Männer der Zukunft: Clark Darlton
Wer darüber entschied, welche Ausrichtung eine Reihe nehmen sollte und welche Autoren dort aufgenommen wurden, konnte einiges bewegen.
Bei den Serien hingen von der Aufnahme ins Team bzw. von der Entlassung oft ganze Autorenkarrieren ab. Insbesondere bei Perry Rhodan war dies der Fall.
Walter Ernsting, geboren 1920, verbrachte den Zweiten Weltkrieg als Wehrmachtssoldat. Danach war er bis 1952 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, fünf Jahre davon in einem Straflager. Ab 1952 arbeitete er als Dolmetscher für die britische Besatzungsmacht. so kam er in Kontakt mit englischen und amerikanischen SF-Magazinen. Das brachte ihn auf die Idee, diese Werke auch einem breiten deutschen Publikum bekannt zu machen. Er nahm Kontakt mit dem Pabel-Verlag auf und schlug vor, dort eine Reihe herauszubringen, die sich auf Übersetzungen anglo-amerikanischer SF spezialisieren sollte.
Daraus entstand Utopia-Großband. Ernsting fungierte als Herausgeber, Übersetzer und Redakteur. Über die dort erscheinende Leserseite wurden erste Kontakte unter den Fans hergestellt, die letztlich zur Gründung des SFCD führten, wo Ernsting einer der führenden Männer wurde.
Ab 1955 begann er auch selbst zu schreiben. Er wählte das englische Pseudonym Clark Darlton unter anderem, um so bessere Veröffentlichungsmöglichkeiten im Utopia Großband zu erhalten, der ja überwiegend der anglo-amerikanischen SF vorbehalten sein sollte. Er ging sogar so weit, seine ersten Romane mit fingierten englischen Original-Titeln zu versehen und sich selbst als Übersetzer auszugeben. Während der großen Spaltung im Fandom blieb er im SFCD, wo er die Leitung übernahm.
Von großer Bedeutung war seine Entscheidung, den Verlag zu wechseln und fortan bei Moewig zu arbeiten. So richtete er auch bei Terra eine Leser-Seite ein. Bedeutsamer war, dass er sich mit Karl Herbert Scheer, dem Vorsitzenden der konkurrierenden Fan-Gruppe Stellaris zusammentat und beide die Perry Rhodan Serie konzipierten.
Ernstings Rolle dabei war jedoch eher gering. Während Scheer die Rahmenhandlung entwickelte und festlegte sowie die Exposees verfasste, durfte Ernsting die Namen der handelnden Personen bestimmen.
Walter Ernstings Bedeutung ergibt sich insbesondere durch seine Tätigkeit als Herausgeber. Er war der erste, der mit Utopia Großband eine Reihe konzipierte, die sich vorwiegend aus Texten anglo-amerikanischer Autoren rekrutierte. Ausserdem gab er mit dem Utopia-Magazin das erste deutsche SF-Magazin heraus. Im Pabel-Verlag erschienen zwischen 1955 und 1959 26 Ausgaben. mit Infos, Kurzgeschichten und wissenschaftlichen Artikeln. Anfang der sechziger Jahre war er innerhalb der Taschenbuchreihe Heyne SF Herausgeber von Galaxy sowie dem magazin of Fantasy and Science Fiction.
Der SFCD wäre ohne Ernsting wohl kaum entstanden. Hier zeigten sich zum ersten Mal seine guten Kontakte, die zur Einbindung von Forrest Ackermann, Theodor Sturgeon, A.E. van Vogt, der Schauspielerin Brigitte Helm, dem Verleger Erich Pabel und dem Wissenschaftler Heinz Haber führte. Er pflegte auch gute Kontakte zu Hugo Gernsback, was ihm ermöglichte, dass er jahrelang nach eigenem Gusto einen deutschen "Hugo" als SF-Preis verleihen konnte. er selbst zählte übrigens zu den ersten Preisträgern. Neben dem Gütesiegel des SFCD war dies eine weitere Möglichkeit, Einfluß auf die deutsche SF-Produktion nehmen. Seine Kontakte und seine Freundschaft zu Erich von Däniken sind ebenfalls bekannt und fanden auch Niederschlag in seinen Romanen. Seine Rolle im SFCD war aber nicht unumstritten und auch er hatte seinen Anteil an der zeitweiligen Spaltung des Vereins.
Auch wenn er noch etliche Leihbücher verfasste, so erschien doch ein großer Teil seiner Romane zuerst im Heft und später im Taschenbuch. Ein immer wieder von ihm aufgegriffenes Thema war dabei die Zeitreise.
"In hundert Jahren etwa wird das Raumschiff FORTUNA, von einem Raumflug zurückkehrend, durch einen Fehler bei der Transition in die Vergangenheit geworfen und befindet sich plötzlich in unserer Gegenwart. Um wieder in die Zukunft zu gelangen, ist das umgekehrte Experiment notwendig. Doch bis das gelingt, geschehen phantastische und unheimliche Dinge. Ein Mann lebt 18 Jahre, während seine Kameraden nur Sekunden altern.
Dann gelingt die Reise in die Zukunft, die Rückkehr in die eigene Zeit. Doch das erregende Abenteuer gibt den Anlaß zu einem weiteren Versuch, zu einer Expedition in die ferne und fernste Zukunft der Menschheit. Es sind die gleichen Menschen der FORTUNA, die diesen Versuch wagen.
Und diesmal gibt ihnen das Schicksal keine neue Chance. In Raum und Zeit gestrandet erleben die Wagemutigen das phantastische Abenteuer ihres Daseins, hören aus fremdem Mund die Sage ihres längst vergessenen Lebens und der schon lange versunkenen Gegenwart."
11 der Einzelromane bilden einen kleinen Zyklus um das zivile Raumschiff "Hurricane", das immer wieder den Soldaten von der Raumflotte einen Schritt voraus war. In den sechziger Jahre erschienen auch SF-Jugendbücher von ihm.
Viele seiner Werke haben nicht den Umfang einens normalen Heftromans, sondern sind für den Großband oder das Taschenbuch geschrieben.
In der Perry Rhodan Serie hat Ernsting auch bleibende Spuren hinterlassen, obwohl er hier niemals als Exposé-Schreiber gearbeitet hat.
In der Auswahl seiner Figuren drückt sich seine Vorliebe für Zeitreisen aus. Ernst Ellert, Harno und natürlich Gucky sind untrennbar mit seinem Namen verbunden.
Er steht auch für eine Art von Humor, die man bei einem K. H. Scheer vergeblich sucht. Darüber hinaus betreute Ernsting in der Anfangszeit den Perry-Rhodan-Report. Für die Schwesterserie Atlan hat Ernsting ebenfalls etliche Romane verfasst.
Auch für Dragon die erste deutsche Fantasy-Serie hat Ernsting geschrieben und darüberhinaus einige Western veröffentlicht. Ansonsten ist er aber einer der wenigen Autoren, die kaum Romane in anderen Genres verfasst haben.
Ernstings unbestrittenes Verdienst ist es, die Science Fiction in Deuschland hofffähig gemacht zu haben. Er erschloss bei den Verlagen Moewig und Pabel neue Veröffentlichungsmöglichkeiten und sorgte durch den von ihm initiierten SFCD für ein sichtbares Auftreten in der Öffentlichkeit. War er zunächst einer - vielleicht sogar der - Macher in der Szene, fungierte er später mehr als Gallionsfigur für Perry Rhodan und die SF in Deutschland.
Kommentare
Mal eine Frage: Wie stellt sich denn der SFCD im Laufe der Jahre und heute dar? Die häufige Erwähnung in den Artikeln zeigt mir, dass Du dich damit auskennst. Kannst Du mal darüber etwas schreiben? Ich hatte lediglich eine Berührung mit diesem Verein, auf einem Con 1979 in Unterwössen, in dessen Rahmen auch das erste Treffen des Marlos-Clubs statt fand. Die ungeheuer heftigen Streitereien und das pausenlose Drohen mit irgendwelchen Anwälten hatten mich als jungen Fantastik-Fan doch mächtig abgeschreckt, so dass ich mich mit diesem Club nicht wieder befasst habe.
Ansonsten: Weiter so. Mit mir hast Du auf jeden Fall mindestens einen festen Leser.