Britische Western zum Zweiten: Die Piccadilly Cowboys
Britische Western zum Zweiten
Die Piccadilly Cowboys
Die Piccadilly Cowboys
Den Anstoß gab der Erfolg des Spaghettiwesterns. Die New English Library war Anfang der Siebziger zu einem erfolgreichen Verlag von Genreliteratur geworden, vor allem unter der Führung des Lektors Laurence James. NEL empfand es nicht als Widerspruch, einerseits Bücher wie die Autobiografie der in England berüchtigten und umstrittenen Kämpferin gegen angeblichen Schmutz und Schund im Fernsehen Mary Whitehouse zu veröffentlichen, andererseits eine ganze Serie von Skinhead-Romanen in die Verkaufsstellen zu bringen.
Zusammen mit Terry Harknett entwickelte James die Westernserie Edge, die höchst erfolgreich war. So merkwürdig die Vorstellung im ersten Augenblick auch ist, dass hier ein Brite das uramerikanische Genre des Westerns zu einem Erfolg führt, den importierte Originalromane nie hatten, es funktionierte. Die Leser waren begeistert von dem kompromisslosen Helden mit seinem Hang zu übertriebener Gewalt. Und James, den ebenfalls das Schreiben reizte, erkannte hier einen Markt, der bedient werden wollte.
Zusammen mit Harknett erschuf James die Westernserie Apache, die 1974 erschien und ganz im Stil des Vorbildes war. Kurz darauf stießen zwei weitere Bekannte von James zu der Gruppe. Angus Wells kam ursprünglich aus der Werbebranche und arbeitete als Lektor bei Sphere Books, fühlte sich dort aber nicht mehr wohl. Harknett hatte neben seinen Erfolgsserien Edge und Steele bei NEL mittlerweile die Westernserie Jubal Cade beim Verlag Granada unter Vertrag, war aber ausgelastet.
Harknett und James boten Wells bei einem feuchtfröhlichen Mittagessen an, dass er Jubal Cade weiterschrieb, und er willigte ein. Dann war da noch James´ alter Schulfreund John Harvey, ein ehemaliger Lehrer. James hatte ihm geholfen, als Autor Fuß zu fassen. Harvey schrieb ein paar der Hell´s Angel-Romane, die sich gut genug verkauften, um den Job wechseln zu können.
Diese vier Autoren entwickelten und schrieben in der Folgezeit die diversen Westernserien. Nach dem Erfolg von Edge wollte jeder Verlag auf den Zug aufspringen, es kam zu einem regelrechten Boom, und die Autoren arbeiteten eng zusammen und lieferten pünktlich.
Die meisten der Serien sind Gemeinschaftsproduktionen, wo man abwechselnd einen Roman schrieb, während andere wiederum Soloprojekte sind.
Einmal im Jahr traf man sich zu Weihnachten in London in einem Pub namens Bung Hole. Mit treffender Selbstironie wurden diese Treffen später als Hacks Lunch bekannt. Andere Autoren aus der britischen Verlagsszene kamen hinzu, die heute ebenfalls im weitesten Sinn zu den PCs gezählt werden, obwohl sie nie so viele Romane wie die ursprüngliche Gruppe dazu beisteuerten. Lektor und Westernautor Fred Nolan, der bereits Mitte der Sechziger die Westernserie Sudden des verstorbenen britischen Autors Oliver Strange fortführte und vermutlich den Begriff Piccadilly Cowboys prägte, der SF-Autor Kenneth Bulmer, der heute hauptsächlich für seine Dray Prescott-Serie bekannt sein dürfte.
Zusammen mit Terry Harknett entwickelte James die Westernserie Edge, die höchst erfolgreich war. So merkwürdig die Vorstellung im ersten Augenblick auch ist, dass hier ein Brite das uramerikanische Genre des Westerns zu einem Erfolg führt, den importierte Originalromane nie hatten, es funktionierte. Die Leser waren begeistert von dem kompromisslosen Helden mit seinem Hang zu übertriebener Gewalt. Und James, den ebenfalls das Schreiben reizte, erkannte hier einen Markt, der bedient werden wollte.
Zusammen mit Harknett erschuf James die Westernserie Apache, die 1974 erschien und ganz im Stil des Vorbildes war. Kurz darauf stießen zwei weitere Bekannte von James zu der Gruppe. Angus Wells kam ursprünglich aus der Werbebranche und arbeitete als Lektor bei Sphere Books, fühlte sich dort aber nicht mehr wohl. Harknett hatte neben seinen Erfolgsserien Edge und Steele bei NEL mittlerweile die Westernserie Jubal Cade beim Verlag Granada unter Vertrag, war aber ausgelastet.
Harknett und James boten Wells bei einem feuchtfröhlichen Mittagessen an, dass er Jubal Cade weiterschrieb, und er willigte ein. Dann war da noch James´ alter Schulfreund John Harvey, ein ehemaliger Lehrer. James hatte ihm geholfen, als Autor Fuß zu fassen. Harvey schrieb ein paar der Hell´s Angel-Romane, die sich gut genug verkauften, um den Job wechseln zu können.
Diese vier Autoren entwickelten und schrieben in der Folgezeit die diversen Westernserien. Nach dem Erfolg von Edge wollte jeder Verlag auf den Zug aufspringen, es kam zu einem regelrechten Boom, und die Autoren arbeiteten eng zusammen und lieferten pünktlich.
Die meisten der Serien sind Gemeinschaftsproduktionen, wo man abwechselnd einen Roman schrieb, während andere wiederum Soloprojekte sind.
Einmal im Jahr traf man sich zu Weihnachten in London in einem Pub namens Bung Hole. Mit treffender Selbstironie wurden diese Treffen später als Hacks Lunch bekannt. Andere Autoren aus der britischen Verlagsszene kamen hinzu, die heute ebenfalls im weitesten Sinn zu den PCs gezählt werden, obwohl sie nie so viele Romane wie die ursprüngliche Gruppe dazu beisteuerten. Lektor und Westernautor Fred Nolan, der bereits Mitte der Sechziger die Westernserie Sudden des verstorbenen britischen Autors Oliver Strange fortführte und vermutlich den Begriff Piccadilly Cowboys prägte, der SF-Autor Kenneth Bulmer, der heute hauptsächlich für seine Dray Prescott-Serie bekannt sein dürfte.
James hatte in seiner Zeit als Lektor viel Material von ihm gekauft und zusammen mit ihm diverse historische Abenteuerserien verfasst. Bulmer schrieb nur einen Western für die Jubal Cade-Serie, denn wie sich herausstellte, war der Western nicht seine Domäne. Dazugerechnet wird auch der Autor Mike Linaker, dessen Serie Bodie the Stalker ebenfalls auf dem Spaghettiwestern aufbaute.
Der Begriff Piccadilly Cowboys ist eigentlich ironisch gemeint, schrieben hier diverse Leute über den amerikanischen Westen, die zu diesem Zeitpunkt niemals weiter westlich als bis zum Piccadilly Circus in London gekommen waren, der der Postbezirk West One war.
Betrachtet man die vielen Serien aus der zeitlichen Distanz, fällt natürlich vor allem auf, dass sie größtenteils nach dem gleichen Schema gestrickt sind. Anfangs gehen die Helden auf einen Rachefeldzug und führen danach die ruhelose Existenz des Herumtreibers, der ganz nach dem Vorbild des Spaghettiwesterns glücklos bleibt. Dabei hat jeder der Helden naturgemäß seine unverkennbare Waffe. Was für Edge sein Rasiermesser ist, ist für Herne the Hunter sein Sharps-Scharfschützengewehr oder den Arzt Jubal Cade sein Spencer-Repetiergewehr.
Je nach Neigung des Autoren gibt es mehr oder weniger expliziten Sex (allerdings lässt sich das nicht im Mindesten mit den heutigen Adult-Western vergleichen), dafür aber immer eine vor Gewalt strotzende Handlung. Wo die deutschen Autoren abblenden, fingen ihre britischen Kollegen erst an. Dazu kommen am Rande viele In-Jokes, da sich die unter vielen Pseudonymen arbeitenden Autoren damit amüsierten, ihre Kollegen namentlich in die Romane einzubauen und meistens einen grausamen Tod sterben zu lassen. Allein Terry Harknett starb bestimmt ein Dutzend Mal auf blutige Weise. Auch schmuggelten sie erfolgreich an den Lektoren der Konkurrenzverlage vorbei, dass die meisten Helden irgendwann einmal in einem kurzen Cameoauftritt der Figur Edge begegnen, die die Grundlage für den Boom bildete.
Keiner der Autoren wollte hier den großen Western schreiben, vornehmlich ging es darum, ein vernünftiges Auskommen zu haben. Man arbeitete in allen Genren; wenn sie sich selbstironisch in Interviews als Hacks bezeichnen, dann schwingt da auch ein gewisser Stolz mit, pünktlich und flexibel das gewünschte Produkt geliefert zu haben. Und wenn sie bei der Arbeit im stockkonservativen England jener Jahre gelegentlich am Establishment rütteln und die Grenzen des guten Geschmacks austesten konnten, umso besser. Dabei darf man nicht vergessen, dass auch in England diese Epoche eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs war. Auf Perioden schärfster Zensur es gibt diverse Beispiele, wo Verleger wegen angeblicher obszöner Schriften und sogar Kriminalromanen vor Gericht landeten, wie die Geschichte um die Krimiserie Hank Janson in den 50zigern zeigt1 folgte eine Zeit der Liberalität, die gerade Massenmarktverlage weidlich ausnutzten. Außerdem hatten gerade in England brutale Kriegsromane Tradition und ungeheuren Erfolg2, und da war es nur ein kleiner Schritt zu ebenso gewalttätigen Western und Horrorromanen. Die Piccadilly Cowboys lieferten das, was das Publikum wollte. Und manchmal schrieben sie dabei wirklich gute Western.
In diesem Rahmen alle 18 Serien detailliert vorzustellen, würde sicherlich den Rahmen sprengen. Hier also nur eine Auswahl.
Gringos
- US-Kavalleriemajor Cade Onslow desertiert nach der Ermordung seiner Frau und kämpft auf der Seite Pancho Villas im mexikanischen Bürgerkrieg. Ihm zur Seite stehen sein schwarzer Freund Jonas, der Südstaatler McCloud, ein Rassist und Vergewaltiger, und der entstellte rauschgiftsüchtige Sprengstoffexperte Jamie.
Schamlos abgekupfert von The Wild Bunch ist es dennoch eine der interessanteren Serien der PCs, da sie sich detailliert auf die geschichtlichen Ereignisse stützt.
Breed
- Matthew Gunn ist ein Halbblut.
Die Apachen nennen ihn Azul.
In den ersten Bänden jagt er die Mörder seiner Eltern.
Danach vermietet er seinen Colt.
Eine der erfolgreichsten PC-Serien, sowohl von der Laufzeit wie auch von den Verkaufszahlen.3
Crow
- Armeescout Crow, der Mann ohne Vornahmen, wird rausgeworfen und macht mit seiner abgesägten Schrotflinte im Holster als Kopfgeldjäger den Westen unsicher.
Ganz besonders düster und gewalttätig.
Im ersten Band gibt es neben der obligaten Rachegeschichte ein Massaker, Kannibalismus durch eingeschneite Siedlerfrauen und Vergewaltigung.
Herne
- Jedediah Herne, der schnellste Revolvermann des Westens, hat geheiratet und den Colt weggepackt. Seine Frau wird vergewaltigt und hängt sich auf, er schnallt den Revolvergurt wieder um und übt Rache. Dann verdingt er sich wieder als Schütze.
Der Aufhänger der Serie besteht darin, dass Herne mit über 40 viel zu alt für seine Abenteuer ist. Dazu kommen historische Bezüge, wenn Billy the Kid auftrifft und dergleichen mehr. Der letzte Band hat den treffenden Titel The Last Hurrah und endet mit dem Tod des Helden.
Jubal Cade:
- Jubal Cade aus den Slums von Chicago wird Arzt und bringt seine Braut in den Westen.
Der Killer Kincaid bringt sie um, und Cade verbringt 22 Bände damit, ihn zu jagen.
Hier war der Aufhänger, dass Cade als Arzt arbeitet, wenn er nicht gerade Leute erschießt.
Angel:
- Regierungsagent Angel verfolgt Verbrecher.
Interessant ist hier vor allem, dass Bastei die Serie Angel kaufte zusammen mit dem richtigen Namen des Autoren und daraus die Heftromanserie Santana machte, die es auf 120 Bände brachte. Fünf weitere Angel wurden von Mike Linaker verfasst, aber nur in Deutschland veröffentlicht.
Apache
- Cuchillo Oro ist Apache. Kavallerist Pinner schneidet ihm ein paar Finger ab und vergewaltigt und ermordet seine Frau, um ihm wegen eines angeblich gestohlenen goldenen Dolches eine Lektion zu erteilen.
Oro startet einen Rachefeldzug.
Die langlebigste der PC-Serien, deren restliche Bände allein in den USA erschienen.
Hawk:
- In einem Wutanfall rammt Hawks Vater seinem Sohn eine Heugabel in die Hand; der Junge läuft weg und wird trotz der Behinderung ein Revolvermann.
Neben dem besonderen Aufhänger mit der Behinderung findet hier oft Hawks toter Mentor John McLain Erwähnung, der seine eigene zeitlich vorher spielende Serie Peacemaker hatte, ebenfalls geschrieben von Harvey und Wells. (9 Bände)
Nach gut elf Jahren schwand das Interesse der Leserschaft. Alle Serien wurden eingestellt, und die Autoren wandten sich mehr oder weniger erfolgreich anderen Projekten zu.
starb am 9. Februar 2000 mit 57 an Krebs. Insgesamt veröffentlichte er mehr als 150 Romane in allen möglichen Genren unter einem Dutzend Pseudonymen. Nach dem Aus des Westerns vervollständigte er den ersten Roman der amerikanischen Serie Deathlands, eine Postdoomsday-SF, verfaßte 33 weitere Romane der Serie und machte sie zu einem so großen Erfolg, dass sie heute noch erscheint.
starb am 11. April 2006 mit 63 bei einem Hausbrand.
Neben den Western schrieb er historische Abenteuerromane über Gladiatoren The Eagles (zusammen mit James und Bulmer), oder die berühmt-berüchtigte Fantasyserie Raven (zusammen mit Robert Holdstock). Nach dem Ende des Westernbooms schrieb er unter seinem eigenen Namen Fantasyromane. Sein letztes Buch erschien 2001.
bediente ebenfalls viele Genre unter diversen Pseudonymen. Nach seiner Karriere als Westernautor widmete er sich unter seinem richtigen Namen dem Kriminalroman. Für seine Krimis erhielt er viele Literaturpreise, mittlerweile 73 Jahre alt schreibt er noch immer; sein neuester Roman erscheint 2012.
lebt mit seiner Frau Jane im Ruhestand. In seinem Internetforum "GGG and the Piccadilly Cowboys" hält er Kontakt zu alten und neuen Fans.
1 Steve Holland "The Trials of Hank Janson" Telos Publishing 2004
2 Autoren wie Sven Hassel mit seiner brutalen Ostfront-Strafbattallion-Serie oder Leo Kessler mit Serien wie Stuka Squadron und einem halben Dutzend anderer hatten ebenfalls Millionenauflagen.
3 Breed verkaufte zeitweise 40000 Exemplare pro Nummer; Interview mit Angus Wells 1979.
Kommentare
Die Azul-Romane von James A.Muir sind übrigens auch hierzulande erschienen - zumindest einige davon innerhalb der Bastei-Reihe WILDWEST-ROMAN.
Mein Freund und Kollege David Whitehead, der Terry Harknett auch persönlich kennt und mit an der Gründung der "George G-Gilman Appreciation Society" beteiligt war, schreibt übrigens ebenfalls regelmäßig die weiter oben erwähnten Kriegsszenarien der Serie COMMANDO.
Ich muss sagen, dass es schon fast Nostalgie für mich ist, die Titelbilder all dieser Serien hier zu sehen. Das war eine Zeit, in der auch hierzulande in puncto Western sich viel getan hat...