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Wo ist Iron Man?

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia KolumneWo ist Iron Man?
Über die Halbwertzeit von Blockbustern

Was macht eigentlich ein Mann wie Tony Stark mit 500 Millionen Dollar? Wenn man dem Reichtum im Film Glauben schenken darf, müsste er über eine derartige Summe schmunzeln. Aber es ist gerade mal 3 Wochen her. Bei den meisten Menschen passiert selbst in drei Jahren nichts und mit der Figur des Tony Stark haben sich in nur drei Wochen 500 Millionen Dollar angehäuft. Das ist schlichtweg erwähnenswert.


Wer immer grünes Licht für ausgerechnet noch eine Comic-Verfilmung gegeben hat, nun, der hat wohl auch ein Schmunzeln auf den Lippen. Nicht abwertend wie Tony Stark, sondern freudig, erregt. Marvel selbst hat sich mit der Gründung eines eigenen Studios den ‚Iron Man‘ geschenkt, und besser hätte dieses Debüt nicht ausfallen können.

Genau, der ‚Iron Man‘. Der scheinbar einzige Film in der Geschichte, über den jeder wortgleich dasselbe gesagt und geschrieben hat. Außer, ja, außer diese außergewöhnliche Chemie zwischen Gwyneth Paltrow und Robert Downey Jr. Da hat sich niemand ran getraut, jeder hat darüber geschwiegen, weil man derart überrascht war, das die alte Koksnase Downey überhaupt einen Film ohne Probleme zur Nachproduktion brachte.
 

Ja, verdammt, Downey war schon eine Granate, als er vor Ur-Zeiten in ‚Less than Zero‘ den versierteren Andrew McCarthy gegen die Wand spielte. Und ‚Ally McBeal‘ wäre um mindestens eine Staffel verlängert worden, hätte Schnupfnäschen Robert die Finger von ungesunden Sachen gelassen. Wer etwas von Schauspielerei versteht, der kann ohne weiteres bestätigen, das Robert Downey Jr. nie schauspielert. Er ist sein Charakter, er ist der überhebliche Frauenheld, er ist der fanatische Tüfftler, er ist der arrogante Wechselbalg, er ist ‚Iron Man‘. Und er ist die perfekte Ergänzung für Gwyneth in ‚Iron Man‘.

 

Ein Bekannter sprach mich verwundert darauf an, das meine Person doch gerne sehr ausführlich und ungefragt Kommentare zu allen möglichen Film absondern würde. Tja, aber wo ist ‚Iron Man‘ geblieben. Kleinlaut musste ich gestehen, mit dem Film komplett überfordert gewesen zu sein. Das lag gewiss nicht an mangelnder Begeisterung. Es lag daran, dass tausend Andere genau meine Gedanken bereits zu Wort gebracht hatten. Ich hätte so gerne mal irgendwo ein „ja, aber“ gelesen. Zum verrückt werden, es ist wie bei ‚Citizen Kane‘, nur das es niemand wagt bei ‚Citizen Kane‘ Negatives zu äußern.

 

‚Iron Man‘ war auf einmal wie das Deutschland-Gefühl bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Alle waren selig, alle waren sich einig, jeder hatte jeden lieb. Das kann doch nicht sein, in Zeiten des World-Wide-Webs sollte es mehr als genug Meinungen geben, aus denen man Schlechtes herausfiltern könnte. Aber wer immer schlechte Worte verlor, wurde sofort als Wichtigtuer und Volltrottel entlarvt. Pech gehabt. Und plötzlich, als die Zeit weiter harmonisch, aber trügerisch dahin schritt, war ‚Iron Man‘ verschwunden.

 

Prinzen regieren die Presse. Archäologen sorgen für Furore. Erinnert sich noch jemand an Glinda die gute Hexe? Wie sie in ihrer Seifenblase nach Oz einschwebt. Vielleicht war es eine ähnliche Seifenblase, in die Tony Stark gestiegen ist. Aufgestiegen und, tja, plötzlich over the rainbow verschwunden. Die Mumie wird sich diesmal in China erheben, die X-Akten proklamieren ‚man möchte glauben‘, Heath Ledger wird das letzte Mal von der Leinwand grinsen, und so weiter, und so weiter. Wer Blockbuster Geschichte schreiben möchte, muss sich auf Fantasy und Science Fiction einlassen. Da kann die Academy of Motion Pictures, Arts and Sciences Preise bis zum umfallen vergeben. Das Geld liegt bei den Genres, mit denen sich gefeierte Kritiker nur ungern abgeben möchten. Der Cineast lüpft verächtlich die Augen. Seit das Fantasy-Epos ‚Herr der Ringe‘ nicht mehr bei den Oscars mitmischen kann, weil abgefeiert, sind die Einschaltquoten beachtlich gefallen.

 

Die grüne Masse wird reanimiert, ein zauseliger Roboter sorgt für hohe Erwartungen, Jules Verne lädt ins Innere der Erde und ein versoffener Superheld macht Stunk. Da ist einiges geboten in diesem Sommer. Es wird sehr eng und da hat sich wohl ‚Iron Man‘ gedacht, das er sich verkrümeln könnte. Wo ist er hin? Keine Schlagzeilen mehr, nicht einmal die sensationellen Einspielergebnisse erregen Aufsehen. Keine Bilder von Robert Downey Jr., kein Nachschlag in der Presse. Vielleicht noch einmal, wenn Edward Norton als Bruce Banner die Leinwand ausfüllt. Da taucht als kleine Gastrolle Tony Stark auf. Downey spielt ihn natürlich auch hier. Ein kurzes Aufschreien, nette wohlwollende Worte der Kritiker vielleicht. Und dann?

 

Aber was ist mit Doktor Jones? Der hat nirgendwo einen Gastauftritt. Auch Narnia muss bald seine nächste Verfilmung abwarten, um im Gespräch zu bleiben. Wird Fox Mulder lange die Gemüter bewegen? Und alles ist gerade mal drei Wochen her. Da hat Tony Stark als ‚Iron Man‘ die Massen begeistert, da lagen sich alle glücklich in den Armen. Was hat man der Kinokultur nur angetan? Ja, auch Massenware ist Kultur. Ist ein Kino ausverkauft, spielt zeitgleich ein Zweites. Kein Zuschauer darf ohne Karte nachhause geschickt werden. Was bleibt einem Film noch, als gerade mal sieben Tage Ruhm?  Und wo geht er dann hin? Irgendwo in einer großen Seifenblase sitzt Tony Stark, schwebt jenseits des Regenbogens und hält an seinem Tisch einen Platz für Henry Jones Jr. frei. Der wird bald kommen, weil er nach seinen zu erwartenden Rekorden keinen langen Nachlauf mehr haben wird.

 

Kulturelle Massenphänomene sind nur noch Momentaufnahmen. Erinnert sich noch jemand an ‚Cloverfield‘? Und wenn man sich dabei nicht an die eigene, dicke Nase langen müsste, wäre das Jammern gleich nochmal so schön. Doch man lässt sich vereinnahmen, schimpft im Vorfeld, baut eigene Erwartungen auf, genießt den Film, oder auch nicht und entlässt ihn nach Oz. Bis zu seiner Fortsetzung. Es gibt sie schon noch, die Paten, die Imperien die zurück schlagen und solche, die der Wind nicht verweht hat. Man hat nur nichts mehr davon. Diskussion, darüber geschrieben, fertig, nächstes Thema.

 

Nun beginne ich mich gegen die eigene Unzulänglichkeit zu wehren. Jawohl, den Cate Blanchetts Blick, wenn sie in ‚Indiana Jones‘ die Erkenntnis erlangt. Das muss festgehalten werden. Das sind Momente die nicht einfach durch ein nächstes Thema verwischt werden dürfen. Cate Blanchetts Augen, dieser Ausdruck. Lasst es uns noch lange zelebrieren. Und natürlich die zauberhafte Gwyneth, wenn sie Robert gegenübersteht. Wo soviel passiert, ohne das etwas passiert. Können wir in ein paar Wochen noch einmal darüber reden? Nur um der Nostalgie Willen. Haben wir doch früher auch getan. Ich verrate Euch dann auch, wo ‚Iron Man‘ hin ist. Wenn ihr euch überhaupt noch an ihn erinnert.

Kommentare  

#1 Stefan Holzhauer 2008-05-30 19:40
Es gibt heutzutage einfach viel zuviele Filme, die als Blockbuster deklariert werden und ungefähr gleichzeitig im Kino zu sehen sind (von anderen Zerstreuungsmöglichkeiten mal abgesehen). Medienoverkill. Außerdem schrauben die Filmmultis die Ansprüche ja künstlich in ungeahnte Höhen. Filme, die wir früher ganz okay gefunden hätten, gehen heute unter, weil sie keine Multi-Millionen- Dollar Produktionen sind. Wir sinds doch selbst schuld...
Und: Die Big Player der Filmindustrie platzieren ihre Produkte ja gern zeitgleich, um "es auszukämpfen". Was auch immer. Was soll das? Wenn das Geld für Kinobesuche begrenzt ist (weil Kino schweineteuer geworden ist), dann überlegt man sich halt zweimal, in welchen Film man geht. Bei einer gleichmäßigeren Verteilung der Filme könnte mehr was vom Kuchen abbekommen. Aber dann wird ja kein Studio "Sieger"...
Quintessenz: Überangebot sorgt für kurze Halbwertzeiten. Und was ist eigentlich dieses Cloverfield, von dem alle geredet haben? 8)
#2 Harantor 2008-06-04 01:36
Wenn jeder Film, der ins Kino kommt, wegen überteuerter Stars, teurer Effekte und anderer Sperenzien 100 Mio $ im Minimum kostet, muss das Geld wieder rein. Die sind auch nicht wirklich rentabel. Sie spielen im Vergleich einen niedrigen Gewinn ein. Extremgegenbeispiele (aber eher Ausnahmen) sind da Blair Witch Projekt und Halloween.

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