Hört, hört: Clubhouse und Spaces - Wie alltagsfreundlich sind die neuen Apps?
Hört, hört: Clubhouse und Spaces
Wie alltagsfreundlich sind die neuen Apps?
Telefonkonferenz via App in Real-Time und ohne, dass man das Ganze abspeichern konnte. Nur: Wie alltagstauglich ist das Ganze?
Das große Problem der Apps im Audio-Echtzeit-Genre - noch haben wir da keinen Gattungsbegriff für: Sie treten in Konkurrenz mit all den anderen Dingen, die in Echtzeit konsumiert werden. In erster Linie also als Konkurrenz zum Radio - egal ob jetzt per altmodischem Gerät oder per hipper Internet-App oder über Alexa. Ich kann ja immer nur ein Medium zu einer Zeit nutzen. Wenn ich jetzt Radio höre, kann ich nicht gleichzeitig an einer Diskussion per Spaces oder Clubhouse teilnehmen. So weit ist Multitasking ja nun auch nicht gediehen. Zu den ganzen Zeitfressern, die das Internet mir eh schon ins Haus spült, kommt jetzt also auch noch eine Diskussion über das Smartphone-Gerät dazu. Wobei natürlich auch alle anderen Echtzeitangebote neue Konkurrenz bekommen haben. Podcasts vielleicht weniger, denn Podcasts kann ich mir auch zu einer anderen Zeit anhören, dann, wenn es mir genehm ist. Mediatheken bieten mir Fernseh- und Radioinhalte zum späteren Hören an. Dennoch aber: Ich kann immer nur ein Angebot zur selben Zeit nutzen. Die angenehme Funktion Diskussionen später sich anzuhören entfällt bei Spaces, Clubhouse und den ganzen Derivaten, die da noch kommen werden.
Das heißt: Ich muss mir bewusst Zeit für das Medium nehmen. Ich muss mir bewußt einen Termin in den Kalender eintragen - und das kann ich momentan nicht automatisch per Klick von der App aus, wäre ja zu einfach. Und wenn ich mir Zeit nehme, dann nur für die Dinge, die mir auch wichtig erscheinen. Wer sich die Frage angesichts des Überangebots von Podcasts stellt: Wer soll das denn alles hören?, der verkennt, dass es Podcasts gibt, die eine kleine Nische bedienen. Weil die Thematiken sehr speziell sind. Nicht jeder wird sich über einen Podcast zum Thema Algorithmen freuen, genauso wenig wie jeder sich über eine Livediskussion über Schrödingers Katze interessiert. Das heißt, es gilt für die neuen Apps genau das, was auch schon immer gegolten hat: Das Thema muss ansprechend sein, die Handhabung der App oder des Geräts muss verständlich sein und ich muss dafür Zeit haben und einplanen.
Jetzt ist es so: Ich könnte mich dank Clubhouse ohne Frage von einer Diskussion zur nächsten leiten lassen und damit etliche Stunden verbringen. Daneben aber sollte ich auch noch Dinge abarbeiten, mich mit Freunden treffen, mich erholen, mich meinen Hobbys widmen … Am Ende des Tages sind immer viel zu wenig Stunden übrig. Für Diejenige*n, die eh ihre eigenen Vorgesetzten sind, ist das Ganze ja noch ein bisschen flexibler, weil sie selber entscheiden können, wann sie was abarbeiten oder wann was welche Dringlichkeit hat. Wer allerdings in einem normalen Acht-bis-Vier-Job drinsteckt, der hat diesen Vorteil nicht. Und wird sich deswegen um Clubhouse oder Spaces nicht die Bohne kümmern. Warum sollte er auch? Schließlich sind seine Themen dort momentan eh kaum vertreten.
Die neuen Apps sind beherrscht von Themen, die für Technik-Begeisterte ja durchaus total toll sind, aber im Alltag der restlichen Bevölkerung momentan keine Rolle spielen. Ein Podcast über Algorithmen wird auch nicht interessanter, wenn man über das Thema eine Audio-Session veranstaltet. Außer natürlich für Programmierer oder Technik-Begeisterte. Das ist aber nun ein minimaler Prozentanteil der Bevölkerung. Man müsste unterscheiden: Es gibt natürlich in den USA auch Meditation-Stunden, Diskussionen über Bier oder darüber, welche Mannschaft jetzt den Super-Bowl gewinnt. Deutschland ist da noch nicht so weit. Hierzulande erlebt man den Google+-Effekt: Wenn man zuerst nur eine Elite in eine App hineinlässt, bestimmt diese natürlich die Themen. Wer dann später dazukommt, fragt sich entweder, was er hier verloren hat oder ist dann optimistisch genug das eigene Thema in den Dienst einzubringen. Muss dann aber halt sozusagen Zeit aufholen, um seine Follower zu gewinnen. Wie Google+ endete, wissen wir ja wohl alle.
Solange man Menschen nicht erklären kann, warum die neue Erfindung nützlich ist oder was sie vereinfacht, solange werden Menschen Erfindungen immer ablehnen. Oder erst später sich die Erfindungen zu eigen machen. Manchmal nicht unbedingt im Sinne des Erfinders. Momentan stehen die Apps von Clubhouse und Spaces und was da noch kommen wird vor genau diesem Problem: Welches Problem lösen sie? Haben sie ihren Platz im geschäftlichen Bereich? Sind sie als Ergänzung bei Tagungen geeignet? Das scheint bisher keiner auszuprobieren, weil alle momentan dann wohl eher Zoom oder sowas als Erweiterung des digitalen Raums nehmen. Der Nutzen ist nicht greifbar. Deswegen ist Clubhouse nach dem Ansturm ja auch erstmal wieder etwas in der Versenkung verschwunden. Welche Live-Veranstaltungen sollte man auf diese Art und Weise inszenieren wollen? Vor allem sind die Sessions nicht abspeicherbar und wichtige Erkenntnisse sind dann nicht mehr abrufbar. Was dafür spräche, dass man das Format wirklich eher bei Fortbildungen oder Tagungen einsetzt.
Mag sein, dass sich da noch Ideen finden werden. Wenn vermutlich die ersten Garten-, Beauty-, Lifestyle-, Ernährungs-Influencer*innen das Feld für sich erobern, könnte es für alle interessant werden. Momentan jedenfalls ist die Frage aber, ob wir wirklich noch einen weiteren Audiokanal brauchen. Vor allem: Haben wir eigentlich die Zeit dafür?