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Gegenrede: "Nur wo Space-Opera drauf steht, ist auch Space-Opera drin!" - Perry Rhodan 2300 – 2399

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Nur wo Space-Opera drauf steht, ist auch Space-Opera drin!
Perry Rhodan 2300 – 2399 Betrachtungen zum TERRANOVA-Zyklus

Zugegeben, die Idee ist fast schon ein wenig dreist zu nennen: Immer wieder haben Fans sich darüber mokiert, dass Zyklus-Handlungsstränge bei PR gern mal nach einem sich wiederholenden Schema ablaufen: Ein übermächtiger Gegner taucht auf und verbreitet Angst und Schrecken. Über hundert (oder auch mal zweihundert) Hefte wird der Gegner ausgelotet, nach und nach werden neue Technologien entwickelt und am Ende wird der Antagonist besiegt, vertrieben oder befriedet.


Dieser Fankritik hat man sich nicht nur gestellt, sondern diese Vorgehensweise im aktuellen Großzyklus auf fast schon absurd zu nennende Weise auf die Spitze getrieben. Denn diesmal ist der übermächtige Gegner derart übermächtig, dass er schlichtweg nicht zu besiegen ist. Punkt.

Kurzer Exkurs:
Die Terminale Kolonne TRAITOR (Name nur zufällig einem englischen Wort ähnlich, aber griffig) ist eine schier unendliche Einsatzmacht der Chaotarchen. Letztere sind, ebenso wie ihre Gegenspieler, die Kosmokraten, auf dem evolutionären Zwiebelschalenmodell des Perryversums "weiter außen" angesiedelte "übergeordnete" Lebensformen, die Einfluss auf die Geschicke der "Niederungen" nehmen (wie sie unser Universum und dessen parallele Geschwister nennen). Seit Jahrmillionen stehen sich Kosmokraten und Chaotarchen als unversöhnliche Gegner gegenüber. Die einen (angeblich) der Verbreitung der Ordnung verpflichtet, die anderen dem Chaos. Die tatsächlichen Beweggründe müssen einem evolutionär erheblich niedriger angesiedelten Wesen ewig unbegreiflich bleiben. Soll heißen: Im Prinzip sind alle Lebewesen des Multiversums den Spielchen der "hohen Mächte" hilflos ausgeliefert.

Die Chaotarchen wollen nun in der Nachbargalaxis Hangay eine so genannte Negasphäre etablieren, ein Phänomen innerhalb dessen sämtliche Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind. Viel mehr ist über die Negasphäre kaum bekannt, außer vielleicht noch, dass das Entstehen einer solchen für die umliegenden Galaxien - vorsichtig ausgedrückt - "echt schlecht" wäre.

Die Perrypedia schreibt zur Negasphäre:

"Negasphäre
    Eine Negasphäre ist eine kosmische Region, in der keine Informationsübermittlung durch Kosmische Messenger erfolgt, so dass der Moralische Code des Multiversums (der von den Chaotarchen Kodex der Entwicklung genannt wird) nicht greift. Die kosmische Ordnung kann nicht aufrechterhalten werden, und die Negasphäre mutiert zu einem Ort des Chaos und der Willkür. Es existieren keine Naturgesetze, keine Logik und keine Kausalität mehr. So wie der Moralische Code multiversell ist, so besitzt auch eine Negasphäre Zugänge zu anderen Universen. Die Negasphäre von TRIICLE-9 hatte beispielsweise mindestens einen Durchgang nach Tarkan.
Der Kosmokrat Taurec beschrieb die Negasphäre als einen Ort, an dem das Universum zerfällt. Das Ziel dieses Zerfallsprozesses sei das Nichts. Allerdings scheint dies normalerweise Äonen zu dauern – Zeit genug, in der sie auch vernichtet werden kann, wie den Überlegungen des Dualen Kapitäns Zerberoff zu entnehmen ist.
Kintradim Crux beschrieb die Negasphäre einmal als einen Ort, der vordergründig zweidimensional wirkt. Im Inneren dieser Membran besitzt die Negasphäre jedoch n-dimensionale Eigenschaften."
So fallen denn die Truppen der Chaotarchen in Hangay ein, um dort die Negasphäre zu etablieren (wie das geschieht, ist noch unklar und ein Thema der Romane 2400 - 2499) und die Milchstraße wird zu einer so genannten Ressourcengalaxis. Die Terminale Kolonne besetzt die heimatliche Galaxis und erklärt alle Zivilisationen zu Ressourcen; aufgrund der gigantischen Übermacht hat dem niemand etwas entgegenzusetzen.
"Ressource" ist wörtlich zu nehmen. Es soll eine Art gigantisches Spezialraumschiff der Chaotarchen erstehen, ein so genannter Chaotender - mit dem Eigennamen VULTAPHER. Im Innenraum eines solchen Gefährts werden diverse "Kabinette" angesiedelt, alle besetzt mit einzelnen spezialisierten Völkern, auf die der Kommandant des Chaotenders im Zweifelsfall zurückgreifen kann. Benötigt man beispielsweise eine Lösung für ein medizinisches Problem, dann wird im Kabinett mit dem Spezialistenvolk für medizinische Fragen die Eigenzeit erhöht, so dass es zu einer kurzfristigen Lösung kommen kann.
Die maßgeblichen Rassen der Galaxis sind als Besatzungen solcher Kabinette in VULTAPHER vorgesehen.

Uff. So ein grober Abriss.

Zur Handlung kann ich nur sagen: Die Idee, das bemängelte Konzept des übermächtigen Gegners in dieser Form zu "übertreiben", ist schlichtweg brillant, denn nach allem, was bislang beschrieben wurde, ist dieser Antagonist einfach nicht zu besiegen, egal was man aufbietet. Zwar ist es möglich, sich durch kleinere (waffen-)technische Aufrüstungen ein bisschen weniger hilflos zu fühlen, aber auch ein paar vernichtete Einheiten der Kolonne sind noch nicht einmal Nadelstiche für ein Konglomerat mit schier unendlichen Ressourcen in mehreren Universen.

Vor diesem Hintergrund spielen die Romane des TERRANOVA-Subzyklus. Die Protagonisten sind sich dessen bewusst, dass es eigentlich keine Rettung und keinen Widerstand geben kann. Auch wenn die Menschheit Unterstützung von mächtigen Wesenheiten erhält und das Solsystem durch eine Art übergeordneten Schutzschirm eher schlecht als recht vor dem Zugriff TRAITORS geschützt ist, dürfte jedem klar sein, dass das so nicht lange gut gehen kann.

Die Aussichtslosigkeit ist ein zentrales Thema in den Heften 2300 bis 2399, denn auch wenn man sich mit Durchhalteparolen aufrecht hält, weiß doch jeder, dass es nur zu einem Ende mit Schrecken kommen kann, wenn kein Wunder geschieht.

Die Handlung berichtet über technische Fortschritte und eine Solsystem, das sich tatsächlich gegen den Gegner behaupten kann, zeigt uns aber auch das Schicksal eines der ältesten bekannten Völker der PR-Serie: Akon wird von Kolonnen-Geometern in Kabinette zerschnitten und im Hyperraum eingelagert, um in nicht näher benannter Zukunft in VULTAPHER integriert zu werden. Dass das vom Autorenteam so durchgezogen wird, haut einen als langjährigen Leser doch um, denn es zeigt, dass kaum noch etwas sicher ist im Perryversum. Man stellt sich die überaus spannende Frage: Was wird es noch an derart gigantischen Umbrüchen geben? Wie weit wird sich das bekannte Perryversum tatsächlich verändern? Die "Rettung" des Arkon-Systems (die Zivilisation der Arkoniden entstand aus einer Kolonie der Akonen) durch einen technischen Kniff hinterlässt ein mulmiges Gefühl, denn über kurz oder lang wird es Arkon - dem mächtigsten Gegenspieler der Terraner in der Milchstraße - wohl doch an den Kragen gehen.

Immer wieder vielschichtig auch die Auseinandersetzung mit den Völkern, aus denen die Terminale Kolonne besteht: Es wird hier nicht einfach schwarz-weiß gemalt, die Gegenseite wird nicht auf gesichtslose Teufel reduziert, man bekommt es mit Mitgliedern der Hilfsvölker zu tun, die durchaus sympathisch daher kommen und von der Ethik ihrer Handlungen sowie der der Kolonne durchaus überzeugt sind. Klar, es gibt auch "Bösewicht-Völker", wie die unangenehmen Mor'Daer oder die Ganschkaren, aber die werden offenbar bereits seit Äonen für ihre Aufgaben gezüchtet. Auch ist die Vorgehensweise der Kolonnenführung aus menschlicher Sicht alles andere als ethisch zu nennen: Mithilfe eines Parasiten, der so genannten "Kralle des Laboraten", wird sich die Loyalität der Truppen gesichert. Auch die Kolonnen-Motivatoren, semistoffliche Lebewesen mit Suggestor-Fähigkeiten, tun das Ihre dazu.

Ein weiteres Plus für die Terraner ist, dass es innerhalb der Kolonne offenbar Rebellen gibt, die lange Zeit in der Handlung im Dunkel bleiben, aber die der Kolonnenführung offenbar falsche Informationen über die Zustände in der Milchstraße geliefert haben.

Ich schreibe es gerne nochmal: Das alles ist derart überzogen in seiner Gigantomanie, dass man nur erstaunt sein kann, über die Verve, mit der der Exposé-Autor es wagt, dem Leser dies vorzusetzen. Meiner Ansicht nach geht das Konzept perfekt auf: Man fragt sich allenthalben, wie Robert Feldhoff den Schlamassel wieder auflösen will. Und da der Großzyklus bis zum Jubelband 2500 geplant ist, fragt man sich weiterhin, wie er das in den Heften 2400 bis 2499 hinbekommen will. Manch einem mag das alles zu abgehoben und zu unvorstellbar sein, aber Perry Rhodan ist nun einmal Space Opera und die wird dem Leser hier in überreichlicher Weise geboten, wenngleich doch immer die Figuren im Mittelpunkt stehen und wir ihre verzweifelten Aktionen im Angesicht eines unvorstellbar übermächtigen Gegners ebenso verfolgen, wie ihre Bemühungen, nicht allzu sehr über die Sinnlosigkeit ihres Tuns nachzudenken.

Die Handlung beschreibt die Umstände um das Erschaffen und Aufrechterhalten des Schirms um das Solsystem ebenso wie die verzweifelten Versuche, das uralte Sonnentransmittersystem der Lemurer zumindest wieder teilweise in Funktion zu bekommen, um eine Expedition nach Hangay schicken zu können.

Ein ganz zentraler Punkt ist die Entführung von Perry Rhodans Sohn Michael Reginald Rhodan, auch bekannt als Roi Danton: Die lokalen Kommandanten TRAITORS sind so genannte Duale, Chimärenwesen, die mittels perverser Medo-Hightech aus zwei Personen "zusammengebaut" werden. Der Prozess ist selbstverständlich traumatisch und endet oft mit dem Tode des erschaffenen Duals. Klappt die Integration der beiden Wesen jedoch, kommt es zu einer Potenzierung der Fähigkeiten der Einzelwesen und es stellen sich PSI-Kräfte ein. Dennoch leiden die "zusammen gestückelten" Duals in ihren meist nicht zusammen passenden Chimärenkörpern und auch ihre Loyalität wird letztendlich durch Krallen des Laboraten sichergestellt.

Michael Rhodan fällt TRAITOR in die Hände und wird als wichtiger Geheimnisträger der Milchstraße zu einem Dual umfunktioniert: In höchst eindringlich geschilderten Romanen, die die Grenze zum Horror deutlich überschritten, wird dargelegt, was Rhodan junior vor und während der Operation durchlebt. Das waren mit Sicherheit die intensivsten PR-Romane seit Jahren. Entsprechend geschockt auch die Reaktionen vieler Leser. Am Ende steht ein Dual aus einem Mor'Daer und Michael Rhodan, der nun nicht mehr für die Menschheit, sondern für TRAITOR agiert. Ich ertappte mich während des Lesens dieser Handlung des öfteren bei dem Gedanken: "Das machen die doch nicht wirklich?" Doch, sie machten! Ganz großes Kino! Zugegeben, die Auflösung ist verblüffend und ein Kunstgriff, wird aber hier von mir nicht verraten, zumal sie noch gar nicht abschließend bekannt ist.

Mir haben die Romane von 2300 bis 2399 auf jeden Fall riesigen Spaß gemacht. Ausrutscher - sprich: schlechtere Romane - gibt es in jedem Zyklus, meiner Ansicht nach hielten sich diese hier jedoch äußerst im Rahmen, im Großen und Ganzen wurde eine homogene und höchst unterhaltsame Story vor dem Leser ausgebreitet. Die Komplexität des Themas mag den einen oder anderen Leser verschrecken, für mich sind aber gerade diese über Jahrmillionen gespannten kosmischen Zusammenhänge genau das, was die Perry-Rhodan-Serie so faszinierend macht. Tatsächlich ist für jeden etwas dabei: Leser, die wie ich auf Kosmisches stehen, werden ebenso bedient wie diejenigen, die lieber Geschichten um Charaktere erzählt bekommen. Die Mischung macht's und die stimmt bei PR in den letzten hundert Heften.

Ausblick: in 2400 bis 2499 gibt es wohl zwei Hauptebenen: Perry Rhodan fliegt mit einem Spezialschiff und der Hilfe des so genannten "Kontextwandlers" (anderes Wort für Zeitmaschine) 20 Millionen Jahre in die Vergangenheit, um dort die Superintelligenz ARCHETIM zu beobachten. Diese hatte für die Retroversion einer Negasphäre sorgen können und dabei ihre Existenz verloren. Rhodan will wissen, wie eine solche Retroversion zu bewerkstelligen ist.

Arkonide und Rhodan-Freund über Jahrtausende Atlan agiert mit dem kleinen Hangay-Geschwader direkt in der Galaxis, die zur Negasphäre werden soll und in die bereits jetzt mit herkömmlichen Raumfahrzeugen nicht mehr eingedrungen werden kann.

Stoff für jede Menge weitere kurzweilige, spannende und auch abgefahrene gigantomanische Romane um unsere Protagonisten. Ich bin überaus gespannt und freue mich jede Woche auf das neue Heft. Die einzige Gefahr, die ich momentan sehe, ist die, dass die Auflösung allzu profan gerät und die hohen Erwartungen nicht erfüllt. Aber das werden wir sehen, oder besser lesen, und darüber bereits jetzt zu spekulieren, ist mehr als müßig.

Der generische Rhodan-Fan neigt ja bekanntlich zum Nölen und Kritisieren, wie man am Roth'schen Artikel wieder sehen kann, ich jedoch habe an PR 2300 bis 2399 wenig auszusetzen. Und es soll mir keiner mit Logiklöchern kommen. Wie sagen doch gleich die Iren: "To hell with logic, if it interferes with a good story!"
Dieser Fankritik hat man sich nicht nur gestellt, sondern diese Vorgehensweise im aktuellen Großzyklus auf fast schon absurd zu nennende Weise auf die Spitze getrieben. Denn diesmal ist der übermächtige Gegner derart übermächtig, dass er schlichtweg nicht zu besiegen ist. Punkt.


Kommentare  

#1 Cartwing 2008-06-17 09:51
auch wenn dein Artikel schon älter, und der neue Zyklus mittlerweile auch schon fast zur Hälfte rum ist: Mann, das ist PR - Begeisterung pur, und zwar von der ansteckenden Sorte. Für mich war dieser Beitrag einer der Gründe, warum ich meine PR-Müdigkeit überwunden habe und wieder eingestiegen bin. Thanx!
#2 Stefan Holzhauer 2008-06-17 14:23
Danke! :lol: Hat sich's denn wenigstens gelohnt? 8)
#3 Cartwing 2008-06-17 17:22
Auf jeden Fall! PR lesen macht auch - jedenfalls gehts mir so - mehr Spaß, wenn man wirklich Woche für Woche das neue Heft kauft und liest, anstatt sich einen kompletten Zyklus vorzunehmen. Da packt mich dann immer die Ungeduld und ich überfliege die Hefte mehr. Bei der wöchentlichen Dosis kann man das alles - gerade wo es jetzt so komplex und vielschichtig ist - viel besser genießen und auf sich wirken lassen.

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