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Vom Hohlbein, der ein Hennen war - Hörbücher aus dem Horchposten-Verlag (Teil 2)

Vom Hohlbein, der ein Hennen war - Hörbücher aus dem Horchposten-Verlag Teil 2Vom Hohlbein, der ein Hennen war
Hörbücher aus dem Horchposten-Verlag Teil 2

Aus einigen Tagen sind nun doch mehr als zwei Wochen geworden – doch das Warten hat nun ein Ende (hat wirklich jemand gewartet…?). Hier folgt nun der zweite Teil der Hörbuchrezensionen, welcher sich wieder mit den Produkten des Kölner Horchpostenverlags beschäftigt.

Nachdem es in Teil 1 meines Artikels um die Vertonung von Rafael Sabatinis „Captain Blood“ und die ersten DSA-Hörbücher gegangen ist, wird es nun um die beiden umfangreichsten DSA-Hörbücher gehen, welche momentan auf dem Markt zu finden sind.


Wobei zwei Hörbücher eigentlich nicht ganz richtig ist, denn sowohl „Das Jahr des Greifen“ als auch „Das zerbrochene Rad“ wurden des großen Umfangs wegen in drei bzw. zwei Teile aufgeteilt. Beim „Jahr des Greifen“ war dies auch in der Buchvorlage, die 1993 bei Bastei-Lübbe erschien der Fall, wenngleich einige Jahre später auch eine Komplettversion in einem Band auf den Markt kam – bei „Das zerbrochene Rad“ erschien ursprünglich eine Gesamtausgabe als Hardcover bei Heyne. Diese wurde später für die Taschenbuchversion in zwei Teile (Dämmerung und Nacht) gesplittet.

Das Jahr des Greifen - Hohlbein/HennenDas Jahr des Greifen – Teil 1-3
von Wolfgang Hohlbein und Bernhard Hennen
mit Axel Ludwig, Sabine Brandauer
ISBN         3-938915-05-6 (Teil 1),  3-938915-08-0 (Teil 2)
Preis: als CDs (gekürzt) 39,90 Euro (nur Teil 1) / als Download 27,90 Euro (Teil 1) 44,90 Euro (Teil 2 und 3)

Hohlbein und Hennen – mittlerweile beide auf der großen Bühne des Fantasy-Romans angekommen (zumindest was die Verkaufszahlen anbelangt) als Co-Autoren einer Romantrilogie. Das klingt in jedem Fall erst einmal interessant. Hohlbeins Name war schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Trilogie recht bekannt, während Bernhard Hennen 1993 eigentlich nur eingefleischten DSA-Spielern ein Begriff war. Hier hatte er sich allerdings vor allem in als Autor hervorragender Rollenspiel-Abenteuer bereits einen guten Ruf erarbeitet. Interessant ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass in vielen Rezensionen zu „Das Jahr des Greifen“ von der herausragenden Schreibkunst eines Wolfgang Hohlbein die Rede ist (ein wie ich finde durchaus diskussionswürdiger Standpunkt – doch dafür ist hier nicht der richtige Ort), obwohl bereits damals Gerüchte kursierten, dass Hohlbein lediglich als namentlich bekanntes Zugpferd vor den Karren gespannt wurde, um die Verkaufszahlen und das Interesse an den DSA-Romanen zu steigern. Auch André Helfers – bekanntermaßen Geschäftsführer und Gründer des Horchposten-Verlags weist in einer von ihm im auf einer DSA-Internetseite veröffentlichten Rezension auf diesen Umstand hin (eine Tatsache, die er interessanterweise auf der Horchposten-Seite nirgends erwähnt – ein Schelm, der….). Hennen wiederum, mittlerweile selbst in die Riege der Bestseller-Autoren aufgestiegen – seine bekanntesten Bücher sind wohl „Die Elfen“ bzw. die Reihe um „Die Elfenritter“ – war damals für die Mainstream-Leserschaft noch ein unbeschriebenes Blatt.

„Das Jahr des Greifen“ war zu seiner Zeit der erste Versuch, DSA-Romane einer größeren Leser- und Käuferschicht  zugänglich zu machen, nachdem vorher lediglich zwei Veröffentlichungen bei Fantasy Productions und das aus heutiger Sicht nur noch für Sammler interessante „Eherne Schwert“ von Andreas Brandhorst bei Knaur erschienen waren. Zugleich stellt „Das Jahr des Greifen“ wohl den ersten Versuch eines, wie es heute so schön heißt, „Cross-Marketings“ dar. Parallel zur Veröffentlichung der Romane erschienen nämlich zwei DSA-Abenteuer gleichen Titels, die die Ereignisse aus den Romanen auch im Spiel erlebbar machen sollten, sowie mehrere Artikel in Ausgaben des „Aventurischen Boten“, der offiziellen DSA-Zeitung, welche die Hintergründe um den Orkensturm vertiefen sollten.

Doch nun zum Inhalt: Im Verlaufe eines groß angelegten Angriffs der Orks, eben dem bereits erwähnten Orkensturm, sind große Teile des aventurischen Mittelreichs von den Schwarzpelzen (so werden Orks bei DSA auch genannt) überrannt worden. Zwar konnte ihr Vormarsch gestoppt werden, doch Greifenfurt, eine der größten mittelaventurischen Städte, ist immer noch von den Orks besetzt. In dieser angespannten Lage wird der Inquisitor Marcian mit einer Gruppe Agenten der KGIA (Kaiserlich-Garethische-Informations-Agentur) nach Greifenfurt gesandt, um dort zum einen merkwürdige Vorkommnisse im Zusammenhang mit einer Tempelschändung zu untersuchen und zum anderen die Orks aus der Stadt zu vertreiben und solange die Stellung zu halten bis weitere Truppen eintreffen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Geschichte, die durchaus zu gefallen weiß. Weitere wichtige Personen sind beispielsweise ein mehrere hundert Jahre alter Vampir sowie eine Vielzahl von bekannten aventurischen Persönlichkeiten, die vor allem DSA-Spielern und Spielleitern wohlbekannt sein dürften. Insgesamt also eine runde Sache, die sowohl für erfahrene DSAler einiges bietet, aber auch Neulingen in der Welt des Schwarzen Auges eine gute und spannende Geschichte offeriert und Lust auf mehr machen kann.

Zur Umsetzung durch den Horchposten-Verlag lässt sich hier nur so viel sagen: Der hohe Standard der vorherigen Veröffentlichungen wird auf ganzer Ebene beibehalten. Sowohl Axel Ludwig als auch Sabine Brandauer, die bereits in „Das Greifenopfer“ die weiblichen Parts übernommen hatte, sind mit Leidenschaft bei der Sache und lassen keine nennenswerte Kritik zu. Die (spärlich eingesetzte) musikalische Untermalung wird wieder von Borbarads Moskitos beigesteuert und trägt zum guten Gesamteindruck bei.

Zu bemängeln gibt es aus meiner Sicht lediglich, dass bislang nur der erste Teil der Trilogie (leicht gekürzt) auf CD veröffentlicht wurde, wohingegen die beiden anderen Teile sowie die ungekürzte Fassung des ersten Teils nur als Download verfügbar sind. Dies wird sich jedoch voraussichtlich bald ändern, da eine Umfrage auf der Horchposten-Seite zumindest die Tendenz erkennen lässt, dass die Hörer eine Veröffentlichung als MP3-CD bevorzugen würden (siehe hierzu auch das Interview mit Horchposten-Geschäftsführer André Helfers). Vor allem im Hinblick auf die geringeren Herstellungskosten dürfte dies sicherlich dazu beitragen, dass die Crew um André Helfers demnächst auch die noch ausstehenden Teile in einer Form auf den Markt bringen wird, die Sammlern wie mir, die gern etwas in den Händen halten wollen, gerecht wird.

Ulrich Kiesow - Das zerbrochene Rad - DämmerungDas zerbrochene Rad – Dämmerung (Teil 1) und Nacht (Teil 2)
von Ulrich Kiesow
mit Axel Ludwig und Carolin Schmitten
ISBN 3-938915-04-8 (Teil 1: Dämmerung)
Preis:        als CDs (gekürzt) 39,90 Euro (nur Teil 1) / als Download 27,90 Euro (Teil 1) / 44,90 Euro (Teil 2)

Mit Ulrich Kiesows Roman präsentiert uns der Horchposten-Verlag hier den mit gehörigem Abstand umfangreichsten Roman aus der Welt des Schwarzen Auges. Die Hardcoverausgabe, die 1997 bei Heyne erschien brachte es auf annähernd 1000 Seiten. Der Roman selbst, den Kiesow als seinen wichtigsten und besten bezeichnete kam allerdings erst nach seinem frühen Ableben heraus, so dass dem Autor, der als Erfinder des Schwarzen Auges in Rollenspielerkreisen zur Legende geworden ist, die Genugtuung verwehrt blieb, die überwiegend positiven Kritiken, die der Veröffentlichung nachfolgten, noch selbst zur Kenntnis zu nehmen.

Die Gesamtlaufzeit der beiden Teile Dämmerung und Nacht beträgt sage und schreibe 2130 Minuten, was immerhin 35,5 Stunden entspricht und somit eine gewaltige Menge an Hörspaß verspricht. Bei der Besetzung des Sprechers wurde auf altbewährtes gesetzt und erneut Axel Ludwig verpflichtet, der somit sämtlichen DSA-Hörbüchern des Horchposten-Verlags seine Stimme zur Verfügung stellte und dies, diesmal wie bei der anderen Kiesow-Vertonung „Der Scharlatan“ von Carolin Schmitten unterstützt, erneut in ganz hervorragender Weise tut. Ohne Übertreibung kann man feststellen, dass Axel Ludwig sich mittlerweile zur „Stimme Aventuriens“ entwickelt hat. In diesem Zusammenhang wäre wünschenswert, dass er auch von EUROPA, die ab Herbst diesen Jahres DSA-Hörspiele auf den Markt bringen werden, als Erzähler verpflichtet wird. Von den meisten DSA-Fans würde eine so geartete Kontinuität sicherlich begrüßt werden.

Doch kommen wir wieder zu „Das zerbrochene Rad“ zurück. Ebenso wie beim „Jahr des Greifen“ wurde auch hier versucht, eine Verknüpfung von Romanhandlung mit der (ohnehin extrem detailliert ausgearbeiteten) aventurischen Geschichte sowie der Umsetzung ins Rollenspiel zu realisieren. Die Kampagne um die sieben Gezeichneten stellt wohl die mit Abstand umfangreichste Reihe von Rollenspielabenteuern dar, die jemals aus deutschen Landen gekommen ist. In insgesamt sieben Haupt- und zahlreichen Nebenlinienabenteuern können die Spieler bzw. ihre Spielcharaktere maßgeblichen Anteil an der aventurischen Geschichtsschreibung nehmen. Überdies sind zu dieser Kampagne zahlreiche Artikel in der DSA-Zeitung „Aventurischer Bote“ erschienen und sogar eigene Internetseiten befassen sich ausschließlich mit den Geschehnissen um die Rückkehr des Dämonenmeisters Borbarad. Mittlerweile sind die Abenteuer in überarbeiteter Form als vier Hardcoverbände erschienen und bringen es so auf mehr als 1000 Seiten Rollenspielabenteuer.

Die Rückkehr des Dämonenmeisters bedroht den gesamten aventurischen Kontinent – nur die Gruppe von Helden, die als die Gezeichneten zur Legende werden sollen, können in gemeinsamer Anstrengung und unter größter Opferbereitschaft etwas gegen die dämonischen Horden Borbarads ausrichten. Kiesows Roman beschäftigt sich allerdings nicht mit den gesamten Geschehnissen sondern beschränkt sich auf die Ereignisse im Bornland, welche schließlich in der Schlacht an den vallusanischen Weiden ihren Höhepunkt erreichen. Er tut dies sowohl zu Beginn und immer wieder auch im weiteren Verlauf der Geschichte mit einer für epochale Fantasy-Geschichten eher untypischen Herangehensweise. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten sind die Hauptpersonen bei ihm nicht wichtige Feldherren oder heldenhafte Krieger, sondern einfache Leute aus dem Volk, wie zum Beispiel ein kleiner Junge aus einem durchschnittlichen bornländischen Dorf oder ein Bauer, der zum Dienst in einem Landwehrhaufen antreten musste, und so in die Wirren und Schrecknisse des Krieges geraten ist. Hier wird auch eine Stärke Kiesows deutlich: Es gelingt ihm, gerade durch die Erzählungen dieser einfachen Leute, sehr gut das Gefühl zu vermitteln, mit welchem der durchschnittliche Bürger Aventuriens die unglaubliche Bedrohung und die Schrecken des Krieges durchlebt. Die Schilderung gerade dieser Personen lässt den Leser sehr dicht an den Geschehnissen teilhaben und sorgt für eine gut Identifikation mit den „Guten“ dieser Geschichte. Doch auch höhergestellte Persönlichkeiten tauchen selbstverständlich in tragenden Rollen auf. Zwei der Hauptpersonen sind der Graf von Geestwindskoje sowie Thesia von Ilmenstein, wobei ersterer bereits in Kiesows Roman „Der Scharlatan“ auftaucht und auch Thesia ist DSA-Spielern bereits aus verschiedenen anderen Publikationen ein Begriff. Mit schlafwandlerischer Sicherheit wandelt Kiesow in der von ihm erschaffenen Welt und versteht es so immer wieder, insbesondere alten DSA-Hasen Aha-Erlebnisse zu bescheren und namhafte aventurische Orte und Personen nicht nur zu erwähnen, sondern in sinnvoller Weise in der Story unterzubringen. Doch von diesen großen Zusammenhängen sollten sich DSA-unerfahrene Leser bzw. Hörer nicht abschrecken lassen. „Das zerbrochene Rad“ wird auch Neulingen in der Welt des Schwarzen Auges Freude Bereiten und etliche Stunden spannender Unterhaltung bieten.

Fazit: Die Umsetzung ins Hörbuch gelingt dem Horchposten-Team in gewohnt souveräner Weise und lässt keine Wünsche offen. Axel Ludwig und Carolin Schmitten machen einen guten Job und spätestens mit dieser Veröffentlichung hat sich der Horchposten-Verlag eine festen Platz im Herzen der DSA-Gemeinde erarbeitet. Schade nur, dass es keine weiteren DSA-Hörbücher mehr von André Helfers und seinen Mitarbeitern geben wird – weitere Informationen hierzu finden sich in unserem Interview mit ihm.

 

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