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ACTA und Artikel13: Fehler wiederholen sich

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneACTA und Artikel13:
Fehler wiederholen sich

ACTA? Was war ACTA eigentlich nochmal? War das nicht dieses Handelsabkommen, das von der EU hinter verschlossenen Türen beschlossen werden sollte, von dem dann die Öffentlichkeit Wind bekam und das dank einer großen Demonstrationsbewegung dann vom Tisch kam? In der Tat, das war es. Vielleicht können wir in etwas mehr als einer Woche sagen, dass Artikel 13 ebenfalls vom Tisch ist.

Wenn wir das nicht sagen können, dürfen wir uns auf einen längerfristigen Kampf zwischen Gerichten und Anwälten*innen und Benutzerinnen*en einstellen - denn so ganz klar wie das alles funktionieren soll ist das nun nicht.

Schaut man sich mal die Debatte jenseits der Für-oder-Gegen-Argumente an, fällt eine gewisse Ähnlichkeit mit der Art und Weise auf, wie die ACTA-Debatte geführt worden ist. Erstens: Die Diskussionen über Artikel 13 sind bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht öffentlich geführt worden. Jedenfalls ist der Öffentlichkeit bis ungefähr Mitte des Jahres Zweitausendachtzehn das Thema nicht wirklich nahegebracht worden. Es war bekannt: Die EU berät eine Urheberrechtsreform - so ähnlich übrigens wie <Oh, es kommt was mit Datenschutz>. Was genau beraten wurde oder wie die Entwürfe aussehen war lange Zeit nicht bekannt. Damit hat die EU genau das wiederholt, was sie mit ACTA schon einmal gemacht haben: ACTA war wirklich supergeheim und erst durch Leaks hat man erfahren, was da genau vor sich gehen sollte.

Dass die Öffentlichkeit sich in der Regel nicht für alle Entscheidungen in der EU interessiert, das ist halt so; man schimpft sehr gerne auf die EU, vergisst aber auch, dass es etliches Gutes gibt, was die EU vollbracht hat, sowas wie eine längere Friedensperiode in Europa etwa. Allerdings: Wenn es um Dinge geht, wie das Urheberrecht, Digitalisierung und Co. könnte man schon davon ausgehen, dass man das öffentlich vielleicht doch diskutieren sollte? Nun kommt Einem das als Normalbürger*in in den Sinn, aber das Leben eines Politikers*in ist ja doch dann irgendwie - hmm - abgehobener. Zudem: Politiker*in sind in der Regel nicht unbedingt diejenigen, die die neueste Entwicklung der Netzkultur kennen. Das müssten sie aber eigentlich, wenn sie für das Internet und die IT zuständig sind. Nun wäre das nicht schlimm, denn es gibt Berater*innen. Oder wenn man das andere Wort gebrauchen möchte - erstmal wertfrei - Lobbyisten*innen. Und es gehört halt zu den Wesenszügen einer Demokratie, dass man seine Interessen bei den Politikern*innen durchsetzen möchte. Die Befürworter*innen des Artikels möchten den Entwurf so wie er ist verabschiedet bekommen, die Gegner*innen möchten das nicht. Dass sich daraus eine teilweise polemische Diskussion Ende des Jahres Zeitausendachtzehn entspann, hat auch damit zu tun, dass man wenig über den ersten Entwurf wusste.

Zweitens: Wie bei ACTA waren es Leaks, die das Ganze ins Rollen gebracht haben. So berichtete Statewatch über die geplanten Verschärfungen und geplante Uploadfilter. Das war im Oktober des Jahres Zweitausendsiebzehn. Allmählich beschäftigten sich dann daraufhin erst die Internet-Connaisseure*innen mit dem Ganzen bis der erste Entwurf dann in die Youtuber-Sphäre gelangte. An dieser Stelle muss ich zugestehen: Ja, diese Reaktionen waren polemisch, überzogen und auf jeden Fall nicht unbedingt für die Diskussion zielführend. Aber andererseits war zu dem Zeitpunkt auch keiner der Befürworter*innen bereit, richtigzustellen, was da im Eifer des Gefechts schief lag. Hier hätte das zum ersten Mal passieren könne. Anstatt aber mit dem Gegenwind zu arbeiten, stellte man sich auf der Befürworter*innen-Seite einfach stur. Vielleicht dachte man, dass das nur ein vorübergehendes Problem ist oder - was bis heute durchschimmert - dachte in einer gewissen Art von Arroganz, dass diese Leute ja nicht wussten, wovon sie redeten. Was in gewisser Weise auch stimmte. Allerdings auch wieder nicht, denn einige Details waren auch noch unklar. Zugute halten muss man Youtube aber: Es gab rasch Stimmen, die zur Mäßigung aufriefen und die Debatte wurde etwas ruhiger und wieder faktenorientierter.

In dieser Zeit gab es auch noch nicht unbedingt große Demonstrationen, man rief den EU-Abgeordneten, die EU-Abgeordnete an oder schickte Mails. Und es war auch noch nicht unbedingt die Masse, die das tat. Nachdem die hysterische Phase bei Youtube abebbte und die Abstimmung dann den Entwurf erstmal aus dem Fenster warf, konnte man sich als Gegner*in auch zurücklehnen. Es gab ja die Hoffnung, dass damit erstmal das Thema an sich erledigt war. Neue Verhandlungen würden neue Ergebnisse bringen und sicherlich würde man dann den Protest und die Punkte, die verbessert werden könnten, im neuen Entwurf zu finden sein.

Nun, der Entwurf, der jetzt zur Abstimmung steht, unterscheidet sich in einigen Punkten schon von dem ersten. Jedoch: Von einem Verständnis der Internetkultur oder die Frage, wie sich das Urheberrecht wirklich so an das digitale Zeitalter anpassen lassen würde, dass es ausgeglichen alle Interessen berücksichtigt - davon kann aktuell nicht die Rede sein. Nun kann man einwenden: EU-Richtlinien sind bisweilen vage formuliert, da sie noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Dann hätte dies unter anderem bei der DSGVO auch der Fall sein müssen, aber die DSGVO ist derartig präzise formuliert, dass man da kaum Ausnahmen von der Regel gibt. Abgesehen davon sind andere Richtlinien ebenfalls nicht unbedingt unpräzise formuliert ...

Was ab dann bis jetzt folgt erinnert an das, was Gunter Dueck mal ›Talkshowdebattieren‹ nannte. Auf der Republica Zweitausendreizehn hielt er einen Vortrag zum Thema Metakultureller Diskurs. Folgendes Zitat sollte man sich durch den Kopf gehen lassen:

Sie schreien sich an, sie positionieren und verkaufen sich, sie diskutieren und zerfetzen die Argumente der Gegner, sie leiden im Grunde an wahrscheinlich schon unbewussten, internalisierten Glaubenssätzen. Was nicht stattfindet – kaum noch jemals – ist ein Diskurs, ein Miteinanderreden über die Glaubenssätze und Grundüberzeugungen der/des jeweils Anderen und der konstruktive Versuch, etwas Gemeinsames daraus für ein gemeinsames Leben zu finden.

Erst jetzt, eine knappe Woche vor den großen Demonstrationen sind die Beteiligten wenigstens teilweise bereit aufeinander zuzugehen. Dazu gab es einen Stream, der auf verschiedenen Youtube-Kanäle lief. Was allerdings definitiv zu spät ist. Zudem ist zu beobachten, dass kaum auf die Argumente des Anderen eingegangen wird. Die Gegner zerlegen natürlich die Argumente für das Ganze, liefern auch Gegenvorschläge aber auf diese neuen Argumente wird nicht eingegangen sondern eher mit Arroganz und Unverständnis reagiert. Man beharrt auf der eigenen Position und gerade auch dadurch wird der Furor noch angefacht.

Was dem Zeitgeist leider ja mehr als nur wiederspiegelt: Diskussionen sind zu Talkshows geraten - es ist gut für die Quote, wenn die Gegner aufeinander eindreschen. Das ist aber kein Diskurs. Sondern nur das Austauschen von Positionen, das Befürworten der eigenen Meinung und das Bestärken darin, dass man im Recht ist. Wir scheuen den Diskurs und beharren auf der eigenen Position. Leider. Dass sich jetzt auch die ganze Kommunikationsspirale wiederholt, die schon bei ACTA und ähnlichen Dingen vonstatten ging zeigt: Aus der Geschichte lernen wir nichts. Vielleicht könnten wir das bei der nächsten Debatte besser machen. Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Kommentare  

#1 Laurin 2019-03-22 13:26
Im Internet war jedenfalls heute zu lesen, das z.B. WIKIPEDIA wohl am nächsten Donnerstag aus Protest gegen Artikel 13 für 24 Stunden nicht erreichbar sein wird, obwohl Artikel 13 bei WIKIPEDIA wohl laut Aussage so nicht greifen würde, weil man für dieses Portal wohl im Vorfeld einige Zugeständnisse gemacht hat (so jedenfalls die Aussage im Groben).
#2 Heiko Langhans 2019-03-22 13:34
Erm - das war dieser Donnerstag. Gestern. 8)
#3 Laurin 2019-03-22 15:37
Ups ... Danke für die Korrektur, Heiko Langhans. Hatte die Meldung während der Arbeitszeit im Internet quasi nur überflogen und nicht auf das Datum geachtet, wann die Meldung bereits veröffentlicht wurde.
Aber ist doch zumindest mal schön zu sehen, dass man auch von solcher Seite her nicht alles schluckt, auch wenn es einen selbst nicht so hart treffen würde.

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