Wilkinson, Lili - Scatterheart
Hannah, das Mädchen aus (vermeintlich) gutem Hause lebt ein behütetes Leben mit den strengen Verhaltens- und Benimmregeln ihres Vaters. Wirklichen Spass aber hat die junge Dame nur mit ihrem Hauslehrer Thomas Behr, der ihr von fernen Ländern und exotischen Tieren erzählt, und für den sie insgeheim eine kleine Schwärmerei entwickelt. Als ihr Vater dann quasi über Nacht verschwindet bietet Thomas an sie zu heiraten, doch die 14jährige mit den falschen Wertvorstellungen lehnt dankend ab. Hannah ist nun auf sich alleine gestellt und landet durch einen dummen Zufall im Gefängnis - was ihr Leben schlagartig ändert. Im Knast sieht sie sich der brutalen Realität ausgesetzt, sie wird gemobbt, beraubt, bedroht, und letztlich erkrankt sie auch noch so schwer, dass sie ausgerechnet am Tag ihrer Anhörung keine vernünftige Aussage machen kann und auf ein Schiff nach Australien gebracht wird.
Im nun folgenen Teil des Romans muss Hannah während der Überfahrt lernen umzudenken, da ihre anerzogenen Werte eben nicht immer mit der Realität übereinstimmen. Schön und reich ist nicht immer gleich gut, schmutzig und arm ist nicht immer gleich schlecht - und sie selbst ist nicht anders als alle anderen. Hannah verändert sich und wird von Seite zu Seite liebenswerter und symphatischer da aus dem naiven, jungen Ding doch noch eine junge Dame wird. Hier lernt sie auch James kennen, der ihr das Gefühl gibt "falsch unter all den Tieren" zu sein, und der sie nach Ankunft in Australien heiraten möchte. Doch die "neue" Hannah erkennt hinter dem vermeintlich charmanten Gehabe des jungen Mannes auch den Snob, der nachts heimlich gemeine Spielchen mit Hannahs Mitgefangenen treibt.
In Australien angekommen beginnen nun Hannahs neues Leben und der dritte Abschnitt des Buches von dem ich an dieser Stelle nicht mehr zuviel verraten möchte. Nur soviel vielleicht: Auch ein alter Bekannter von Hannah hat sich auf den australischen Kontinent verirrt.
Lili Wilkinson, die 1981 geborene Tochter der ebenso erfolgreichen Autorin Carole Wilkinson ("Hüterin des Drachens"), hat mit ihrem Buch Scatterheart einen emotionalen, gleichermassen spannenden wie faszinierenden Abenteuerroman geschrieben. Obwohl an einigen Stellen historisch bekannte Daten auftauchen, drehen sich doch die beiden Haupthandlungsstränge um die persönliche Weiterentwicklung der zuerst naiven Hannah und der Liebesgeschichte die das Mädchen mit James und Thomas verbindet. Dennoch lohnt sich vor allem der Einblick ins London des Jahres 1814 - und die Grausamkeit mit der damals den meisten, nicht reichen oder adeligen Menschen begegnet wurde - besonders Frauen wurden häufig brutal geschlagen oder anderweitig misshandelt. Auch Hannah muss das alles am eigenen Leib erfahren, was Wilkinson so bildhaft beschreibt, dass man glaubt dabei gewesen zu sein. Die Altersempfehlung ist daher mit 13 bis 15 Jahren schon richtig gewählt, wenn ich auch persönlich eher Letzteres empfehlen würde.
Besonders gelungen fand ich den Versuch der Autorin Hannahs Geschichte, mit der Geschichte des Mädchens Scatterheart - einem Märchen dass parallel zum Roman am Anfang eines jeden Kapitels erzählt wird, zu verbinden. Zu Beginn scheinen Scatterheart und Hannah nicht viel gemein zu haben, doch je weiter Hannahs Geschichte und das Märchen fortschreiten, desto mehr erkennt man die Parallelen zueinander.
Lili Wilkinsons Roman hat mich völlig überzeugt, die Geschichte erinnert entfernt an Geschichten wie z.B. Traumzeit von Barbara Wood und dürfte Lesern solcher Romane sicher ebenfalls sehr gut gefallen.
