Der erste deutsche Superheld - Captain Berlin 1
Der erste deutsche Superheld
Captain Berlin 1
1982 erblickt Captain Berlin das Licht der Welt in Form eines 10-Minuten-Kurzfilms. Autor und Regisseur Jörg Buttgereit hat darin gleich die Hauptrolle seines Helden übernommen. In der Rolle eines ferngesteuerten Mutanten findet sich der zu dieser Zeit noch unbekannte Bela B. Felsenheimer, der mit der Band Die Ärzte zwei Jahre später ein erstes Album rausbringen wird und zu Berühmtheit gelangen wird. Die Affinität Felsenheimers zu Comicstoffen wird schon früh erkennbar und wird später dazu führen, dass er seinen eigenen Comicverlag „Extrem Erfolgreich Enterprises“ gründet.
Jörg Buttgereit ist seit den frühen 80er Jahren als Regisseur und Autor in Film, Theater und Hörspiel tätig. Einen ersten Bekanntheitsgrad erlangte er mit dem Horrorfilm Necromantik, in dem ein nekrophiler Mann eine Dreiecksbeziehung mit seiner Freundin und einer Leiche beginnt. Buttgereits Arbeiten sind oft Low-Budget-Produktionen mit einem offensichtlichen Hang zum Trash. In Captain Berlin wird dieser Hang offen zelebriert.
In dem Kurzfilm von 1982 „Captain Berlin – Retter der Welt“ entführt der Schurke und Erzfeind des Captains, Mister Synth, die heimliche Liebe des Helden. Und wie es sich für einen kostümierten Superhelden gehört, entreißt er die Schönheit den Klauen des Schurken. Zwei Jahre später darf der Berliner Held noch einmal in einem zweiten Abenteuer antreten und eine Invasion von Außerirdischen in „Captain Berlin gegen Hyxar“ abwenden.
Dann wird es eine ganze Zeit lang ruhig um den Captain. Im Jahr 2006 wendet sich der WDR an Buttgereit, um ein neues Captain-Berlin-Abenteuer zu schaffen. Auf dem Radiosender 1-Live läuft zu dieser Zeit recht erfolgreich das Hörspielformat „Lauschangriff“, in dem zum Teil sehr innovative Stoffe als Hörspiel umgesetzt werden. Buttgereit erhält den Auftrag, für diese Reihe ein Hörspiel um den Captain zu schreiben. So erscheint dann in diesem Jahr das mehrteilige Hörspiel „Captain Berlin vs. Dracula“.
Der Stoff scheint Buttgereit nicht loszulassen und so erhält er im Jahr 2007 die Möglichkeit, das Hörspiel als Theaterstück umzusetzen und in Berlin ein paar Mal aufzuführen. Große Bühnenbilder oder Schauspieler sucht man hier vergebens, aber so war es ja auch nicht gedacht. Thilo Gosejohann (der Bruder von Simon) filmt das Stück und bringt es im Jahr 2009 als DVD heraus. Gosejohann hat die Filmversion noch ein bisschen mit Effekten aufgepeppt, so dass ein Mix aus Film und Theaterstück entsteht. Der Titel für das Stück wurde für die DVD in „Captain Berlin vs. Hitler“ umbenannt, was dem Inhalt der Geschichte auch sehr viel näherkommt. Der Captain tritt darin gegen einen wiedererwachten Adolf Hitler an. Buttgereit hat für die Veröffentlichung der DVD noch eine Idee. Ihr liegt ein Comic bei, in dem auf 8 Seiten die Vorgeschichte des Stückes erzählt wird. In „Operation Untergang“ trifft der Held das erste Mal auf den Gröfaz und der Leser erfährt, was sich am 20. Juli 1944 wirklich in der Wolfsschanze zugetragen hat. Für die Umsetzung dieser Comicgeschichte hat sich Buttgereit mit Levin Kurio und Rainer F. Engel zusammengetan. Jetzt ist der Captain nicht mehr wegzudenken und es kommt, wie es kommen muss. 2013 erfolgt der Startschuss zur Comicserie Captain Berlin im Weissblechverlag und bis heute erscheinen jährlich 2-3 neue Ausgaben.
2020 jährt sich der Tag der Tag der deutschen Einheit zum 30. Mal und es ist Zeit, die Wahrheit über die Ereignisse zu berichten, die zum Fall der Berliner Mauer führten. Im Hörspiel „Captain Berlin und die wirklich wahre Geschichte vom Mauerfall“ berichtet Jörg Buttgereit in einer weiteren Arbeit für den WDR über die damaligen Ereignisse.
Im ersten Band der Serie Captain Berlin sind zwei Abenteuer mit dem Helden zu finden:
Captain Berlin – Operation Untergang
Am 20. Juli 1944 trifft Hitler sich mit seinen führenden Generälen zur Lagebesprechung in der Wolfsschanze, als plötzlich die Wand explodiert. Es ist Captain Berlin, der durch die Wand in den Bunker mit seinem gezogenen Ultrarevolver einsteigt. Es gelingt dem Captain die anwesenden Soldaten niederzuringen und Hitler festzunehmen.
Hitler versucht noch den Helden umzustimmen und ihn freizulassen. Aber alles Flehen hilft nichts, denn der Diktator soll dem Völkerbund übergeben werden, damit der für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird. Der Captain führt den Gröfaz aus den Bunker heraus und will in einem Hubschrauber mit ihm entkommen, da ertönt eine weitere und viel stärkere Explosion. Die beiden hatten nicht bemerkt, dass am Kartentisch eine Tasche mit einer Bombe positioniert wurde, um ein Attentat auf Hitler zu verüben.
Der Captain hält sich bereits an der Aufstiegsleiter des Hubschraubers fest, als die Druckwelle der Explosion ihn mit dem Hubschrauber zusammen wegdrückt. Hitler fällt auf den Boden und bleibt zurück. Ohne es zu wollen, hat Captain Berlin dem Diktator das Leben gerettet, konnte er doch nicht ahnen, dass eine weitere Gruppe versuchte, den Diktator auszuschalten.
Eine weitere Möglichkeit Hitler dingfest zu machen, erhält der Captain nicht. Ein Jahr später ist der Krieg zu Ende und Hitler ist tot. Captain Berlin taucht in Berlin unter und nimmt eine bürgerliche Identität an. Bis heute wacht er über die Sicherheit der Stadt.
Buttgereit und Kurio nutzen den ersten Band, um die bereits existierenden Comicgeschichten um Captain Berlin zu veröffentlichen. Den Auftakt macht die 8-Seitige Geschichte „Operation Untergang“, die der DVD „Captain Berlin vs. Hitler“ beilag.
Nun erfährt die Menschheit die Wahrheit über das Attentat vom 20. Juli 1944. Stauffenberg und seine Leute wären erfolgreich gewesen, wenn sie sich mit Captain Berlin und seinen Gefährten abgestimmt hätten. So wird der Captain zu einem tragischen Helden, denn er führt den Diktator aus den Bunker heraus, um ihn dem Völkerbund zu übergeben. Just in dem Augenblick, als sie den Bunker verlassen haben, geht der Sprengsatz in der Tasche am Kartentisch hoch. Hitler bezeichnet den Captain zwar noch als seinen größten Feind, betrachtet ihn aber auch als Teil der Vorhersehung, die ihm das Leben gerettet hat. Captain Berlin selbst ist völlig niedergeschlagen, als er die Tragweite der Ereignisse begreift. Er selbst hat dem Verbrecher unfreiwillig das Leben gerettet und nun geht der Krieg weiter.
Auf der ersten Seite der Geschichte erfährt der Leser in wenigen Sätzen, wie Captain Berlin zu einem mächtigen Helden wurde. Nach der Machtergreifung Hitlers begannen Wissenschaftler im Untergrund nach einem Serum zu forschen, das aus einem Menschen einen Superhelden machen sollte. Dieser Supersoldat sollte ein Attentat auf Hitler verüben. Sie waren erfolgreich und nannten ihre Schöpfung Captain Berlin.
Nach dem Krieg ist Hitler tot und der eigentliche Auftrag des Captains ist erfüllt. Trotzdem wird er fortan in Berlin leben und seine Kräfte in die Dienste der Gerechtigkeit stellen.
Captain Berlin gegen Fukuda
Beim Reaktorunfall in Fukushima wird Radioaktivität freigesetzt, die Auswirkungen auf die Meeresfauna haben. Dort entstehen kleine Monstrositäten, die in die Fischernetze gelangen und mit dem Fangfisch mit verkauft werden. So gelangen die kleinen Tierchen nach Berlin und verderben manch Fischesser den Appetit.
Eines der kleinen Monster gelangt in die Kanalisation und wächst dort langsam heran. Nach einiger Zeit verschwinden in der Stadt Menschen. Captain Berlin begibt sich auf die Spur der Verschwundenen und gelangt schließlich zu dem Monster in die Kanalisation, das die verschwundenen Menschen als Nahrung verspeist hat.
Der Captain unterliegt in einem direkten Kampf, denn das Monster ist sehr viel größer als er. Ein Wissenschaftler der Stadt hat die rettende Idee. Der Captain müsse sich ebenfalls der Strahlung des Reaktors aussetzen und könne so mit der Bestie in punkto Größe und Stärke gleichziehen.
Der Superheld begibt sich nach Fukushima und verbringt dort drei volle Tage. Danach ist sein Körper aufgrund der Strahlung angewachsen. Er kehrt nach Berlin zurück und stellt sich dem Monster wiederholt zum Kampf. Nach einem kurzen Schlagabtausch tötet er das Monster. Der Captain war zwar erfolgreich, hat jetzt aber ein weiteres Problem: Wie kommt er wieder auf die normale Körpergröße zurück?
Martin Trafford hat in der vorliegenden Geschichte Buttgereits Hörspiel „Die Bestie von Fukushima“ in ein Captain Berlin Abenteuer umgearbeitet. Das Originalhörspiel wurde ebenfalls für den WDR produziert und dort auf Radio 1-Live in der Reihe 1-Live-Krimi veröffentlicht.
Der Captain tritt gegen ein radioaktives Monster an. Die Geschichte ist eine Hommage an die alten Godzilla-Filme, in der Riesenmonster Städte verwüstet haben. Captain Berlin trifft die wirklich dumme Entscheidung, sich selbst der Radioaktivität auszusetzen. Er kann die Bestie zwar besiegen, weiß aber zum Schluss nicht, wie er wieder auf seine normale Körpergröße kommen kann. Das Ganze ist sehr lustig und persifliert die unbekümmerte Vorgehensweise vieler Superhelden.
Bei dem Namen Fukuda handelt es sich um ein Wortspiel. Zum einen weißt es auf Fukushima hin und zum anderen auf Jun Fukuda. Fukuda war ein japanischer Regisseur, der Godzilla-Filme für ein jugendliches Publikum gedreht hat.
„Captain Berlin gegen Fukuda“ ist wie die erste Geschichte nicht für dieses Heft entwickelt worden. Es ist vorab als Webcomic erschienen und wird in dieser Ausgabe erstmals als Printversion veröffentlicht. Ab der zweiten Ausgabe erscheinen dann völlig neue Geschichten.
Captain Berlin 1