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Schwert & Magie – Kurt Luifs Geschichte eines Sub-Genres (Teil 2)

Schwert & Magie Liebe Fantasy-Freunde,
(2. Teil)

nachfolgend wollen wir Ihnen eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Fantasy vorstellen, die man nicht übergehen darf, will man nach den Wurzeln der Schwert & Magie suchen. Gemeint ist der erste wichtige Autor in der Geschichte dieses Genres, William Morris (1834 - 1896), den wir in der vorangegangenen Nummer bereits erwähnten und den manche Theoretiker und Historiker der heroischen Fantasy als deren eigentlichen Begründer betrachten.


Er war Utopist, Architekt, Sozialreformer, Dichter, Verleger und bildender Künstler, kurz ein Allrounder. Man hat ihn als den letzten Renaissancemenschen bezeichnet, der sich von der Hässlichkeit der modernen Maschinenwelt abgestoßen fühlte und sich nach der angeblichen Einheit und Einfachheit des Mittelalters zurücksehnte.

William MorrisEr studierte in Oxford Architektur und arbeitete nach Abschluss seines Studiums neun Monate lang bei einem Architekten. Danach beschloss er, sich ganz aufs Malen zu konzentrieren.

Morris war ein kräftiger, athletischer Mann, ein begeisterter Fechter.

1859 heiratete er Jane Burden, und aus dieser Verbindung entstammten zwei Töchter. Sein Familienleben war jedoch alles andere als harmonisch, da seine Frau ein langjähriges Verhältnis mit seinem besten Freund Dante Gabriel Rossetti anknüpfte. Beruflich war er da schon erfolgreicher. Mit einigen Freunden gründete er 1861 eine Firma, die sich auf Innenarchitektur spezialisierte. Das war aber nur ein Teil seiner Aktivitäten.

In den sechziger Jahren begann er mit dem Schreiben und verlegte sich auf ziemlich lange Gedichte. Dann begann er sich für skandinavische Sagas zu interessieren. Mit Hilfe seines Freundes Eirik Magnusson übersetzte er die Völsunga Saga, in der Sigurds Geschichte erzählt wird. 1871 und 1873 besuchte er Island und war von der Insel begeistert. 1874 kam es zum endgültigen Bruch mit seinem Freund Rossetti. 1886 legte er die lange Novelle A DREAM OF 'JOHN BALL vor, die im England des Jahres 1381 spielt. Seine heroischen Fantasy-Romane schrieb er erst in den letzten neun Jahren seines Lebens, von 1888 bis 1896. Er widmete sich diesen Romanen ganz bestimmt nicht, um Geld zu verdienen oder einen Beitrag zur großen Literatur zu leisten. Seine Motive waren ganz einfach: Es machte ihm Spaß, solche phantastischen Romane zu schreiben, die er auch selbst verlegte.

Zwei seiner ersten Romane THE HOUSE OF THE WOLFINGS und THE ROOTS OF THE MOUNTAINS waren historische Romane in der Tradition Scotts. Hier hatte er alle möglichen nordischen Sagen hinein verpackt und auch seine Reisen nach Island verwendet. Im erstgenannten Werk sind die Germanen die Helden. Ihre Gegner, die auch siegen, sind die Römer. Im zweiten ist Face-of-God, ein Nordländer, der Held. Aus diesem Roman hat Howard einiges gelernt, denn eine Passage aus DIE TOCHTER DES FROSTRIESEN ist Morris nachempfunden. Danach schrieb Morris THE GLITTERING PLAIN, das eine Mischung zwischen Scott und Walpole darstellt. Wieder ist ein Nordländer der Held. Hallblithe, dessen Verlobte von Piraten auf die Ilse of Random entführt wird, auf der Riesen hausen. Der Held gelangt ins Land des Glitzerns.

Später schrieb Morris THE WOOD BEYOND THE WORLD und THE WATER OF THE WONDRIUS ISLES.

Sein bester Roman ist zweifellos THE WELL AT WORLD'S END. Er handelt von König Upmeads, dessen vier Söhne in der Fremde ihr Glück suchen. Der Held ist der jüngste Sohn, Ralph, der viele Abenteuer zu bestehen hat. Er wird in den Krieg zwischen den Champions des Dry Trees und der Burg der Four Friths verwickelt und hat mit der Lady of Abundance eine stürmische Liebesaffäre, die aber abrupt endet, als einer ihrer anderen eifersüchtigen Freier sie erschlägt. Als Ralph von dem wunderbaren Brunnen am Ende der Welt hört, macht er sich auf die Suche danach. Er trifft auf den Tyrannen von Utterbol und dessen Frau, die sich den Helden als ihren Galan wünscht. Ralph flieht mit der jungen Frau, die er von früher kennt. Sie gelangen zum Brunnen, trinken von seinem Wasser und werden zu Supermenschen. Auf dem Heimweg werden sie von Schurken überfallen, die aber panikartig Reißaus nehmen, als sie Ralphs Stärke erkennen.

Tolkien-Fans wird es interessieren, dass der Tyrann von Utterbol „Gandolf“ heißt und das Pferd Ralphs „Silverfax“ genannt wird. Kein Wunder, denn so wie viele andere Autoren wurde auch Tolkien von Morris beeinflusst. Bis jetzt – 1980 - wurde keiner von Morris' Romanen ins Deutsche übersetzt.

Die meisten deutschen Fantasy-Fans haben nie etwas von diesem Mann gehört oder gar gelesen, obzwar er ganze Generationen von englischen und amerikanischen Autoren inspirierte. Aber unseren Lesern wollen wir den Trost geben, dass dies vielleicht sogar besser ist, denn seine Werke erscheinen uns heute doch recht langatmig und nur schwer lesbar.

Morris verbrachte seine letzten Jahre in Kelmscott, einem kleinen Dorf an der Themse in der Nähe von Hammersmith. Dort starb er am 6. Oktober 1896.
So viel über den Pionier der Sword & Sorcery.

Bis in einer Woche …

Copyright Kurt Luif, 1980, 2011

Schwert & Magie - NachtragNachtrag von Kurt Luif:
Natürlich gab es dann Übersetzungen:

  • The Well at the World's End (1892, dt. Die Quelle am Ende der Welt 1981)
  • The Wood Beyond the World (1892, dt. Die Zauberin jenseits der Welt 1984)
  • The Storie of the Sundering Flood (1896, dt. Das Reich am Strom 1980)

Diese drei Romane erschienen beim Bastei-Verlag. Zur damaligen Zeit war es undenkbar, in einer Pabel-Serie auf diese Romane hinzuweisen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das damals noch nicht wusste. Ich besitze aber die Bastei-Erstausgabe von "Die Quelle am Ende der Welt" (Fantasy Special 24015, 1981). Ich habe sie dreimal zu lesen angefangen, aber das war nicht meine Welt.
 
Und man findet viel über William Morris im Netz. Unter anderem hier:
 
Wikipedia
Worldlingo.com
Willscheck.de

 
kTM
 

Kommentare  

#1 Gerd 2011-02-28 18:02
Kleine Anmerkung zur Ergänzung: "The Glittering Plain" ist unter dem Titel "Das schimmernde Land" im Jahre 1985 ebenfalls bei Bastei-Lübbe erschienen, außerdem 1986 noch eine Kurzgeschichtensammlung ("Die goldene Maid"), bei der ich aber aus dem hohlen Bauch nicht sagen kann, ob das eine Originalzusammenstellung oder die Übersetzung einer Collection ist. (Lustigerweise hat man diese beiden Titel in der Reihe "Phantastische Literatur" veröffentlicht - vielleicht, weil man dort ein besseres Umfeld für Morris' zweifellos antiquierten Stil gesehen hat. ;-))
#2 FabianF 2011-03-02 22:11
Schön, wenn sich noch jemand an Morris erinnert! Da es sich um einen meiner persönlchen Hausgötter handelt und ich hier zugegebenermaßen ein bisschen pingelig bin, seien mir ein paar kleine Korrekturen und Ergänzungen gestattet...:

Morris studierte in Oxford nicht Architektur, sondern Theologie, er wollte eigentlich eine geistliche Laufbahn einschlagen, ebenso wie sein bester Freund Edward Burne-Jones, der später zu einem der berühmtesten englischen Maler des 19. Jh. werden sollte. Die beiden waren von ihrem Studium aber so enttäuscht, dass sie sich von der Anglikanischen Kirche ab- und der Kunst zuwandten. "Danach beschloss er, sich ganz aufs Malen zu konzentrieren" wäre allerdings, hinsichtlich Morris, ziemlich irreführend: In der Malerei versuchte er sich nur ganz kurz, und es gibt nur ein einziges vollendetes Ölgemälde von ihm, "Queen Guinevere" (Tate Gallery). Als Architekt ist er auch nicht nennenswert hervorgetreten. Was die künstlerische Produktion angeht, liegt seine Bedeutung vor allem auf dem Gebiet des Designs; seine Tapeten- und Stoffmuster waren Wegbereiter des Jugendstils und sind bis heute Klassiker; in England sind sie vermutlich das, wofür er heute am bekanntesten ist. Für seine Zeitgenossen war er vor allem berühmt als der Autor des Mammutgedichts "The Earthly Paradise", einer in Verse gefassten Nacherzählung von 24 nordeuropäischen und antiken Sagen und Märchen - damals ein absoluter Bestseller, heute auch mit guten Englischkenntnissen eine (bei aller sprachlichen Schönheit) ziemlich anstrengende Lektüre... Und, das sollte man auch nicht vergessen, er war ein engagierter Politiker, ein glühender Sozialist, wovon sein gesamtes Werk zutiefst geprägt ist.

Seine Frau hieß Jane Burden (nicht "Bürden"); der Maler und Dichter Dante Gabriel Rossetti war zwar ein enger Freund und zeitweise ein Mentor, aber nicht "sein bester Freund" (das war eben besagter Burne-Jones).

Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Morris ist für einen ersten Eindruck ganz brauchbar, wenn man mehr über ihn lesen möchte, ist die Auswahl zumindest im Englischsprachigen uferlos... Die beste und unterhaltsamste Biographie ist Fiona MacCarthy "William Morris. A life for our time", auf Deutsch gibt es z.B. Hans-Christian Kirsch "William Morris. Ein Mann gegen die Zeit". Wer sich für phantastische Kunst interessiert und in die Bildwelten von Morris und Burne-Jones (die sehr viel zusammengearbeitet haben) eintauchen will, dem sei der (deutschsprachige) Ausstellungskatalog "Edward Burne-Jones: Das Irdische Paradies" (2009) empfohlen.

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