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Frauen in der Science Fiction

Frauen in der Science Fiction

(Im Zuge der Artikel über Margaret Cavendish und die Frage, ob sie die erste weibliche SF-Autorin war, entstand mit Petra E. Jörns der Kontakt über Frauen in der SF - und der von ihr geschrieben Gastartikel zu dem Thema)

Obwohl Mary Shelley bereits Anfang der 19. Jahrhunderts mit ihrem Briefroman „Frankenstein“ einen der Archetypen des Science Fiction Genres erschuf – nämlich den künstlichen Menschen -, scheint SF eine Männerdomäne zu sein. Immer noch wird SF mit Technogebabbel in Verbindung gebracht, besteht die Annahme, dass SF zwingend etwas mit Technik zu tun hat. Vielleicht ist das einer der Gründe, weshalb SF in Deutschland immer noch ein Nischendasein fristet.

Weil die deutschen Herausgeber in der Annahme feststecken, dass Leser von SF sich auf männliche Nerds in Pullunder und Birkenstock-Sandalen beschränken. Aber ist dem wirklich so? Beschränkt sich SF wirklich auf Geschichten, die von der Technik dominiert werden?

Eine allgemeingültige Definition von Science Fiction zu finden, fällt schwer. Aber ein Merkmal haben alle SF-Geschichten gemeinsam. Sie handeln von einer möglichen Zukunft, die auf einer Extrapolation der Gegenwart beruht unter der Annahme, dass sich ein wesentliches Merkmal unserer Gegenwart verändert. Oft beruht diese Veränderung auf einer Fortentwicklung der Technologie, sei es die Erfindung überlichtschneller Raumfahrt oder die Entwicklung von Cybertechnologie, um zwei Beispiele zu nennen. Science Fiction kann aber auch die Entwicklung einer neuen Gesellschaftsform beschreiben oder sich auf die gesellschaftlichen Veränderungen konzentrieren, die die Erfindung neuer Technologien zufolge hat. Letztendlich kann eine raumfahrende Zivilisation auch einfach nur als Setting für eine Romanze oder eine Soap dienen.

Wenn das alles unter Science Fiction fällt, ist es schwer zu begreifen, weshalb Science Fiction männlichen Lesern mit Physik-Diplom vorbehalten sein soll. In den USA gibt es längst die recht erfolgreiche Sparte der Spaceromance mit einer treuen weiblichen Leserschaft. Es fällt schwer zu glauben, dass es dafür in Deutschland keinen Markt geben soll. Zudem kann ich als Autorin von SF-Military erkennen, dass meine Bücher auch von vielen jungen Frauen gelesen werden. Vielleicht weil ich in meinen Büchern immer eine Lovestory verstecke und weil die zwischenmenschlichen Beziehungen in ihren vielen Formen trotz der dominierenden Action immer eine Hauptrolle spielen.

Auf die Gesamtheit der SF Autoren betrachtet, gibt es sicher mehr männliche als weibliche Autoren. Schaut man genauer hin, findet man unter den weiblichen SF-Autoren etliche, die herausragend oder für ihre Zeit bahnbrechend waren. Das beginnt mit Mary Shelley und ihrem „Frankenstein“ und führt uns zu Thea von Harbou, die 1925 „Metropolis“ schrieb, das zwei Jahre später von Fritz Lang verfilmt wurde und einer der herausragendsten deutschen SF-Romane darstellt. Dennoch war SF bis Ende des 20. Jahrhunderts eine Männerdomäne, in die erst in den 1960er bis 1980er Jahren weibliche Autoren einbrachen.

Als Beispiele seien hier C.J. Cherryh genannt mit u.a. dem Chanur“-Zyklus, Lois McMaster Bujold mit ihrem „Barrayar“-Zyklus, Kate Wilhelm mit ihren umweltkritischen Werken, Marion Zimmer Bradley mit dem „Darkover“-Zyklus, Ursula K. LeGuin mit ihren politischen Utopien und auch Margaret Atwood mit dem „Handmaid’s Tale“. Betrachtet man sich ihre Werke, so haben sie alle gemein, dass sie nicht technikzentriert sind, sondern sich meist auf Beziehungsgeflechte und gesellschaftliche Konflikte konzentrieren, die aus veränderten Rahmenbedingungen (neue Techniken, veränderte Umwelt, Fruchtbarkeitskrise, Kolonisation neuer Welten usw.) resultieren. Science Fiction ist insofern durchaus mehr als Technogebabbel und mitnichten eine Männerdomäne. Immer mehr Frauen schreiben SF, insbesondere in den letzten fünfzwanzig Jahren hat sich das stark gewandelt, auch in Deutschland.

Auch das Frauenbild, das in SF-Romanen vermittelt wird, hat sich über die Jahrzehnte deutlich gewandelt – von der hübschen Beigabe, die beschützt werden muss, hin zur starken Protagonistin, die ihren Mann steht. Gerade in Film und Fernsehen lässt sich diese Veränderung gut beobachten. So haben wir mit Brie Larson als „Captain Marvel“ und Scarlett Johannson als „Black Widow“ die ersten Protagonistinnen im Superhelden-Genre. Milla Jovovoich beherrscht die „Resident Evil“-Filmreihe, Sigourney Weaver die „Alien“-Filme, um nur einige zu nennen. Frauen sitzen auf den Regiestuhl von SF-Filmen wie „Strange Days“ (Kathryn Bigelow), „Deep Impact“ (Mimi Leder) oder der „Matrix“ Reihe (die Wachowski Schwestern).

Frauen haben sich nicht nur in unserer Gesellschaft emanzipiert, sondern auch in der Literatur und in Film und Fernsehen. Und sie haben auch das SF-Genre erobert. Was jedoch auffällt, ist, dass Frauen bei jeglicher Form von (Literatur-)Preisen immer noch unterrepräsentiert sind. Das mag u.a. daran liegen, dass die Jury der meisten Preise von Männern dominiert werden. In unserer nach wie vor patriarchalisch geprägten Gesellschaft haben diese jedoch einen anderen Blick auf Geschichten als Frauen und da nimmt es nicht Wunder, dass von Frauen geschaffene Literatur oder Filme in männlichen Augen oft verlieren. Denn jeder Mensch ist ein Produkt seiner Sozialisation.

Was mich hoffnungsvoll stimmt, ist, dass sich auch das Männerbild in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Dass die Geschlechterzugehörigkeit immer weniger eine Rolle spielt. So dass es vielleicht nur eine Frage der Zeit ist, bis Frauen und Männer echte Gleichberechtigung erfahren – auch im SF-Genre. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ich bin keine Feministin, aber ich bin der Meinung, dass wir unseren Blick schärfen müssen, damit wir erkennen können, wie sehr auch wir Frauen ein Produkt unserer patriarchalischen Gesellschaft sind. Damit wir uns von diesen Werten befreien können und gleichzeitig begreifen, dass wir trotz alledem anders sind als Männer.

 

 

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