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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Balduin Möllenhausen?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Balduin Möllenhausen?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Wenn es um deutsche Amerika-Autoren des 19. Jh. geht, fallen Namen wie Karl May und Friedrich Gerstäcker. Aber wer denkt noch an BALDUIN MÖLLHAUSEN? Dieser Mann ist am 28. Mai 1905 gestorben, vor genau 116 Jahren. Er war vermutlich einer der besten Kenner Nordamerikas in seiner Zeit.

Er wurde am 27. Januar 1825 als Sohn eines Artillerieleutnants der Lützower Jäger geboren. Später arbeitete der Vater beim Eisenbahnbau in Griechenland und war als Ingenieur international bekannt.

Balduin Möllhausen besuchte das Gymnasium in Bonn und dann eine landwirtschaftliche Lehre. Nach seinem Militärdienst war Möllhausen 1848 an der deutschen Revolution beteiligt und ging daher nach Ende der Unruhen zunächst nach Nordamerika, wo er sich fast 2 Jahre lang mit unterschiedlichen Arbeiten durchschlug. Er hielt sich in verschiedenen Staaten, wie etwa Illinois und Missouri, auf, und zwar meist in den weniger besiedelten Gebieten. Er verdiente sein Geld als Schildermaler, Landvermesser und Buchhalter.

1851 traf er den Privatgelehrten und Forschungsreisenden Herzog Paul von Württemberg, der eine Expedition in die Rocky Mountains unternehmen wollte. Württemberg benötigte einen Scout und war froh über einen Mann, mit dem er Deutsch sprechen konnte. Möllhausen zog mit Württemberg bis nach Fort Laramie. Auf ihrem Weg mussten sie sich mit einem großen Präriefeuer auseinandersetzen, und es gab einen Angriff von Plainsindianern. Danach kam es zu einem frühen Wintereinbruch. Bei einem schweren Schneesturm verloren Württemberg und Möllhausen ihre Pferde. Rein zufällig tauchte eine Postkutsche auf. Hier war nur noch ein Platz frei. Der Herzog versprach, für Hilfe zu sorgen, bestieg den letzten Platz der Kutsche und verschwand, ohne sich weiter um Möllhausen zu kümmern.

Möllhausen blieb allein in der Wildnis zurück und kämpfte sich zu Fuß durch. Er widerstand feindlichen Indianern, Hunger und Kälte. Anfang Januar 1852 begegnete er einer Gruppe von freundlichen Oto-Indianern, die ihn mit Essen versorgten und mitnahmen. Das war seine Rettung. Mehrere Monate später erreichte Möllhausen New Orleans, wo er Herzog Paul wiedertraf, der seinen treuen Angestellten völlig vergessen und für tot gehalten hatte.

Möllhausen verlor kein böses Wort über das verantwortungslose Verhalten von Paul von Württemberg und blieb bei ihm in New Orleans, bis der preußische Konsul ihm anbot, einen Transport von 200 Tieren nach Berlin zu begleiten. So erreichte Möllhausen 1853 wieder seine Heimat. Hier wurde er vom Direktor des Berliner Zoos keinem Geringeren als dem großen Wissenschaftler Alexander von Humboldt vorgestellt. Die beiden Männer freundeten sich an, und Humboldt empfahl ihn als Topographen für die geplanten amerikanischen Eisenbahnlinien.

Möllhausen kehrte nach Amerika zurück und erhielt eine Anstellung bei einem Vermessertrupp, der von First Lieutenant Amiel Whipple geführt wurde. Die Expedition brach am 15. Juni 1853 von Fort Smith am Arkansas auf und zog durch das damals als „Indianerterritorium“ bekannte Gebiet nach Texas, New Mexico, Arizona und Kalifornien, wo sie im März 1854 eintraf. Von hier aus kehrte Möllhausen zunächst nach Berlin zurück. Seine Arbeit fand bei den Amerikanern so hohe Anerkennung, dass er 1857 gebeten wurde, die offizielle Landvermessungsexpedition entlang des Colorado River unter dem Kommando von First Lieutenant Joseph C. Ives zu begleiten. Möllhausen gehörte zum wissenschaftlichern Stab dieser Truppe, die im Januar 1858 in Fort Yuma (Arizona) aufbrach und 530 Meilen dem Colorado River folgte, zunächst mit einem kleinen Dampfschiff, das speziell für diese Fahrt gebaut worden war. Dann wurde der Fluss zu flach, und die Männer wanderten zu Fuß weiter und erreichten den Grand Canyon.

Ives führte die Expedition schließlich ostwärts bis Fort Defiance. Hier trafen die Männer am 23. Mai 1858 ein. Das Resultat dieser Forschungsreise erschien unter dem Titel „Report Upon the Colorado River of the West“ im Jahr 1861. Die Illustrationen dieses Textes stammten von Balduin Möllhausen, und die breite Öffentlichkeit sah zum erstenmal Bilder des Grand Canyons.

Sie zog auf großen Teilen des Santa Fe Trails bis nach Fort Leavenworth in Kansas, wo sie im September ankam. Von hier aus ging Möllhausen nach New York und segelte zurück nach Europa.

Möllhausen fertigte die allermeisten Illustrationen und Landkarten für den Whipple-Bericht, in dem der Bau einer Eisenbahn vom Mississippi bis zum Pacific empfohlen wurde. Viele seiner Skizzen, Landkarten und Bilder liegen heute im Archiv der Oklahoma Historical Society. Mehr als 30 seiner Aquarelle erhielt das Staatliche Museum für Völkerkunde in Berlin. Allerdings wurde das Möllhausen-Werk im 2. Weltkrieg durch Feuer zerstört.

Möllhausen wohnte nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Haus von Alexander von Humboldt in Berlin und heiratete 1855 Karoline Seifert.

Wieder auf Empfehlung von Humboldt ernannte König Friedrich Wilhelm IV. ihn zum Leiter der Bibliotheken in den königlichen Schlössern in Potsdam.

Möllhausen war nicht nur ein fleißiger Schriftsteller, der seine Erlebnisse in Nordamerika in zahlreichen Romanen verarbeitete, die ihn zweifellos zu einem der bedeutenden deutschen Vertreter des Amerika-Abenteuerromans machten. Man nannte ihn zu seinen Lebzeiten den „deutschen James Fenimore Cooper“. Er war auch ein talentierter Maler, der die visuellen Eindrücke seiner Reisen in Hunderten von eindrucksvollen Skizzen und Gemälden festhielt.

Zu seinen bedeutendsten Büchern zählen „Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas bis zum Hochplateau von Neu-Mexiko“ und „Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee“.

Viele Figuren in seinen Romanen sowie landschaftliche und völkerkundliche Beschreibungen wurden zweifelllos als Vorlagen von Karl May benutzt. Möllhausen hat nachdrücklich zu den Vorstellungen der Deutschen vom Westen Amerikas beigetragen.

Balduin Möllhausen lebte in Potsdam und in Berlin-Charlottenburg. Als er starb, wurde er auf dem Friedhof Columbiadamm beerdigt. Auf seinen eigenen Wunsch wurde er in seinem alten Hirschlederanzug, den er während seiner Amerika-Reisen getragen hatte, in den Sarg gelegt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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