Von der Organisation und Bösen Affen
Von der Organisation und Bösen Affen
Schließlich hatte sie eine Menge von Zeugs in den Adern. Reumütig wirkt sie dabei ganz und gar nicht. Fehler passieren halt. Damit kommt die Organisation schon klar. Während der Arzt den Kassettenrecorder laufen lässt, erzählt Jane ihre Geschichte. Eine Geschichte von Gut und Böse. Von Affen. Clowns. Von ihrem Bruder. Von Mördern. Von seltsamen Bomben und noch seltsameren X-Drogen. Und während die Handlung rasant abrollt fragt man sich als Lesender: Ist das alles auch so passiert?
Dass das Böse bestraft werden muss, ist eine Feststellung die so alt ist wie die Menschheit. Dass das Böse schadet, dass das Böse gegen die Ordnung ausschlägt - das ist Etwas, was was wir alle jeden Tag erfahren und erleben. Und dass es Organisationen gibt, die das Böse bekämpfen, das wissen wir auch. Die Polizei ist so eine Organisation. Soweit also keine neuen Erkenntnisse, die Matt Ruff in seinem Roman „Bad Monkeys“ aufstellt. Es gibt das Gute. Es gibt das Böse. Es gibt Menschen, die das Gute tun, es gibt Menschen, die das Böse tun. So weit, so klar. Natürlich wissen wir auch, dass es Nachrichtendienste gibt, dass es Agenten gibt, die die Grenze zwischen Gut und Böse eventuell etwas - lockerer sehen. Jane Charlotte ist als Agentin unterwegs, um das Böse zu bekämpfen. Wobei es sich hier schon um vorsorgliches Ausschalten handeln kann. Denn es geht der Organisation darum „das Böse“ auszurotten. Es geht also nicht um den Handtaschenräuber, sondern es geht schon eher um die höheren Chargen des Bösen. Die, so laut Jane Charlottes Erzählung - und nur die haben wir vorliegen - als „böse Affen“ beseitigt werden müssen.
Wer versucht die Geschichte von Jane nach Tatsachen zu werten und logisch ein zuordnen wird schnell scheitern. Denn, so Janes Erklärung, natürlich kann eine mächtige Organisation dafür sorgen, dass alles, was nachprüfbar ist am Ende des Tages als Lappalie erscheint. Zahlen, Daten, Personen - das alles kann von der Organisation umgestaltet werden könnte. Dabei stellt sich schnell heraus: Jane ist keine Chronistin und manche Dinge - so räumt sie selbst ein - hat sie im Laufe der Geschichte verborgen. Dreist gelogen. Oder zumindest, was ihren Bruder angeht, als Wahrheit eingeräumt, die wirklich so hätte sein können. Es aber nie gewesen ist. Zumindest an diesen Stellen müssten wir als Lesende einen Punkt machen und uns fragen: Ist das was Jane erzählt nun das, was aus dem Gehirn einer obdachlosen Drogenabhängingen stammt, die mit der Realität nicht klarkommt? Und deswegen eine Organisation plus Pendant - die „Bad Monkeys“ - erfindet? Möglich wäre das durchaus.
Eine Möglichkeit, die Dr. Valis auch sieht. Jane erfindet etwas, um sich nicht mit dem Vorfall auseinandersetzen zu müssen, der mit ihrem Bruder zu tun hat. Eine Abwehrreaktion, die in fantastische Gebilde auswuchert. Wer glaubt denn nun wirklich daran, dass eine Organisation Waffen herstellten kann, die Herzinfarkte verschießen? Eine Organisation, in der man im Traum zur Schule geht? Eine Organisation, die ihre Agenten in Sheerleader-Kostüme steckt? Weil es höchst unglaubwürdig ist? Ja, gerade weil es höchst unglaubwürdig sein soll: Wer würde denn schon das Gegenüber für normale ansehen, würde es von davon berichten? Eben. Hinter all dem, was Jane erzählt könnte also eine psychische Krankheit stecken. Weswegen sie ja auch in einer Klinik gelandet ist. Und Dr. Vale kann das alles nicht entkräften oder bestätigen. Denn im Hintergrund arbeitet die Organisation ja schon daran die Tarnung aufrechtzuerhalten oder zu konstruieren.
So bleibt im Endeffekt erstmal nur der rasenden, actiongeladenen Handlung - schließlich befinden wir uns auf dem Gebiet des Agentenromans, der ja durchaus phantastische Elemente haben darf und kann - zu folgen. Und seinen Spaß daran zu haben. Denn selbst, wenn Jane eine unzuverlässige Erzählerin ist, so ist die Geschichte an sich durchaus so konstruiert, dass sie Spaß macht. Matt Ruff hat seinem Affen Zucker gegeben. Rasante Verfolgungsjagden, Bluffe und Doppel-Bluffe, Uhren als Bomben - all das macht durchaus Spaß. Auch, wenn eine leise Stimme im Hinterkopf immer fragt: „Ist das jetzt wirklich nicht etwas zu übertrieben? Ist das jetzt nicht wirklich etwas zu weit gehend? Selbst, wenn es so hätte sein können?“
Der Clou des Romans besteht nun nicht darin, dass Jane Charlotte eine unzuverlässige Erzählerin ist. Es ist eigentlich auch unwesentlich, ob das, was Jane erlebt hat nun echt oder war oder nicht. Der Clou ist die Frage danach, ob Jemand wirklich von Grund auf so gut sein kann, dass er selbst durch schlechte Menschen nicht verdorben wird und ob das auch umgekehrt der Fall sein kann. Es gibt im Roman ab und an Stellen, an denen über das Böse oder das Gute debattiert wird. Es gibt mit Love, dem Anführer der Crazy Clowns, auch eine Figur, die schnell als „bad monkey“ hätte enden können, wenn die Organisation nicht frühzeitig eingegriffen hätte. Gerade durch diese Personen wirkt das letzte Kapitel des Romans so, wie es wirkt. Wenn der Vorhang fällt, sind zwar Fragen beantwortet und Erkenntnisse gewonnen. Ob allerdings das Gute immer das Böse ist, was man lässt - so Kästner - ist halt eine schwierige Frage. Und lohnt die erneute Lektüre des Romans.