Gier und mal wieder Charon - Hammerharte Horror Schocker 16
Gier und mal wieder Charon
Hammerharte Horror Schocker 16
Der lebende Friedhof
Die Strack GmbH will in einer kleinen Stadt auf einer Anzahl von Grundstücken eine Industrieanlage errichten. Im Gemeinderat ist man höchst erfreut darüber, da deren Mitglieder die Besitzer der ansonsten wertlosen Grundstücke sind, die mit Gewinn an die Strack GmbH verkauft werden können. Allerdings benötigt das Unternehmen die Fläche des angrenzenden Friedhofes, da die Größe der angepeilten Grundstücke allein nicht ausreicht.
Da hat der Bürgermeister die rettende Idee: Der Friedhof wird verlegt. Damit es nicht zu Protesten aus der Bevölkerung kommt, werden Gründe zum Umweltschutz vorgeschoben. Mit dem örtlichen Leichenbestatter bespricht er die Einzelheiten und auch der will aus der Angelegenheit noch einen Profit herausschlagen. So kommen die beiden überein, dass zur Kostenersparnis nur die Grabsteine verlegt werden, nicht aber die Gebeine. Die sollen auf der Müllverbrennungsanlage entsorgt werden.
Was niemand ahnt ist, dass die Gebeine der Toten ein Eigenleben führen und miteinander kommunizieren. Als sie von den Bauarbeitern ausgegraben und in Müllsäcke verpackt werden, schließen sie sich in der folgenden Nacht allesamt zu einem großen Organismus zusammen. Das Wesen bewegt sich auf das Haus des Bestatters zu, um Rache wegen der Ausgrabungen zu nehmen. Das Wesen lässt allerdings von dem Bestatter und dem ebenfalls anwesenden Bürgermeister ab, denn auch sie werden irgendwann sterben. Dann werden sie auf einem Friedhof liegen und ebenfalls Abfall für die Sterblichen sein. Das Wesen zieht sich in den Wald zurück, nicht wissend, wo sich die Gebeine zur ewigen Ruhe niederlegen können.
Autor und Zeichner Levin Kurio legt eine Geschichte in gewohnt guten Zeichnungen vor, in der die Gier der Menschen die Ruhe der Toten stört. Die Story arbeitet auf ein Ende hin, funktioniert aber auf verschiedenen Ebenen.
Die erste Ebene ist die der Menschen in der Kleinstadt. Es besteht ein Kleinstadtklüngel unter den politisch verantwortlichen, der seines gleichen sucht. Jeder ist auf seinen Vorteil bedacht und in geheimen Hinterzimmern werden die kleinen Abmachungen getroffen, der allen beteiligten ordentlich Geld in die Taschen spülen lässt. Selbst der Leichenbestatter kann seinen Gewinn maximieren, in dem er die Gebeine der Toten einfach verschwinden lassen will.
Die nächste Ebene ist die der Toten. Sie sind verstorben und einige von Ihnen liegen bereits seit Jahrhunderten in ihren Gräbern. Die Seelen der Toten kommunizieren untereinander und bekommen mit, wenn sich ihre Angehörigen und Freunde an ihr Grab stellen. Mit der Räumung des Friedhofes gerät die jahrhundertealte Ordnung der Toten außer Fugen. Ihre Gebeine sollen nicht einmal auf den neuen Friedhof des Ortes verlagert werden, sie sollen auf der Müllverbrennungsanlage entsorgt werden. Wie entsorgter Abfall liegen ihre Knochen am Rande der Baustelle und kein Mensch hört ihr Flehen, sie an einen neuen Ort zu bringen, wo sie wieder ihre Totenruhe finden können. Da schließen die Toten einen gemeinsamen Entschluss und wollen die Sache selbst in die Hand nehmen. Alle bereits ausgegrabenen und noch begrabenen Gebeine verbinden sich zu einem riesigen Wesen und stürmen auf das Haus des Leichenbestatters zu, der dort mit dem Bürgermeister die gemeinsame Tat feiert.
Im letzten Augenblick hält das Wesen ein und tötet die beiden nicht für ihre Verbrechen, denn all ihr Geld wird sie nicht davor schützen, irgendwann selbst in dieser Lage zu sein, nämlich Abfall in den Augen der Menschen.
Die Geschichte endet, in dem das Wesen in einem Waldstück sitzt und keinen Ort der Ruhe findet. Niemand will die Gebeine der Toten haben.
Die Mine des Holländers
In der unberührten Natur Alaskas vermuten verschiedene Unternehmen große Vorkommen an Bodenschätzen. Heimlich schicken sie als Wanderer getarnte Prospektoren in die Wildnis, um mögliche Vorkommen auszumachen.
Zwei dieser Spione erreichen eine Hütte, die auf den ersten Blick verlassen scheint. Ein alter Mann tritt aus dem Hintergrund heraus und erkennt sofort die wahren Absichten der beiden, denn er selbst ist nach eigener Auskunft ebenfalls seit `89 erfolglos auf der Suche nach wertvollen Bodenschätzen in dieser Gegend unterwegs. Er verjagt die beiden Männer, doch diese verfolgen den Greis heimlich, als er wenige Zeit später aus seiner Hütte zu einer alten Mine aufbricht. In der Mine finden die beiden eine Goldader und nehmen eine Probe.
Sie kehren zu der Hütte des alten Mannes zurück und durchsuchen sie nach weiterem Gold. In dem verdrecktem und verlassen wirkenden Raum finden sie im Bett die verweste Leiche des alten Mannes. Der Kalender datiert auf das Jahr 1889. Die Goldprobe aus der Mine ist derweil zu Staub verfallen. Voller Panik verlassen die beiden Männer die Hütte, um nie wieder zurück zu kehren. Im Dickicht versteckt beobachtet der Geist des Mannes die Flucht der beiden und ist zufrieden. Nun kann er wieder auf die Suche nach Gold gehen, die bis in alle Ewigkeiten andauern wird.
In der zweiten Geschichte dieses Heftes spielt das Thema Gier wieder eine Rolle. Dieses Mal verschlägt es zwei Männer in die unberührte Wildnis nach Alaska, um im Auftrag großer Minen- und Ölgesellschaften nach Bodenschätzen zu suchen. Die ganze Angelegenheit darf natürlich nicht publik werden, denn man will nicht die Aufmerksamkeit der Einwohner oder irgendwelche Umweltgruppen erwecken. Das Thema ist aktueller denn je. Die Geschichte wurde im Jahr 2008 veröffentlich und jetzt im Jahr 2023 sind in den einsamen Gegenden Alaskas neue Ölfelder zur Erschließung benannt worden. Und das mit ausdrücklicher Unterstützung der US-Regierung.
Die beiden geraten an den alten Goldgräber und sind wie von Sinnen, als sie das vermeintliche Gold in dem Bergwerk entdecken. Zurück in der Hütte finden sie die verweste Leiche des Goldgräbers, der nicht erst 20 Jahre zuvor in dieses Gebiet gekommen ist, sondern 120. Wie die beiden Männer war er damals der Gier nach Gold erlegen und jagt dem Wertmetall sogar noch nach seinem Tod weiter nach.
Die beiden Männer entkommen mit ihrem Leben. Der alte Goldgräber hat die beiden beobachtet und geht nun wieder seiner Tätigkeit nach: Der Suche nach Gold. Die beiden Männer haben das Schicksal des alten Mannes erkannt. Sie wollen nicht bis in alle Ewigkeit einem Hirngespenst hinterherjagen und werden in Zukunft wohl auf die Aufträge der Minen- und Ölgesellschaften verzichten.
Der Seelenweg
Der Fährmann Charon berichtet, wie die Sterbenden nach ihrem Tod in die Ewigkeit gelangen.
Zum Zeitpunkt des Todes beendet der Sensenmann das körperliche Dasein und der Götterbote Hermes geleitet ihre Seelen zum Eingang des Hades. Die Toten passieren das Tor und gelangen über eine weit verzweigte Treppe an die Ufer des Styx.
Dort werden sie von Charon erwartet, der sie gegen einen Obolus an das andere Ufer übersetzt. Einige versuchen den Fluss zu durchschwimmen, werden aber von zahllosen Kreaturen daran gehindert.
Am anderen Ufer werden die Seelen von drei Richtern erwartet. Hier entscheidet sich nun, ob sie in die elysischen Gärten oder in die Unterwelt kommen. Die meisten Menschen sind allerdings nicht nur böse oder nur gut. Sie gelangen als stumme Schatten in die Stadt des Hades und gehen dort ihren Aufgaben nach, die sie schon zu Lebzeiten erledigt haben.
Dieses Mal berichtet uns der Fährmann Charon, welchen Weg wir verstorbenen Menschen vom Zeitpunkt des Todes bis hin zu dem für uns vorgesehenen Platz im Totenreich zu beschreiten haben. Die Ausführungen folgen im Wesentlichen den Beschreibungen aus der griechischen Mythologie und kombinieren die ursprünglichen Ideen mit später entstandenen Vorstellungen. Nach ursprünglicher Auffassung kommen die Toten über den Styx in das Reich des Hades und werden dort zu namenlosen Wesen, und zwar alle Menschen. Diese Vorstellungen wurden später dahingehend erweitert, dass ein Totengericht über die Seelen befand und sie dann in den höllischen Tartaros verbann oder ihnen den Weg in das himmlische Elysion ermöglichte.
Die Geschichten, in denen der Fährmann aus seiner Rolle als Präsentator herausfällt und direkt zum Akteur in der Story wird, haben etwas Besonderes. Zweimal durfte der Leser mit Charon überlegen, wie er sich seiner Aufgabe als Fährmann entledigen kann und in einer weiteren Episode wurde berichtet, wie er zu seiner Tätigkeit gekommen ist. Diese Geschichte erweitert das „Charon-Universum“ um eine kleine neue spannende Episode und es bleibt zu hoffen, dass noch einige folgen.
Autor und Zeichner Levin Kurio erzählt die Geschichte in gewohnt guten Bildern. Für die Tuschezeichnungen hat er sich Adrian vom Baur zur Unterstützung geholt. Adrian vom Baur ist ein Cartoonist und Illustrator. Er lebt in Berlin und hat diverse Comics veröffentlicht und ist in vielen Projekten als Grafiker tätig gewesen. Im Horror-Schocker ist diese Geschichte seine erste Zusammenarbeit mit Levin Kurio.
Hammerharte Horror Schocker 16