Lückenfüller: Es muss nicht alles erzählt werden
Lückenfüller
Es muss nicht alles erzählt werden
Lücken zwischen den Filmen, Lücken zwischen bestehenden Serien … zwischen den Serien, die man jetzt nochmal neu produziert hat … Irgendwas findet sich immer, was man unbedingt noch auserzählen muss. Ob der Zuschauende das nun möchte oder nicht.
Selbst „Doctor Who’“ ist ja von diesem Phänomen nicht unbedingt gefeit. Wobei ich auch gestehen muss: Bei den ganzen Spin-Offs alleine im Hörbuchbereich schwirrt mir auch der Kopf. Und natürlich gab und gibt es beim Doctor auch irgendwelche „Lost Adventures“, die unbedingt erzählte werden müssen. Gut, muss man einschränken: Da nicht alle Who-Folgen auf Band überlebt haben sondern oft mal nur eine Tonspur, ein Drehbuch oder nur irgendwelche Skizzen sind einige „Lost Adventures“ eher Rekonstruktionen. Aber ja, natürlich sind die Bücher allesamt mehr oder weniger neue Abenteuer mit bekannten Doctoren. Es ist also nicht nur ein Star-Trek- oder Star-Wars-Problem. Aber ja, es ist ein Problem. Die Kunst eines Schriftstellers besteht darin so viel Raum in seinen Texten zu lassen, dass die Phantasie des Lesenden die Lücken gegebenenfalls ergänzen kann. Wenn zuviel Raum gelassen wird, weiß der Lesende nicht mehr wo er sich befindet. Wird zu viel erzählt, dann würgt der Schriftsteller das Vergnügen am Lesen ab. Wir brauchen also Leerstellen, die unsere eigene Vorstellung füllen kann.
Wobei: Das Problem ist wirklich nicht neu. Bevor bei „Star Wars“ reiner Tisch gemacht wurde, habe es eine Unmenge von Büchern, die einerseits die Geschichte der originalen drei Episoden weiterzählten. Der Tod von Chewbacca fand nicht auf der Leinwand statt. Der Riesenkosmos des Erweiterten Universums aber lieferte Autoren*innen auch die Möglichkeit, neue und spannende Figuren einzuführen. Neue Geschichten im bekannten Universum zu erzählen. Offiziell abgesegnete Fanfiction. Bei „Doctor Who“ kommt mir Iris Wildthyme - eine Time-Lady - in den Sinn, die rasch ihre eigenen Abenteuer ohne den jeweiligen Doctor erlebte. Peter Davids „New Frontier“-Reihe bei „Star Trek“: Neuer Captain, neue Crew, neue Mission. Bei „Star Wars“ … kenne ich mich nicht so aus. Vermutlich kann man aber auch hier mindestens ein Beispiel anführen. Selbes Universum - neue Helden.
Genau das wünschte ich mir auch aktuell. Ich weiß, „Lower Deck“ ist offiziell im Star-Trek-Universum verankert und ja „Destiny“ - geliebt, gehasst - ist eine Lückenfüller-Serie genau wie Captain Archers Crew auch. Da zahlt sozusagen eine Serie auf die andere ein und wehe, wenn irgendwas nicht „kanonisch genug“ ist, dann gehen hartgesottene Fans aber sowas von an die Decke. Und die aktuelle Star-Trek-Serie, die ich nicht gesehen habe - das ganze Herumgehampel wer jetzt was wie ausstrahlt und „lineares Fernsehen“ war mir persönlich zu doof - ist wohl auch mal wieder eine Serie, die in der Vergangenheit spielt und irgend eine Vorgeschichte erzählt. „Picard“ - auch nicht gesehen - lässt die grandiose Schlussepisode von „TNG“ nicht als grandios letzte Folge stehen. Es sei denn man ignoriert „Picard“ komplett. Aber da auch hier schon wieder angekündigt wurde, dass man Charaktere aus TNG hervorkramen wird … Und niemand wir mehr sagen: „Oh, diese tolle Szene, Boba Fett stirbt ja gleich“. Weil Boba Fett nicht gestorben ist sondern - die Reichenbachfälle lassen grüßen - wieder auferstanden ist.
Natürlich lieben wir alte Helden*innen. Wir wuchsen mit denen auf. Wir haben ihren Werdegang verfolgt, wir haben gezittert, gelacht, geweint, gefleht, geflucht. Als Kinder haben wir davon geträumt, dass die Serie nie zu Ende gehen würde, dass die Helden*innen immer neue Abenteuer erleben würden, bis in die Unendlichkeit und noch viel weiter. (Wer sich mal mit Disneys Anschauungen zum Thema Buzz Lightyear auseinandergesetzt hat, dem wird der Kopf rauchen, weil - ist der kommende Film jetzt eine Erzählung der Abenteuer der Spielzeugfigur vor Toy Story? Eine Folge der Serie aus jenem Kosmos? Bisher hat Disney auch nie so getan, als gäbe es dafür ein lebendiges Vorbild, aber … ÄCHZ. RAUCH. SCHMERZ.) Aber dann erkannten wir als Erwachsene, dass ein guter Schluss nicht jeder Serie gegeben ist. Wir warfen frustriert „Lost“ in die Ecke. Cliffhanger-Enden brachten uns zum Wahnsinn, wenn die Serie nie fortgesetzt wurde. Das Ende von „How I Met Your Mother“ stieß Fans vor den Kopf. Gute Enden sind rar. Also nicht die 08/15-Klischee-Untergangsssonnenritte, sondern wirklich Enden, die einen abholen, die Storybögen zu Ende bringen und die uns mit dem Gefühl hinterlassen, ja, so ist es gut.
Genau diese Enden - hallo, Doctor Who, ROSE! - werden entwertet, wenn die Lückenfüller-Serie nicht intelligent genug gemacht ist. Abgesehen davon: Der Tod von Obi Wan Kenobi in der aktuellen Star-War-Serie ist sehr unwahrscheinlich und damit entfällt schon mal ein Spannungselement. Schön, man kann mit der Frage: „Wie hat er sich all die Jahre auf Tattoine versteckt gehalten ohne von Vader bemerkt zu werden“ vermutlich so zwei Folgen füllen, aber … Die Frage ist ja immer: Bringen neue Aspekte wirklich Neues, werfen Sie ein Licht auf die Figur, dass ich bisher nicht kannte, heben sie Ecken oder Kanten hervor, die bisher nicht zu sehen waren? Ist es wirklich notwendig, dass man wissen muss wie Han Solo und Chewbacca sich getroffen haben? Für die Filme der Original-Trilogie - nicht. Für die späteren: Auch nicht. Han Solo funktioniert als Figur besser, wenn man nicht viel über ihn weiß. Außer, dass er ein charmantes Raubein, ein Schmuggler ist und irgendwann mal eingefroren wird. Zum Verständnis der Figur brauche ich keinen Extra-Hintergrund, den ich dann unbedingt im Solo-Film - gnihihihi - geliefert bekommen habe. Weil George offenbar meinte, es sei eine tolle Idee. Nein. George. Nein.
Und ich muss auch nicht wissen, was Dumbledore in seiner Jugend getan hat. Für die anderen Filme ist die Skamander-Reihe irrelevant. Besonders erfolgreich scheint sie auch nicht zu sein, sonst würden wir alle von Merchandising-Produkten überschwemmt werden. Dasselbe gilt für die Minions-Filme: Ich brauche nicht zu wissen, wie die Minions Drew entdeckt haben. Das ist eine völlig unnötige Lückenfüllerei, die im Endeffekt nichts bringt. Ja, schön, das gesehen zu haben - gut, „Minions“ wird nochmal ein neues Licht auf die Kultur der Minions, aber … möchte ich wirklich wissen, was die vor Drew gemacht haben? Eventuell. Ist das notwendig, die Vorgeschichte noch und nöcher zu erzählen? Ebenfalls nein. Solange aber etwas Geld einbringen könnte, solange wird es gemacht.
Neue Held*innen braucht die Serienwelt. Neu Helden*innen in alten Universen. Oder zumindest mal neue innovative Ideen. Ich weiß ja auch, ein Juwel wie „Legion“ ist halt nicht jedes Jahr dabei. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Serienmacher sich irgendwann einmal wieder vom Fanservice lösen werden und neue Dinge in bekannten Settings erzählen werden. Ohne, dass irgendwas vor- oder nach-erzählt wird.
Kommentare
Aber bei den Minions geht es nicht darum, eine Lücke zu füllen oder eine Geschichte zu erzählen.
Die ist da absolut zweitrangig. Es geht darum, gelbe witzige Kerlchen in verrückten Situationen zu erleben und abzulachen.
Aber es ist ja nicht alles nur negativ zu sehen. Der Buzz Lightyear-Animationsfilm ohne den Spielzeugrest der vorherigen TOY STORY Filme finde ich durchaus interessant und würde ich mir gerne mal ansehen wollen. Und bei den Minions, da muss ich @Cartwing völlig recht geben, geht es schlicht um witzige kleine Kerlchen in verrückten Situationen. Kann ich mir also immer ansehen, egal welche Hintergrundstory hierzu gerade mitgeliefert wird.
So hat alles seine Vor- und Nachteile. Und über dieses Serien- "Juwel" LEGION müssen wir eben noch mal reden, wenn ich es mal zu sehen kriege (also auf einem normalen und keinem Extra-Bezahlsender).
Bei "Better call Saul" fiebere ich auch nicht in jeder Folge um das Leben von Mike, weil ich weiß, es ist ein Prequel zu "Breaking Bad".
Ich weiß, wie das das alles endet, und doch ist es spannend. Weil die Spannung aus der Frage resultiert, wie aus Jimmy McGill Saul Goodman wurde, und nicht ob er das Staffelfinale überlebt.
Mit anderen Worten: Die Frage ist nicht unbedingt, ob die Welt diese Lückenfüller braucht, sondern ob sie gut genug sind, um als eigenständige Filme / Serien bestehen zu können.
Zumal die Hauptfiguren in Serien ja sowieso eher selten den Löffel abgeben müssen...
"Egal wie spannend es wird, das zukuenftige Schicksal der Figur ist ja eh bekannt "
Nun ja, diese Serie um Obi Wan Kenobie ist ja nun keinen One-Man-Show. Man weiß zwar wie er endet, aber die Spannung könnte sich durchaus über die hier eventuell eingefügten anderen Figuren ergeben.
Ist halt wie bei einem Helden aus einer Heftromanserie. Ich weiß schon vorher das der nie sterben wird oder im Zweifelsfall doch wieder aufersteht. Der Held ist also nicht zwangsläufig der eigentliche Träger des Spannungselement.
Allerdings sehe ich das mit Obi Wan auch eher als ein Fallbeispiel. Denn ich bin da hinter der Serie auch nicht her, weil mich schon die STAR WARS Filme (samt der Ableger wie etwa "HAN SOLO") insgesamt nicht mehr abholen, seit Disney das Ganze in den Händen hält. Da mag dann durchaus die eine oder andere gut gemachte Szene bei sein für mich, aber das ändert leider nichts für mich persönlich daran, dass man hier in Sachen Handlung und Aufbau der Geschichten zu viel recht lieblos verhunzt, weil man nur die Einnahmen im Kopf hat. In dem Sinne bleiben für mich nur die ersten sechs Kinofilme das wahre STAR WARS. Aber andere sehen das eventuell wieder anders und die bestimmen dann eben auch, ob es ein Erfolg wird oder nicht. Ob mir es trotzdem nicht gefallen hat, ist dagegen ein Problem, mit dem ich alleine klar kommen muss. Im Zweifelsfall also einen solchen Film oder eine solche Serie einfach links liegen lassen, dann ärgert man sich auch nicht danach.
Der große Unterschied zwischen "Better call Saul" und "Star Wars" liegt darin, dass Saul in der Realität spielt und es um nachvollziehbare menschliche Konflikte und Probleme geht. Und vor allem, dass hier dieselben Schöpfer ihre Geschichte weiterentwickeln. .
Star Wars ist von Anfang an das konzeptionell schlichte Destillat aus schlichter Abenteuer-SF gewesen. Ein Universum, das dann in Hunderten von Comics und Romanen in 40 Jahren von Hunderten Autoren breitgetreten und ausgelutscht wurde. Um dann jegliche Relevanz durch den Neustart zu verlieren. Was Obi Wan X.0 tut oder nicht, ist völlig banal. Es ist nur die xte Version von "Was wäre wenn" und hat keinen Nährwert. Dass dafür so viele Millionen verballert werden, ist zwar bedauernswert, aber da nichts Neues haften bleibt, ist es auch konsequent. Mit irgendwelchem Zeug muss man ja die eigenen Kanäle füllen.
Es fällt so leicht, Star Wars und Star Trek zu ignorieren,
Zitat: Mir bislang auch, abgesehen natürlich von den drei ursprünglichen Star Wars - Filmen.
Aber obwohl ich dem Star Trek - Universum nie etwas abgewinnen konnte, muss ich zugeben, dass mir - da schließe ich mich Friedhelm an - Discovery ziemlich gut gefallen hat...