Ein paar Anmerkungen... zum Dorian Hunter-Hörspiel 22.2
Natürlich hat Marco Göllner sich nach seinen Grundsatz gehalten: Nach Motiven des Romanes, das heißt er hat die Handlung stark verändert.
Der DK-Roman Nr. 19 spielt hauptsächlich in der Vergangenheit und schilderte Erlebnisse aus dem 2. Leben von Dorian Hunter als Juan Gracia de Tabera. Am Anfang und am Ende tauchte Dorian Hunter auf. Sonst niemand Bekanntes aus der DK-Crew oder der Schwarzen Familie tauchen im Heftroman auf. Die Heftseiten 5 - 17 sind sozusagen die Einleitung der Geschichte von Christina Nelson, die durch ein Tor der Dämonen in die Vergangenheit geschleudert. Ab 4. Kapitel (Seite 17) erzählt die Vampirin Esmeralda alias Tina Nelson ihrem Mann Lester war ihr in der Vergangenheit passiert ist. Ab 12. Kapitel (Seite 61) spielt die Romanhandlung wieder in der Gegenwart und Dorian Hunter kann verhindern, daß Lester Nelson von seiner Frau Tina, die seit über vierhundertfünfzig Jahren auf ihre Rache wartet, getötet wird.
Genug der Einleitung, kommen wir zu den einzelnen Tracks:
Im DK Nr. 23 „Jagd die Satansbrut“ taucht erst diese Gestalt auf. Coco erwähnt gegenüber Dorian, den Namen Villanovanus und Thören Rosqvana.
„Villanovanus?“ fragte Coco. „Dieser Name kommt mir bekannt vor. Das war doch einer der bedeutendsten Ärzte des Mittelalters. Aber er lebte im 13. Jahrhundert.“
„Das war Arnaldus Villanovanus-, sagte Dorian. „Der Urgroßvater von Albertus. Arnaldus war Lehrer der Heilkunde und unterrichtete in Montpellier. Er starb 1311. Arnaldus war Alchimist. Er suchte nach dem Stein der Weisen. Sein Urenkel, mein Lehrer, sammelte seine Schriften und ließ sie 1504 veröffentlichen. Arnaldus' Hauptwerk erschien erst 1504. Es ist das bekannte 'Breviarium practicae'.“
Coco runzelte die Stirn. „Irgendwann habe ich in letzter Zeit den Namen Villanovanus in einem anderen Zusammenhang gehört. Es war auf meiner Reise.“
Dorian setzte sich auf und sah Coco aufmerksam an.
Coco nickte. „Ja, jetzt kann ich mich erinnern. Es war nur eine flüchtig hingeworfene Bemerkung, vor ein paar Wochen. Ich war in der Schweiz und fuhr dann nach Vorarlberg. Ich besuchte in Bregenz eine alte Freundin und traf Thören Rosqvana, der mich in sein Haus nach Vaduz einlud.“
„Wer ist dieser Rosqvana?“ erkundigte sich Dorian.
„Er ist stinkreich“, sagte Coco. „Ich kenne ihn von früher her. Er handelt mit Antiquitäten und war öfter in Wien. Mindestens einmal jährlich besuchte er meinen Vater, aber ich weiß nicht, ob er Mitglied der Schwarzen Familie ist. Ich glaube eher, daß er nur mit meinem Vater in Geschäftsverbindung stand. Ich nahm seine Einladung an und fuhr mit ihm nach Vaduz. Seine Villa ist einfach pompös. Ziemlich geschmacklos und überladen eingerichtet. Er zeigte mir voller Stolz seine kostbare Sammlung. Es waren einige außergewöhnlich schöne Stücke dabei, darunter auch ein goldener Drudenfuß, der...“
Meine Meinung über diese Doppelfolge ist nicht sehr hoch, denn außer den wenigen Vergangenheitsepisoden, die sich an der Vorlage des Dämonenkiller-Heftes halten, sind die meisten von Marco Göllner erdachten Skriptes beliebig in jeder möglichen Hörspielreihe zu wenden. Hier fehlt der Dämonenkiller-Touch, denn die Hörspiel entfernen sich mit jeder Folge weiter von der Heftvorlage und das ist – nach meiner bescheidenen Meinung – einfach dumm….
Achja, wie es mit Esmerada wirklich zu Ende ging, konnte man so in DK-Nr. 19 „Die Vampirin Esmeralda“ so lesen:
12.
„Das ist nun schon viereinhalb Jahrhunderte her“, schloß die Häßliche ihre Erzählung. „Solange mußte ich mit meiner Rache warten. Jetzt ist es endlich soweit. Ich will nur dich töten. Lester. Alles andere ist mir gleich.“
Lester, die scharfe Messerklinge an der Kehle und von den Zähnen der Vampirin zusätzlich bedroht, brach der kalte Schweiß aus.
Aber - warum gerade mich?“ fragte er mit belegter Stimme.
„Warum gerade mich?“ äffte die Vampirin ihm nach. „Weißt du es denn wirklich nicht, Lester? Denke scharf nach! Und sieh mich an! Sieh mich ganz genau an!“
Er versuchte es, aber lange konnte er nicht in die häßliche Fratze blicken.
„Erkennst du mich?“ fragte Esmeralda.
Er schüttelte zaghaft den Kopf.
„Du kannst dir also nicht denken, wer ich bin. Aber wenn ich nicht durch diese Narben entstellt wäre, würdest du mich als deine Frau Tina erkennen. Ja, ich bin es, Lester. Deine Tina, mit der du heute die Hochzeitsnacht feiern wolltest. Deine ängste liehe kleine Tina, die sich fürchtete, den langen finsteren Korridor zur Toilette allein zu gehen. Für dich ist es kaum eine Stunde her, daß dich Tina anflehte, sie zu begleiten, aber du bliebst hart. Und so mußte ich ganz allein in den Korridor hinaus. Oh, ich erinnere mich noch ganz genau an jede Einzelheit, obwohl für mich seit damals über vierhundertfünfzig Jahre vergangen sind. Ich sah in der Wand plötzlich ein schwarzes Loch, das noch schwärzer war als die finstere Nacht. Ein Sog packte mich. Ich wurde in das absolute Nichts gezerrt - und fand mich plötzlich im Jahre 1506 wieder, inmitten der Spanischen Inquisition.“
Lester schüttelte ungläubig den Kopf. Er war nahe daran, den Verstand zu verlieren. Er wollte sagen, daß dies alles nicht wahr sein könne; er hatte doch mit eigenen Augen seine Tina und Esmeralda zusammen gesehen; sie konnten nicht miteinander identisch sein, denn ein und dieselbe Person konnte nicht zweimal existieren.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte sie: „Ich bin nicht mehr die Tina, die du gekannt hast. Graf de Godoy hat mich durch seinen zärtlichen Biß verwandelt. Ich muß ihm dankbar dafür sein, denn er hat mich unsterblich gemacht. Nur als ruhelose Vampirin konnte ich die Jahrhunderte überleben. Nur an diesem Tag auf dich zu warten. Verstehst du jetzt endlich, Lester?“
„Wahnsinn!“ stieß er keuchend hervor. „Sie sind verrückt! Heilige Mutter...“
„Keine Obszönitäten, Lester!“ herrschte sie ihn an, und ihr stinkender Atem schlug ihm wie eine Faust ins Gesicht. „Ich will, daß dir die Zusammenhänge klarwerden. Du sollst wissen, warum du sterben mußt.“
„Nein, ich will nicht...“
„Doch!“ Ihre Zähne näherten sich seinem Hals. In ihre Augen trat ein verrückter, lüsterner Ausdruck. „Ich werde zuerst dein Blut trinken. Das Blut meines Gemahls in der Hochzeitsnacht. Wie habe ich mich darauf gefreut! Und dann werde ich dich erdolchen, bevor du zu dem werden kannst, was auch ich bin.“
Vor der Tür polterte jemand. Als sich Esmeralda umdrehte, sah sie dort den Mann stehen, der Tina in der Bodega sein aufrichtiges Bedauern ausgedrückt hatte: Dorian Hunter, den Dämonen-Killer. Die Linke hielt den Pflock umklammert, in der Rechten lag fast spielerisch ein schwerer Vorschlaghammer.
„Jetzt werde ich nachholen, was ich als Juan Garcia de Tabera versäumt habe“, sagte er.
Ohne eine weitere Erklärung stürzte er auf Esmeralda, riß sie von ihrem Opfer fort und schleuderte sie gegen die Wand.
Lester Nelson barg sein Gesicht in den Armen, als er sah, wie Dorian Hunter, vor der Vampirin stehend, mit dem Vorschlaghammer zum Schlag ausholte. Später dachte er, daß es besser gewesen wäre, sich die Ohren zuzuhalten.
Das Geräusch des niedersausenden Hammers erinnerte ihn an den Moment, als er mit dem Wagen über die zentimeterdicke Schicht von Hagelkörnern gefahren war; aber noch furchtbarer war der Schrei, so unwirklich und animalisch, daß er unmöglich von einem menschlichen Wesen stammen konnte.
Als alles vorbei war, entglitt der schwere Hammer Dorian Hunters Fingern. Er drehte sich zu Lester um, der sich ängstlich gegen die Wand preßte.
„Sie haben nichts zu befürchten, Lester“, sagte der Dämonen-Killer und ging zur Tür, um sie zu schließen. Dann setzte er sich auf den Tisch und zündete sich eine Zigarette an.
„Warum haben Sie das getan?“ fragte Lester, noch immer zwischen Bett und Nachtkästchen kauernd.
„Sie war ein Vampir“, sagte der Dämonen-Killer knapp, und nach einer Weile fügte er hinzu: „Glauben Sie nur nicht, daß mir das leichtgefallen ist. Ich habe sie einmal geliebt.“
„Tina?“Lester schluckte, blickte in die Richtung, wo die Tote lag, und war froh, daß er sie nicht sehen konnte. Das Bett versperrte ihm die Sicht auf den Leichnam.
„Ich habe sie als Esmeralda geliebt“, antwortete Dorian Hunter. „Jedes Wort, das sie sagte, ist wahr. Ich habe draußen gelauscht.“
„Weshalb sind Sie dann nicht eher eingeschritten? Warum haben Sie nicht Hilfe geholt?“
„Sie mußten erst Ihre Lektion erhalten, Lester“, sagte der Dämonen-Killer. „Es war ganz richtig, was Esmeralda sagte: Sie mußten unbedingt erfahren, wofür Sie zu büßen hatten. Ich persönlich mache Sie nicht für Esmeraldas Schicksal verantwortlich. Sie selbst hatten darauf keinen Einfluß. Es war von den Dämonen alles vorherbestimmt. Aber ich kann mich in Esmeraldas Lage versetzen und verstehen, daß sie Genugtuung verlangte.“
Lester blickte stumpfsinnig vor sich hin.
„Ich begreife das alles nicht. Gibt es dafür keine logische Erklärung?“
„Nein. Keine logische Erklärung, die Sie verstehen würden.“
„Wieso wußten Sie...“
„Sie wollen wissen, warum ich richtigen Zeitpunkt zur Stelle sein konnte?“
„Ja“, sagte Lester unsicher.
„Eine logische Erklärung gibt es auch dafür nicht. Jede Antwort auf Ihre Fragen wird Sie nur noch mehr verwirren.“
„Sagen Sie es mir trotzdem.“
„Dieser Juan Garcia de Tabera, von dem Ihnen Esmeralda erzählt hat“, sagte der Dämonen-Killer, „das war ich in einem meiner früheren Leben. Reinkarnation, Seelenwanderung - Sie wissen schon. Esmeralda hat mir damals von Ihnen erzählt, und sie nannte mir auch das Datum, an dem sie durch das Tor der Dämonen in die Vergangenheit verschlagen worden war. Als ich vor einiger Zeit die Erinnerung an die Geschehnisse von damals zurückerhielt, brauchte ich nur noch auf den heutigen Tag zu warten und Esmeralda hier zu empfangen. Denn ich wußte, daß ihr Wunsch nach Rache so groß war, daß sie bestimmt hier erscheinen würde. Vielleicht hat sie sogar geahnt, daß ich mich einfinden würde. Ihre Bemerkung, daß ihr alles egal sei, sobald sie sich an Ihnen gerächt hat, weist darauf hin.“
Der Dämonen-Killer drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.
„Ich lasse Sie jetzt allein, Lester. Vielleicht begreifen Sie eines Tages die Zusammenhänge besser. Ich würde es mir wünschen - um Esmeraldas willen. Damit sie wenigstens im Tode Ruhe hat.“
„Halt! Halt!“ rief Lester dem Dämonen-Killer nach. „Wollen Sie mich mit der Leiche allein lassen? Was soll ich der Polizei sagen?“
Aber die Tür war hinter Dorian Hunter bereits ins Schloß gefallen.
Lester blieb noch lange auf dem Boden kauernd, bis er sich endlich ein Herz faßte und aufstand.
Er traute seinen Augen nicht. Die Tote war verschwunden. Wo sie gelegen hatte, war nur noch der Holzpflock zu sehen, der einzige Beweis, daß er nicht alles nur geträumt hatte.
„Ich begreife das nicht“, murmelte er. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr.“
Er wußte nur eines ganz gewiß: Er würde seine Tina nie mehr wiedersehen.
ENDE