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Ende einer Ära: Moffatts Doctor Who

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneEnde einer Ära:
Moffatts Doctor Who

7 Jahre Steven Moffat neigen sich mit der nächsten Weihnachtsfolge dem Ende entgegen. Der Headwriter und Executive Producer hat damit New Who - wie man die Neuauflage des Doctors auch nennt - am Meisten geprägt. Und wenn man bedenkt, dass er schon Folgen zu Russel-T-Davis-Zeiten geschrieben hat, so ist sein Einfluss vielleicht noch größer. Wobei die Fans teilweise nicht gerade für ihn sprechen mögen:

War er als Autor unter Russel-T-Davis noch jemand, der höchste Anerkennung bekam - und mit "Blink" schließlich die nächst-gruseligsten Gegner des Doctors jemals erschuf - war das Echo auf seine Produzenten-Ära eher verhalten.

Der erste Vorwurf, den sich Moffat stellen muss: Seine Vorliebe für sehr komplizierte Story-Arcs. Betrachtet man sich die Staffel-Arcs von Russell T. Davis dann folgen sie doch eher dem konventionellen Muster: Mal wird hier etwas am Rande erwähnt, dann wird dort noch etwas erwähnt und allmählich bildet sich dann das Thema des Arcs heraus. Bad Wolf. Torchwood. YANA aka Der Master. Ab der 5. Staffel allerdings wird es etwas komplizierter: Moffat liebt das Verschachteln der Handlung und man muss schon gehörig aufpassen, um noch mitzukommen. Wobei Staffel 5 noch einigermaßen im alten Fahrwasser läuft: Das große Geheimnis um die explodierende TARDIS wird nach und nach aufgebaut. Allerdings haben wir weiterhin River Song und ihre Zeitlinie in der Serie und so richtig aufgelöst wird der Bogen nun nicht, da sich Moffat eine Hintertür für die Silent offenlässt. Mit Staffel 6 allerdings beginnt einer der kompliziertesten Story-Arcs der Serie: In Folge Eins stirbt der Doctor, dann kommt er wieder zurück - allerdings ist das eine frühere Variante - dann gibst kurz einen Abschluss für die Silence, vorerst - und das Geheimnis um River Song wird aufgeklärt. Die Staffel endet schließlich in einem Finale, in dem die Zeit total aus den Fugen ist und in dem der Doctor schließlich doch erschossen wird - allerdings hat er längst einen cleveren Plan.

Staffel 6 hatte die Fans wirklich verwirrt zurückgelassen. Sie ist komplex, kompliziert und vielleicht ein wenig zu überbordend an Ideen. Moffat schien in der 5. erstmal es langsam angehen zu lassen - er hatte auch einen neuen Doctor einzuführen und zu etablieren - um dann in den höchsten Gang zu schalten, den er hatte. Die Geschichten um River Song, die Silent selbst, das Ende: Wer hier nicht aufpasste, kam einfach nicht mit. Die netten Einzelfolgen der Woche, in denen das Monster der Woche erledigt wurde, ist eher nicht Moffats Stil. Obwohl sie auch da waren. Es ist dann, als ob Moffat gemerkt hat, dass er diesen Stil und diese Art und Weise nicht mehr unbedingt so weiter durchziehen konnte. Dies führte dann zu einer eher unglücklich ausgeführten Staffel 7. Die eine Hälfte ist ein großartiger Abschied für die Ponds, dessen Ende einen das Herz zerreißt. Dazwischen liegt ein eher mittelmäßiges Weihnachtspecial, obwohl die Idee Schneemänner zu Bestien zu machen ja durchaus originell ist. Was man ja da noch nicht ahnen konnte: The Great Intelligence würde noch eine Rolle in der nächsten Hälfte der Staffel spielen.

Womit wir zum nächsten Vorwurf kommen: Moffat kann keine Frauencharaktere schreiben. Ein Vorwurf, den ich nicht nachvollziehen kann. Sicherlich ist River Song Geschmacksache, Clara ist allerdings nach Staffel 7 durchaus zu einer sehr runden Figur geworden - und Bill Potts ist die erste Companion, die lesbisch ist. Was bei Doctor Who eigentlich keine große Geschichte mehr sein sollte. Bill nur damit zu charakterisieren wäre allerdings verfrüht. Sie ist durchaus eine Persönlichkeit, die Neugierde hat, die dem Doctor zwar nicht offensichtlich in den Arsch tritt - was eher Clara macht - aber durchaus auch ihn infrage stellen kann. Sicherlich ist das auch eine Geschmacksfrage, aber schwach oder nicht durchcharakterisiert sind Moffats Frauenfiguren sicherlich nicht. Allerdings: Was Moffat sich mit der anderen Hälfte von Staffel 7 gedacht hat, ist mir schleierhaft. Zu schnell wird das Geheimnis um Clara aufgelöst und auch wenn sie sich danach mit dem 12. Doctor entwickelt - das "impossible Girl" hätte sicherlich eine komplette Staffel für ihr Geheimnis verdient. Und davon abgesehen: Mir macht das mit Trenzalore immer noch Kopfschmerzen. Der Doctor ist da gestorben oder doch nicht oder das war eine andere Zeitlinie...

Der nächste Vorwurf an die Ära Moffat: Die 8. Staffel mit dem 12. Doctor ist Mist.
Nachdem wir im Special zum 50. Jubiläum erfahren haben, dass der Doctor Gallifrey nicht zerstört sondern gerettet hat - wobei Moffat nie so richtig erklärt, wie der Doctor dann später wieder auf Gallifrey  sein kann, aber nun ja - scheint der Doctor in eine Art Krise geraten zu sein. Die Prämisse der 8. Staffel ist die Frage: "Bin ich ein guter Mensch?" Oder guter Timelord. Was dann im Verlauf der Staffel auch ausgelotet wird - die Selbstzweifel, die Fragen, die Unsicherheit. Nun: Immerhin war der Doctor schon davon überzeugt am Ende seiner Regenerationen angelangt zu sein und war bereit zu sterben. Durch das Geschenk der Timelords - ein neuer Zyklus von Regenerationen - sieht das ja nun wieder anders aus. Und der Charakter des 12. Doctors ist halt kein Matt Smith. Sondern zu Beginn grummeliger, keine Umarmungs-Person, jemand, der etwas auf Abstand geht. Das ändert sich im Laufe der nächsten beiden Staffeln etwas - und Peter Capaldi ist als Darsteller des Doctors einfach ein Gewinn für die Serie. An den etwas dunkleren Doctor muss man sich halt etwas gewöhnen. Darüberhinaus hat Staffel 8 wiederum einen sehr traditionellen Story-Arc: Keine Zeitreisen, keine verschachtelten Ebenen, ein mysteriöser Gegner, ein Finale, dass wirklich okay ist. Nicht überragend gut, aber Missy ist ein Charakter, der wirklich dem Doctor wunderbar Paroli bietet. Abgesehen davon hat sie auch eine gute Motivation: "Ich will dich als Freund wiederhaben." Etwas, was dann in Staffel 10 Thema sein wird. Dennoch: Dass Staffel 8 die Fans spaltet ist verständlich. Auf einmal ist der nette, freundliche Doctor nicht mehr da, Clara ist nach dem Lüften ihres Geheimnisses ein quasi unbeschriebenes Blatt. "Change, my dear, and not to late", um einen anderen Doctor zu zitieren. Allerdings: "Listen" beweist, dass Moffat als Autor wirklich immer noch auf der Höhe ist. Die Vorliebe für eine überaus verschachtelte Handlung hat er allerdings immer noch nicht abgelegt: "Time Heist" oder das Weihnachtsspecial mit dem "richtigen Santa" zeigen das ja. Das muss man halt mögen oder nicht, aber nach "Inception" sollten wir solche Erzählungen schon eher gewohnt sein. Mag auch sein, dass Christopher Nolan einige Folgen von Moffat...

Und was hat Steven Moffat sonst noch uns so gebracht?

Einen wunderbaren Zweiteiler mit den Zygonen, in dem der 12. Doctor strahlen darf wie nie zuvor. Seine Rede gegen den Krieg wird sicherlich zu den erinnerungswürdigsten Momenten jemals gehören. Und natürlich das Finale der 10. Staffel. Zudem entwickelt sich der 12. Doctor in den Staffeln 9 und 10, persönlich mochte ich die Idee mit den Zweiteilern in der Staffel 9 nicht unbedingt und es gab auch einige, bei denen man das Gefühl hatte die Geschichte hätte gut in eine Folge gepasst - "Under the Lake", und ja, die ersten beiden Folgen waren auch etwas seltsam...

Die Paternoster-Gang. Obwohl sie in den letzten Staffeln nicht mehr auftauchten ist das Trio mit Strax, Madam Vastra und Jenny Flint so permanent verankert, dass es mich nicht wundern würde wenn es bei Big Finish eine weitere Spin-Off-Serie als Hörspiel nach sich ziehen sollte.

River Song. Mag man zu ihr stehen wie man möchte, die Idee einer Liebesgeschichte, bei der beide jeweils entgegengesetzt aufeinandertreffen - zeitlich gesehen - ist gut gemacht und bekommt schließlich eine wunderbare Auflösung. Das Weihnachtsspecial mit ihr und dem 12. Doctor macht einfach Spaß und generell die Folgen dann mal in der richtigen Reihenfolge zu schauen...

Denn 11. Doctor. Dazu muss man nicht mehr viel schreiben, weil Matt Smith trotz des Risikos als sehr junger Schauspieler, der vorher auch keinem so bekannt war, einfach gerockt hat. Zusammen mit den Ponds übrigens.

Rückbezüge auf die klassische Who-Serie. Moffat kennt die klassische Who-Serie offenbar in- und auswendig: Elemente aus der alten Serie tauchen vermehrt auf, die Abenteuer des 8. Doctors im Audio-Format werden in der Fernsehserie sozusagen als offiziell sanktioniert, es gibt ein Hinweise hier und da. Das trägt zur Atmosphäre der Serie bei.

Die Ice-Warrior. Russel T. Davis schien nie die Absicht gehabt zu haben die Marsianer wieder zurückzuholen. Moffat schon. In Staffel 8 tauchten sie nach langer Zeit wieder auf. Und ebenso: Ohne Moffat keine Zygonen im Jubiläumsjahr!

Und nochmal generell: Moffat schafft es neben den verwirrenden Story-Arcs dann auch wieder Elemente von früheren Staffeln in die neuen zu integrieren - und die haben sogar noch Sinn. Amys Crack führte zu den Silent, die wiederum zu Christmas und den neuen Regenerationen führten. Elemente, von denen man dachte, man sähe sie nicht wieder tauchen dann wieder auf. Sicherlich hat Russell T. Davis das gegen Ende der vierten Staffel auch gemacht, aber Moffat kann das noch eine Spur besser.

Insgesamt gesehen: Es gibt sicherlich Schatten und Licht. Nicht alles unter Moffats Regime ist gelungen. Und sicherlich ist der 12. Doctor zu Beginn etwas zu grumpig. Allerdings: Ohne Moffat hätten wir keinen 11. Doctor gehabt, keinen War Doctor - der bei Big Finish zu neuen Abenteuern aufbricht - keine Ponds, keine Entwicklung der Angles und keine River Song. Vielleicht überwiegen dann doch die guten Seiten die schlechten. Eine Folge bleibt noch. Und dann kommt ein neuer Doctor - oder Doctorin?

Kommentare  

#1 Yugoth 2017-07-15 16:46
Angeblich wird der neue Doktor morgen abend nach dem Wimbledon Finale bekannt gegeben. A ginger, at last? ;-)

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