Die Vampire und Dirk - Der Vampir-Horror Roman: Die gelbe Villa der Selbstmörder
Der Vampir-Horror-Roman
Die gelbe Villa der Selbstmörder
Die gelbe Villa der Selbstmörder
Mein Senf
Hugh Walker ist wieder da. Seit VHR Nummer 81 hat er nichts mehr von sich hören lassen. Ich habe ihn vermisst. Im September 1972 startete er mit seinem Roman „Vampire unter uns“ die Vampir-Horror Serie des Pabel Verlags. Da war ich gerade mal unschuldige sechs Jahre alt und habe mich vor Jesus mit seiner Dornenkrone und der Leidensmiene in unserer Kirche gefürchtet (zumindest nach Erzählungen meiner Mutter). Den Teufel fand ich wohl irgendwie knuffig, zumindest die Handpuppe aus dem Kasperle-Sortiment. Den Rotgesichtigen ohne Unterbau und seinem schelmischen Lächeln (das Kleidchen und die Hände waren nicht mehr vorhanden) schleppte ich überall mit hin – das Krokodil allerdings auch. Damals konnte ich ja nicht ahnen, dass der sympathische Typ der Höllenfürst war und einen an die Seele möchte. Ich schweife schon wieder ab. Wenn man so will, schließt sich heute zum ersten Mal der Kreis, denn Pabel hat bestimmt nicht unabsichtlich Hugh Walker an die Jubelnummer gelassen. Er hatte die Latte mit seinem Erstling ziemlich hoch gelegt. Vielleicht ein Ansporn für die deutschsprachigen Kollegen und Vorlage für den gewünschten Standard? Zumindest zeigte Pabel damals schon, in welche Richtung ihre Anthologie-Serie gehen sollte. Dazu das grandiose Titelbild von Thole, das bis heute noch nichts von seinem unheimlichen Reiz verloren hat ( das Vampir-Wesen schaut dem Betrachter direkt ins Gesicht) und die stimmungsvollen Innenillus von Franz Berthold. Ein gelungenes VHR-Gesamtpaket.
In der gelben Villa passierte eine Menge. Ich hoffe, ihr habt langsam gelesen. Was für ein unfassbarer Haufen an Informationen und alles schien wichtig zu sein. Ein undankbarer Job für mich, denn ich erzähle ja lieber breit heraus, was aber diesmal sicherlich den Rahmen gesprengt hätte. Gut, dass der Zauberspiegel-Online ganz dem Fan und Amateur gewidmet ist, obwohl manche Beiträge und Artikel hier schon ins Profimäßige hinübergleiten. Der Spaß steht trotzdem immer an erster Stelle. Das ist ja eigentlich Sinn der ganzen Sache und der Grund, warum ich überhaupt mit der Lesereise angefangen habe. Heute kann ich das ja mal erwähnen, denn mit VHR Nummer 100 ist mein gestecktes Ziel erreicht. Klar, es fehlen noch drei Romane (ich bin dran), aber sind wir mal nicht so kleinlich.
Hubert Straßl stauchte auf 63 Seiten zusammen, was auf 120 vielleicht besser ausgesehen hätte. Sehr dicht und in die Tiefe gehend, erzählte er in seinem gewohnt nachdenklichen Stil die Geschichte der Gehrdorfer. Keine Monster ala Vampir oder Werwolf musste diesmal leiden oder sich wie ein Aussätziger vorkommen, gejagt von einem Mob mordlüsterner Menschen ohne Verständnis für dämonische Minderheiten. Diesmal waren die Menschen selber die Gejagten – zu recht. Wer sogar seinen eigenen Nachwuchs preisgibt, nur um sein Leben um ein paar Jahrhunderte zu verlängern, hat es verdient, in einem Roman von Hugh Walker die Pest an den Hals gewünscht zu bekommen. Die Schweine... Okay, die Gehrdorfer waren eine verschlossene Gemeinschaft und da kommt es schon mal vor, dass man sich im Kreis befruchtet und irgendwann alle die Blutgruppe I haben. Das befürchtete auch Willie Wenzel.
Der Autor ließ am Ende kein gutes Haar an seinen Artgenossen – was auf gefühlten zehn Seiten vielleicht ein wenig too much rüber kam. Ist aber, mal wieder, Geschmacksache und Tagesform.
Kann auch einfach sein, dass nach fast hundert Nummern „Vampire und Dirk“ mein Mitgefühl ein wenig auf der Strecke geblieben ist. Man wiederholt sich ja doch recht oft und stumpft, ich merke diese Erscheinung in letzter Zeit gelegentlich, etwas ab. Soll jetzt aber nicht heißen, dass VHR 100 langweilig war. Eventuell ein wenig zu nachdenklich und einen Ticken anspruchsvoller als bei den Kollegen. Ein Feierabendleser mit Frühschicht und latenten Stimmungsschwankungen könnte an seine Grenzen gestoßen sein. Man musste schon wirklich aufpassen, um der Story zu folgen und gerecht zu werden, denn bei näherer Betrachtung war der Roman erneut ein Meisterwerk von Hugh Walker - nur mit leiseren Tönen als sonst. Wer auf monstermäßige Kloppereien mit fliegenden Gegenständen aus geweihtem Silber stand, bekam diesmal nur einen lahmen Löffel voll Okkultismus mit einem Tupfer Parapsychologie geboten. Jenseits von Seite vierzig nahm der Roman dann ein wenig an Geschwindigkeit zu. Die Bullen tauchten auf. Von der Macht, die hinter den Gehrdorfern steckte, erfuhr der Leser aber wenig bis gar nix. Noch nicht mal der oben erwähnte Teufel spielte eine Rolle. Egal, denn die Atmosphäre machte alles wieder wett. Hugh Walker Nummern sind immer etwas besonderes und der Leser kann froh sein, dass der Mann für 1,20 DM an der Bude hing... bzw. seine Romane. Hatte sich der Leser/die Leserin nicht mehr Okkultismus und Esoterik gewünscht? Wer hätte diesen Wunsch besser umsetzen können als Walker. Okay, da gab es noch ein paar andere.
Manchmal kommt mir seine Schreibe wie ein Stück von Debussy vor (vielleicht Clair de Lune), dem man ja den Übergang von der Klassik in die Moderne zuschreibt – zumindest zum Teil. Auch Straßl benutzt klassische Elemente und pflanzt sie in die moderne Welt. Hexen, Vampire, Werwölfe und jetzt Menschen. Da kommen einige Bestien zusammen. Vom moralischen her, waren die zuletzt genannten die Schlimmsten. Zumindest im heutigen Roman. Der Geist von Anna sann, berechtigt, auf Rache und hat keine Ruhe im Jenseits gefunden. Das Medium Klara lieh ihr dafür ihren Körper und kam, als Nebenerscheinung, aus ihrem langjährigen Stimmungstief. Eine win-win-Situation wenn man so möchte. Hans Feller war der eigentliche Profiteur und bekam am Schluss seine Angeschmachtete. Hans Feller ist/war übrigens eine real existierende Person aus Straßl´s Bekanntenkreis, der tatsächlich so eine Art praktizierender Geisterjäger war und in Wiener Spukhäusern auf die Jagd nach Geistern ging. Walker hat ihn wohl auch mal begleitet und wer weiß, was die zwei so entdeckt haben. Schön, dass Feller, der Ich-Erzähler und Protagonist des Romans, nicht als Überheld dargestellt wurde. Hätte auch nicht zu einem Straßl Roman gepasst.
Seine Stärke, neben anderen, waren sicherlich auch die Charakterstudien. Der spleenige Zeitungsmann Schwaberl, der ungläubige Oberinspektor Berger, die zarte Karla – alles Menschen mit eigenen Geschichten und Eigenarten. Das muss man erst mal auf 63 Seiten unterbringen. Hugh Walker hatte damit keine Probleme. Da gab es Geisterjäger, die nach etlichen Nummern immer noch blass bis transparent wirkten. Trotz aller Ruhe und Gelassenheit, hatte Feller seine liebe Not mit seinen Mitstreitern, denn wie bringt man Menschen, die fest mit ihrem Glauben in der Realität stehen, die Sache mit der Geisterwelt bei? Als Kirchenmann sicherlich kein Problem, aber als praktizierender Parapsychologe hat man da bestimmt einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Watt ich nich seh, glaub ich auch nich... Da hat das menschliche Gehirn irgendwie eine Barriere eingebaut über die man nur sehr schwer rüber kann - und wer weiß, wofür das gut ist. Mehr als Vermutungen über das Jenseits und ein paar wage Erkenntnisse über das „Leben danach“ , gibt es nicht. Hubert Straßl scheint da schon ein Stück weiter gewesen zu sein.
Eine Ungereimtheit gab es dennoch: Wer war Ernst? Eigentlich gab es ja nur zwei Side-Kicks des Geisterjägers, Willie Wenzel und Kurt Vlatschek. Da war ein Ernst eindeutig zu viel. Kann mal passieren. Da fällt mir ein alter Kalauer ein: Bei uns heißen sie alle Willie, außer Kurt – der heißt Ernst. Egal, vielleicht ist mir auch jemand durch die Lappen gegangen. Goodie´s gab es zu Pabels Jubelnummer leider nicht. Schade, ich hätte mich über einen Aufkleber oder zumindest über ein paar Seiten mehr gefreut. Ein paar Stimmen aus der Redaktion oder die Rückkehr von Franz Berthold wären auch nicht schlecht gewesen. So kam Band 100 leider etwas bescheiden rüber.
Was gab es sonst noch?Nein, Tholes Titelbild ist keine Werbung für die Bettenabteilung von IKEA, sondern gibt die Stimmung rund um die Villa, bei aufziehendem Gewitter wenn das Böse kommt, wunderbar wieder. Düster und drohend steht das Haus auf dem Hügel und schaut auf seine (ehemaligen)Bewohner hinab. Dieses Szenario kann einem schon ein wenig die Lust auf so eine schmucke Villa verhageln - sollte man eventuell Kaufabsichten haben. Sicherlich kein Bild, das ein Makler für Werbezwecke benutzen würde.
Die VAMPIR-INFORMIERT Seiten mutieren in letzter Zeit zu einem richtigen Leserforum. Auch in dieser Hinsicht dürfte Pabel, zumindest im Bereich Grusel, der Vorreiter gewesen sein. Die Redaktion, ich schätze mal Kurt Luif und Ernst Vlcek, gaben sich große Mühe, die Leser bei der Stange zu halten und druckten auch kritische Leserbriefe ab. Naja. Zumindest gibt es nicht diese unerträglichen Jubelarien wie bei Sinclair zu meiner Zeit (1-200 ca.). Heute gab es übrigens diese berühmte Beschwerde einer Leserin, die mit den weiblichen Nackten (ihrer Meinung nach auf jedem Titelbild) ein wenig haderte. Die Redaktion ließ auf Thole nichts kommen und konterte mit der Aussage, dass seine Nackten die schönsten sind. Yep, sehe ich auch so.
Mit dem nächsten Vampir Roman betritt Günter Dönges die Pabel-Bühne. Der Mann konnte schreiben und blieb dem VHR auch einige Zeit treu. Seine Ratten-Romane sind mir gut in Erinnerung geblieben, denn die hatte ich auf Empfehlung eines Freundes gelesen. Freue mich auf nochmaligen Genuss. Zufällig habe ich „Die Ratten kommen“ (VHR 101) noch hier rumliegen.
Wie es mit „Vampire und Dirk“ weitergeht? Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Einerseits wiederholen sich die Themen doch ziemlich oft und irgendwann kann man auch seinem eigenen Ausstoß/Sprachgebrauch nichts mehr abgewinnen. Man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. andererseits bin eh schon drüber hinaus. Die richtig guten Knaller bei den VHR sind eigentlich auch schon dran gewesen – nicht nur die französischen Übersetzungen. Ein paar Perlen werden aber noch kommen. Vielleicht sollte man diese Romane, zumindest bis zur Nummer 200, herausfiltern.
Kommentare
Dönges war ja beim DK eher nicht so beliebt. Von daher bin ich gespannt, wie dir VHR 101 heutzutage gefällt...
Mal ehrlich gesagt hätte Walker über die Figur und seinem (geliebten) weiblichen Medium ruhig mehr schreiben können, da mir die Konstellation durchaus gefällt (ähnlich wie die HANDYMAN JACK Romane von F. Paul Wilson oder ähnlich gelagerte Buchreihen). Aber davon mal ab stand Hugh Walker eh immer etwas über den "normalen" Autoren aus dem Heftromanbereich und hätte sicherlich besser zwischen zwei schöne Buchdeckel mit erfolgreicher Auflagenzahl gepasst.
Aber hey ... warum sich langsam um ein Ende deiner VHR-Artikel Gedanken machen? Da ich eh damals nie einen der Vampir-Romane von Pabel in Händen gehalten hatte, freue ich mich eigentlich ständig, wenn du hier wieder einen der Romane behandelst.
Zu "Ernst": Der Vlatschek hört sich sehr nach Vlcek an - und der hieß Ernst. Wahrscheinlich der Realname der Vorlagenperson.
# Cartwing: Stimmt, Dönges/Carson war beim Däki immer eine Spur dröge, aber an seine Rattenromane kann ich mich noch positiv erinnern. Ist aber auch schon länger her.
# Laurin: Habe deinen klasse Artikel über "Der Okkultist" damals auch gelesen. Wer den noch nicht kennt - es lohnt sich.
Klara und Feller waren schon ein tolles Gespann. Mal auf die ruhigere Art. Die VHR Reihe war für mich auch meistens Neuland. Wenn überhaupt, habe ich 40 Romane damals gelesen, der Rest staubte vor sich hin.
#Advok: Da könnte ein Schuh draus werden.