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Immer unterhaltsam und abwechslungsreich- Eschbachs Herr aller Dinge

Herr aller DingeImmer unterhaltsam und abwechslungsreich
Eschbachs Herr aller Dinge

Seit dem Überraschungserfolg seines Roman-Debüts „Die Haarteppichknüpfer“ Mitte der 90er-Jahre hat Andreas Eschbach in schöner Regelmäßigkeit Bücher vorgelegt, die zum einen seinen Ruf begründeten, ein erfolgreicher und vor allem guter deutscher Science-Fiction-Autor zu sein, die aber zum anderen auch verdeutlichten, dass er nicht auf das SF-Genre festgelegt ist.

 

Tatsächlich schrieb Eschbach auch Thriller und Unterhaltungsromane für junge und ältere Leser, die vielleicht eine phantastische Idee zum Kern hatten, aber dennoch nicht Phantastik, sondern schlichte, handwerklich gut gemachte Spannungsliteratur waren.

Mit „Herr aller Dinge“, seinem jüngsten Werk, scheint der 52-jährige Eschbach zwar wieder Kurs auf die Science-Fiction zu nehmen, obwohl es sich auf vielen der 680 Seiten so liest, als habe Eschbach vor allem einen Liebesroman geschrieben. Beinahe das ganze erste Viertel seines Buchs widmet Eschbach nämlich der Entwicklung der so folgenreichen Beziehung zwischen seinen beiden Hauptfiguren: dem Wissenschaftler Hiroshi Kato mit japanischer Mutter und amerikanischem Vater und der französischen Diplomaten-Tochter Charlotte Malroux. Sie lernen sich im Alter von zehn Jahren auf einer Kinderschaukel im Hof der französischen Botschaft in Tokio kennen – eine Sandkasten-Freundschaft, die für Hiroshi zur Liebe seines Lebens wird und die ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr loslässt.

Hiroshis Zuneigung zu der überaus sprachbegabten Charlotte schildert Eschbach so unterhaltsam, dass der Leser es der Tochter aus wohlhabendem Hause durchaus verzeiht, dass sie die Liebe des kleinen Japaners zunächst verschmäht. Denn Hiroshi ist nicht so begütert, dass er das Mädchen nachhaltig beeindrucken und ihre Liebe gewinnen könnte. Dafür sprüht er vor Erfindungsreichtum und Ideen. So ist er felsenfest davon überzeugt, dass er einen Weg gefunden hat, die Unterschiede zwischen Arm und Reich in der Welt zu beseitigen und alle Menschen glücklich zu machen.

An der Verwirklichung dieser Idee arbeitet Hiroshi dann hartnäckig und mit erstaunlichem Erfolg. Noch während seines Studiums am Massachusetts Institute of Technology entwickelt er eine robotische Apparatur, eine sich selbst replizierende Maschine, mit der Hiroshi Kato alles Elend und alle Armut auf der Erde beseitigen könnte. Sein revolutionäres Konzept interessiert auch die Wirtschaft, deren Vertreter aber auch klar die Gefahren eines Mechanismus erkennen, der alles schaffen kann, was sich Menschen wünschen – der aber auch keinen Spielraum lässt, die Menschen für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse arbeiten und bezahlen zu lassen.

Schritt für Schritt zieht Autor Eschbach seine Leser in den Bann von Hiroshi Katos Vision. Dabei benutzt er einen gut lesbaren und mitunter sehr vergnüglichen Schreib- und Sprachstil, dem es nicht an trockener Lakonie und vielen Anspielungen – vor allem auch auf SF-Fime – fehlt. Eschbachs Dialoge sitzen in jeder Romansituation, und sein Timing ist mitunter ebenso atemberaubend, wie die Action-Szenen erschreckend realistisch sind.

Hiroshis und Charlottes Wege scheinen sich zur Mitte des Buches unwiderruflich zu trennen, um dann später in einem furiosen Finale doch wieder zusammenzufinden. Die einstige Diplomatentochter hat sich zu einer Wissenschaftlerin gemausert, die vor allem Spuren einer geheimnisvollen „Ersten Menschheit“ sucht. Als sich auf einer tiefgefrorenen Arktisinsel tatsächlich geheimnisvolle Relikte finden, ist es aber Hiroshi, der den tödlichen Fund richtig einzuordnen weiß.

Am Ende steht der Japaner doch vor der Verwirklichung seiner kindlichen Vision vom Reichtum für alle, aber der Preis, den die Menschheit dafür zu zahlen hätte, ist dann doch zu hoch.

Seit Mitte der 90er Jahre erfolgreich: Autor Andreas Eschbach. Foto: LübbeDafür erkennt Hiroshi, der durch sein Verständnis der Nanotechnologie nahezu wortwörtlich zum „Herrn aller Dinge“ wird, dass die Hinterlassenschaft der untergegangenen „Ersten Menschheit“ den Menschen den Weg ins Weltall ebnen kann – dort haben sie auch einiges wiedergutzumachen.

Ehe es so weit ist, muss Hiroshi aber ein letztes Opfer bringen. Und Charlotte erkennt, dass es dem kleinen Mann immer zuerst um seine Liebe zu ihr ging.

Das Ende von Eschbachs Roman ist kein tränenseliges, aber dennoch ein tragisches. Es beschließt ein spannendes, in jeder Phase unterhaltsames und abwechslungsreiches Buch – auch wenn dem einen oder anderen die Grundidee des Romans zu sehr an Däniken, Ufologen und andere Esoteriker angelehnt sein könnte. Eschbach darf sich dennoch verdient in eine Reihe mit internationalen Spitzenautoren moderner Unterhaltungsliteratur stellen, sein Buch „Herr aller Dinge“ ist absolut lesenswert und jeden verlangten Euro wert.
Herr aller Dinge
Daten zum Buch
Herr aller Dinge
von Andreas Eschbach
Roman
ISBN 978-3-7857-2429-3
690 Seiten, 22,00 Euro
Lübbe (Bastei Lübbe), Köln 2011

Kommentare  

#1 Cartwing 2011-10-29 09:21
klingt vielversprechend, aber du spoilerst zuviel
#2 Nelson 2011-10-29 17:07
@Cartwing: Ich habe versucht, mich im Rahmen des Klappentextes des Buches zu bewegen, der auch schon einiges verrät. Aber es bleiben genug Überraschungen und Wendungen für ein sattes Leseerlebnis übrig.

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