Sternstunden - Von Horrorklassikern und gruseligen Videothekenbesuchen
»Sternstunden«
Von Horrorklassikern und gruseligen Videothekenbesuchen
Und falls Sie sich beim Lesen denken, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank, dann haben Sie damit vielleicht sogar recht, aber das ist bei Ihnen sicher nicht anders, genauso wenig wie beim Rest der Menschheit. Wir haben doch alle unsere Macken, und in diesem Text erzähle ich über meine. Wann schreiben Sie über Ihre?
"Ein Essay ist eine geistreiche Abhandlung, in der kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht oft die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit einem Thema. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden; der Schreiber (der Essayist) hat also relativ große Freiheiten."
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Manchmal erlebt man Sternstunden, die man für den Rest seines Lebens nie wieder vergisst, und auch wenn diese Sternstunden für Außenstehende vielleicht langweilig und unspektakulär klingen, so bewahrt man diese doch in allerbester Erinnerung. Ein paar dieser Sternstunden habe ich in folgendem Essay zusammengefasst:
Die ganzen 80er Jahre über, während ich noch in die Schule ging, habe ich davon geträumt, in die Videotheken zu fahren und mir Filme auszuleihen. Man bedenke, dass es in den Achzigern so gut wie nichts von dem heutigen Angebot an filmischer Unterhaltung gab. Damals hatten wir nur eine Handvoll öffentlich-rechtlicher Fernsehsender und lange Zeit nicht mal Privatfernsehen. Somit war ich filmtechnisch ziemlich ausgehungert und sehnte die Zeit herbei, endlich in die Videothek fahren zu dürfen.
Aufbruch in das Reich des Grauens
Als ich im Jahre 1990 endlich volljährig und zeitgleich berufstätig geworden bin, habe ich meinen Führerschein gemacht und bin mit dem Auto meiner Eltern, einem alten aber großen Ford, in die für mich damals weite Welt der nächstgelegenen Stadt gefahren. Meinen ersten Videothekenbesuch hatte ich für den 02. November 1990 eingeplant. Das war ein Freitag. Der Donnerstag war ein Feiertag gewesen, und am Freitag hatten wir deshalb einen Brückentag für alle Mitarbeiter, sozusagen mein erster freier Tag im Beruf, denn Urlaub durfte ich damals noch keinen nehmen, da ich noch in der Probezeit war. Am späten Vormittag fuhr ich also erstmals alleine in die Stadt und suchte nach der Videothek, die ich schon jahrelang aufgrund von Zeitungsanzeigen unter Beobachtung hatte (das kann man sich heute vermutlich gar nicht mehr vorstellen, dass damals Videotheken Anzeigen in kostenlosen Wochenblättern geschaltet haben, um über die Neuerscheinungen zu informieren, aber damals war das noch gang und gäbe und für mich die einzige Möglichkeit, mich kostenlos über neue Filme zu informieren, denn das Internet gab es damals noch nicht, und Filmzeitschriften wie Cinema waren mir zu teuer).
In der Stadt habe ich die Videothek auf Anhieb gefunden. Diese befand sich ganz oben in einem Gebäude direkt unter dem Dach und war sehr gemütlich eingerichtet. Das war kein großer Raum, so wie es bei den meisten Videotheken der Fall gewesen ist, sondern die Videothek war eher schmal, vielleicht so breit wie ein Wohnzimmer, dafür war die Videothek sehr lang und erstreckte sich weit nach hinten. Alles war mit Holz verkleidet, was den Räumlichkeiten einen warmen Anstrich verlieh, und etwa in der Mitte der Videothek befand sich ganz versteckt, eingebettet zwischen Filmregalen, ein Holztisch mit zwei Stühlen und einigen Filmzeitungen, was wirklich gemütlich aussah und zum Verweilen einlud, aber ich habe nie jemanden gesehen, der sich dort hingesetzt hätte. In der Regel hat man ab der Mitte auch kaum noch jemanden in der Videothek gesehen, und je weiter man nach hinten vordrang, umso stiller, leiser und einsamer wurde es, was auch irgendwie seinen Reiz hatte, denn in den hinteren Räumlichkeiten konnte man ungestört in Ruhe stöbern und die eine oder andere Filmperle für sich entdecken, von der man noch nie etwas gehört hatte.
Trotzdem trieb ich mich meistens im vorderen Bereich herum, denn dort standen all die Blockbuster und vor allem die Neuerscheinungen, und diese waren natürlich am meisten begehrt. Da mein erster Videothekenbesuch am Vormittag stattfand, waren noch viele Filme da, und ich konnte aus dem Vollen schöpfen. Ich befand mich damals fast im Paradies, denn endlich hatte ich Zugriff auf all die vielen Filme, von denen ich als Schüler immer nur träumen konnte, und jetzt war dieser Traum endlich Realität geworden. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und suchte mir acht spannende Filme aus, die ich schon immer unbedingt sehen wollte, und das waren folgende Titel:
Die ersten vier Titel gehören bis heute zu meinen Alltime-Favoriten, die kann man sich immer wieder mal anschauen. Über die Dokumentarserie "Gesichter des Todes" kann man natürlich streiten, aber das waren genau die Filme, über die man früher als Schüler in der Pause nur unter vorgehaltener Hand gesprochen hat, und ich konnte damals natürlich nie mitreden, was mich immer maßlos geärgert hat, also musste die Fake-Doku "Faces of Death" einfach her, egal wie pietätlos diese Serie auch gewesen sein mag, aber ich wollte endlich mitreden können! Außerdem tragen Dokumentarfilme zur Bildung bei, und das ist sicher auch einer der Gründe, warum ich so schlau geworden bin (das war ein Witz!).
Herz, Schmerz und dies und das
Nachdem ich mir also diese kleinen Meisterwerke der Filmkunst ausgesucht hatte, begegnete ich einer weiteren "Sternstunde", die mich viele Jahre lang begleiten sollte, und zwar der Filmausleiherin, die hinter dem Tresen saß. Die Frau hieß Geli, aber das wusste ich damals noch nicht, das erfuhr ich erst viele Jahre später aus einem der kostenlosen Wochenblätter, in dem sie mit einem Foto und ihrem vollen Namen auf Seite 2 abgedruckt war. Geli war das komplette Gegenteil von mir. Sie war ziemlich rüstig, ziemlich ruppig, und nicht auf den Mund gefallen. Ich war eher schüchtern und legte ihr die Chips von den acht Filmen hin, die ich ausleihen wollte. Als sie die Videokassetten dazu aus den Regalen holte, starrte sie mich plötzlich finster an und fragte mich ganz vorwurfsvoll: "HORRORFAN, HÄ?"
"Ja, natürlich", erwiderte ich etwas verlegen, und ich fühlte mich ertappt. Aber ich glaube, die Geli war noch ganz andere Filme gewöhnt, denn sie musste alle zurückgebrachten Videokassetten kurz anspielen (und damit meine ich wirklich ALLE Kassetten!), um zu prüfen, ob die Filme noch funktionierten, und ich glaube, im Laufe der Zeit härtet man da ganz schön ab. Dieser Job war sicher nicht für alle Frauen gleichermaßen geeignet, aber Geli war hart im Nehmen, die schockierte so schnell nichts mehr, am allerwenigsten die harmlosen Filmchen, die ich mir ausgesucht hatte.
Bei der Gelegenheit lieh ich mir auch gleich noch einen zweiten Videorekorder aus, mit dem ich die Filme überspielen konnte, und dann fuhr ich schleunigst nach Hause. Dort stellte ich allerdings fest, dass das Überspielen nicht so klappte, wie man mir das erklärt hatte. Ein Arbeitskollege hatte mir nämlich erzählt, dass ein normales Antennenkabel zum Überspielen ausreichen würde, aber das war natürlich Nonsens, denn das funktionierte hinten und vorne nicht. In meiner Not rief ich in der Videothek an, und fragte, wie man Filme überspielen konnte, was rückblickend betrachtet vielleicht doch keine ganz so tolle Idee gewesen ist, aber Geli war am Apparat, ich erkannte sie gleich an ihrer lieblichen Stimme wieder, denn sie schnauzte mich ruppig an: "Das Überspielen bringt nichts. Die Qualität kannst du den Hasen geben!"
Technik, die begeistert!
Mittlerweile war ich total verzweifelt, und ich sah bereits meine Felle allesamt davonschwimmen. Da hatte ich acht geniale Filme zu Hause, und konnte diese weder alle auf einmal ansehen, noch konnte ich sie überspielen. Dann bin ich kurzerhand in das Elektrogeschäft meines Vertrauens gefahren, habe den geliehenen Rekorder mitgenommen und dort um Rat gefragt. Mein Problem war dort allgemein bekannt, und das Elektrogeschäft hatte zum Glück ein passendes Kabelset vorrätig, bei dem alle Stecker-Kombinationen für alle Videorekorder enthalten waren. Flugs das Steckerset gekauft, damit wieder heimgefahren und fleißig ausprobiert. Das Überspielen klappte jetzt zwar, aber die Bildqualität konnte man wirklich den Hasen geben. Den ersten Film, den ich überspielt habe, musste ich wegschmeißen. Immer noch voller Verzweiflung habe ich solange an den Kabeln und Schaltern justiert und ausprobiert, bis es endlich geklappt hat, und dann war die Freude natürlich groß: Der erste Überspielversuch war gelungen! Was für ein Erfolgserlebnis! Das war vielleicht ein phantastisches Gefühl. Der Tag war gerettet! Von da an überspielte ich bis spät in die Nacht einen Film nach dem anderen, während ich mir zwei Filme bereits beim Überspielen angesehen habe: "Tanz der Teufel II", das war der Hammer, ich habe vor lauter Freude gleich fleißig mitgetanzt, und natürlich "Gesichter des Todes", das war aber eher ein schlechter Scherz, der aussah, als hätte er 10 Dollar gekostet. Aber naja, was macht man nicht alles, um mitreden zu können, und egal, wie schlecht dieser Film auch war, meine Kekse habe ich mir trotzdem schmecken lassen!
Am Samstag stand ich schon in aller Herrgotts Früh hundemüde auf, um den Rest der Filme zu überspielen, und bis 11 Uhr hatte ich es geschafft, alle acht Filme zu kopieren. Dann bin ich wieder in die Stadt zurückgefahren, um die Filme abzugeben, und dann kam auch schon das böse Erwachen, denn da wurden die Leihgebühren abgerechnet. Da früher manche Filme bis zu 4 DM pro Tag (!) gekostet haben, musste ich insgesamt über 50 DM an Leihgebühr bezahlen. Das war im Jahr 1990 eine Menge Geld für ein paar Filme, vor allem für einen Berufsanfänger wie mich, aber egal, Träume kosteten nun mal Geld, und mir war es das einfach wert. Ich schwebte auf Wolke 7, weil ich endlich Zugriff auf alle Horrorfilme in den Videotheken hatte. Herrlich, das war einfach nur ein herrliches Gefühl, wie man es im Leben nur selten erlebt. Nach all den langen Jahren des Darbens und des Verzichtens war das Freiheit. Ich fühlte mich wie im Schlaraffenland.
Allerdings musste ich feststellen, dass ich einige von meinen Lieblingsfilmserien nicht vollständig in den Videotheken vorfand, und so schrieb ich einen Zettel mit den Filmen, die ich nicht auftreiben konnte, darunter:
Und noch ein paar andere, deren Titel ich nicht mehr weiß. Natürlich war mir bekannt, dass diese Filme damals alle bundesweit beschlagnahmt waren, angeblich jugendgefährend oder so, dabei waren das alles harmlose Filme, die meine Mitschüler in den 80er Jahren bereits gesehen hatten, also konnten sie nicht so gefährlich sein (die Filme, nicht die Schüler), und ich wollte die jetzt auch endlich mal sehen, immerhin war ich volljährig. Also gab ich Geli einen Zettel, auf dem diese Filmtitel standen. Die Geli-Maus schaute streng auf das Blatt Papier, das ich ihr überreicht hatte, überflog kurz die Liste, dann warf sie den Zettel achtlos zurück auf den Tresen und hat mich mit der knallharten Wahrheit konfrontiert: "Gibt's nicht mehr!" (natürlich gab es diese Filme noch, nur eben nicht mehr als Verleihversion in den Videotheken). Das war vielleicht ein herber Schock für mich, und ich zog deprimiert von dannen. Die Videothek war wohl doch nicht in allen Bereichen der heilige Gral gewesen, für den ich sie immer gehalten hatte. Wermutstropfen gab es eben überall.
Deshalb bin ich kurzerhand fremd gegangen und besuchte zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Videothek in der gleichen Stadt. Ich spazierte in den Laden, grüsste kurz die Frau am Tresen und lief schnurstracks in den Raum mit den FSK 18-Filmen, und schon stand ich vor dem Regal mit den Horrorfilmen. Die Frau wurde bleich wie eine Wand, sprang wie von der Tarantel gestochen auf, jagte mir in Windeseile hinterher und fragte mich völlig außer Atem: "Sind Sie schon 18?"
"Aber sicher", antwortete ich, "wollen Sie meinen Ausweis sehen?"
"Nein", sagte sie völlig erleichtert, "das passt schon. Das ist dann schon in Ordnung", und sie zog sich wieder zurück. Die arme Frau hatte ich ganz schön geschockt, als ich, der ich damals aussah wie ein Schüler, gleich in den Erwachsenenbereich spaziert bin. Aber ich habe mir dort nur anständige Filme ausgeliehen, zum Beispiel einen spannenden Abenteuerfilm mit traumhafter Musikuntermalung und sensationellen Landschaftsaufnahmen für die ganze Familie: "Nackt und zerfleischt". Den habe ich seitdem nie wieder in einer anderen Videothek gefunden. Von daher hatte sich der Besuch echt rentiert, aber ein allzu großes Angebot hatte diese Videothek leider nicht, darum bin ich beim nächsten Besuch wieder reumütig zur Geli zurückgekehrt.
Das ist das Schöne an Bekannten: Man findet immer einen, der noch verrückter ist, als man selbst!
In meinem Bekanntenkreis gab es jemanden, der hat uns eines Tages aufgeregt folgende Geschichte erzählt:
"Mit ein paar Freunden habe ich mal versucht, Tanz der Teufel anzuschau'n, aber den ham wir uns net anschau'n können, der war viel zu gruselig. Allein schon die Musik war so gruselig, dass man da gar nicht hinsehen konnte, so gruselig war die, und wir ham uns geforchten und Angst gehabt, so dass wir nach ein paar Minuten abschalten mussten. Wir ham des net ausgehalten, weil des so gruselig war, und weil wir soviel Angst gehabt ham, des konnten wir uns net anschau'n, und dann mussten wir den Film bald wieder ausmachen, denn der Film war wirklich furchtbar unheimlich, vor allem die Musik war so gruselig, und wir hatten dann soviel Angst, dass wir abschalten mussten. Also nee, so einen Film schau'n wir uns nicht mehr an, wenn man da soviel Angst kriegt!"
Ach herrjemine, das werden so Angsthasen gewesen sein, wenn sie "Tanz der Teufel" bereits nach ein paar Minuten wieder abgeschaltet haben. Am Anfang sieht man doch noch gar nichts, außer dem Vorspann, und als der vorbei war, haben die Angsthasen wieder ausgemacht, dabei hatte der Film doch noch gar nicht richtig begonnen. Naja, was soll man da noch sagen? Für solche Leute wäre die Sesamstrasse eine geeignete Alternative. ABER VORSICHT! Da spielen auch Monster mit...
Ein andermal ist der gleiche Bekannte wieder aufgetaucht. Diesmal war er außer sich vor Wut und hat regelrecht getobt: "Gesichter des Todes ist ein ganz furchtbarer Film. Ich weiß nicht, welche Leute sich sowas anschauen, aber die sind alle nicht mehr ganz dicht, die sind verrückt, die sind gestört, die sind krank, total krank, die gehören ins Irrenhaus, denn die haben alle eine Scheibe - EINE VOLLSCHEIBE!"
Stimmt, und ich weiß auch nicht, welche Verrückten sich solche Filme allen Ernstes ansehen. Was sind das nur für Deppen, die sich sowas ausleihen? Ich kann das gar nicht verstehen. Das müssen ganz, ganz schlimme Leute sein, und denen möchte ich lieber nicht im Dunkeln begegnen. Die bringen mich nachher noch um! Zum Glück schaue ich mir nur harmlose Komödien an. Aber mal abgesehen davon: Woher wusste denn der Bekannte überhaupt, dass das ein schlimmer Film war? Hatte er den etwa gesehen? Das wäre natürlich allerhand. Seitdem war mir dieser Typ nicht mehr ganz geheuer...
Die Rückkehr ins Reich des Schreckens
Ein halbes Jahr später, im April 1991, es war zwei Tage vor Ostern, da hatte ich erstmals echten Urlaub, denn meine halbjährige Probezeit war vorbei, und ich durfte endlich meinen Resturlaub von 1990 abbauen. Natürlich stand wieder die Videothek auf dem Programm, das war ja mal sonnenklar. Am Mittwochnachmittag vor Ostern bin ich losgefahren und habe mich wieder mit einer Menge neuer Filme eingedeckt. Ich kann mich allerdings nur noch an vier Titel erinnern, und zwar an die wunderschöne Familienserie "The Amityville Horror, Teil 1 bis 4", diese Filme wollte ich schon immer mal sehen, aber die anderen Titel, die ich damals ausgeliehen habe, weiß ich heute nicht mehr, also kann es nichts Wichtiges gewesen sein.
Am Abend verbrachte ich einen lauschigen Abend vor dem Fernseher, denn ich habe mir "Amityville Horror, Teil 1 und 2" am Stück angesehen. Das war eine weitere Sternstunde für mich, denn das waren Meisterwerke des Horrorfilms, und auch diese gehören bis heute zu meinen Lieblingsfilmen. Ich habe mich schier zu Tode geforchten und wirklich jede Minute davon genossen. Das war einfach nur phantastisch. So geforchten hatte ich mich noch nie zuvor und nur selten wieder danach. Ich war beeindruckt - und begeistert. Am Donnerstagvormittag sah ich mir noch schnell "Amityville III - The Demon" an, der aber nicht mehr so gut war, und den vierten Teil überspielte ich wie alle anderen für später. Am späten Nachmittag war ich fertig, und so fuhr ich am Gründonnerstag vor dem Abendessen nochmal in die Stadt, um die Filme wieder zurückzubringen, aber was ich erlebte, war das Grauen: Das Grauen des Spätnachmittagverkehrs in der Innenstadt direkt vor einem Feiertag. Um es kurz zu sagen: Es waren alle Straßen komplett verstopft, und ich stand EWIG vor den Ampeln und kam nur schrittweise vorwärts. Ich dachte schon, ich komme überhaupt nicht mehr an der Videothek an. Diese befand sich in einer Strasse schräg gegenüber vom Krankenhaus, damit man all die Horrorfans, die beim Ausleihen der neuesten Gruselfilme in eine Schockstarre verfallen waren, unmittelbar über die Straße tragen und gleich medizinisch behandeln konnte. Ich war zwar zum Glück nie davon betroffen, aber dort war ich abseits vom Innenstadtverkehr, und ich bekam auch gleich einen Parkplatz direkt vor der Videothek.
Als ich die Filme zurückgebracht hatte, lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, die gleiche Strecke wieder zurückfahren zu müssen. Das kam ja überhaupt nicht in Frage, denn da kam ich zum Abendessen gar nicht mehr pünktlich zu Hause an, wenn ich überhaupt jemals einen Weg durch diesen Verkehrsirrsinn hindurchgefunden hätte. Ich war total verzweifelt und habe fieberhaft überlegt, welche Alternativen ich noch für den Heimweg hatte. Ich hätte zwar noch eine andere Hauptstrasse zurückfahren können, aber die ist mir damals entweder nicht in den Sinn gekommen, oder die war genauso stark befahren, jedenfalls entschied ich mich dagegen. Plötzlich fiel mir ein, dass ich doch eigentlich gar nicht mehr durch die Innenstadt hindurchfahren musste, um den Rückweg anzutreten. Ich konnte doch auch "hintenrum" heimfahren, also über eine nahegelegene Ortschaft. Ich wusste zwar nur vage, welchen Weg ich dazu fahren musste, aber alles war besser, als an diesem Abend erneut die Innenstadt zu durchqueren. Die Autobahn gab es damals noch nicht, aber die Strasse, die die Zufahrt zur jetzigen Autobahn bildet, die gab es damals schon, und das war eine ziemlich holprige, kleine Strasse gewesen, doch die bin ich dann gefahren.
Raus aus der Stadt, hinein in die nahende Dunkelheit, begab ich mich auf unbekanntes Terrain. Ich fuhr mit dem Mut der Verzweiflung auf gut Glück durch dunkle Wälder, die mich frösteln ließen. Vor allem nach den vielen Horrorfilmen der letzten Tage war mir echt ziemlich mulmig zumute, als ich so mutterseelenalleine durch die finsteren Wälder fuhr, ohne zu wissen, wo ich rauskommen würde. Plötzlich fuhr ich an einem einsamen Restaurant mitten an einer Waldlichtung vorbei, was fast schon ein wenig romantisch wirkte, und ich kam mir schon nicht mehr ganz so alleine und verlassen vor. Im Ford meiner Eltern fuhr ich einfach immer weiter durch den Wald, in der Hoffnung, dass jeder Wald auch mal ein Ende finden würde, und dem war auch so, denn plötzlich kam ich in einer bekannten Ortschaft heraus, und mir fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen, denn ich war endlich wieder auf sicherem Gebiet. Von da aus war die Heimfahrt ein Kinderspiel, und als ich endlich zu Hause ankam, verschwand auch die Last von meinen Schultern, und ich war tiefenentspannt und heilfroh, sicher wieder nach Hause zurück gefunden zu haben. VOR einem Feiertag würde ich jedenfalls nicht mehr so schnell in die Videothek fahren, das war sicher.
Diese zwei Erlebnisse fallen mir nahezu jedes Jahr immer wieder ein, vor allem die unheimliche Fahrt durch die Wälder mutet heute richtig harmlos an, geradezu idyllisch, und das war sie letztendlich ja auch, nur habe ich das damals ein wenig anders wahrgenommen. Ich habe einige Jahre später versucht, genau diese Strecke wiederzufinden, und obwohl es diese Strecke sicher noch gibt, so habe ich sie nie mehr wiedergefunden, und das erinnert mich immer an Lovecrafts Erzählungen, in denen oftmals das Gleiche passiert.
Im Herzen der Finsternis
Ende der 90er Jahre war mir die besagte Stadt dann nicht mehr groß genug, denn die Videotheken dort waren mir alle zu klein geworden. Ich hatte schon alle Horror-Perlen und Psycho-Thriller abgegrast. Deshalb streckte ich meine Fühler weiter aus und habe mir 1998 eine Videothek in einer größeren, weiter entfernteren Stadt ausgesucht. Am Freitag nach der Arbeit bin ich dort hingefahren, und da es schon Spätherbst war, war es bereits dunkel, als ich in der großen Stadt ankam. Ich wusste nur den Strassennamen der Videothek, mehr nicht, und damals gab es leider noch kein Google Maps, also bin ich auf gut Glück losgezogen, habe das Auto auf einen Discounter-Parkplatz gestellt und habe alles nach der besagten Strasse abgesucht, aber ich habe nichts gefunden, denn wie gesagt, es war stockfinster, und ich habe die Hausnummern einfach nicht mehr erkennen können, außer, ich bin ganz nah hingegangen, aber das hat auch nichts gebracht, und so war ich einmal mehr völlig verzweifelt. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Ich war alle Straßen mehrfach abgelaufen, aber die Videothek blieb einfach unauffindbar, es war wie verhext! Es war auch niemand da, den ich hätte fragen können, denn bis auf den Verkehr wirkte alles fast wie ausgestorben. So irrte ich weiter durch die urbane Landschaft und kam plötzlich an einer Telefonzelle vorbei. Ja genau, an so einem gelben Kasten, den man heute nur noch vom Hörensagen kennt. Und da war auch ein Telefonbuch drin, aus heutiger Sicht schier unvorstellbar, aber ich habe das damals noch miterlebt, auch wenn es gefühlt schon weit über 100 Jahre her ist. Und so zwängte ich mich in die Telefonzelle hinein, suchte im Telefonbuch nach der Videothek und habe dann dort angerufen. Es hob auch jemand ab, und ich fragte, wo ich die Videothek genau finden konnte, denn ich lief schon seit einer Stunde wie ein blindes Huhn durch die Dunkelheit und fand einfach nichts.
"Wissen Sie, wo dehoma is?" fragte mich die Frau am anderen Ende.
"WAS?" erwiderte ich voller Unverständnis.
"Wissen Sie, wo dehoma is?" fragte mich die Frau erneut, aber ich verstand kein Wort!
"WIE BITTE? Ich verstehe Sie nicht!" wiederholte ich mein Anliegen.
"Wissen Sie, wo dehoma is?" wollte die Frau erneut wissen.
Ich wäre schier durch die Decke gegangen, denn ich verstand einfach nicht, was die gute Frau von mir wollte.
"Nein, weiß ich nicht!" gab ich zähneknirschend zu.
Dann hat sie mir eine Erklärung gegeben, aus der ich rekonstruieren konnte, dass sie den Norma meint, und jetzt wurde mir auch schlagartig klar, wie ihre Frage gelautet hatte: "Wissen Sie, wo der Norma ist?" hatte sie mich die ganze Zeit über gefragt, was ich aber aufgrund der schlechten Telefonverbindung und des vorbeifahrenden Verkehrs nie richtig verstanden hatte. Natürlich wusste ich, wo der Norma war. Ich stand ja dort auf dem Parkplatz! Also bin ich wieder zurückgelaufen zum Auto und habe Ausschau nach dem Eingang der Videothek gehalten. Ich lief ein paar Mal um das große Anwesen herum, aber irgendwie fand ich im Dunkeln erstmal rein gar nichts, was auf eine Videothek hindeutete. Mir fiel plötzlich der belehrende Monolog aus dem Film "Bis das Blut gefriert" wieder ein:
"Hier ist weit und breit keine Menschenseele. Niemand wird da sein, wenn es dunkel ist und wenn Sie Hilfe brauchen. Keiner wird dann hier sein, um Ihnen weiterzuhelfen. In der Nacht! In der Dunkelheit!"
Genau so kam ich mir vor. Ich irrte weiter verzweifelt durch die finstere Freitagnacht und suchte mit Argusaugen alle Hauswände ab, und dann, irgendwann, fiel mir plötzlich ein kleines Schild auf, das vor mir in tiefster Nacht schimmerte, und da stand was von einer Videothek drauf. Heureka, das war es! Ich hatte es gefunden! Ich stapfte ein paar Stufen hoch, öffnete eine schwere Türe, und schon hatte mich das riesige, unheimliche Gebäude verschluckt. Auch drinnen war es dunkel, finster, und es roch etwas unangenehm. Ich kam mir bald wirklich vor wie in einem Horrorfilm, und so rannte ich durch mehrere verwinkelte Gänge, lief einige Treppen auf und ab, und ich drang immer tiefer und tiefer in den verschachtelten Gebäudekomplex ein. Irgendwann sah ich mich einer großen Anzahl von Wohnungstüren gegenüber, und seltsame Gestalten kamen mir entgegen. Mir wurde es immer mulmiger zumute, und langsam bekam ich es mit der Angst zu tun, denn hier konnte unmöglich die Videothek sein. Mir kam die Situation mittlerweile grotesk und kafkaesk vor, aber ich gab nicht auf und suchte weiter. Ich lief wieder ein paar Treppen hinab, öffnete jede Türe, die ich finden konnte, und dann, plötzlich, kam ich in einen großen, hellerleuchteten Gang. Ja, das sah gut aus, das sah wirklich sehr gut aus. Mittlerweile war ich im Inneren des Gebäude-Molochs angekommen, ich war im Zentrum des Schreckens, und dort schlich ich weiter, suchte alle Türen ab, und siehe da, ich entdeckte das Schild einer Videothek. Endlich, endlich war ich am Ziel! Ich drückte die Türe auf, und vor mir erstreckte sich die größte Videothek, die ich je gesehen hatte. Ich glaube, diese Videothek war in etwa so groß wie alle anderen Videotheken, die ich bisher kannte, zusammen. Ich war im Himmel! Ich war im Paradies!
Mit klopfendem Herzen stürzte ich mich auf die Regale, und ich fand Filmperlen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, darunter "Die Brut" und "Videodrome" von David Cronenberg, oder "Das Haus an der Friedhofsmauer" von Lucio Fulci und noch ein paar andere Leckerbissen, nach denen ich mir schon seit Jahren die Finger abgeleckt hatte. In dieser Videothek gab es auch viele kleine Independent-Filme, die es nie in die Videotheken der kleinen Stadt geschafft hatten, und noch etwas war klasse: Neuerscheinungen waren zigmal vorhanden, teilweise über 10 Mal, sowas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Meistens waren von den Blockbustern dann immer noch mindestens ein oder zwei Chips übrig, von denen ich mir einen ausleihen konnte, und so durfte ich endlich mal wieder so richtig aus dem Vollen schöpfen. Kein Hauen und Stechen mehr, so wie früher, wo neue Filme vielleicht höchstens zwei- oder dreimal vorrätig waren, und die natürlich gerade immer dann ausgeliehen waren, als ich aufkreuzte. In der großen Stadt dagegen gab es richtigen Überfluß. Es war einfach herrlich, und nach diesem Erlebnis fuhr ich alle paar Wochen hierher, um neue Filme abzugreifen, jetzt kannte ich ja den Weg. Hier hätte ich schon viel früher hinfahren müssen, auch wenn der Anfahrtsweg ein wenig weiter war. Und da ich mich schon mal in einer großen Stadt befand, ging ich bei dieser Gelegenheit fast jedesmal noch in einen ziemlich großen Supermarkt, der auch klasse war. In einer fremden Stadt in einem fremden, riesengroßen Supermarkt einzukaufen, in dem einen niemand kennt, und in dem es wirklich ALLES gab, was das Herz begehrte, das war phantastisch. Ich habe das wirklich geliebt, vor allem am Freitagabend - in der Nacht, in der Dunkelheit! Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich im Herzen der Finsternis! Ein Traum für Horrorfans!
Auch das waren Sternstunden für mich, und so war ich an vielen Freitagabenden in der Großstadt unterwegs, um mich zuerst im Supermarkt mit leckeren Sachen und leeren Videokassetten und danach in der Videothek mit neuen Horrorfilmen einzudecken, die ich anschließend auf die leeren Videokassetten überspielt habe. Vor allem in der Dunkelheit war das wunderschön, denn da bin ich erst so richtig aufgeblüht und in Gruselstimmung gekommen. Zu Hause gab es dann dunkle, gemütliche Abende vor dem Fernseher, aus dem zu später Stunde das Blut heraustropfte, als ich meine "Frei ab 18"-Horrorfilme einlegte. Mensch, war das klasse! Das war wirklich absolute Spitzenklasse! Ich habe Ende der 90er Jahre in Sachen Videotheken nochmal einen zweiten Frühling erleben dürfen, der mich gefühlsmäßig in die höchsten Höhen der Glückseligkeit katapultiert hat. Das war Horror-Feeling pur, denn ich hatte wirklich Zugriff auf nahezu ALLE Neuerscheinungen, die es in Deutschland damals gab. In dieser Zeit habe ich die Essenz des Horrorfilms regelrecht inhaliert, und meine Seele blühte dabei so richtig auf. Was konnte schöner sein als das? Nichts mehr, denn das war Euphorie und Ekstase in seiner reinster Form. Das war PURE Lebensqualität!
Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe!
Leider wurde ab der Jahrtausendwende so langsam aber sicher das Ende der Videotheken eingeläutet, und irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr, stundenlang durch die Gegend zu fahren. Ich war in Sachen Horror-Geschichten satt und müde geworden, denn ich war einfach völlig übersättigt. Kein Wunder, hatte ich mir doch über ein Jahrzehnt lang das volle Programm gegeben, und das war ein Traum gewesen. Aber jeder Traum geht mal zu Ende, leider. Doch dann sucht man sich einfach wieder einen neuen Traum, es gibt ja derer viele. Aber die Videothekenzeit, die war ab 2002 für mich endgültig aus und vorbei. Ich habe seitdem nie wieder eine Videothek betreten.
Was ich aus diesen Sternstunden gelernt habe, ist folgendes: Manchmal kann man eine verzweifelte Situation, die schier aussichtslos erscheint, doch noch zum Guten wenden und ins Positive drehen. Von daher gilt der Grundsatz: Nie aufgeben, denn die Lösung liegt oftmals gar nicht so weit entfernt, man sieht sie meist nur nicht. Und noch etwas habe ich gelernt: Erlebnisse, die zum Zeitpunkt des Erlebens vielleicht gar nicht soooo toll waren, erscheinen im Nachhinein als Schlüsselerlebnisse im Leben, als "Peak-Experiences", die man für den Rest seines Lebens nie wieder vergisst, mögen sie für Außenstehende noch so langweilig und trival erscheinen - für mich waren sie es nicht. Man kann das Glück auch im Kleinen finden, wenn man nur danach sucht. Und natürlich gilt ein Grundsatz damals wie heute: Unverhofft kommt oft!
Pfüati Gott Angelika, mit dir war's einfach wunderbar
Die Geschichte mit Geli hatte übrigens noch ein Nachspiel. Wir sahen uns die 90er Jahre über regelmäßig in den Videotheken, aber nach der Jahrtausendwende hatte ich, wie gesagt, keine Lust mehr auf den Stress mit dem Überspielen. Doch einige Jahre später traf ich Geli als Kassiererin in einer Tankstelle wieder, wo ich mein Auto regelmäßig waschen ließ. Im Jahr 2007 gab es dann schließlich genau die gleiche Konstellation wie im Jahr 1990: Der erste November war ein Donnerstag, der zweite November war ein Freitag und deshalb für mich ein Brückentag, genau wie in meinem ersten Berufsjahr. Damals dachte ich mir: Das nehme ich jetzt zum Anlaß und fahre am Freitagvormittag wieder in die kleine Stadt, so wie früher, nur dass ich diesmal nicht mehr in die Videothek fahren würde, sondern in die Tankstelle zur Autowäsche. Ich war schon voller freudiger Erwartung und dachte mir immer, dass ich bestimmt die Geli-Maus dort treffen würde, war mir dessen aber natürlich nicht sicher. Als ich dann an die Tankstelle kam, spazierte ich in den Innenraum, und wer stand dort hinter dem Tresen? Meine Traumfrau! Und das beste war, sie hatte endlich ein Namensschild an ihrer Kleidung, auf dem stand "Geli". Ich habe innerlich bis über beide Ohren gegrinst und hätte mir auf die Schenkel klopfen können vor Lachen, denn offiziell wusste ich ihren Namen ja gar nicht, sie hatte sich mir nie vorgestellt und bislang auch nie ein Namensschild getragen. Ich wusste den Namen, wie schon mal erwähnt, nur aus der Zeitung, wo sie mal abgebildet war, und den Spitznamen Geli hatte ich ihr spaßeshalber gegeben, aber dass sie dann plötzlich vor mir stand und tatsächlich diesen Spitznamen an ihrer Jacke trug, das war wirklich total witzig. Damit hätte ich nie gerechnet. Sie blickte mich, wie bei unserer ersten Begegnung, mit strengem Blick an, und ich bestellte eine Autowäsche. "Was willst du für eine?" hat sie mich charmant gefragt, so, als würde sie mich schon ewig kennen, und tatsächlich war das ja auch der Fall, obwohl ich nicht weiß, ob sie mich wirklich wiedererkannt hat. Sie wusste auch nicht, dass ich dieses Treffen absichtlich herbeigeführt hatte, denn unsere Wege kreuzten sich zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Jahre lang, denn auf den Tag genau vor 17 Jahren waren wir uns zum ersten Mal begegnet. Für mich war es eine Art Jubiläum. Auch wenn sie nicht wirklich meine Traumfrau gewesen ist, irgendwie war sie mir doch ans Herz gewachsen, da sie mich so lange Zeit in meinem Leben begleitet hatte. Leider haben wir uns danach aus den Augen verloren. Ich glaube, im Jahr 2008 habe ich sie ein letztes Mal in der Tankstelle gesehen, danach nie mehr wieder. Vielleicht hatte sie auch einfach nur den Job gewechselt. Manchmal denke ich darüber nach, was wohl aus ihr geworden ist, aber ich vermute, sie wird schon noch irgendwo fleißig weitergearbeitet haben. Über diese Phantom-Bekanntschaft denke ich immer wieder mal gerne nach und muss darüber schmunzeln. 18 Jahre sind nämlich eine lange Zeit, und obwohl wir im Grunde genommen wie Hund und Katze waren und absolut keine Gemeinsamkeiten aufwiesen, so hatte es doch etwas Vertrautes und Beruhigendes an sich, dass ich sie immer wieder getroffen habe. Aber auch diese Zeit ist jetzt vorbei, nur in meiner Erinnerung lebt sie weiter, und diese beiden letzten flüchtigen Begegnungen in den Jahren 2007 und 2008 habe ich in guter Erinnerung behalten. Geli und ich waren zwei Gegensätze, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten, und auch wenn ich sie am Anfang wegen ihrer ruppigen und abweisenden Art überhaupt nicht ausstehen konnte, so habe ich sie mit der Zeit doch immer sympathischer gefunden.
Fazit:
Bewahrt euch eure angenehmen Erinnerungen und Sternstunden, denn sie kommen nicht mehr wieder. Dafür kommen wieder neue, aber nur, wenn man sie am allerwenigsten erwartet und garantiert nicht damit rechnet. Erzwingen lassen sich Sternstunden nur selten, wenn überhaupt, und oftmals ergeben sich Sternstunden aus Ereignissen, die negativ beginnen und dann überraschenderweise gut enden. Von daher sollte man auch immer das Positive im Negativen sehen. Es ist meistens da, aber man sieht es oft nicht, oder erst viel später, so wie ich, denn meine Videothekenzeit, das war eine schöne Zeit, wie sie nie wieder kommen wird, und die es auch nie wieder geben wird. Heute streamt man alles, wie langweilig ist das denn? Wo bleibt da der Nervenkitzel, ob es den gewünschten Film heute Abend überhaupt zum Ausleihen gibt? Und wo trifft man hübsche und charmante Videothekarinnen? Leider nirgendwo mehr, denn die sind alle ausgestorben. Ein Jammer!
Kommentare
An die Fahrten mit meinem ersten Auto und ohne Fahrlehrer kann ich mich auch noch gut erinnern. Bin ein paarmal nur knapp dem Tod entronnen bei latenten Fahrkünsten. Ich kann deine Reise durch den dunklen Wald gut nachvollziehen
Schade, dass es mit Geli-Maus kein Happy End gegeben hat
Von dem Macher von "Gesichter des Todes" gibt es übrigens ein schönes, langes Interview auf einer BD-Neuausgabe als Extra. Leider weiß ich nicht mehr, wo genau. müsste ich raussuchen. Er und ich glaube sein Vater hatten damals eine Synchronisationsfirma und sind dann selbst als Produzenten eingestiegen.
In der Tat ein schöner Artikel!!
Ich habe keine Videokassetten mehr zu Hause. Alles entsorgt, und ich weine denen auch keine Träne mehr nach.
Ich habe auch nie ungesehene Filme wieder zurückgebracht. Alles, was ich mir damals ausgeliehen habe, habe ich entweder überspielt oder gleich angesehen.
Das musste ich in der Videothek dann immer zeitlich berechnen, wieviel ich ausleihen darf, und wie lange ich dazu brauche.
Dass es mit Geli kein Happy-End gegeben hat, war schon gut so. Mit der wäre ich nicht glücklich geworden. Die hätte meine Leidenschaft mit Sicherheit nicht toleriert. Damit meine ich natürlich die Filmleidenschaft.
In der heutigen Zeit braucht man nicht mehr außer Hause zu gehen. Man bekommt jetzt alles per Internet geboten.
Mein Videorecorder hat sein Domizil jetzt bei meinen Schwiegervater aufgeschlagen. Zuletzt habe ich ihm einige Videoaufnahmen von Familienfeiern in MP4-Format umgewandelt