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Filme in Corona-Zeiten: Streaming tötet das Kino?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneFilme in Corona-Zeiten:
Streaming tötet das Kino?

Dass diese Jahr das Jahr der Stream-Dienste gewesen ist, steht wegen Corona vollkommen ausser Frage. Netflix verkündete zu Beginn des Jahres Riesenumsätze von neuen Abonnenten. Das freute die Aktieninhaber. Wacker schlägt sich auch Amazon Prime und Disney + hat vor kurzem eine ganze Menge an Inhalten angekündigt, die den Dienst nach vorne bringen sollen. Wobei man gestehen muss:

Wenn man nicht gerade Marvel mag oder Star Wars oder Pixar - dann wird man da nicht unbedingt glücklich werden. Daneben hat sich das Feld aufgefächert. Es gibt Spezialdienste für Dokumentationen, ArtHouse-Kino, Horrorfilme und demnächst kommt der Streaming-Dienst von Warner nach Deutschland. Und diese Nachricht sorgte für Diskussions-Bedarf: Ist das, was Warner plant, das Ende des Kinos?

Vorneweg sei daran erinnert: Wann immer es in der letzten Zeit ein neues Medium gab, es verdrängte in der Regel das Alte nicht. Es ergänzte es nur. Die große Befürchtung, dass die Erfindung von Fernsehern die Menschen in Massen aus den Kinos vertreiben würde ist so nicht eingetreten. Ebensowenig hat das Radio die Zeitung verdrängt, haben Blu-Rays die DVD verdrängt. Vinyl-Scheiben rotieren immer noch auf Plattenspielern, vor kurzem bot ein Discounter auch noch eine gute alte Boombox mit Kassettendeck an. Und jetzt sind schon seit etlichen Jahren Streaming- und Download-Dienste auf dem Parkett und das Kino hat bisher nicht darunter gelitten. Denn das Kino setzt auf einen Punkt, den man alleine vor der Leinwand bei sich nicht haben kann: Gruppen-Atmosphäre.

Und die will Warner nun auch nicht komplett zerstören, wie es aussieht. Es ist nur so, dass Warner ankündigte, das ganze Programm des nächsten Jahres nicht nur in die Kinos zu bringen - so Corona will und wir leben. Nein, es soll auch gleichzeitig oder sehr zeitnah im hauseigenen Streaming-Dienst landen. Ohne Zusatzkosten übrigens. Offenbar hat man sich das Mulan-Desaster bei Disney+ angesehen und davon gelernt. Wenn das mal keine Promotion für einen Dienst ist … Immerhin steht mit dem neuen „Dune“-Film uns wohl ein wichtiger Meilenstein der neueren SF-Kinogeschichte ins Haus. Wenn man dem Trailer Glauben schenken darf jedenfalls, aber noch nie sahen Sandwürmer überzeugender aus. Zudem gibt es noch etliche andere Filme, die durchaus Blockbuster-Qualitäten haben. Insofern: Das ist schon ein wuchtiger Aufschlag.

Wuchtig auch deshalb, weil vielerorts schon gemutmaßt wird: Im Zeitalter von Corona, in dem Kinos schließen müssen und viele kleinere Häuser das wohl kaum überleben werden, in diesen Zeiten könnte das heißen, dass das Kino endgültig gestorben ist. „Tenet“, der große Blockbuster, der nach dem ersten Lockdown in Deutschland die Zuschauer wieder ins Kino locken sollte, war offenbar ein Desaster vom Einspielergebnis her. Die noch kommenden Blockbuster wie der neue James Bond, Wonder Woman etwa wurden gerade wegen Corona immer wieder verschoben. Dabei hätte man eine durchaus starke, bekannte Marke gebraucht, um einen Großteil unter Hygiene-Bedingungen wieder ins Kino zu kriegen. Das aber war leider nicht der Fall. Und eine vertane Chance für die Häuser.

Wohlgemerkt: Warner verschiebt jetzt nicht das ganze Programm einfach komplett auf den Streaming-Dienst. Die Filme werden entweder zeitgleich oder zeitnah zu sehen sein. Kann man das den Machern verübeln? Nicht so ganz, denn klar, wir wissen alle nicht wie lange Corona uns noch beschäftigen wird. Auch, wenn jetzt Impfstoffe entwickelt wurden: Bis wirklich alle geimpft sind, die es müssen und dann die, die es wollen - das geht nicht von jetzt auf gleich. Die Studios müssen sich also auf Verluste bei den Kinos einstellen und möchten das durchs Streaming kompensieren. Wobei auch klar ist, dass die Kunden eine sehr gezielte Vorstellung vom Preis haben. Man akzeptiert im Kino ja durchaus die 15,- Euro - bisweilen mit Sonderzuschlag etwas mehr - aber für zu Hause, für einen Stream, den man nur einmal sieht … da ist man vielleicht bereit so um die zehn Euro höchstens abzudrücken. Das Teuerste am Kinobesuch sind eh die Getränke.

Es ist also kein vollständiger Verzicht aufs Kino. Ein Angriff? Vielleicht. Ein Austesten? Das auch. Allerdings: Das Heimkino kann vieles. Große Leinwände sind mit Beamer und Co kein Problem mehr für das Wohnzimmer. Bezahlbar ebenfalls. Internetzugänge sind schnell genug für das Streamen in HD oder gar 4K. Jedoch: Es fehlt da Gemeinschaftserlebnis. Klar, das kann man sich auch simulieren, wenn man sich genügend Freunde einlädt und … Ähm. Ja. Nun. Dass wir in Corona-Zeiten leben, habe ich erwähnt? In sofern: Ja, klar, man kann auch mit Freunden über Videokonferenz schauen, aber das ist ja auch nicht das, was man in Kino erlebt. Das Gemurmel vor dem Film, die breiten Sessel, die Lichter. Das gemeinsame Erschrecken bei Jump-Scares, das Schnüffen aus der letzten Reihe, wenn die Liebenden sich endlich finden - oder wenn es zu tragisch wird. Oder das Gelächter, wenn eine gute Pointe gesetzt worden ist. All das fehlt im Erlebnis zu Hause.

Deswegen ist die Frage, ob das Streaming das Kino aussterben lassen wird eher mit einem Nein zu beantworten. Wir Menschen sind gemeinschafts-süchtig. Wir brauchen das Gegenüber. Wir brauchen das gemeinsame Erlebnis, auch wenn uns persönlich nichts mit dem Anderen verbindet. Streaming ist eine gute Alternative. Aber mehr auch nicht. 

Kommentare  

#1 Mainstream 2020-12-18 23:45
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Volle Zustimmung, dass das Kino nicht sterben wird. Wenn auch viele Häuser auf der Strecke bleiben werden, zugegeben.

Das TENET auf einmal als Fehlschlag und Desaster gehandelt wird ist künstliche Legendenbildung, um die neuen Wege von Warner Brothers zu rechtfertigen. Bei einem Budget von 200 Millionen Dollar hat er weltweit 360 Millionen eingespielt. Ab 450 Millionen wäre es ein finanzieller Erfolg gewesen.
Es war ein kalkuliertes Risiko, bei dem die drei wichtigsten Großstädte Los Angeles, Chicago und New York weg fielen. Nur 40 Prozent der Leinwandkapazitäten konnten genutzt werden. Dennoch wurde der Film bewusst gestartet. Jetzt einen Misserfolg aus TENET zu machen ist schlichtweg verlogenes Geschäftsgebaren.

Betriebswirtschaftlich ist Warners Entscheidung der Date & Day Veröffentlichung für Kino und Streaming überhaupt nicht vertretbar. Filme refinanzieren sich nach wie vor über die Kinos. Über VoD und DVD/Blu-ray ist das überhaupt nicht möglich. Der Aufschrei, den diese Strategie auslöste, ist unbegründet.

Und all den Eiferern, die immer und immer wieder behaupten, das Kinovergnügen auch zuhause generieren zu können, hast Du ja bereits das Kollektiverlebnis unter die Nase gerieben. Zudem sollten sie sich die Frage stellen, warum ein Kinoprojektor im oberen fünfstelligen Bereich kostet, und sich die Heimkino-Beamer im vierstelligen Bereich tummeln. Und schon hört man es: Für mich ist das vollkommen ausreichend.
Ja, es ist aber nicht Kino.

WONDER WOMAN, GODZILLA vs KING KONG, MATRIX 4, oder SUICIDE SQUAD sind die perfekten Filme für ein ganz spezielles Klientel. Nämlich Nerds, die dann schon am ersten Tag eine perfekte Kopie über dunkle Kanäle in die Welt hinaus schicken, und keine schlecht ab gefilmten, kaum verständlichen Müll. Und bei sowieso geschlossenen Kinos, wird auch der cinephile Freak diese Angebote gerne annehmen.
#2 matthias 2020-12-19 00:19
Alles Ansichtssache!
Wenn man auf dem Dorfe wohnt, muss man in der Stadt auf Parkplatzsuche gehen, muss also mindestens 1 Stunde vor Film-Beginn los.
OK, Getränke und was zum Knabbern hat man dabei.
Dann zahlt man einen stolzen Preis und hat eventuell vor sich einen "langen Kerl", welcher die Sicht teilweise verdeckt (ich bin halt klein)
Oder neben sich einen Pop-Corn-Raschler ...
Dann die Werbung!
Muss man mal auf's Klo, läuft der Film weiter.
Und, und, und
Und dann sieht man eventuell noch einen schlechten Film, weil man der Werbung traute.

Nein, da warte ich lieber ein Jahr und kaufe mir für einen Bruchteil die Blu-Ray, welche ich auch mehrmals sehen kann. Und das, wann ich es möchte.
In meinem Archiv sind ca 2000 Filme/Serien, welche mich nicht vom Kino oder von Streaming-Diensten abhängig machen. Und wenn man warten kann sind die Scheiben auch nicht so teuer ...
#3 Mainstream 2020-12-19 09:19
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Richtig. Ansichtssache.

Wie schon geschrieben, werden allein durch Blu-ray Verkäufe und Streaming-Plattformen keine 200 Millionen Dollar Blockbuster zu produzieren sein, die mittlerweile mit eine Erwartung von 1 Milliarde Einspielergebnis prognostiziert werden.

Und genau diese Filme bilden aber den Rückhalt für die kleinen, feinen Produktionen, welche sich einer verlässlichen Kalkulation entziehen. Die brechen dann auf Dauer auch weg.

Niemand gewinnt.
#4 Mainstream 2020-12-21 20:04
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Bei über 650 Neustarts jährlich allein von den großen Hollywood-Majors, ist es auch für mich etwas schwierig jeden Film im Kino zu sehen. Obwohl ich versuche es 2x die Woche zu schaffen. Deswegen ist Streaming durchaus eine willkommene Bereicherung. Das kann niemand abstreiten.

Der Vetriebspartner von HBO Max (Wonder Woman, Godilla vs. King Kong, etc.) ist Sky. Von deren unverschämten Geschäftsgebaren kann man stundelang Artikel im Netz lesen, und ich war selbst auch betroffen. HBO Max soll nächstes Jahr auch in Europa starten. Nach aktuellem Stand ist dabei Deutschland noch ausgenommen.

Selbst Hochrisiko-Patient, habe ich TENET super gut genießen können. Bei zwölf Besuchern in einem 350 Platz Kino fühlt man sich dann schon sicher.
Aber am Thema vorbei...

Wenn ich sehe, was Netflix nur fürs Streaming produziert, ist das schon ein Zeichen, dass die Gelder fehlen. Filme wie PROJECT POWER, EXTRACTION, oder MA RAINEYs haben großartige Namen, gaukeln ganz geschickt dicke Produktionskapazitäten vor, bleiben aber alle substanzlos. Den Vogel hat dann aber Scorseses IRISHMAN abgeschossen, der mit 210 Minuten niemals für ein reguläres Programm ins Kino gekommen wäre. Bei uns lief er 2 Wochen und ich bin natürlich rein gerannt.
Es hat absolut seinen Grund, warum sich Produzenten in die kreative Ausarbeitung für eine Kinoauswertung einmischen.

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