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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit John Jakob Astor?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit John Jakob Astor?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler:Am  29. März 1848, starb der erste amerikanische Multimillionär: Johann Jakob Astor.

1763 als armer Metzgersohn in Walldorf bei Heidelberg geboren, hatte er es schon im Jahr 1800 zum reichsten Mann der Neuen Welt gebracht. Historisch gehört er zu den 18 wohlhabendsten Männern aller Zeiten.

Die Grundlage für seinen Reichtum, von dem seine Nachkommen noch heute zehren, schuf er mit dem größten Schatz, den es damals in Nordamerika gab – dem „braunen Gold“, dem internationalen Pelzhandel.

Astor gründete im April 1808 – vor 210 Jahren - die „American Fur Company“. Diese Firma war zeitweise das größte und profitabelste amerikanische Unternehmen. Es war die einzige Firma, die mit der britischen Hudson’s Bay Company konkurrieren konnte und sie teilweise übertraf.

Von seinem Büro in New York aus steuerte Astor Niederlassungen im Fernen Westen Amerikas, die ihren Beitrag zur Besiedelung des Landes leisteten.

Er hatte seine Agenturen im Bereich der Großen Seen und entlang des Columbia River. Von St. Louis aus zogen seine Vertreter den Missouri hinauf. 1810 gründete er Astoria, die erste amerikanische Niederlassung am Pacific. Ihm gehörte unter anderem Fort Union am Oberen Missouri. Hunderte von Trappern und Mountain Men standen in seinen Diensten.

Während er Millionen verdiente, blieb sein persönlicher Lebensstil bescheiden. Seine Angestellten beobachteten, wie er selbst in den Lagerhäusern in New York die Motten aus den angelieferten Pelzen klopfte.

Seine Schiffe umrundeten den Globus, trugen die Pelzwaren in alle Welt und brachten Tee und Porzellan aus China, französische Weine, Glaswaren aus Italien, Wolldecken aus England und tausend andere Güter aus vielen Ländern nach Nordamerika. Er handelte mit allem, was von Wert war. Sein geschäftlicher Instinkt war phänomenal. Er war ein Visionär, der seiner Zeit meist voraus war. Aber er war auch skrupellos und ohne jede Rücksicht, wenn er seine Interessen durchsetzen wollte. Korruption und politische Erpressung gehörten für ihn ebenfalls zum Geschäft, um seinen Reichtum zu mehren.

Die Legende, daß er aus dem Nichts zum Mogul wurde, stimmt allerdings nicht so ganz. Zwar verließ er bettelarm sein Elternhaus in Walldorf und folgte seinen drei Brüdern und seinem Onkel George nach England, wo er in deren Manufaktur für Musikinstrumente eintrat. Er war 17 Jahre alt, als er hier die Grundlagen des Geschäftslebens und die englische Sprache lernte. Von Anfang an aber hatte er die Absicht, nach Nordamerika weiterzuziehen. Er wartete jedoch, bis die amerikanische Unabhängigkeit gesichert war. 1784 traf er in den USA ein – und er kam nicht völlig besitzlos. Seine Brüder hatten ihn mit einem gewissen Kapital ausgestattet, und er hatte in seiner Zeit in London Ersparnisse angelegt. So konnte er sich in New York zunächst am Metzgerladen seines Bruders Henry beteiligen. Daneben arbeitete er als Bote für einen deutschen Bäcker namens George Dietrich, und er verkaufte die Musikinstrumente aus der Fabrik seines Onkels in England. Der Durchbruch für ihn kam, als ihn der Pelzhändler Robert Bowne als Assistent anstellt. Nach nur einigen Monaten hatte der talentierte und ehrgeizige Astor sich alle Kenntnisse angeeignet, die nötig waren, sein eigenes Geschäft zu eröffnen.

Schon 1785 heiratete er Sarah Cox Todd, bei deren Mutter er ein Zimmer gemietet hatte. Es war eine hervorragende Entscheidung; denn seine Frau wurde ihm eine loyale und ebenfalls höchst geschäftstüchtige Partnerin. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor. Dank der familiären Beziehungen und Verwandtschaft, erhielt Astor Zugang zur New Yorker Mittelklasse, was seinen Geschäften sehr zuträglich war. 1789 wurde er amerikanischer Staatsbürger.

Ab 1794 entwickelten sich Astors Geschäfte rasant. In diesem Jahr war zwischen den USA und England der sogenannte „Jay-Vertrag“ abgeschlossen worden, der die Handelsschranken zwischen beiden Ländern aufweichte und Ex- und Importgeschäfte erleichterte. Sofort schloß Astor einen Vertrag mit der „North West Company“ in Montreal ab, die in scharfem Konkurrenzkampf zur Hudson’s Bay Company stand. Die Firma verkaufte ihre Pelze an Astor, der sie auf der Grundlage des Freihandelsabkommens nach Europa transportierte. Sechs Jahre später war er mit seinem Geschäftsmodell zum reichsten Mann Amerikas und Herrscher des amerikanischen Pelzhandels aufgestiegen. Ihm gehörte zu dieser Zeit bereits eine Flotte von 12 Frachtschiffen, die zwischen Nordamerika, Asien und Europa pendelten.

Als zwischen den USA und England erneut Spannungen auftraten und 1807 ein Handelsembargo erlassen wurde, erlitt Astor zunächst geschäftliche Einbußen, aber aufgrund einer Genehmigung durch Präsident Thomas Jefferson etablierte er am 6. April 1808 die „American Fur Company“, die er mit Geschick und unglaublicher Rücksichtslosigkeit erweiterte und zum ersten amerikanischen Großkonzern ausbaute. Kleinere Pelzhandelsfirmen wurden verdrängt.

1810 finanzierte er eine Expedition, die erstmals die Route durch den Westen zog, auf der später die Planwagentrecks nach Oregon und Kalifornien rollen sollten. Die „Astorianer“ überquerten die Rocky Mountains über den South Pass und gründeten Fort Astoria an der Columbia-Mündung, von wo aus Astor den Asienhandel beschleunigen und dominieren wollte. Dieses ehrgeizige Unternehmen, mit dem die Amerikaner erstmals auch physisch Anspruch auf die Westküste des Kontinents erhoben, scheiterte. Englisches Militär marschierte 1812 bei Ausbruch des Krieges zwischen den USA und Großbritannien von Kanada aus ein und konfiszierte Fort Astoria. Das war um so leichter, als die meisten Angestellten Astors englische Staatsbürger waren. Astor hatte sie wegen ihrer Erfahrungen im Pelzhandel angeheuert und gut bezahlt, aber sie fühlten sich jetzt der britischen Krone mehr verbunden als ihrem Arbeitgeber.

Astor vergaß diese Schmach nie. Mit seinen schier unbegrenzten finanziellen Mitteln gelang es ihm, die amerikanische Politik zu beeinflussen und ab 1817 englische Geschäftsleute vollständig vom amerikanischen Territorium zu vertreiben, so daß er letztlich den amerikanischen Pelzhandel monopolisierte. Aber auch wenn Fort Astoria scheiterte – Historiker sehen diese Gründung Astors heute als Voraussetzung dafür an, daß die USA letztlich das Oregon-Territorium in Besitz nehmen konnten.

Zahlen belegen, daß die „American Fur Company“ zwischen 1815 und 1830 Ausgaben von ca. 2,1 Millionen Dollar – für Handelsposten, Tauschwaren, angestellte Händler, Trapper und Mountain Men, usw. – bei einem Ertrag von über 3,7 Millionen hatte, was einen erwirtschafteten Gewinn von mehr als 1,6 Millionen Dollar bedeutete – nach heutigem Wert etwa 50 Millionen!

1834 sah Astor den Niedergang des internationalen Pelzhandels voraus, und er erkannte, daß der unablässige Strom von Emigranten in die Vereinigten Staaten eine gewaltige Entwicklung der Städte in Nordamerika zur Folge haben würde. Schon zwischen 1790 und 1800 hatte sich die Einwohnerzahl von New York verdoppelt. Astor hatte bereits zu dieser Zeit angefangen, günstig Grundstücke in einem Gebiet zu kaufen, das heute den Stadtteil Manhattan bildet. 1834 verkaufte er die „American Fur Company“ auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs an Pierre Chouteau in St. Louis und investierte den Erlös in den Erwerb weiterer riesiger Landflächen in und um New York.

Seine Entscheidung erwies sich als richtig. New York wuchs noch zu seinen Lebzeiten in atemberaubender Schnelligkeit. Land wurde benötigt, um Geschäftshäuser und Wohnungen zu bauen. Statt die im Wert rasant steigenden Parzellen zu verkaufen, verpachtete Astor das Land und strich Jahr um Jahr enorme Gewinne ein. 1836 eröffnete er in New York das „Astor House“ Hotel, das eleganteste Hotel jener Zeit in den USA.

Er war sich seiner Ausnahmestellung durchaus bewußt und sorgte sich mit wachsendem Alter um sein Bild in der Geschichte. Er engagierte den berühmten amerikanischen Schriftsteller Washington Irving, der eine exzellente Geschichte von Astors Leben schrieb. Ferner machte sich Astor als Kunstmäzen einen Namen, stiftete Museen und unterstützte Bibliotheken. So ließ er für 400.000 Dollar die „Astor Bibliothek“ errichten, aus der die heutige „New York Public Library“ hervorging. Eingedenk seiner bescheidenen Kindheit, stiftete er Geld für ein Armen- und Waisenhaus in seiner Heimatstadt Walldorf in Deutschland. Der Columbia Universität finanzierte er die Einrichtung eines Seminars für Deutsche Literatur. Zwischen 1837 und 1841 amtierte er als Präsident der Deutschen Gesellschaft von New York, die er ebenfalls großzügig unterstützte.

Er residierte zunächst in seinem großen Haus 233 Broadway in Manhattan, später in der Prince Street im selben Stadtteil. Anekdoten gingen um, daß er bis zu seinem Ende sehr eigenwillige Tischmanieren pflegte, seinen Mund nach dem Essen mit einem Zipfel des Tischtuches abwischte und in die Vorhänge an den Fenstern schnäuzte.

Als Astor am 29. März 1848 starb, hinterließ er nach heutigem Wert ein Erbe von mehr als100 Milliarden Dollar. Damit war er der fünftreichste Mensch der gesamten amerikanischen Geschichte.

Das Meiste erbte sein zweiter Sohn William. Astors erster Sohn war kränklich und geistig behindert. Astor sorgte in seinem Testament dafür, daß es ihm in seinem Leben an nichts fehlte.

Die Hotelkette „Waldorf-Astoria“, die 1893 von seinem Enkel William Waldorf Astor gegründet wurde, geht auf Johann Jakob Astor zurück, auf den Mann, der mit seinen Unternehmungen den amerikanischen Westen öffnete.

Die Bilder zeigen Johann Jacob Astor, seine Niederlassungen Fort Astoria und Fort Union, Lagerhäuser seiner Firma in Mackinac (Michigan) und Prairie du Chien (Wisconsin), sowie die Flagge der „American Fur Company“. Ferner ein Blick über den South Pass, den seine Astoria-Expedition 1810 überwand, einen Trading Post, eine „Friedensmedaille“ mit Astors Portrait, die seine Agenten indianischen Handelspartnern überreichten, das Waldorf-Astoria Hotel in New York und die Grabstätte der Familie.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die aktuelle Ausgabe

 

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