»Das hab' ich kommen gesehen« - Der Blick in die Zukunft bei Perry Rhodan und anderswo
»Das hab' ich kommen gesehen«
Der Blick in die Zukunft bei Perry Rhodan und anderswo
Komme ich auf der Autobahn pünktlich an mein Ziel oder gehe ich davon aus, dass der Mix aus Baustellen und Rückreiseverkehr aus den Ferien den Verkehr zum Erliegen bringt und fahre entweder früher los oder gleich über die Umgehungsstrecken - oder beides?
Große Menschenmengen gehorchen dabei eigenen Regeln, und es hat durchaus Bemühungen gegeben, diese Regeln abzuleiten. 1918 veröffentlichte der Philosoph Oswald Spengler den ersten Band seines Werkes „Der Untergang des Abendlandes“, in dem er die Theorie aufstellte, dass jede Kultur in ihrem zeitlichen Verlauf dem gleichen Schema folgt: sie blüht auf, entfaltet sich, erreicht ihren Zenit und wird dann kraftlos und anfällig für andere Kulturen,die sie verdrängen. Um seine Theorie zu untermauern, stellte Spengler die ägyptische Kultur neben die römische, die chinesische und die europäisch-nordamerikanische, und seiner Analogie zufolge hatte die abendländische Kultur um 1900 ihren Höhepunkt schon überschritten. Manche Zeilen lesen sich regelrecht prophetisch.
Ich weiß nicht, ob Isaac Asimov neben dem „Aufstieg und Fall des römischen Reichs“ auch Spengler gelesen hatte, als er seinen berühmten „Foundation“-Zyklus konzipierte, denn Hari Seldon und seine Wissenschaft der Psychohistorik haben für mich durchaus Ähnlichkeit mit Spenglers Theorie. Seldons Psychohistoriker können keine Prognosen zur Zukunft von Individuen treffen, sondern nur Aussagen über die Zukunft von Menschenmengen in der Größenordnung von Staatsgebilden. Im späteren Verlauf der Geschichte ist es dann auch ein Individuum mit ungewöhnlichen Gaben (in der deutschen Übersetzung „der Fuchs“), der Seldons vorgeschlagene Reaktionen auf die von ihm vorherberechneten Abläufe durcheinanderbringt.
Die Zukunft vorher zu sehen ist eine Sache für sich und rührt an den Streit um Vorherbestimmung und freien Willen. Zum Sagenkreis um den Trojanischen Krieg gehört die Geschichte von Kassandra, die einerseits mit der Gabe gesegnet war, die Zukunft exakt vorauszusehen – andererseits war sie auch mit dem Fluch beladen, dass niemand ihren Vorhersagen Glauben schenkte, so dass all das Unheil eintreten konnte, das sie prophezeit hatte. In Kassandras Welt war die Zukunft vorherbestimmt und nicht zu ändern – wenn auch möglicherweise erst ab dem Moment, in dem Kassandra in die Zukunft gesehen hatte. Das klingt ein wenig nach Erwin Schrödingers Gedankenexperiment mit der Quantenkatze, über deren Tod und Leben erst in dem Moment entschieden ist, in dem jemand tatsächlich nachschaut. Diese Art der Zukunftssicht ist denn auch entsprechend wenig populär in der Science Fiction. Dass man damit im Film Erfolg haben kann, zeigen „Final Destination“ und die Sequels, in denen ganz zu Anfang jemand haargenau den unmittelbar bevorstehenden eigenen Tod (und den einer Menge anderer Menschen!) voraussieht und sich und ein paar andere vor der Katastrophe bewahrt, nur damit sie wenig später auf bizarre Weise doch gewaltsam ums Leben kommen. „Der Tod lässt sich nicht betrügen“, lautet die Botschaft.
Im neuen Zyklus hatten wir es bisher mit drei anderen Arten von Präkognition zu tun.
Die „Hüter der Zeiten“ sehen eine Zukunft, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten wird, wenn niemand etwas dagegen tut - und ihre Informationen bieten den Streitkräften des Kodex von Phariske-Erigon die Gelegenheit, sich darauf vorzubereiten und das Schlimmste zu verhindern. Dabei sehen die Hüter die Zukunft immer noch in relativ großem Maßstab: „In zwei Tagen werden die Tiuphoren das Mitraia-System angreifen!“
Viel persönlicher und kurzfristiger sind die Visionen, die in PR 2816 dem Lainlién Foynfiél zuteil werden. Er sieht nur wenige Sekunden in die Zukunft und kann damit einzelnen Raumschiffen helfen, vernichtenden Angriffen auszuweichen – falls eine solche Möglichkeit innerhalb seiner Reaktionszeit überhaupt existiert. In den Kämpfen gegen die Perlians der Dritten Schwingungsmacht brachte deren „Zeitauge“ offenbar keinen schlachtentscheidenden Vorteil, obwohl es eine Zehntelsekunde in die Zukunft sah.
In so einem Fall gilt eine Wahrheit, die William King in seinem „Warhammer 40.000“-Roman „Farseer“ einem Runenpropheten der Eldar in den Mund legte:
„Es gibt viele mögliche Zukünfte. Manchmal ist aber keine einzige gute dabei.“
Und in gewisser Weise reflektiert dieser Ansatz auch das Handeln des Atopischen Tribunals: „Wir haben diese Galaxis brennen gesehen. JEDE andere Entwicklung ist dieser vorzuziehen!“
Zu guter Letzt wäre dann noch die „Zeitnavigation“ des ehemaligen Richterschiffes ATLANC zu nennen, das seinem Kommandanten in PR 2812 mitteilte:
„Das Mein, das ANC hat erkannt, dass der ATLANC eine Falle gestellt wird. Eine Zeitfalle, der auszuweichen ebenso unmöglich sein wird wie ihr zu entkommen.“
Atlan zog sofort den richtigen Schluss: falls er den Erbauern der Falle „draußen“ im Universum genug Zeit dafür ließ, würden sie eine Falle um den Atopischen Konduktor im Arkon-System konstruieren und ihn dann so manipulieren, dass die ATLANC aus der Synchronie geworfen werden würde, hinein in einen Hinterhalt, aus dem sie nicht entkommen könnte.
Also brachte Atlan sein Schiff an einem Zeitpunkt aus dem Konduktor, bevor die Falle vollkommen ist, und brach aus der Umklammerung aus.
Der Rest wurde Geschichten ..
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