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"Drei Schwerter müssen dann zurück."

„FotoDrei Schwerter müssen dann zurück
Über ein Meisterwerk der Fantasyliteratur:
Tad Williams' unsterbliche Saga vom Osten Ard

 Als Fan von Fantasyliteratur kann man sich echt nicht beklagen. Das Genre boomt. Monat für Monat erscheinen neue Bücher voll phantastischer Welten, epischer Schlachten und aufregender Abenteuer. Ob monumentale Werke mit Dutzenden Protagonisten, mörderische Questen an der Seite einzelgängerischer Helden oder fesselnde Romane über die Kraft der Magie und bizarre Kreaturen:


Jeder, der gerne mal einen Fantasyroman zur Hand nimmt, wird ständig Nachschub zu den Themen finden, die ihn interessieren.

FotoEs sind aber bei Weitem nicht nur die frisch gedruckten Werke, die zu begeistern wissen. In der Fantasyliteratur gibt es eine Menge Klassiker, die wegweisend waren und es – immer noch – sind. Millionen von Menschen haben durch sie die Faszination exotischer Welten kennen gelernt, und auch heute noch fesseln diese Werke immer wieder neue Leser. Man denke nur an Tolkiens Der Herr der Ringe oder Lewis' Die Chroniken von Narnia. Mit der Harry Potter-Reihe, der Serie Das Lied von Eis und Feuer oder den Romanen rund um Das Rad der Zeit und die Scheibenwelt haben in den letzten Jahren Werke auf den Markt gedrängt, die schon heute Klassiker sind und bei deren bloßer Erwähnung die Augen der Fans glänzen. Ein solches Werk möchte ich hier all denen näher bringen, die es noch nicht kennen und die unbedingt die Chance ergreifen sollten, diesen Missstand schleunigst zu beheben. Denn Tad Williams' Die Saga vom Osten Ard bzw. Das Geheimnis der großen Schwerter (englisch: Memory, Sorrow, and Thorn) ist eines der großartigsten Machwerke, das die Fantasyliteratur jemals hervorgebracht hat.

CoverTrilogie oder Tetralogie?
Diese Frage klingt ja an sich schon sehr seltsam, doch noch merkwürdiger kommt sie einem vor, wenn man über eine Saga redet, die schon seit vielen Jahren abgeschlossen ist. Bei Williams' Epos ist sie allerdings durchaus angebracht. Denn die Antwort muss in diesem Fall lauten: Beide Aussagen sind richtig. Ein interessantes Phänomen, das sich aber leicht erklären lässt:

Ursprünglich erschien Die Saga vom Osten Ard in drei Bänden: Der Drachenbeinthron (The Dragon Bone Chair) im Jahr 1988, die Fortsetzung Der Abschiedsstein (Stone of Farewell) 1990 und der abschließende monumentale (Doppel-)Band Die Nornenkönigin/Der Engelsturm (To Green Angel Tower), der 1993 das Licht der Welt erblickte. Für die Taschenbuchausgabe wurde dieser letzte, seitenstarke Band dann gnädigerweise in zwei Bücher aufgeteilt, die aber immer noch um einiges umfangreicher sind als die meisten anderen Romane, die man sonst so zur Hand nimmt. Das hat zur Folge, dass man sich bis heute darüber streiten kann, ob die Saga nun eine Trilogie oder eine Tetralogie ist. Aber wie auch immer man die Sache sieht: Es ändert nichts an der Qualität des Werkes, und genug Lesestoff findet man hier so oder so. Ich persönlich bin ganz froh über die Teilung; Bücher von über 1.500 Seiten sind immer etwas unhandlich, wenn man sie mal irgendwohin mitnehmen möchte. Neben den drei bzw. vier ursprünglichen Bänden ist noch die Kurzgeschichte Der brennende Mann (The Burning Man) erschienen, die zeitlich vor den eigentlichen Romanen der Reihe spielt, aber erst nach diesen verfasst wurde und allenfalls ergänzend und nicht von tragender Bedeutung ist. Ein netter Zusatz ist das dünne Buch aber allemal. Doch kommen wir zunächst mal zum Autor selbst, zu... Tad Williams
Tad Williams wurde am 14. März 1957 in der kalifornischen Stadt San José geboren und wuchs in dem nahe gelegenen Ort Palo Alto auf. In der Widmung, die seiner Saga vom Osten Ard vorangeht, dankt er seiner Mutter dafür, dass sie ihn in seiner Kreativität gefördert und ihm phantastische Welten wie das Auenland aus dem Herrn der Ringe nahe gebracht hat. So konnte sich seine Begeisterung für das Phantastische schon früh entwickeln. Nach der Highschool schlug sich Tad mit einer ganzen Reihe von Jobs durch. So war er beispielsweise Gastgeber in einer Radiotalkshow und arbeitete zeitweilig als Schuhverkäufer. Doch all diese Beschäftigungen waren nur vorübergehend und, so der heutige Autor selbst, auch gar nicht als Dauerzustände geplant. Schnell wurde ihm nämlich klar, dass er etwas Kreatives tun wollte, und im Schreiben fand er schließlich, sehr zur Freude seiner Fans, seine Bestimmung. Mit Traumjäger und Goldpfote (Tailchaser's Song) wurde 1985 sein erster Roman veröffentlicht, ein Werk aus dem Bereich der Animal Fantasy. Drei Jahre später folgte dann der erste Band des Epos, das für viele bis heute als sein bestes Machwerk gilt: Der Drachenbeinthron, der Auftakt zur Saga vom Osten Ard.

CoverDer Sturmkönig ist zurück – und die Welt steht am Abgrund
Worum geht es denn nun eigentlich in der Saga? Das ist eine Frage, die aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher Handlungsstränge nicht ganz leicht zu beantworten ist. Daher möchte ich zunächst einmal nur auf den Grundstock der Handlung eingehen, also auf die Ereignisse, die die übrigen Geschehnisse erst auslösen.

König Johann, der vom Volk geliebte Hochkönig Osten Ards und Bezwinger des letzten bekannten Drachen, Herrscher über die altehrwürdige Burg Hochhorst und Vertreiber der Sithi (einem an Elben erinnernden Volk), stirbt und hinterlässt seinem Sohn Elias ein blühendes Reich. Doch mit der Krönung Elias zum Hochkönig beginnt ein grausiger Niedergang, denn der neue König hat einen teuflischen Vertrag mit einem uralten, zornigen Wesen geschlossen: mit Ineluki, dem Sturmkönig, einem Nornen, der vor vielen Jahrhunderten starb, dessen Geist die Zeit aber überdauerte. Nie konnte er verwinden, dass die Menschen ihm und seinem Volk den Osten Ard streitig gemacht haben, und nun hat er ausreichend Kräfte gesammelt, um zum Gegenschlag auszuholen. Unterdessen geht der Küchenjunge Simon bei dem Gelehrten des Hochhorsts, Doktor Morgenes, in die Lehre. Dieser erkennt üble Vorzeichen und sieht eine gewaltige Bedrohung kommen: Der Erobererstern, ein Unheil verkündender Komet, zieht seine Bahn über den nächtlichen Himmel und kündet von Schmerz und Verzweiflung. Beim Versuch das drohende Unglück abzuwenden, gerät Morgenes ins Visier des machtgierigen Pryrates, einem Diener des Sturmkönigs und obersten Berater von Elias. Als Pryrates den Doktor und seinen jungen Assistenten beseitigen will, opfert sich der weise Alte, um Simon die Flucht aus dem Hochhorst und damit vor den Schergen des Königs zu ermöglichen. Simon, der verstört und verzweifelt aus der Burg verschwindet, beobachtet des nachts, wie Elias von Dienern Inelukis ein geheimnisvolles schwarzes Schwert erhält. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass diese Waffe und zwei ihrer Brüder einmal über das Schicksal der Welt entscheiden sollen, so, wie es der wahnsinniger Priester Nysses in seinem mysteriösen, verschollenen Buch Das Verhängnis der Schwerter verkündet hat.

„Drei Schwerter müssen dann zurück“
Dieser Satz, ein Zitat aus dem Buch Nysses, wird im Verlaufe der Saga um den Osten Ard immer wieder aufgegriffen und erwähnt. Er zeigt deutlich, welche Objekte im Mittelpunkt des Fantasyepos stehen: die drei legendären Schwerter Dorn, Leid und Minneyar, die die einzigen Waffen zu sein scheinen, die dem Sturmkönig auf seinem gnadenlosen Rachefeldzug noch Einhalt gebieten können.

Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich ein großer Teil der Handlung um die drei Klingen, ihren Verbleib und die Suche nach ihnen dreht. Sie sind für den Osten Ard das, was für Mittelerde der Eine Ring oder für Harry Potter... nun ja, eben Harry Potter ist: Das alleinige Mittel, das die drohende Finsternis noch aufhalten und dunkle Mächte an der Verwirklichung ihrer Pläne hindern kann. Es ist demnach nur logisch, dass sich Simon, der so etwas wie der Held der ganzen Geschichte ist, im Laufe der Handlung auf die Suche nach den mächtigen Waffen macht. Doch ganz problemlos läuft dies natürlich nicht ab. So ist Leid schließlich in den Händen des Hochkönigs, und Dorn und Minneyar gelten seit langem als verschollen. Eine abenteuerliche und gefahrvolle Jagd beginnt, die so manches Opfer fordern wird, die gleichzeitig aber der einzige Weg zu sein scheint, Ineluki noch rechtzeitig stoppen zu können.

CoverViele Handlungsstränge, viele Charaktere
Simons Flucht und die Suche nach den Großen Schwertern sind nur zwei Storylines in einem epischen Abenteuer, das seinesgleichen sucht. Auch wenn die Schwertersuche das Ereignis ist, das im Mittelpunkt steht, und Simons Entkommen den Auftakt hierzu bildet, so sind diese beiden Geschehnisse nur zwei von vielen Handlungssträngen, die Tad Williams zu einer einzigartigen Komposition verbindet. Es tauchen eine ganze Reihe von Personen auf, von denen jede eigene Abenteuer erlebt und auf ihre Weise das Schicksal der Welt beeinflusst.

Da wäre Josua zu nennen, der Bruder des neuen Hochkönigs. Elias, der dem Wahnsinn immer mehr zu verfallen scheint, sieht in ihm eine Bedrohung und lässt ihn gnadenlos jagen. Josua will eigentlich nichts anderes als ein geruhsames Leben, doch schon bald wird er zum Anführer der Revolution gegen die Schreckensherrschaft des Hochkönigs. Oder aber der Qanuc Binabik, der aus den hohen Bergen des Nordens stammt und gemeinsam mit einer mehr oder weniger zahmen Wölfin unterwegs ist. Er wird schon bald ein treuer Gefährte und Freund Simons. Gemeinsam müssen sich die beiden zahllosen Gefahren stellen. Daneben gibt es auch eine Reihe von Personen, deren Einbindung in die Geschichte auf den ersten Blick recht unverständlich aussieht. Etwa Maegwin, die Prinzessin des Volkes der Hernystiri, die ein schweres Schicksal auferlegt bekommt, an dem sie zu zerbrechen droht, oder der Wranna Tiamak, der doch eigentlich nur ein Buch über die Heilkräuter seiner heimatlichen Sümpfe zu Papier bringen will. Doch keine Angst, auch wenn das jetzt etwas verwirrend und beängstigend komplex wirkt, wenn man erst mal mit dem Lesen angefangen hat, dann merkt man recht schnell, dass sich alle Handlungsstränge perfekt zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Williams entwirft ein vielschichtiges Bild, eine umfassende Handlung, die aus vielen einzelnen, aber doch immer miteinander verbundenen Schicksalen und Geschichten besteht. Den Überblick verliert man dabei nie, im Gegenteil: Es kommt einem so vor, als erhielte man mit jedem neuen Handlungsstrang ein weiteres, passendes Puzzleteilchen, aus deren gemeinsamen Betrachtung sich letztendlich ein faszinierendes Gesamtwerk ergibt. Und wo wir gerade bei unterschiedlichen Handlungssträngen sind: Auch die Seite der Bösen kommt nicht zu kurz. Teile der Story werden aus Sicht der Schurken geschildert, etwa die Geschichte um Guthwulf, die Hand des Königs, der mit Erschrecken die zunehmende Veränderung seines einstigen Freundes Elias bemerkt. Die ein oder andere Passage wird gar aus der Sicht von Elias höchstpersönlich geschildert. Hier erhält der Leser einzigartige Einblicke in die Gegenseite, was die Gesamthandlung noch aufregender und tiefgründiger macht. Abenteuer in einer vielseitigen und fantastischen Welt
Ein paar Absätze zuvor habe ich es ja schon angedeutet, aber man kann es gar nicht oft genug betonen: Die Saga vom Osten Ard ist ein echtes Mammutwerk. Jedes einzelne Buch besteht aus über 750 eng bedruckten Seiten. Man muss also schon ein wenig Zeit und Ausdauer mitbringen, will man sich mit Simon und seinen Gefährten ins Abenteuer stürzen. Diese geradezu epische Länge hat aber natürlich auch ihre Vorteile: Williams kann sich Zeit lassen beim Aufbau seiner Handlung, und er nutzt den Raum, der ihm zur Verfügung steht, um seine Welt ausführlich und anschaulich zu beschreiben. Der Osten Ard ist wirklich gewaltig. Neben abwechslungsreichen Landschaft (weite Steppen, eisige Berge, gefährliche Sümpfe) erwarten den Leser geheimnisvolle, fremde Völker, fremdartige Kulturen und fantastische Wunder und Kreaturen. Doch der Reihe nach. Auf dem Kontinent Ard gibt es neben den Menschen eine ganze Reihe anderer Völker, auch wenn die Menschen am zahlreichsten und am weitesten verbreitet sind. Da wären zum Beispiel die Sithi zu nennen, das uralte und wundersame Schöne Volk, die den Menschen so sehr ähneln und sich doch stark von ihnen unterscheiden. Sucht man einen anderen Namen für die Unsterblichen, so schießt einem sofort die Bezeichnung „Elben“ oder „Elfen“ durch den Kopf, denn angefangen vom Aussehen bis hin zum Verhalten fühlt man sich stark an die aus zahllosen anderen Publikationen bekannten Unsterblichen erinnert. Daneben lebt in den hohen Bergen des Nordens das Volk der Qanuc, die die Menschen auch als Trolle bezeichnen. Die Qanuc sehen fast wie Menschen aus, sind allerdings um einiges kleiner. Sie sind mutige Kämpfer und an ein hartes, entbehrungsreiches Leben gewöhnt. Auch auf den Seiten des Bösen gibt es interessante Lebewesen, doch statt den Leser mit hässlichen Orks und tumben Höhlentrollen zu konfrontieren, schickt Williams die ebenso schönen wie eiskalten Nornen ins Feld. Diese geheimnisvollen Wesen sind Verwandte der Sithi, haben sich aber schon vor vielen Jahrhunderten aus dem Osten Ard zurückgezogen. Nun sind sie wieder da – an der Seite des rachsüchtigen Sturmkönigs als dessen Speerspitze sie agieren. Neben den drei genannten Völkern gibt es noch eine Reihe anderer Kreaturen, doch ich möchte hier nicht schon zu viel verraten. Schließlich ist es doch gerade das Entdecken des Unbekannten, das einen Fantasyroman so aufregend macht, oder? Doch zurück zu den Menschen. Auch hier hat sich Williams einiges einfallen lassen. Als Leser kann man sich darauf freuen, viele verschiedene fremdartige Kulturen kennen zu lernen. Neben den „Standardmenschen“, also dem Typ von Kultur, den man eigentlich aus allen Fantasyepen kennt und dessen Gesellschaft stark an die Zustände des europäischen Mittelalters erinnert, macht man im Verlauf der Handlung die Bekanntschaft von kriegerischen Steppenreitern, verschlossenen Sumpfbewohnern und harten Nordmännern. Das sorgt für eine enorme Charaktervielfalt und macht die Saga abwechslungsreich und spannend. Über den ein oder anderen etwas stereotyp wirkenden Protagonisten hilft die Vielzahl an durchdacht gezeichneten Personen hinweg, die das Epos mit Leben erfüllen. Schnell fühlt man sich mit den Helden verbunden und leidet oder freut sich mit ihnen. Fast könnte man meinen, selbst einen Fuß in den Osten Ard gesetzt zu haben, so lebendig wirken das Land und seine Leute. So macht das Lesen Spaß, genau so muss High Fantasy sein.

FotoWiedererkennungswerte
An manchen Stellen der Romane wird man mehr oder weniger verblüfft innehalten, tauchen doch mitunter Dinge auf, die einem irgendwie bekannt vorkommen. Kein Wunder, hat sich Williams doch immer mal wieder bekannten Figuren und uns vertrauten Phänomenen bedient.

Wenn man beispielsweise die Hauptreligion des Osten Ards betrachtet, fällt auf, dass sie deutliche Parallelen zum christlichen Glauben und den hiermit verbundenen Erzählungen und Ritualen aufweist. Das geht so weit, dass diverse Feiertage, die Christen feiern, fast 1:1 in die Handlung der Geschichte übertragen wurden. Doch das stört nicht, im Gegenteil. So mancher Fantasy- oder SF-Roman hat das schwerwiegende Problem, dass er vollkommen fremde Kulturen und Gesellschaften ausführlich vorstellen und beschreiben will. Die Folge: Statt der Handlung folgen zu können, ist man verwirrt von einer Vielzahl neuer Begriffe und unbekannter Riten. Williams umgeht dies weitgehend durch das leichte Abwandeln bekannter Legenden und Geschichten. Man kann sich nun natürlich darüber streiten, ob ein Fantasyroman so etwas darf oder nicht, aber ich fand es auf jeden Fall sehr erleichternd, mal eine Story lesen zu können, zu deren Verständnis ich kein Lexikon über fremde Ausdrücke und Gebräuche brauchte.

Doch wo Licht ist...

...ist auch Schatten. So gut und faszinierend Die Saga vom Osten Ard auch ist, einige kritische Bemerkungen sind durchaus angebracht. Die Saga ist wirklich, wirklich episch. Das lässt zwar viel Raum für Beschreibungen und unterschiedliche Abenteuer, führt aber auch immer mal wieder zu gewissen Längen. Gerade in Der Engelsturm, dem letzten Band der Reihe, lässt es Williams durchaus zu langsam angehen. Hier vermisst man ein wenig spannende Abenteuer und packende Actionszenen. Stattdessen erfährt man viel über das Innenleben verschiedener Personen, was für die eröffnenden Romane passend ist, beim Abschlussband aber eher störend wirkt. Weiterhin scheint Williams eine Vorliebe dafür zu haben, Personen ohne Licht durch endlose Höhlensysteme zu schicken und sie dabei mit ihren eigenen Dämonen und der Einsamkeit kämpfen zu lassen. Kapitel mit derartigem Inhalt erinnern stark an Fieberträume, die die Handlung nicht voranbringen, sondern den Leser allenfalls verwirren. Eine oder zwei dieser Szenen wären in Ordnung (wenn auch schon, meiner Meinung nach, zu viel), doch gerade im letzten Buch kommen derartige Erlebnisse deutlich häufiger vor. Das ist äußerst schade, sehnt man sich doch beim Lesen die ganze Zeit das Ende des Kapitels herbei und fühlt sich unsanft aus der Handlung herausgerissen. Daneben tauchen auch einige Storylines auf, die weder besonders wichtig noch besonders interessant sind. Hier hätte man problemlos kürzen können, ohne dem Epos das Geringste seiner Wucht zu nehmen. Überhaupt gibt es den einen oder anderen Handlungsstrang, der einem nicht so sehr zusagt, doch das ist bei der enormen Personenvielfalt eigentlich nicht verwunderlich. All dies sind berechtigte Kritikpunkte an Williams' Werk, und wenn man sich noch weitere Gedanken darüber macht, dann fallen einem bestimmt noch diverse andere Elemente ein, die man bemängeln könnte. Doch das ändert nichts an der schlichten Tatsache, dass Die Saga vom Osten Ard ein Meisterwerk der Fantasyliteratur ist, wie man es viel häufiger lesen möchte.

FotoFazit: High Fantasy auf allerhöchstem Niveau
Die Saga vom Osten Ard ist ein monumentales Machwerk, dass sich niemand entgehen lassen sollte, der auch nur das Geringste übrig hat für Fantasy. Abenteuerliche Reisen, tragische Schicksale, ein furioses Finale, eine phantastische Welt – mehr kann man von High Fantasy nicht verlangen.

Tad Williams hat mit seiner „vierbändigen Trilogie“ ein Stück Literaturgeschichte geschrieben. Ich erspare mir hier den Vergleich mit Tolkien. Der gilt zwar als großes Vorbild des amerikanischen Autors, doch der Vergleich mit dem Macher vom Hobbit und dem Herrn der Ringe ist heutzutage deutlich überstrapaziert. Tad Williams hat mit seiner Geschichte um Simon, Josua und wie seine Protagonisten alle heißen ein eigenständiges, unvergleichliches und unnachahmliches Werk erschaffen, das sich stark von Tolkiens Werken abhebt und sich nicht hinter dem Schaffen des Briten zu verstecken braucht. Die Saga vom Osten Ard, das bedeutet ein langes, aufregendes Lesevergnügen. Kaum ein zweites Buch erlaubt es seinen Lesern, derart tief in eine fremde Welt einzutauchen und alles andere um sich herum zu vergessen. Mit seinem Epos hat es sich Williams redlich verdient, in einem Atemzug genannt zu werden mit Terry Pratchett, George R.R. Martin, Robert Jordan und all den anderen Ikonen der modernen Fantasy. Es ist eine Saga, die man bedenkenlos weiterempfehlen kann, fantasy at its best. Ich hoffe, ich konnte meine Begeisterung für die Reihe klar zum Ausdruck bringen. Vielleicht bringt dieser Artikel den ein oder anderen interessierten Leser dazu, mal einen Blick in das Mammutwerk zu riskieren. Es lohnt sich! Aber beschwer' sich nachher bitte keiner, ich hätte ihn nicht davor gewarnt, dass die Saga süchtig macht...

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