ist Vanessa Carpenter in jedem Band von Horst Hübner mit dabei. Nicht aber bei seinen Autorenkollegen, die jedoch ohnehin nur noch wenige Romane zur Serie beisteuern. Auch wenn Hübner Nessi schon mal mit guten Fähigkeiten in Kampfsportarten ausstattet, wird sie doch wie damals allgemein üblich einem männlichen Helden zugeordnet. Und auch damit einhergehende typische Klischees wurden nicht vermieden. So ruft die "schwache Frau" den "starken Mann" zur Hilfe als sie in ihrem Hotelzimmmer unheimliche Geräusche vernimmt. Und Ben Hammer versucht nachdrücklich, Nessi zu einer Tante in Frankreich abzuschieben, als die Gefahr durch die Ukilionen wächst. Eine eigenständige Frau war damals wohl noch nicht zu vermitteln.
Andererseits tauchten gerade in der Endphase von Erde 2000 innerhalb der Romane viele starke unabhängige Protagonistinnen auf. Etwa Joan Finley im Sirad-Zyklus, die während der Wirren einer ausserirdischen Landung auf der Erde die Initiative ergreift und auf eigene Faust die Rettung und Evakuierung der Bevölkerung organisiert. Dabei weiss sie sich auch gegen Querschüsse aus dem Militärapparat zu behaupten. Oder die Konzernchefin Julie Taylor, die im Atlantiszyklus eine wichtige Rolle spielt. Nicht zu vergessen ist Sati Bagano, die taffe Raumschiffkommandantin aus dem Ukilionen-Zyklus.
Fazit
Das Thema "Frau in der Zeitkugel" zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Serien Zeitkugel/Erde 2000. Neben der Frage, ob die Reisen besser in die Zukunft oder in die Vergangenheit gehen sollten, war dies der Dauerbrenner auf der Leserseite. Und obwohl die Zustimmung der Leser überwältigend und anhaltend war, tat sich Horst Hübner sehr schwer damit. Zuerst als einmalige Sonderaktion gedacht, gab es zwar dann doch hin und wieder Auftritte von Vanessa Carpenter. In dem eingespielten und gut austarierten Team von der Zeitkugel war es offensichtlich nicht leicht, einen angemessenen Platz für die "Neue" zu finden. Schnell wurde sie Ben Hammer "zugeordnet". Trotz aller Zustimmung der Leser wurde sie erst ganz am Ende von Erde 2000 ein gleichberechtigtes Team-Mitglied. Und sie blieb bis zum Schluss "Chefsache". Nur Hübner selbst verfasste Abenteuer, in denen sie mitreisen durfte. Und auch er hatte zunächst Probleme, von alten überkommenen Klieschees wegzukommen. Es ist aber interessant, dass in den siebziger Jahren unter der (zumeist männlichen) Leserschaft offensichtlich ein breites Bedürfnis nach Anpassung der Romaninhalte an die sich langsam verändernde Realität gab. Die überkommenen Rollenbilder sollten angepasst werden, die Ideen von der Gleichberechtgung der Frau aufgegriffen werden. Und es sagt auch einiges über die Vitalität des damaligen Heftromans aus, dass er in Lage war, sich auf diese Bedürnisse einzustellen. Denn Zeitkugel steht in dieser Hinsicht nicht allein. Zur Erinnerung: auch bei PR tauchen um diese Zeit mit Jennifer Thyron und Demeter erstmals "starke" Frauencharaktere auf.
Romane mit Vanessa Carpenter