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Fantastische Brettspielwelten - Spieletipps zu Weihnachten 2022

Spieletipps zu Weihnachten 2022Fantastische Brettspielwelten
Spieletipps zu Weihnachten 2022

Im Vergleich zum Vorjahr konnte die SPIEL 22, die weltgrößte Spielemesse, die traditionell in Essen stattfindet, in sämtlichen Bereichen deutliche Steigerungen verzeichnen. Rund 147.000 Besucher strömten an den vier Messetagen durch die Hallen. um die über 1800 Spieleneuheiten der 980 Aussteller aus 56 Ländern zu begutachten und gegebenenfalls auch zu testen. Drei besondere Highlights haben dabei meine Aufmerksamkeit erregt und fallen erstaunlicherweise alle in den Bereich Fantasy.

Terra NovaEingefleischten Strategiespielern wird die Kosmos-Neuerscheinung „Terra Nova“ von Andreas Faul vielleicht bekannt vorkommen. Das Spielprinzip basiert auf „Terra Mystica“ von Helge Ostertag und Jens Drögemüller, das bei Feuerland erschien und 2013 auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres stand und auch den Deutschen Spielepreis gewinnen konnte. „Terra Nova“ ist sozusagen eine abgespeckte Variante dieses Originals, das nun nur noch für 2-4 Spieler geeignet ist („Terra Mystica“ konnte man auch zu fünft spielen), aber dennoch eine wunderbare Spieltiefe und eine Unzahl an Möglichkeiten zu bieten hat. Das liegt zum einen daran, dass man aus zehn verschiedenen Völkern in fünf unterschiedlichen Farben auswählen kann. Jedes dieser Völker (Flaschengeister, Seebären, Golems, Ifrit, Kobolde, Erfinderinnen, Feen, Druiden, Wüstentöchter und Feline) verfügt über unterschiedliche Fähigkeiten, jedes der entsprechenden Völkertableaus, die einem Einkommen in Form von Geld oder Macht bescheren, ist etwas unterschiedlich aufgebaut. Der gemeinsame Spielplan zeigt eine mystische Welt, die aus sechseckigen Feldern aufgebaut ist, die unterschiedlichen Landschaftstypen zugeordnet sind: Wüste, Wasser, Sumpf, Wald und Ödland. Durchzogen und abgetrennt werden diese von einem Flussverlauf, den die Spieler wahlweise durch Brückenbau oder Ausbau der Schifffahrtsleiste überwinden können. Das Ziel des Spieles besteht darin, das eigene Gebiet zu vergrößern und durch den Bau von Häusern, Kontoren und Palästen am Ende die meisten Siegpunkte zu generieren. Aber jedes Volk kann nur auf einem bestimmten Landschaftstyp leben. Da die fünf verschiedenen Landschaftsarten gleichmäßig auf dem Spielplan verteilt sind, muss man sich vor dem Bauen in angrenzenden Gebieten die Landschaft erst bewohnbar machen. Dafür und für den Bau von immer hochwertigeren Gebäuden benötigt man Geld oder Machtsteine. Letztere durchlaufen auf jedem Völkertableau einen Kreislauf, müssen zunächst über zwei Stufen hinweg aufgewertet werten, bevor sie gewinnbringend eingesetzt werden können. Die Aufwertung der Machtsteine erfolgt in der Einkommensphase, in der auch jedes Volk neue Münzen erhält. Je mehr bereits gebaut wurde, desto schneller steigt in dieser Phase die Ausschüttung an Geld und Macht. Durch Vorteilsplättchen, die in jeder der insgesamt fünf Runden den Besitzer wechseln, kann dieses Einkommen weiter verbessert werden. Außerdem ist es sinnvoll, die fünf Rundenwertungsplättchen, die zufällig aus insgesamt acht für jede Partie neu zusammengestellt werden, gewinnbringend einzusetzen. Wann ist es besonders sinnvoll, einen Palast zu bauen oder eine Stadt zu gründen (die aus mindestens vier Gebäuden und einem Stadtwert von sieben besteht), um dadurch besonders viele Siegpunkte zu erlangen? Was ist die für mein Volk beste Strategie, um auf der Siegpunktleiste voranzukommen? So unterschiedlich wie die Eigenschaften der zehn Völker sind dabei auch die Strategien. Bei den Testspielen fiel auf, dass die Vorteile der verschiedenen Völker nicht alle ausgewogen sind. Insbesondere die Kobolde scheinen kaum mehr einzuholen zu sein, wenn sie sich mit dem Einsetzen ihrer Vorteile auf dem Spielplan ausbreiten. Davon abgesehen bietet „Terra Nova“ aber ein strategisch interessantes Aufbauspielerlebnis mit genügend Varianz für immer wieder spannende Spielrunden. Jedes Volk breitet sich dabei auf dem Spielplan aus, ohne andere Völker zu vernichten oder bereits Errungenes oder Erbautes zu zerstören. Stattdessen geht es um eine gewisse Schnelligkeit, da einmal eroberte Gebiete nicht mehr in die Hand der Mitspieler fallen können. Für das Spiel zu zweit kann man zwischen einer Variante für Planer oder einer für Glücksgräber wählen, je nachdem, was einem spielerisch besser gefällt.


WitchstoneAuch bei „Witchstone“ von Dr. Reiner Knizia und Martino Chiacchiera (R&R Games/Huch!) geht es darum, in der Kristallkugel auf dem zentralen Spielplan eine möglichst hohe Präsenz zu erreichen, um am Ende der elf Runden als Sieger dazustehen. Das mystische Strategiespiel für 2 bis 4 Spieler schaffte es in diesem Jahr auf die Empfehlungsliste zum „Kennerspiel des Jahres“, darüber hinaus belegte es Platz 6 beim „Deutschen Spielepreis 2022“. Jeder Spieler besitzt hier einen individuellen Zauberkessel in der Spielerfarbe, in den er in jeder Runde eines von insgesamt 15 Hexplättchen platziert, die zufällig aus einem Pool gezogen werden, der bei jedem Spieler identisch ist. Diese Hexplättchen bestehen aus jeweils zwei von sechs verschiedenen Zaubersymbolen, die für die sechs unterschiedlichen Aktionsarten des Spieles stehen. Es ist besonders lukrativ, wenn man diese Hexplättchen nach dem Domino-Effekt in seinem Zauberkessel platziert, weil mehrere gleiche Zaubersymbole, die nach dem Platzieren nebeneinanderliegen, die Anzahl der möglichen Aktionen erhöhen. Je größer die Kette der zusammenhängenden Zaubersymbole wird, desto mehr profitiert man von den dadurch immer umfangreicher werdenden Aktionen, was schließlich zu äußerst lukrativen Kettenreaktionen führen kann. Mit der Energieaktion setzt man Verbindungen auf den Wegen in der Kristallkugel ein, die ihren Anfang am eigenen Turm darin nehmen, an dem man zu Spielbeginn seine erste eigene Hexe platziert hatte. Mit der Hexenaktion bringt man weitere eigene Hexen in die Kristallkugel, die sich dann über Verbindungen an neue Orte bewegen können. Mit der Pentagrammaktion bewegt man eine eigene Eulenfigur auf dem Pentagrammsymbol auf dem allgemeinen Spielplan im Kreis weiter, um dadurch Siegpunkte und nützliche Sonderhexplättchen zu erhalten, die man ebenfalls in seinen Zauberkessel legen oder einmalig für doppelte Aktionen nutzen kann. Mit der Kristallaktion bewegt man einen von sieben Kristallen weiter, die sich im eigenen Zauberkessel befinden und das Platzieren von Hexplättchen erschweren. Gelingt es einem Spieler, einen Kristall durch die Kristallaktion komplett aus dem eigenen Zauberkessel zu entfernen, bringt das weitere lohnende Zusatzaktionen ein. Ebenfalls auf dem allgemeinen Spielplan befindet sich ein großer Zauberstab, auf dem sich weitere Eulenfiguren der Spieler über darauf abgedruckte Felder weiterbewegen können, wenn man die Zauberstabaktion auslöst. Jedes zweite Feld auf dem Zauberstab bringt denjenigen, die bis dorthin weiterlaufen dürfen, zusätzliche Aktionsmöglichkeiten oder Siegpunkte ein. Wem dies als erstem gelingt, der profitiert doppelt davon. Das sechste mögliche Zaubersymbol löst die Schriftrollenaktion aus. Am Spielfeldrand befindet sich eine Auslage mit sechs Schriftrollen (aus einem Pool von insgesamt 40 Karten), die dem Erwerber entweder einmalige Verstärkungszauber einbringen, die man zur Erweiterung der eigenen Kettenreaktionen nutzt, oder Prophezeiungs-Schriftrollen, die einem am Spielende bis zu sieben Siegpunkte bescheren, sofern es einem gelungen ist, die darauf abgedruckten Aufträge „hervorragend erfüllt“ zu haben. „Witchstone“ ist ein Spiel, bei dem jeder Spieler eine Vielzahl an Möglichkeiten hat, um am Ende gut abzuschneiden. Der Glücksfaktor beschränkt sich auf das Nachziehen der eigenen Hexplättchen. Aber selbst dann, wenn es einem nicht gelingt, die richtigen Plättchen zur richtigen Zeit griffbereit zu haben, hat man genügend Chancen, seine Strategie noch einmal zu ändern und sich auf andere Zaubersymbole zu konzentrieren, um dann in diesem Bereich die Nase vorn zu haben und dadurch die meisten Siegpunkte einzufahren. Mit den durchsichtigen Energieeinheiten und Kristallen in den vier Spielerfarben und den Hexen- und Eulenfigürchen aus Holz ist auch das Spielmaterial äußerst charmant gestaltet.


The Hunger„The Hunger“ von Altmeister Richard Garfield („Magic: The Gathering“, „Robo Rally“, „Bunny Kingdom“), das jetzt bei Pegasus Spiele erschienen ist, führt zwei bis sechs Spieler auf äußerst atmosphärische Weise in die blutdürstige Welt der Vampire ein. Auf dem allgemeinen Spielplan befindet sich in der Mitte das düstere Vampirschloss, umgeben von einem verschneiten Friedhof und den Hütten der Bergregion. Darunter erstreckt sich die Ebene, bestehend aus Straßen, Eisenbahnstrecken und einem Seeweg für Schiffe. Am weitesten vom Schloss entfernt liegt der Wald, in dessen tiefstem Inneren ein Labyrinth drei ganz besondere Rosenkarten beherbergt. „The Hunger“ läuft über fünfzehn Runden, in denen die bis zu sechs Vampire das Schloss verlassen, in den Bergen, der Ebene und dem Wald auf Menschenjagd gehen, aber rechtzeitig vor Anbruch des Tages wieder zurück im Schloss sein müssen, um nicht in der Sonne zu Asche zu verbrennen. Für die Fortbewegung auf dem Spielplan nutzen die Spieler Bewegungskarten, von denen jeder zu Beginn sechs identische als Startset besitzt. Diese werden von jedem Spieler gemischt, drei davon zieht er auf die Hand und kann die darauf abgedruckten Geschwindigkeitspunkte auf zweierlei Art nutzen: entweder zur Fortbewegung auf dem Spielplan oder zum Jagen neuer Karten im Jagdgebiet. Dafür sind zunächst immer mindestens drei Geschwindigkeitspunkte notwendig, aber nicht gejagte Karten rücken in der nächsten Runde eine Stufe nach rechts, bis schließlich nur noch ein Geschwindigkeitspunkt aufgebracht werden muss und man damit mitunter sogar gleich mehrere Karten erhalten kann. Diese gibt es in drei Kategorien: Menschen, Gefährten und Fähigkeiten. Gejagte Menschenkarten bringen dem Spieler Siegpunkte ein, haben zumeist aber nur eine Geschwindigkeit von 1 oder 0. Genau wie die Fähigkeitskarten werden aber auch die Menschenkarten ins eigene Deck gemischt und verhindern mitunter, dass man sich in seinem Zug angemessen fortbewegen oder jagen kann. Dieses Prinzip kennt man auch aus anderen Deckbuilding-Spielen wie beispielsweise „Dominion“. Die einzige Möglichkeit, die Menschen-Karten im Spielverlauf loszuwerden, besteht darin, diese zu verschlingen. Das kann man an vier ganz besonderen Orten auf dem Spielplan (Markt, Kirche, Villa, Kaserne), die jeweils für die vier Kategorien vorgesehen sind, denen die Menschen angehören können. Weitere interessante Orte auf dem Spielplan sind die Grabstätten, an denen man sich neue Jagdziele beschaffen kann, die einem bei Erfüllung am Spielende noch weitere Siegpunkte bescheren. An anderen Stellen befinden sich Schätze, die immer Siegpunkte und zusätzlich auch weitere lohnenswerte Aktionen oder Fähigkeiten mit sich bringen. Der besondere Spielreiz von „The Hunger“ besteht darin, dass jeder Spieler für sich entscheiden kann, wie weit er sich vom Schloss entfernt und wann er vielleicht besser wieder den Heimweg antritt, um in Runde 15 nicht den Sonnenstrahlen zum Opfer zu fallen und das Spiel auch dann zu verlieren, wenn man in dessen Verlauf die meisten Siegpunkte sammeln konnte. Wer wagt sich bis zum Labyrinth vor, um sich eine der unsterblichen Rosen zu sichern? Denn dort ist man am weitesten vom rettenden Schloss entfernt, das jedem Vampir bei Tagesanbruch den einzigen völlig sicheren Unterschlupf bietet. Die 122 Jagdkarten und die 50 Plättchen mit unterschiedlichen Jagdzielen machen jede neue Partie wieder spannend und abwechslungsreich.


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