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Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Der Geist im Totenbrunnen

Dirk und die VampireDer Vampir-Horror-Roman
Der Geist im Totenbrunnen

Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.

Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?

Der Geist im TotenbrunnenDer Geist im Totenbrunnen
von Cedric Balmore
(Hans E. Ködelpeter)
Vampir Horror-Roman Nr. 93
November 1974 / DM 1,20

Pabel Verlag
Leroy Chester versteht die Welt nicht mehr. Das fremde Zimmer und der scheußliche Pyjama, der auf keinen Fall seiner ist, wären ja schon genug Rätsel, so kurz nach dem Aufwachen - aber das Loch in seiner Schläfe toppt die Situation um ein Vielfaches. Was war passiert? Die Verletzung sieht stark nach einem Einschussloch aus, aber warum hat man ihn nicht verarztet, die Wunde gesäubert und in eine Klinik gebracht? Hält man ihn gefangen? Eher nicht, denn die Zimmertür ist nicht verschlossen. Als er sich ans Kinn fasst, spürt er kräftige Bartstoppeln die im Spiegel nicht zu sehen sind. Im Schrank steht eine Reisetasche mit Wäsche und Rasierzeug, sowie ein Anzug aus feinem Stoff, der ihm prima passt, aber nicht gehört. Ein Hinweis auf den Besitzer dieser Sachen findet er nicht. Ein Albtraum? Ein Blick aus dem Fenster schafft ein wenig Klarheit: Er befindet sich im „OLE INN“, dem einzigen Hotel von Hillory Village -  und er träumt nicht. Doch wie kommt er in die schäbige Touristenfalle, wo er und seine Frau Daphne doch die neuen Besitzer von Marhill Place, einem uralten Landsitz aus dem elften Jahrhundert, sind? Als angesagter Schriftsteller konnte er sich den Prachtbau leisten. Als er den Trauerzug bemerkt, der langsam die Hauptstraße hinunterzieht, ist seine Neugier geweckt. Die Neugier schlägt schließlich in Entsetzen um als er seine Frau entdeckt, die den Zug der Trauernden, gestützt von seinem Freund und Arzt Harry O´Neill, anführt. Aber der wahre Horror trifft ihn erst, als er die Schrift auf den Schleifen entziffern kann: MEINEM GELIEBTEN MANN LEROY CHESTER.

Nachdem sich Leroy wieder etwas gefangen hat, geht er in den Schankraum hinunter und trifft dort auf Gus Nottenham, den Wirt. Obwohl Leroy und Daphne noch nicht lange auf Marhill Place wohnen, müsste Gus ihn eigentlich kennen. Gus hält ihn für einen Touristen, der sich als Wilson Carrington eingetragen hat, und macht Frühstück. Das Einschussloch in seinem Schädel scheint der Wirt nicht zu bemerken. Auf den Trauermarsch angesprochen, weiß Nottenham einiges zu berichten. Scheinbar hat sich ein gewisser Leroy Chester beim Waffenreinigen versehentlich selbst erschossen. Komisch, er hat sich nie für Waffen interessiert. Gerüchte gehen um, dass seine hübsche, junge Frau ihre Finger im Spiel hatte um für ihren Geliebten Platz zu machen. Leroy glaubt nicht an die Niedertracht seiner Frau -  ihre Liebe ist echt...

Frisch rasiert geht Leroy auf den Friedhof und lauscht dem Pfarrer bei seiner eigenen Trauerrede zu, doch lange hält er es nicht aus und schließlich macht er einen Erkundungsgang durch den Ort. Niemand scheint ihn zu erkennen. In der Drogerie, die auch Fotoartikel verkauft, bittet er den Besitzer ein Polaroid-Foto zu knipsen. Das entwickelte Bild zeigt einen völlig fremden Mann. Als er schließlich im Naturkundemuseum ein altes Ölgemälde erblickt, ist Leroy erneut verblüfft: Der Mann auf dem Foto sieht dem ehemaligen Besitzer, W. Carinius von Marhill Place, zum verwechseln ähnlich. Offensichtlich steckt er in einem fremden Körper. Irgendwie muss Leroy mit Daphne Kontakt aufnehmen, um ihr die Sache mit seinem Körpertausch, den er selber nicht versteht, zu erklären. Sie wird ihn schon erkennen, denn schließlich weiß er eine Menge intimer Details über ihr Zusammenleben - und Liebe kennt schließlich keine Grenzen.

 Als er sich nach Marhill Place chauffieren lässt und von der Terrasse aus vorsichtig ins Wohnzimmer schaut, fällt ihm beinahe die Kinnlade herunter. Mit der Liebe und Treue seiner Frau hat sich Leroy Chester eindeutig verschätzt und die Dorfbewohner dafür voll ins Schwarze getroffen: Harry O´Neill und Daphne sind ein Paar und planen bereits ihr luxeriöses Leben in Acapulco. Mit zwei bis drei geerbten Millionen kein Problem. Leroy ist entsetzt, als er ihr heftiges Liebesspiel beobachtet – und das so kurz nach seiner Beerdigung. Er weiß nun, dass die beiden ein Komplott geschmiedet und ihn beseitigt hatten. Aber warum ist er wieder, in anderer Gestalt, zurück gekommen? Es muss etwas mit den dunklen Mächten zu tun haben, die angeblich in Marhill beheimatet sind und an die er selber nicht so recht geglaubt hat. Jetzt will er sich für die schändliche Tat rächen und klingelte an der Tür. Als Daphne sichtlich genervt öffnet, stellt er sich als Leroy Wilson (ein Versprecher) vor und gibt sich interessiert an der Geschichte des Hauses. Wahrscheinlich ist er ein Nachfahre der Carinius, log er. Daphne bittet den Fremden ein andermal wiederzukommen, denn schließlich wurde erst gestern ihr Mann beerdigt. Leroy schleicht sich heimlich ins Haus, wobei er am „Totenbrunnen“ vorbeikommt und dort einen recht frischen Blutfleck entdeckt. Er belauscht seine Frau und Harry, die sichtlich nervös von der Tat sprechen und die nächsten Wochen auf Abstand gehen wollen.

Wieder im „Ole Inn“ sagt ihm Gus, dass die Polizei sein Zimmer durchsucht hat und er sich auf der Wache melden soll. Angeblich wurde das Gemälde von Carinius brutal aus dem Rahmen geschnitten. Als Leroy und Inspektor Jameson den Tatort aufsuchen, hängt das Bild unversehrt an seinem Platz. Der Polizist steht vor einem Rätsel und entschuldigt sich.

In der Nacht hat Daphne einen fürchterlichen Traum. Ein fleischloses Knochenwesen hat sie hochgehoben und in den Totenbrunnen geworfen. Als sie vom Läuten der Türglocke schweißgebadet aufwacht, hält sie noch einen Stein der Brunneneinfassung in den Händen. Der Traum war real. Harry steht vor der Tür und muss ihr unbedingt etwas erzählen. Er wollte dem neugierigen Carrington einen Streich spielen und schnitt das Bild aus dem Rahmen, dass dieser vorher bewundert hatte. Der Verdacht würde eindeutig auf ihn fallen. Doch als ihn die Polizei zur Rede stellte, hing das Portrait wieder unversehrt an seinem Platz. Hier sind eindeutig höhere Mächte am Werk... und die sind nicht auf ihrer Seite.

Am anderen Tag steht Leroy in der Gestalt von Carrington wieder auf der Matte von Marhill Place. Daphne bittet ihn herein und beginnt ein unverfängliches Gespräch, doch plötzlich sitzt ihr toter Mann in dem großen Ohrensessel. Als Daphne aus ihrer Ohnmacht erwacht, hat er wieder das Gesicht von Carrington, gibt sich aber zu erkennen. Sie gesteht ihre Liebe zu Harry und macht ihm sogar Vorwürfe. Der Schriftsteller hat sie vernachlässigt und nicht mitbekommen, dass sie sich zu  seinem besten Freund hingezogen fühlte. Schließlich wurde er erschossen und zunächst im Brunnen auf einem Vorsprung deponiert, bis man sich die Geschichte seines Selbstmordes zurechtgelegt hatte. Auch wenn Leroy so etwas wie  Mitleid empfindet, sinnt er auf Rache. Scheinbar hat er dabei Unterstützung von Carinius, vielleicht steht er auch ein wenig unter seinem Einfluss. Daphne hat keine Wahl und erschießt Leroy in Gestalt von Carrington. Anschließen ruft sie Harry herbei, der etwas entsetzt ist von ihrer Kaltblütigkeit, die Sache mit dem Körpertausch kommt ihm seltsam vor. Der unheimliche Fremde wird im Brunnen entsorgt. Hoffentlich ist das kein Fehler, denn schließlich war auch Leroy dort unten.

Natürlich bleibt das Verschwinden von Wilson Carrington nicht unentdeckt. Jameson befragt Daphne nach seinem Verbleib, da er sich offensichtlich für Marhill Place interessiert hatte. Sie gibt zu, dass er zweimal bei ihr gewesen ist, aber nichts zu seinem Verbleib sagen kann. Jameson spricht sie auf den Brunnen an und sie erzählt ihm die Legende: Einer der ersten Bewohner des Hauses hieß Carinius. Er wurde von seiner Familie umgebracht und in den Brunnen geworfen, aber Carinius kehrte zurück um sich zu rächen. Er terrorisierte seine Familie so lange, bis sich die Frau und die beiden Kinder ebenfalls in den Brunnen stürzten. Der Brunnen ist ein natürlicher, grundloser Erdschlund der einst eine Quelle barg. Die Quelle ist längst versiegt, aber die Geschichte ist nicht in Vergessenheit geraten. Daphne hofft, dass der Inspektor keine weiteren Untersuchungen einleitet.

Sie sollte sich täuschen, denn als sie ein paar Tage in London weilt, um sich zu erholen, taucht Jameson auf und bittet sie ein Dokument zu unterschreiben. Man möchte das Grab ihres Mannes öffnen, weil man nicht so recht an den Selbstmord glaubt. Daphne ist geschockt.

Wieder in Hillory Village holt sie Harry vom Bahnhof ab. Er hat sich verändert nachdem Leroy bei ihm war und ihm suggeriert hat, dass er Daphne töten muss um frei zu sein. Komisch, weiß Leroy denn nicht, dass der Arzt ihn erschossen hat? Leroy hat geschickt einen Keil zwischen die Liebenden getrieben und der Riss wird immer größer. Um Spuren zu verwischen, die Polizei würde bei der Untersuchung feststellen, dass der Schuss aus mehreren Metern erfolgte, hat Harry die Leiche aus dem Grab geschaufelt und wieder im grundlosen Brunnen entsorgt. Daphne ist besorgt, denn sie merkt, dass Harry seine eigene Haut retten möchte. Sie bereut ihre Teilhabe an der Tat, doch jetzt ist es zu spät.

In der Nacht kommt Leroy erneut zu ihr, aber er kann sich nicht materialisieren. Die Kraft, die Carinius ihm verliehen hat, ist fast verbraucht. Sie gesteht ihm, dass sie einen Fehler gemacht hat und ihre Niedertracht bitter bereut. Der Geist Leroys verleiht ihr ein wenig Zuversicht, denn sie hat schreckliche Angst vor Harry. Dann schweigt Leroy...

Inspektor Jameson besucht sie erneut. Er bringt jetzt Wilson Carrington mit der verschwundenen Leiche Leroys in Verbindung. Wahrscheinlich hat man ihn beauftragt, die Leiche verschwinden zu lassen. Zudem lässt er durchblicken, dass sie und Harry wohl nicht unbeteiligt an dem Mord sind. Er vermutet eine Liebestat. Sie führt ihn erneut aufs Glatteis, doch der erfahrene Polizist ist nicht so dumm wie sie glaubte. Die Schlinge zieht sich langsam zu.

Daphne hat keine Lust, sich dem Tratsch der Leute zu stellen und schaut in die Tiefkühltruhe. Der Hunger vergeht ihr schnell, denn Leroy liegt auf dem Gefriergut und starrt sie mit toten Augen an. Harry hat ihn doch im Brunnen entsorgt. Als sie ihn darauf anspricht, verneint er seine Tat, doch sie glaubt ihm nicht. Sie machen sich gegenseitig Vorwürfe... ihre Liebe ist verrauscht. Jetzt geht es nur noch um den Selbsterhalt.

Leroy sitzt, halb Mensch halb Geist, im Garten von Marhill Place und lauscht den Worten von Carinius. Dieser ist zufrieden, aber Leroy hat Gewissensbisse. Daphne ist nur ein Opfer geistiger Verwirrung und eigentlich möchte er ihr nichts antun, aber er kann auch nicht auf Ewigkeit ein Zwitterwesen zwischen Leben und Tod sein. Er liebt sie immer noch. Und nur die Liebe kann für Leroy eine Erlösung sein, verrät ihm Carinius. Allerdings muss auch Daphne dafür den Tod finden, freiwillig...

In der Nacht kommt Harry zu ihr. Er trägt dünne Lederhandschuhe, seine Absicht ist eindeutig. Er gibt zu, dass er Leroy in die Tiefkühltruhe gepackt hat, damit sie einen tödlichen Schock bekommt. Er hat nicht mit ihrer Zähigkeit gerechnet. Er weiß jetzt, dass sie Leroy noch immer liebt. Als er sie hochhebt und zum Brunnen trägt, wehrt sie sich nicht. Sie ist bereit zu sterben um so vielleicht Erlösung von ihrer Seelenpein zu finden. Sie hofft, so die schändliche Tat an Leroy zu tilgen und mit ihm wieder vereint zu sein. Dann wirft Harry sie in den dunklen Abgrund des Brunnens...

Harry weiß, dass nach dieser Tat ein normales Leben für ihn nicht mehr möglich sein wird. Auf der Fahrt zu seinem Haus sieht er im Scheinwerferlicht plötzlich ein junges Paar in Hochzeitskleidung, das ihm zuwinkt - Leroy und Daphne.  Mit Vollgas hält er auf die Spukgestalten zu und beendet sein Leben an einer Eiche...

Dirk und sein SenfMein Senf
Willst du einen blutrünstigen Action-Kracher schreiben, nimm Vampire, Werwölfe und anderes mit Krallen und scharfen Zähnen bewehrtes Gezücht. Soll es jedoch etwas ruhiger und sensibler zugehen, halte dich an Geister und Spukgestalten. Die kommen zwar etwas seichter rüber, aber wenn der Autor, wie in diesem Fall, aus dem Thema etwas geniales basteln kann, kommen ab und an seltsam entrückte Geschichten dabei heraus – seltene schwarze Perlen unter hundert Weißen.

Bravo... Standing Ovations... Nach diesen krassen 63 Seiten bleibt mir ein wenig die Spucke weg. Hans E. Ködelpeters Erstling bei den Pabel-Vampiren gehört eindeutig in die Top-Zwanzig der Serie. „Unverhofft kommt oft“ heißt bekanntlich ein Sprichwort, doch nachdem die atmosphärischen Übersetzungen aus dem Französischen so langsam verklungen sind, und Strassl und Luif sich auch schon länger nicht mehr haben blicken lassen (zum Glück ist Appel noch da), war DER GEIST IM TOTENBRUNNEN von Cedric Balmore eine echte Überraschung für mich. Die Luft war doch noch nicht ganz raus aus der Serie, wenn man John Willow aka Bodo Baumann, der vor zwei Nummern seinen prima Einstand gab, dazunimmt. Mit den beiden Neulingen hat die Redaktion einen super Fang gelandet, der Qualitätspegel schlug eindeutig wieder nach oben aus.

Was soll ich groß über den Autor recherchieren? Das haben andere Kollegen, hier beim Zauberspiegel, schon sehr gekonnt und fundiert bereits getan. Da gibt es z.B. einen Beitrag von Roland Mertesdorf aus dem Jahr 2014, glaube ich, der sich mit Ködelpeter beschäftigt. Dazu noch eine Auflistung seiner Werke, plus die anhängenden erhellenden Kommentare. Es lohnt sich, wer sie noch nicht kennt und Interesse hat, dort mal reinzulesen. Mehr kann man wohl nicht über den Ausnahme-Autoren zusammentragen. Kurz, der gelernte Kaufmann hat irgendwann, als es in seinem Beruf nicht mehr so lief, angefangen Leihbücher zu schreiben. Sein ausgefeilter und zeitloser Schreibstil fiel damals schon auf. In den Sechzigern ist er dann zum Bastei-Verlag gekommen, als die Hefte noch 90 Pfennige kosteten, und hat im Laufe der 60-70er über 100 Jerry Cotton geschrieben. Für Kommissar X waren es bestimmt nicht weniger. Das ist aber noch nicht alles, denn die Liste seiner Romane ist sehr lang und abwechslungsreich. Er bediente fast jedes Genre, das in Heftroman-Form damals an den Leser gebracht wurde, SF hat er scheinbar ausgelassen, und schrieb so ziemlich für jeden namhaften Verlag der Branche. Selbst zum Dämonenkiller hat er eine Nummer (DK 22 Blutorgie in der Leichengrube) beigetragen und man fragt sich, warum nicht mehr? Er konnte mit den Stammautoren der Serie locker mithalten, denn VAMPIR 93 war mit Sicherheit kein Ausrutscher von ihm – die gekonnte Schreibe war wohl sein Standard, wenn man die Aussagen seiner Leser und Bewunderer so querliest. Mich hat seine Schreibe jedenfalls einkassiert.

Ganz weit weg von normaler Gruselkost (Vampire, Dämonen Satan usw.) hat der Autor hier ein Zeichen gesetzt. Ködelpeter hatte eine ganz andere Gangart, als man es eigentlich gewohnt ist. Keine Hau-Drauf-Dynamik und „Wird schon keiner merken“-Logik bestimmten den Plot. Hier wurde eine Geschichte um Liebe, Niedertracht und Reue erzählt, verpackt in einem Horror-Roman der siebziger Jahre, für Leser die eine Affinität für fantastische Geschichten hatten. Mit Vampir 93 kamen sie voll auf ihre Kosten. Sucht man Vergleiche, von der Feinsinnigkeit der Machart her, dann ging der Roman vielleicht ein wenig in Richtung L`ESCALIER DE L´OMBRE (Das Gespensterschloss) von Peter Randa, der auch mit einer sehr eigenen, fantastischen, im wahrsten Sinne des Wortes, Interpretation einer Geistergeschichte daherkam. Okay, Randas Roman kann man innerhalb der Anthologie-Serie von Pabel eigentlich schon als Meisterwerk betrachten, aber Vampir 93 hatte ebenfalls etwas sehr Ruhiges und Melancholisches. Die Spannung bildete der Leser im Kopf selber, kam sozusagen gar nicht daran vorbei. Das setzt einiges an Menschenkenntnis des Autoren oder Übersetzers voraus, denn der Leser ist schließlich der Endabnehmer und möchte mit einer guten Geschichte eingefangen werden. Vielleicht könnte man zu dieser Art von Schreibe gefühlsechter, warmer Schauerroman sagen. Ich weiß nicht so richtig, wo ich ihn einsortieren soll, aber so etwas zündet bei mir immer.

Es wurde mehr geflüstert und geschlichen, diskutiert und gerätselt als in actionlastigeren Romanen. Die „Anderen“ (Geister), denn von Bösen und Guten kann man nicht sprechen, blieben bis zum Schluss sehr Rätselhaft und unheimlich. Die „Bösen“, wenn überhaupt, denn der Mensch ist zum Teil ja triebgesteuert, wahren hier eindeutig die Lebenden. Die Geister zeigten sich von ihrer menschlichsten Seite. Leroy haderte sogar mit sich, ob es vielleicht besser wäre, wenn er Daphne nicht weiter verfolgt.
„Ich bin kein Gott“, hörte Leroy sich mit leiser, fester Stimme sagen. „Ich maße mir keine Rächerfunktion an“.
Carinius gab ihm darob zwar Tipps, aber er drängte ihn nicht unbedingt. Leroy entschied sich schließlich dazu, mit Daphne im Jenseits nochmal neu anzufangen, wenn er schon mal da ist, und sie ging freiwillig mit. Sie bereute ihre Tat aufrichtig, sogar über den Tod hinaus. Könnte auch wieder ein Frauengrusler sein, doch für Gaslicht und Co wäre die Story zu verschenkt gewesen. Da war/ist der männliche Leser vielleicht ein wenig zu sehr Chauvi und packt diese Dinger nicht an - kommt ähnlich rüber wie Tampons kaufen für die Freundin. Ich glaube, dass es mehr weibliche Leser der VHR Serie gegeben hat, als männliche bei Gaslicht. Aber den Roman heute kann man getrost als unisex bezeichnen. Für einen reinen Frauen-Gothic war er eventuell ein wenig zu maskulin (männlicher Protagonist, Untreue der Frau, kein wirkliches Happy-End) angelegt und die Männerfraktion fand ihn vielleicht ein wenig zu seicht (Liebe, Reue, Schlossgespenst...). Nun, Ködelpeter hat viel für unheimlich Frauenserien geschrieben, vielleicht kam daher sein Gespür für die Gefühlswelt seiner Prota- und Antagonisten. Er konnte die inneren Spannungen von verzweifelten Menschen super wiedergeben und an den Leser weiter transportieren. Bei mir hat es zumindest funktioniert. Die Kräfte, die Ködelpeter beschrieb, waren nicht wirklich einsortierbar. Mit Hölle und Teufel hatten sie zumindest nichts zu tun, eher mit den unerklärlichen Phänomenen der Parapsychologie und Grenzwissenschaften. Die Geister, die hier aus dem Brunnen krochen, hatten es durchaus auf Rache abgesehen, aber sie hatten immer noch ein Gewissen.

Ködelpeter hatte alles, wirklich alles durchdacht. Sogar der Vorsprung im Brunnen, wo man den erschossenen Leroy zwischenzeitlich geparkt hatte, war dabei. Zehn Seiten vorher dachte ich noch - ha, da hast du einen Logikfehler gemacht,- denn wie wären Daphne und Harry dann wieder an die Leiche herangekommen. Nur mal jetzt zum Beispiel. Er muss sein fertiges Manuskript mehrmals gelesen haben, um solche Fehler auszumerzen, oder er hatte es einfach drauf. Hier stimmte einfach alles und dazu hatte er eine sehr angenehme Art, Sätze zu formulieren.

In ihrer Stimme klang eine gelungene Mischung von mildem Spott und Amüsement mit, so das Jameson sich verpflichtet fühlte, verständnisinnig zu grinsen...

Wieder ein Autor, der seinen eigenen Stil hatte. Zudem steckten in den 63 Seiten eine Menge gekonnter Drehungen und Wendungen, so dass bis zum Schluss der Spannungsbogen super straff gehalten wurde. Um alles richtig zu erfassen, müsste der Artikel bzw. die Zusammenfassung oben eigentlich noch etwas länger sein, aber ich glaube, ich habe auch so bereits genug von der Story, die einen schlussendlich immer weiter zum Finale trieb, wiedergegeben. Man muss ja auch nicht übertreiben. Dem Vampir-Horror blieb Hans E. Ködelpeter  jedenfalls noch ein wenig erhalten, denn er schrieb über vierzig Romane für die Serie. Die Nummer 93 wird mir dabei aber sicherlich im Gedächtnis haften bleiben. Bin gespannt, ob das die anderen Ködelpeters auch schaffen.

Was gab es sonst noch?
Tholes Titelbild reißt mich diesmal richtig von Hocker, will sagen Drehstuhl, denn der Holländer hat den Geist (im wahrsten Sinne des Wortes) des Romans wunderbar eingefangen. Die Schlichtheit des Bildes täuscht ein wenig über den Inhalt hinweg, aber wenn man ihn gelesen hat, weiß man, dass kein anderes Cover zum GEIST IM TOTENBRUNNEN gepasst hätte. Das Rot des Kleides suggeriert ein wenig, dass es um Liebe und der damit verbundenen Untreue geht, und der bläulich/graue Nebel soll wohl das Zwischenreich darstellen in denen sich Geister halt bewegen. Okay, ich kann auch heftig einen an der Murmel haben... bin ja kein Kunstexperte, aber egal, ein wenig Interpretationsfreiraum darf ja wohl erlaubt sein.

Auch diesmal sind die VAMPIR-INFORMIERT Seiten etwas für den eher schlichten Charakter geeignet und weit vom Manfred Knorr-Niveau entfernt. Die Wermaus war abermals da. Hier handelt es sich eindeutig um einen, gelinde gesagt, pelzigen Lückenfüller. Hat Manfred Knorr zu viel Kohle für seine Beiträge verlangt oder war er anderweitig eingespannt? Erst ab Band 95 ist er wieder dabei. Klar, Vlcek und Strassl gaben diesmal ihren Senf zu dieser pseudolustigen Schmonzette dazu, aber irgendwie gingen sie dabei auch ein wenig auf Abstand. Wer war der Initiator von diesem überreifen Käse, der so langsam zu laufen anfing. Hatte einer der Autoren eine Wette verloren? Warum haben sie nicht wenigstens den interessierten Leser (Leserbriefe) zu Wort kommen lassen? Sie hatten bestimmt noch andere Zuschriften als die von Herrn G-Punkt.

Der nächste Schlag in die Magengrube auf meiner Lesereise kommt sicherlich mit Frank Sky aka Franciskowsky. Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm, denn von herrschaftlichen Pensionaten und kreischenden Teenager-Gruppen ist in der Leseprobe nichts zu sehen. Hat er sich jetzt dem Öko- und Atomtrash verschrieben? Das Schuppenmonster riecht ganz stark nach „CREATURE FROM THE BLACK LAGOON“ - ihr wisst schon, dieser Gewürzgurke mit Lippen. Bin gespannt, ob uns Sky mit DAS MONSTER AUS DEM EIS ein paar Frostbeulen ins Gehirn zaubert...

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Kommentare  

#1 Cartwing 2021-10-25 18:42
Zitat:
Selbst zum Dämonenkiller hat er eine Nummer (DK 22 Blutorgie in der Leichengrube) beigetragen und man fragt sich, warum nicht mehr? Er konnte mit den Stammautoren der Serie locker mithalten
Der wäre wirklich ne Bereicherung für die Serie gewesen. Wenn schon die erste Nummer so gut war, was hätte der gerissen, wenn man ihn mit wichtigeren Themen betraut hätte.

Er wäre nach Warren die Nr. 4 unter den Autoren geworden, wenn er ihn nicht gar vom dritten Platz gekickt hätte... ;-)
War wohl zu sehr mit anderen Serien beschäftigt, um da sehr viel mehr zu machen oder er hatte keinen Bock auf Exposes...

Wieder ein sehr schöner Artikel übrigens...
#2 Toni 2021-10-25 20:45
Ja, der Ködelpeter war klasse. Ob er Walter Appel verdrängt hätte, ich meine von Platz drei? Zumindest hätten sie sich super ergänzt. Muss die Serie mal wieder lesen, aber noch eine Artikelreihe zum Thema DK würde die Sache hier sprengen. :lol:
#3 Cartwing 2021-10-25 21:01
Zitat:
aber noch eine Artikelreihe zum Thema DK würde die Sache hier sprengen.
Glaube ich nicht...
Davon kann es nie genug geben ;-)

Mach doch bei DH revisited mit!
Wir würden uns sicher auch super ergänzen.
(Schleimmodus aus... ;-) )
#4 Toni 2021-10-25 21:18
Danke für das Angebot, ist echt verlockend. Danach noch eine Artikelreihe über alte Prog-Platten mit Ringo. Vielleicht müssen wir die Seite hier mal etwas anheizen. Ich mach jetzt erstmal die VAMPIRE bis 100. Danach... mal sehen. Habe zufällig den Roman von Rellergerd im Regal. Ein Artikel über Tenkrats Insektenromane würde mich auch reizen. Naiv wie ich war, habe ich die DK-Romane der Neuauflage damals bis zum bitteren Ende mitgesammelt. Vielleicht mache ich daraus auch mal was. So drei Nummer zusammen...
#5 Laurin 2021-10-25 22:46
Schließe mich da @Cartwing an, @Toni, im Internet kannst du nichts sprengen, sondern nur den Stecker ziehen. :lol:
Und meine Artikel zu DH kommen ja auch nicht unbedingt regelmäßig und nach der Reihe der Band-Nummer. Eventuell kommt erst einmal als nächstes sogar eine Rezi zu einem HD-Hörspiel, welches ich mir mal aus reiner Neugierde habe vom Zaubermond Verlag kommen lassen. ;-)
Und irgendwann will ich auch an den zweiten Roman des HD-Spin-off HEXENHAMMER ran, wo ich zum ersten Roman vom letzten Jahr auch schon eine Rezi hier verfasst hatte.
#6 Cartwing 2021-10-26 01:54
Die Neuauflage hat Uwe hier mal angefangen zu besprechen, aber leider nicht fortgesetzt.
Von daher gute Idee...

@Laurin: ein DH Hörspiel wollte ich auch mal rezensieren, bin aber immer nach zehn Minuten eingeschlafen... ?
#7 Andreas Decker 2021-10-26 09:58
zitiere Cartwing:
Zitat:
Selbst zum Dämonenkiller hat er eine Nummer (DK 22 Blutorgie in der Leichengrube) beigetragen und man fragt sich, warum nicht mehr? Er konnte mit den Stammautoren der Serie locker mithalten


Der wäre wirklich ne Bereicherung für die Serie gewesen. Wenn schon die erste Nummer so gut war, was hätte der gerissen, wenn man ihn mit wichtigeren Themen betraut hätte.

Er wäre nach Warren die Nr. 4 unter den Autoren geworden, wenn er ihn nicht gar vom dritten Platz gekickt hätte... ;-) ..
Oder auch nicht. :-) Was Serien angeht, war sein Hexenhammer 9 ein Totalausfall.


zitiere Toni:
Naiv wie ich war, habe ich die DK-Romane der Neuauflage damals bis zum bitteren Ende mitgesammelt. Vielleicht mache ich daraus auch mal was. So drei Nummer zusammen...


Must du dich für etwas bestrafen? :-) Die neuen Romane sind mit Ausnahme der Luifs so gut wie alle unlesbar, was nicht nur an den redaktionellen Vorgaben lag.
#8 mammut 2021-10-26 11:13
#9 Cartwing 2021-10-26 13:05
@Andreas : Die Beiträge von Kneifel würde ich freiwillig auch nicht nochmal lesen. Aber Giesa hat ein paar ganz brauchbare abgeliefert
#10 Toni 2021-10-26 15:42
Danke für die lieb gemeinten Warnungen Andreas und Stefan. In meinem Alter sollte man wirklich aufpassen, was man sich so reinzieht. Ich muss auch zugeben, dass ich über das Betrachten der Titelbilder und dem Stöbern durch die Leserseiten nie hinaus gekommen bin. Vielleicht so eine Art natürlicher Schutzmechanismus des Körpers... :-)

Danke mammut für die Info. Habe vom Dämonenland leider nur 2 Sammelbände. Da haben Schöni und Delfs (weiß nicht, wer für die Auswahl verantwortlich war) ein paar klasse Heftromanperlen zusammen getragen.

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