Eine ganz besondere Liebesgeschichte - Zombie World - Zum Fressen gern von Kelley Jones
Eine ganz besondere Liebesgeschichte
»Zombie World - Zum Fressen gern« von Kelley Jones
Er stellt einen Zombie in seinem Garten und erkennt seine große Liebe Marie in dem Monster. Er bringt es nicht übers Herz, sie vollständig zu töten und kettet sie in seinem Keller an einen Pfahl.
Voller Hunger auf Menschenfleisch giert Marie auf Kyle und ihm kommt eine Idee. So macht er Jagd auf Überlebende und verfüttert sie an Marie. Schnell lernt er, dass die Opfer nicht tot sein dürfen. Marie bevorzugt lebendige Nahrung.
In der nächsten Zeit richten sich die beiden in ihrem neuen Leben ein. Kyle geht auf die Jagd nach neuer Nahrung und Marie wartet hungrig im Keller. Insbesondere nachdem sie gefressen hat, wird Marie etwas zugänglicher. Das sind die Momente, in denen Kyle ihr emotional immer näherkommt und sie Zeit miteinander verbringen, als wären sie ein ganz gewöhnliches Liebespaar.
Schließlich ist der Punkt erreicht, an dem Kyle die Beziehung vertiefen möchte. Er eilt ins Zimmer seiner Mutter und nimmt einen ihrer Ringe, um ihn Marie auf den Finger zu streifen. In diesem Augenblick wandelt eine große Schar Untoter an dem Haus vorbei. Marie könnte sich bemerkbar machen und Kyle wäre verloren. Sie tut es aber nicht.
Von Emotionen und Dankbarkeit überwältigt fallen sich Kyle und Marie in die Arme und geben sich dem Liebesspiel hin. Nach dem Akt hat Kyle eine Überraschung für sie. In einem Fass hat er zwei siamesische Zwillinge gesperrt, die er Marie zur Feier des Tages zum Fressen gibt. Kyle möchte Marie besonders nahe sein und probiert ebenfalls von dem leckeren Mahl.
Fazit
Kelley Jones hat als Zeichner bereits für unzählige Projekte im Comicbereich gearbeitet. Vor allem seine Arbeiten für Batman dürften dem breiteren Publikum ein Begriff sein. Seine verträumten und ausufernden Zeichnungen haben einen hohen Wiedererkennungswert, können die Leserschaft aber auch spalten. Die spitzen Ohren eines Batman sind da nicht jedermanns Sache.
Der US-Comic-Verlag Dark Horse veröffentlichte in der Reihe Zombie World Geschichten verschiedener Autoren, die sich mit den fressenden Monstern beschäftigen. Kelly Jones` Beitrag „zum fressen gern“ ist ein One-Shot, der in Deutschland vom Verlag Extrem Erfolgreich Enterprises (EEE) veröffentlicht wurde. Kein geringerer als Bela B. Felsenheimer, Schlagzeuger und Sänger der Band Die Ärzte, gründete mit seinem Kumpel Scharwel EEE im Jahr 1996. Sie wollten Horrorcomics veröffentlichen, die bei den großen Mainstreamverlagen keine Berücksichtigung gefunden haben. So sind die Ausgaben von EEE in der Regel auch erst ab 18 Jahren erhältlich. Einige kleine Perlen wie Gunfighters from hell oder Faust sind dort erschienen und einige Hellboybände, die nun bei Cross Cult veröffentlicht werden. Leider konnte sich das Programm nicht am Markt durchsetzen, so dass EEE im Jahr 2006 seine Pforten wieder schließen musste.
Mit der vorliegenden Ausgabe erwartet den Leser eine ganz besondere Liebesgeschichte. Kyle schwärmt für die hübsche Marie aus der Nachbarschaft. Der schüchterne Junge traut sich allerdings nicht, seine Herzensdame direkt anzusprechen. Er nutzt tägliche, kurze Begegnungen, um ihr hinterher zu schmachten.
Die einsetzende Zombieapocalypse verändert alles. Kyle kann die zum Zombie gewandelte Marie in seinem Keller festsetzen. Nun endlich hat er seine Angebetete für sich allein. Kyle ist nicht so naiv zu glauben, dass sie ihn nicht fressen würde, hätte sie die Wahl. Trotzdem versucht er mit ihr einen halbwegs geregelten Tagesablauf zu gestalten, wie es jedes andere Paar es ebenfalls versucht. Und das wirkt insgesamt sehr skurril und lustig.
Da sind beispielsweise die gemeinsamen Fernsehabende auf dem Sofa. Er isst Popcorn und sie knabbert an einem Menschenknochen. Er macht Fotos mit seiner Schnellbildkamera, um die gemeinsame Zeit festzuhalten. Man könnte meinen, wir lesen hier eine ganz normale Liebesgeschichte, wäre Marie nicht eine Untote.
Wir erleben die Ereignisse aus der Perspektive Kyle`s und dürfen an seinen Gedankengängen teilhaben. Ihm ist bewusst, dass Marie ein Zombie ist und dass sie eine Gefahr für ihn darstellt. Trotzdem verliebt er sich immer weiter in sie und versucht die Bindung zu festigen. Aber auch an Marie scheint das nicht spurlos vorbei zu gehen. Sie hat die Möglichkeit durch eine anrückende Zombiehorde auf sich aufmerksam zu machen und Kyle in Schwierigkeiten zu bringen. Sie unterlässt es aber und schaut ihn mit einem verklärten Blick an. Obwohl sie zu einer Untoten wurde, konnte sie sich in Kyle verlieben. Die Zombieliteratur ist voll von Geschichten, in denen die Untoten Tätigkeiten und Verhaltensweisen weiter imitieren, die sie zu Lebzeiten ausgeführt haben. Jones geht noch einen Schritt weiter und attestiert ihnen einen verbleibenden Rest ihrer Menschlichkeit. Das mündet schließlich darin, dass es zu einem sexuellen Kontakt zwischen Kyle und dem Zombie kommt.
Kyle erkennt, dass Marie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf ihn zubewegt hat. Nun müsse er auch einen Schritt auf sie zugehen und entschließt sich, die siamesischen Zwillinge zusammen mit ihr zu verspeisen. Die Gedankengänge von Kyle, die zu dieser Entscheidung führen sind ziemlich morbide auch wieder sehr lustig. Kelley Jones hat da einen sehr guten Ton getroffen.
Jones wählt stellenweise sehr drastische Bilder, um seine Geschichte zu erzählen. Der Verkauf nur an Erwachsene ist mehr als gerechtfertigt. Die Gefühle der Protagonisten sind in den Gesichtern deutlich erkennbar. Vor allem die Blicke der Opfer Kyle`s lassen das grausame Schicksal der Personen erahnen, als Marie In deftigen Splatterszenen ihre Opfer verspeist.
Das ist alles nichts für zartbesaitete Nerven und doch ist Kelly Jones hier ein wahres Wunderwerk gelungen. Es ist schwer zu entscheiden, welche Seite diesem Artikel als Scan angehängt werden soll, denn jedes Panel und jede Seite ist ein kleines Kunstwerk für sich. Für die vorliegende Ausgabe von EEE hat Jones sogar noch das Cover exklusiv angefertigt, welches ebenfalls ein Hingucker ist.
Es gibt Comics, die legen den Schwerpunkt auf die Zeichnungen. Andere rücken die Geschichte und die Charaktere in den Vordergrund. Kelley Jones gelingt es, alle Seiten wunderbar zu vereinen und eine in sich stimmige Komposition von Wort und Bild zu erschaffen. Eine bitterböse Geschichte, die wirklich Spaß macht.
Zombie World: Zum Fressen gern